Odenwaldlimes IV - von Vielbrunn nach Wörth am Main


Publiziert von Nik Brückner , 23. April 2014 um 15:43.

Region: Welt » Deutschland » Südwestliche Mittelgebirge » Odenwald
Tour Datum:21 April 2014
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 5:30
Aufstieg: 100 m
Abstieg: 400 m
Strecke:19 Km

Der Limes ist eine alte römisch-germanische Grenze. Sie wurde unter den Kaisern Domitian, Traian und Hadrian eingerichtet und ausgebaut und war zwischen 110/115 n. Chr. und 155/160 n. Chr. etwa ein halbes Jahrhundert lang in Betrieb, bis man die Grenze ca. 20 Kilometer weiter nach Osten verschob. in dieser Zeit wurden zunächst Holztürme und ein Verbindungsweg gebaut, später kam ein Palisadenzaun hinzu und die Holztürme wurden durch Steintürme ersetzt. Schließlich wurde noch ein Graben angelegt - und das über hunderte Kilometer! Dazu kam etwa alle fünf Kilometer ein Kastell, im Odenwald sind das Kleinkastelle, Numeruskastelle und Kohortenkastelle.

Nach vollbrachter Pennung in dem grandiosen Parkhotel 1970 (siehe Bericht zu Tag 3) in Vielbrunn mache ich mich am Ostermontag auf meine letzte Etappe entlang dem (nicht: des) Odernwaldlimes. Wieder ist kaum jemand unterwegs, die Deutschen glauben offenbar, dass ein Fernsehwetterbericht für ganz Deutschland, der kaum 30 Sekunden dauert, ihnen sagen kann, wie das Wetter vor Ort wirklich wird. Arme Stubenhocker! Denn der Montag wird wieder ein ganz toller und warmer Frühlingstag.

Für die Wegfindung benutze ich wieder die üblichen Wanderkarten sowie das Buch "Der Odenwaldlimes" von Egon Schallmayer. Beides führt mich zuerst hinauf zu Wachtposten 10/16 "Bei Vielbrunn". Der ausgeschilderte Limesweg hat mich mittlerweile zu oft an interressanten Turmstellen vorbeigehen lassen, und so laufe ich mittlerweile jede an, egal ob ausgeschildert oder nicht. Und diese hier ist besonders interessant, hat man doch endlich mal freien Blick zum benachbarten Wachtposten und kann so die Sichtverbindung, die in der Antike zwischen den Türmen bestand, gut im Gelände nachvollziehen. Zudem ist hier auch wieder ein Stück Palisadenzaun errichtet worden, so dass mir vollkommen unverständlich ist, warum der Limesweg WP 10/16 auslässt.

WP 10/16 liegt zudem direkt an der Hohen Straße, einem uralten Höhenweg, der sicher letztlich auf den römischen Weg zurückgeht, mit dem man einst hinter dem Palisadenzaun die Wachtposten und die Kastelle miteinander verbunden hat. Geschichte allenthalben!

Über Wiesen wandere ich hinüber zu WP 10/15 "Im oberen Haspel".

Dort wurde ein Holzturm so originalgetreu wie möglich wiedererrichtet. Einige Zugeständnisse musste man natürlich machen, so kann man heutigen Besuchern wohl nicht zumuten, auf Leitern in dem Turm herumzukraxeln. Ich hatte Glück, denn just als ich am Turm ankam, schloss sein Wächter, ein echtes Odenwälder Raubein, den Turm auf. Von oben hatte ich freie Sicht von WP 10/17 bis WP 10/12. Tafeln informieren ausführlich über sämtliche Aspekte des Turmbaus - in der Antike und in der Gegenwart.

Nun geht es in den Wald. Vorbei am deutlich ausgeprägten Ringgraben und Hügel von WP 10/14 "An der Döllchenschneise" geht es zum Numeruskastell Hainhaus.

Wieder weist der Name darauf hin, dass man vor Jahrhunderten die Reste der römischer Bauten mit Riesen (Hünen, Heunen) in Verbindung brachte. Vom Kastell ist nicht mehr viel übrig, weil die Fürsten von Löwenstein-Wertheim-Rosenberg hier im 18. Jahrhundert ein kleines Jagdschlösschen bauen mussten. Na, billige Steine lagen hier sicher genügend herum... Links der östlichen Lagerpforte stehen unter eine Linde sechs aus monolithischen Sandsteinblöcken gehauene Barocksessel, die wohl aus dem Jahr 1723 stammen. Sie wurde einst offenbar in Vielbrunn als Gerichtssessel aufgestellt. Hier ließ ich mich nieder und informierte mich über das Numeruskastell, von dem außer einem ausgeprägten Wall nichts mehr zu sehen ist.

Weiter geht es, vorbei an  WP 10/13 "In den Erlen" und  WP 10/12 "In den Dickhecken", die beide an der Hohen Straße gelegen sind, zu einem abgesperrten Gelände, um das herum einige große Windkraftanlagen stehen. Hier überquert man die Straße und folgt nah an einem Zaun der Absperrung nach Nordwesten. Bald überquert der Limeswanderweg die breite Zufahrt zum nördlichsten Windrad und man steht vor  WP 10/11 "Auf der Sellenplatte".

Sowohl WP 10/12 als auch WP 10/11 lassen den Ausbau der Limesfortifikation gut nachvollziehen: An beiden Stellen sieht man die Überreste sowohl eines älteren Holz- wie eines jüngeren Steinturms. Das ist hier oben im nördlichen Abschnitt eigentlich der Normallfall.

Nun geht es auf kleinen Weglein nordwärts leicht bergab, und vorbei an der nächsten Turmstelle  WP 10/10 "In der Klinge" zum Kleinkastell Windlücke, das an einem Pass errichtet wurde (heute zwischen Breitenbrunn und Haingrund). In dem kleinen Kastell, von dem nur noch eine leichte Geländewelle übrig ist, hatten maximal 20 Soldaten Platz.

Weiter geht es auf der Ostseite eines Sportplatzes vorbei nordwärts. Hier entspinnt sich eine Vielzahl von Wegen, alle mehr oder weniger parallel zur Hohen Straße. Der Limesweg ist gut ausgeschildert, und führt vorbei an dem doppelten Turmhügel von WP 10/9 "Im Breitenbrunner Bannholz" zu  WP 10/8 "Im Lützelbacher Bannholz".

Hier hat man dem Wanderer ordentlich was geboten: ein kleiner Lehrpfad wurde hier eingerichtet, mit vielen interessanten Tafeln, die nicht nur über die Turmstelle und den Limes berichten, sondern auch einen kleinen Einblick in die Geschichte der archäologischen Forschung ermöglichen.

Weiter nördlich führt der Weg aus dem Wald heraus auf eine Lichtung.

Hier liegt linker Hand in einem Waldeck das Numeruskastell Lützelbach. Es ist zwar das kleinste der sieben Numeruskastelle nördlich von Oberscheidental, aber mit seinem stellenweise noch stattliche drei Meter hohen Wall noch gut zu erkennen. Auch diese Stelle ist mit Schildern und sogar einem kleinen Modell für Interessierte gut erschlossen.

Nördlich des Kastells geht es nun für längere Zeit hinaus ins freie Feld. Ich wandere hinunter zur L3259 und überquere die Straße nördlich von WP 10/7 "Im Hoffeld".

Über die Landstraße hinüber geht es nun fast eben auf einem Feldweg weiter zu WP 10/6 "Im Hannsbatzenfeld". Von dem Wachtposten kann man zwar nichts mehr sehen, aber ein Hinweisschild macht auf seinen Standort aufmerksam. Kurz danach zieht der Weg ein wenig nach rechts und wendet sich dem Tal zu. Ich steige bei der ersten Möglichkeit links hinauf und wandere ober auf einem grasigen Weg nach rechts weiter, immer möglichst nah am Bergrücken bleibend. Nach vier Tagen am Limes kriegt man ein Gefühl dafür, wo der nächste Turm stehen könnte, und so bringt mich meine Route auch genau dorthin, zum Hinweisschild von WP 10/5 "Auf der Seckmaurer Höhe". Das ist der letzte gesichterte Turmstandort auf meiner Route!

Von hier weiter geradeaus zum Waldrand, wo in einer Waldlücke verschiedene Markierungen auf verschiedene Wege hinweisen. Hier fehlt zum ersten Mal mein gewohntes "L", aber ich weiß, dass das Numeruskastell Seckmauern in diesem Wald liegt, also hinein.

Zwei Dinge erwarten mich im Seckmaurer Wald: Ein wahres Gewirr von Waldwegen (wer hat sich das ausgedacht?) - und keinerlei weitere Markierungen. Zumindest das Römerkastell wird beschildert sein, denke ich, immerhin hat nicht jede Gemeinde eins - doch weit gefehlt! Den Seckmaurern scheint ihre römische Vorgeschichte herzlich egal zu sein. Nur der Instinkt des Orientiers, gepaart mit viel Glück, bringt mich zu dem irgendwo im Wald gelegenen Numeruskastell Seckmauern. Mein Buch hilft nicht weiter, weil ich von der falschen Seite komme, und meine Karte ist von Kompass, also sind sämtliche dort eingezeichneten Wege reine Phantasie. Immerhin hat irgendjemand am Kastell eine Infotafel aufgestellt, die macht es überhaupt erst möglich, die Stelle im Wald zu finden.

Hier stoße ich dann auch wieder auf ein "L", aber es ist gelb, und nachdem ich ihm eine Weile gefolgt bin, stellt sich heraus, dass des einen Geo-Lehrpfad markiert. Ganz schlau gedacht, ein "L"-Weg am Ende des Limeswegs... War das "G" nicht mehr frei?

Und so schlage ich mich allein auf meinen Orientierungssinn angewiesen durch das Wegegewirr hinunter in Richtung Wörth. Das klappt auch ganz gut. Mal folge ich dem gelben "L", mal einem Keltenweg, einen Limesweg dagegen finde ich nicht mehr. Aber die eigene Nase führt mich schließlich zielsicher in Richtung Wörth. Ich unterquere noch eine Bundesstraße und stehe schließlich vor dem Areal des Numeruskastells Wörth. Geschafft! Der Odenwaldlimes ist erwandert.

Vorbei an einer Obstwiese, unter der die Mauerreste des Kastellbades schlummern wandere ich hinein in das wenig attraktive Wörth. Gut dass es dort inmmerhin eine Tanke hat, so kann ich die lebensnotwendigen Grundnahrungsmittel erkaufen: Gummibärchen und Energydrinks. Danach geht es zum Bahnhof und mit dem Zug nach Hause!


Vier Tage Limes: Ein echter Knaller, sowohl für den Hikr - die Gegend ist wirklich schön - als auch für den Geschichtsinteressierten. Echtes Interesse vorausgesetzt, lernt man viel über die Römer, ihre Grenzanlagen und über Grenzen an sich. So sehr der nördliche Teil, ab Schloßau, in seinem Verlauf entlang dem Höhenrücken einleuchtet, so sinnlos erscheinen einem menschliche Grenzen, wenn man liest, dass diese aufwändige Anlage nur etwa fünfzig Jahre lang betrieben wurde, bis man die Grenze 20 Kilometer nach Osten verlagerte. Dort das Ganze nochmal - wegen 20 Kilometern?
Menschen und ihre Grenzen.... Wenn sie nur welche ziehen können. Und wenn wir ganz fest dran glauben, dann finden wir sicher auch irgendwas, das an denen da drüben ganz anders ist als an uns. Und schon haben wir jedem dahergelaufenen Charismatiker die Chance eingeräumt, uns zu sonstwas aufrufen, und wie die Idioten nehmen wir unsere Knüppel und laufen ihm hinterher. Aber Grenzen sind wie Geld: Nur Linien auf einem Stück Papier. Solange bis wir dran glauben. Nein, nein, es hat schon seinen Sinn, rational zu bleiben, nicht allzu vieles mit Bedeutsamkeit aufzuladen und sich nicht an derlei Symbole zu klammern. Der Limes lehrt: All dieser Kram kann sehr schnell an Bedeutung verlieren. Es kommt vielmehr darauf an, zu erkennen, was wirklich wichtig ist. Grenzen von Verwaltungseinheiten sind es sicher nicht. Ob es wohl irgendwann auch romantische Wanderwege zwischen Texas und Mexiko, entlang dem 38. Breitengrad, und in Palästina gibt? Und was das dann wohl bedeutet?

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (4)


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maawaa hat gesagt: Roma Aeterna !
Gesendet am 23. April 2014 um 19:15
Toll - als grosser Freund der römischen Geschichte habe ich Deine Berichte eben interessiert verschlungen ! Da hätte ich eigentlich fast alle Bilder als " Favorit " markieren können... :)

Im Herbst, vielleicht auch schon früher, beginne ich ein ganz ähnliches Projekt. Ich möchte den Limes in BW entlangwandern. Die Karten liegen schon bereit, die Vorfreude wächst !

Viele Grüsse !
Marco

Nik Brückner hat gesagt: RE:Roma Aeterna !
Gesendet am 23. April 2014 um 19:39
Hi Marco!

Tja da wünsche ich Dir ganz viel Spaß! Du wirst ihn brauchen... Nochn Turm... nochn Turm... nochn Kastell... nochn Turm... nochn Turm... nochn Kastell... nochn Turm... nochn Turm...

Nein, im Ernst, das Ganze ist weitaus weniger monoton, als es auf dem Papier oder für den an römischer Geschichte nicht interessierten vielleicht den Anschein haben mag. Also viel Spaß beim Vorfreuen, das wird sicher ganz toll!

Gruß,

Nik

silberhorn hat gesagt:
Gesendet am 23. April 2014 um 20:57
Auch ich finde den Bericht interessant und schön bebildert!

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 24. April 2014 um 09:32
Das freut mich sehr! Schöner name übrigens, ich kannte mal eine Silberhornstraße. Dort um die Ecke war ich gern.


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