Räubergeschichten am Schwalmis... T4+-Gratwanderung ab Klewenalp bis Niederbauen


Publiziert von Fux , 20. Oktober 2014 um 08:59.

Region: Welt » Schweiz » Nidwalden
Tour Datum:18 Oktober 2014
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Bauen - Brisen - Bürgenstock   CH-NW   CH-UR 
Zeitbedarf: 1 Tage 2:00
Aufstieg: 1000 m
Abstieg: 1000 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Luftseilbahn Beckenried - Klewenalp
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Luftseilbahn Niederbauen - Emmetten

Mit Kletterkollege Ben ging’s vorgestern Samstag los auf eine herbstliche Wandertour. Das tolle Wetter wollten wir ausnützen in der Innerschweiz mit 1,5 Tagen inkl. Nacht an der frischen Luft unter dem voralpinen Sternenzelt!
Beide etwas müde von der Woche wollten wir zwar was erleben und hatten uns eine schöne Tour ausgesucht, konnten aber gut aufs frühe Aufstehen verzichten... So starteten wir um 10:30h ab der Klewenalp (Luftseilbahn ab Beckenried). Dass die Sache noch aufregender werden sollte, als mir lieb war, ahnte ich noch nicht... Wir wollten über den Schwalmis und Oberbauenstock in Richtung Niederbauen Chulm wandern und dort an einem schönen Plätzli, vielleicht auf dem Gipfel, übernachten. Eine tagesfüllende Tour mit ca. 15km und 1300hm. Insbesondere zumal unsere Rucksäcke mit dem Schlafsack, Zelt, Kochmaterial und in Anbetracht des wasserlosen Geländes mit 6,5 Liter Wasser beladen waren und uns der knackige Schwierigkeitsgrad T4+ erwartete.
Hoch ging’s in Richtung Schwalmis.
Die Temperaturen waren von Beginn weg erstaunlich für den 18. Oktober. Im T-Shirt kamen wir gut ins Schwitzen. Unser Ballast trug das seine dazu bei, dass wir schon auf dem Schwalmis nach ca. 2:15h (und gut 700hm) mehr als eine 1,5l-Flasche gehöhlt hatten.
Der grasbewachsene Schwalmis-Gipfel, an der Grenze von Nidwalden und Uri, ist ein traumhafter Ort, der zum Verweilen einlädt. Der Blick auf Luzern, den Zugersee, die Rigi, einen Grossteil des Vierwaldstättersees, den Glärnisch und den schneeweissen Tödi ist traumhaft. Wir sassen eine 40min da oben in der Sonne, im T-Shirt, picknickten und genossen die Aussicht.
Unter uns sahen wir den Grat, der zum Gipfelaufbau des Oberbauenstocks hinüberführt. Da drüber geht’s jetzt noch, dachte ich, und praktisch die Hälfte der Tour haben wir ja schon hinter uns. Bis zum Oberbauen Chulm können wir es heute noch schaffen. 
 
Wir packten zusammen und schauten kurz, wie wir zum Hinterjochli hinunter kommen sollten. Zurück in Richtung Westen dem markierten Aufstiegs-Pfad nach? Das war ein Umweg, da wir ja nach Osten mussten. Ich hatte aus dem Alpinen Wanderführer noch eine Beschreibung eines direkten, unmarkierten Abstiegswegs zum Jochli im Kopf. Einfach die steile Grasflanke hinunter dem Gipfel-Abbruch in der Falllinie folgend, dann links einer Wegspur nach weiter entlang des Abbruchs und danach in einer Kraxelei über eine nicht in der Landeskarte eingezeichnete felsige Stufe auf den Wiesenhang hinunter, der dann in weiteren ca. 150m Höhenmeter Abstieg gerade abwärts zum Hinterjochli führt.
So machen wir’s. Der erste Teil ging nach Plan. Als wir die Stelle suchten, an der wir am besten über die felsige Stufe nach unten kommen, wurde es interessanter... Denn im Führer war der Weg umgekehrt beschrieben – von unten nach oben. Und von unten sieht man natürlich wesentlich besser, wo’s am besten nach oben geht, als wenn man von oben hinunter sperbert. Wir sahen etwa in der zweiten Rinne Trittspuren durch das Gras nach unten, also probierten wir diese aus. Es ging – wenn es auch ziemlich viel Vorsicht brauchte mit unserem Gepäck auf dem Rücken. Fast auf der Grashalde angelangt, hatte ich eine ganz geniale Idee. Ich wollte den Rucksack vor mir die letzten 2 Meter des Felsbands hinunterlassen! Einfach auf das „Wiesen-Absätzli“ grad unter dem Felsband... Selten einen so tollen Einfall gehabt. Denn kurz darauf später durften Ben und ich 30 Sekunden lang einen Rucksack einen Berg hinab rollen, poltern, fliegen sehen. Weit nach unten, über die mit Steinen und Felsbändchen durchsetzte Grasflanke. Immer weiter nach unten, *neeeeei* plötzlich mit Geräusch von klappernden Zeltstangen, irgendwann in der Sonne aufblinkenden Kocherpfännli-Set, das von zuoberst im Rucksack rausgefallen war, und sich ab jetzt seinen eigenen Weg nach unten suchte, scheppernd, in weiten Bögen hüpfend, aua, aua! Der Rucksack hielt nach einer gefühlten Ewigkeit kurz vor einer weiteren Geländestufe ENDLICH an, das Pfännli sahen wir noch weitere 15 Sekunden nach unten springen, bis es kaum noch sichtbar vor einem Steinhaufen ebenfalls endlich zum Stillstand kam. „Verdammte Sch...“ entfuhr es mir, und Ben „ Alex........... Ich glaube wir tun heute nicht zelten.“ Der nächste Gedanke galt meinem Fotoapparat, den ich direkt unter dem Pfännli kurz vor dem Sturz noch zum Zelt in den Sack gelegt hatte. Die ist tausendmal rausgeflogen und kaputt, dachte ich mir. Und sicher auch diverse andere Sachen. Vor meinem geistigen Auge sah ich die Hälfte meines Rucksackinhalts irgendwo im Hang liegen, niemals wieder komplett auffindbar. Ob mein Rucksack noch intakt war, bezweifelte ich auch.
Nach drei, vier Minuten, in denen wir uns mental sammelten und Ben seinerseits vorsichtig mit seinem Rucksack den Rest der Felsstufe hinunterstieg, lief ich nach unten.
Was für eine Schnapsidee, ging es mir immer wieder durch den Kopf, während ich links und rechts Ausblick hielt nach meiner zersprungenen Kamera. Schliesslich kam ich beim Rucksack an. Er war völlig unversehrt. Hart im Nehmen, das Ding. Heraus hing der Kamerariemen. Ich machte den Rucksackdeckel auf ... und fand meine Fujifilm ... ohne einen Kratzer und voll funktionstüchtig. Unglaublich!!!!! Meinem iPhone in der Deckelklappe hatte es die hintere Abdeckung zerschellt. Es funktioniert aber ebenfalls noch. Damit kann ich leben...
Jetzt stieg ich in Richtung meines Trangia Kocherpfännlis hinunter, das nochmal ca. 75hm weiter hinuntergesprungen war. Übel zerbeult war es natürlich ... aber der Deckel dank des Riemens noch drauf ... und auch der kleine Spritkocher inkl. Inhalt noch drin! Lediglich meinen grasgrünen Löffel, der im Pfännli lag, vermisste ich. Nach kurzer Suchaktion beschlossen wir, diesen Szene unter „mit blauem Auge davon gekommen“ abzubuchen und uns lieber zu verziehen. Mein Zeug war gerade fast 200hm einen Berg hinunter geflogen. Und alles war noch ganz, und alles wichtige hatte ich noch. Soviel Glück muss man erstmal haben.
Wir stiegen in Richtung Grat zum Oberbauenstock.
Wir folgten dem mit T4 eingestuften Grat. Ich merkte bald, dass meine Energie irgendwie nicht mehr die gleiche war, die Schrecksekunden mit dem Rucksack hatten meiner Power einen Knick versetzt. Aber nach noch etwas Wasser, und mit dem Ziel, dem Niederbauen Chulm, im Blickfeld, ging es weiter.
Der grasige Grat ist stellenweise erstaunlich scharf. Die Blicke an den Flanken links und rechts hinunter sind oft spektakulär. Nicht-schwindelfreie Personen werden hier wenig Freude haben. Der Weg ist anspruchsvoll und oft ausgesetzt, man muss bei fast jedem Schritt aufpassen. Mit Gewicht auf dem Rücken geht das nach 1-2h an die Substanz. Beim grossen, weissen Gipfelkreuz des Gandispitz machten wir nochmal Pause, und wir merkten langsam, dass wir unser Tagesziel reduzieren müssen. Wir beschlossen, den Oberbauengipfel sein zu lassen, noch die Passage unter dem Gipfel durch zu machen und dann auf dem Weg zum Niederbauen Chulm Feierabend zu machen, um in Ruhe den Sonnenuntergang zu geniessen und zu kochen. Die Aussicht auf den Vierwaldstättersee links und rechts vorne und die Voralpengipfel rundherum war ja auch vom Grat her einfach toll.
Gut 3h nach dem Schwalmis-Gipfel (das Rucksackdrama weggerechnet) erreichten wir den Punkt „Schwiren“. Dort steigt man, wenn man auf den Oberbauengipfel will, weiter nochmal ca. 100hm in 15min dem Grat entlang. Oder man zweigt nach links in die steile, nördliche Felsflanke des Oberbauens ab, um zum Niederbauen Chulm bzw. der Bahnstation Niederbauen zu gelangen.
Dieser Abstieg durch die Felsflanke war die „Schlüsselstelle“ (T4+). Der Weg führt teils grasig-schottrig, teils felsig, oft abschüssig und feucht, und an einigen Stellen sehr ausgesetzt, sehr steil auf die grosse Steinhalde am Fuss des Oberbauen-Gipfels hinunter. Mit mehr als einem Tagesrucksack, und wenn man wie wir schon etwas müde ist, ist das echt nicht ohne und braucht wegen der grossen Ausgesetztheit nochmal volle Konzentration. Die Fixseile beruhigen da die Nerven. Es ist gut, dass hinter uns keine Wanderer mehr sind, denn hier können auch Steine herunterkommen.
 
Geschafft! Nun folgt noch die Querung des Oberbauen-Hangs in Richtung „Laucheren“. Auch hier gibt’s einige Stellen, an denen man nicht zu genau nach unten schauen darf und wo wegen der Ausgesetztheit und dem feuchten Boden Vorsicht geboten ist. Doch bald nähern wir uns der grasigen Anhöhe „Laucheren“, die uns richtiggehend zum Bleiben einlädt.
 
Wir geniessen den Sonnenuntergang und den Blick auf  den Vierwaldstättersee rundherum und bauen unseren Baldachin auf.
Was finde ich in den Tiefen meines Rucksacks? Meinen grasgrünen Löffel... Die Rucksack-Episode hatte also sogar ohne wirklichen Verlust geendet. Der Risotto ist schnell gekocht und schmeckt mit dem Blick auf die Voralpengipfel in der Dämmerung und mit einem guten Hunger sehr gut. Und irgendwann zeigt sich ein Sternenzelt, wie ich es noch nie gesehen habe! Der Hammer!!!
Ich liege im Zelt und blicke auf die Milchstrasse und die anderen Milliarden Sterne über mir... Und vor mir noch schwach erkennbar die Umrisse des Tödi, des Gross Windgällen mit seiner Scharte und der anderen Schneegipfel. Eine grosse Ruhe und immer noch eine für den Spätherbst unglaublich milde Luft.
 
Wir schlafen nicht grad super aber sind ziemlich froh um die Rast...;)
Am nächsten Tag geht’s nach einem schönen Sonnenaufgang runter, auf den Niederbauen Chulm verzichten wir aus Zeitgründen (und müde sind wir auch :)). Wir haben aber auch schon genug Aussicht getankt, die ist ja auf der ganzen Tour hervorragend.
Bei der Bergstation Niederbauen checken wir noch den Postauto-Fahrplan und merken, dass wir noch eine halbe Stunde Zeit haben. So tun wir uns noch am reichhaltigen Zmorgenbuffet im Berggasthaus Niederbauen gütlich (empfehlenswert) ;) Und trinken die letzten paar Schlucke unserer 6,5l Wasser - die haben genau gereicht.
 
Schö gsi! :)
 
 

Tourengänger: Fux


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Kommentare (1)


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xaendi hat gesagt:
Gesendet am 20. Oktober 2014 um 09:52
Ende gut, alles gut :-)


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