Odenwaldlimes IV - von Vielbrunn nach Wörth am Main
Der Limes ist eine alte römisch-germanische Grenze. Sie wurde unter den Kaisern Domitian, Traian und Hadrian eingerichtet und ausgebaut und war zwischen 110/115 n. Chr. und 155/160 n. Chr. etwa ein halbes Jahrhundert lang in Betrieb, bis man die Grenze ca. 20 Kilometer weiter nach Osten verschob. in dieser Zeit wurden zunächst Holztürme und ein Verbindungsweg gebaut, später kam ein Palisadenzaun hinzu und die Holztürme wurden durch Steintürme ersetzt. Schließlich wurde noch ein Graben angelegt - und das über hunderte Kilometer! Dazu kam etwa alle fünf Kilometer ein Kastell, im Odenwald sind das Kleinkastelle, Numeruskastelle und Kohortenkastelle.
Nach vollbrachter Pennung in dem grandiosen Parkhotel 1970 (siehe Bericht zu Tag 3) in Vielbrunn (430 m) mache ich mich am Ostermontag auf meine letzte Etappe entlang dem (nicht: des) Odernwaldlimes.
Wieder ist kaum jemand unterwegs, die Deutschen glauben offenbar, dass ein Fernsehwetterbericht für ganz Deutschland, der kaum 30 Sekunden dauert, ihnen sagen kann, wie das Wetter vor Ort wirklich wird. Arme Stubenhocker! Denn der Montag wird erneut ein ganz toller und warmer Frühlingstag.
Für die Wegfindung benutze ich wieder die üblichen Wanderkarten sowie das Buch "Der Odenwaldlimes" von Egon Schallmayer. Beides führt mich zuerst hinauf zu Wachtposten 10/16 "Bei Vielbrunn" (455 m).
Der ausgeschilderte Limesweg hat mich mittlerweile zu oft an interressanten Turmstellen vorbeigehen lassen, und so laufe ich mittlerweile jede an, egal ob ausgeschildert oder nicht. Und diese hier ist besonders interessant, hat man doch endlich mal freien Blick zum benachbarten Wachtposten und kann so die Sichtverbindung, die in der Antike zwischen den Türmen bestand, gut im Gelände nachvollziehen. Zudem ist hier auch wieder ein Stück Palisadenzaun errichtet worden, so dass mir vollkommen unverständlich ist, warum der Limesweg WP 10/16 auslässt.
WP 10/16 liegt zudem direkt an der Hohen Straße, einem uralten Höhenweg, der sicher letztlich auf den römischen Weg zurückgeht, mit dem man einst hinter dem Palisadenzaun die Wachtposten und die Kastelle miteinander verbunden hat. Geschichte allenthalben!
Über Wiesen wandere ich hinüber zu WP 10/15 "Im oberen Haspel" (460 m).
Dort wurde ein Holzturm so originalgetreu wie möglich wiedererrichtet. Einige Zugeständnisse musste man natürlich machen, so kann man heutigen Besuchern wohl nicht zumuten, auf Leitern in dem Turm herumzukraxeln. Ich hatte Glück, denn just als ich am Turm ankam, schloss sein Wächter, ein echtes Odenwälder Rauhbein, den Turm auf. Von oben hatte ich freie Sicht von WP 10/17 bis WP 10/12. Tafeln informieren ausführlich über sämtliche Aspekte des Turmbaus - in der Antike und in der Gegenwart.
Nun geht es in den Wald. Vorbei am deutlich ausgeprägten Ringgraben und Hügel von WP 10/14 "An der Döllchenschneise" (461 m) geht es zum Numeruskastell Hainhaus (445 m).
Vom Kastell ist nicht mehr viel übrig, weil die Fürsten von Löwenstein-Wertheim-Rosenberg hier im 18. Jahrhundert ein kleines Jagdschlösschen bauen mussten. Na, billige Steine lagen hier sicher genügend herum...
Links der östlichen Lagerpforte stehen unter eine Linde sechs aus monolithischen Sandsteinblöcken gehauene Barocksessel, die wohl aus dem Jahr 1723 stammen. Sie wurde einst offenbar in Vielbrunn als Gerichtssessel aufgestellt. Hier ließ ich mich nieder und informierte mich über das Numeruskastell, von dem außer einem ausgeprägten Wall nichts mehr zu sehen ist.
Weiter geht es, vorbei an WP 10/13 "In den Erlen" (450 m) und WP 10/12 "In den Dickhecken" (450 m), die beide an der Hohen Straße gelegen sind, zu einem abgesperrten Gelände, um das herum einige große Windkraftanlagen stehen. Hier überquert man die Straße und folgt nah an einem Zaun der Absperrung nach Nordwesten. Bald überquert der Limeswanderweg die breite Zufahrt zum nördlichsten Windrad und man steht vor WP 10/11 "Auf der Sellenplatte" (420 m).
Sowohl WP 10/12 als auch WP 10/11 lassen den Ausbau der Limesfortifikation gut nachvollziehen: An beiden Stellen sieht man die Überreste sowohl eines älteren Holz- wie eines jüngeren Steinturms. Das ist hier oben im nördlichen Abschnitt eigentlich der Normallfall.
Nun geht es auf kleinen Weglein nordwärts leicht bergab, und vorbei an der nächsten Turmstelle WP 10/10 "In der Klinge" (360 m) zum Kleinkastell Windlücke (350 m).
Weiter geht es auf der Ostseite des Sportplatzes nordwärts. Hier entspinnt sich eine Vielzahl von Wegen, alle mehr oder weniger parallel zur Hohen Straße. Der Limesweg ist gut ausgeschildert, und führt vorbei an dem doppelten Turmhügel von WP 10/9 "Im Breitenbrunner Bannholz" (375 m) zu WP 10/8 "Im Lützelbacher Bannholz" (365 m).
Hier hat man dem Wanderer ordentlich was geboten: ein kleiner Lehrpfad wurde hier eingerichtet, mit vielen interessanten Tafeln, die nicht nur über die Turmstelle und den Limes berichten, sondern auch einen kleinen Einblick in die Geschichte der archäologischen Forschung ermöglichen.
Weiter nördlich führt der Weg aus dem Wald heraus auf eine Lichtung (330 m).
Hier lag linker Hand in einem Waldeck das Numeruskastell Lützelbach. Mit Seitenlängen von etwa 75 mal 70 Metern begrenzte seine Mauer eine Fläche von gut 5250 Quadratmetern, damit ist Lützelbach das kleinste Numeruskastell am Odenwaldlimes. Ins Lagerinnere führten drei Tore, die Porta decumana (rückwärtiges Tor) fehlt. Das Haupttor (Porta praetoria) war nach Südosten, zum Limes hin ausgerichtet, der das Kastell in nur etwa 25 Metern Entfernung passierte.
Nördlich des Kastells geht es nun für längere Zeit hinaus ins freie Feld. Ich wandere hinunter zur L3259 und überquere die Straße nördlich von WP 10/7 "Im Hoffeld" (335 m). Über die Landstraße hinüber geht es nun fast eben auf einem Feldweg weiter zu WP 10/6 "Im Hannsbatzenfeld" (325 m).
Von dem Wachtposten kann man zwar nichts mehr sehen, aber ein Hinweisschild macht auf seinen Standort aufmerksam.
Kurz danach zieht der Weg ein wenig nach rechts und wendet sich dem Tal zu. Ich steige bei der ersten Möglichkeit links hinauf und wandere oben auf einem grasigen Weg nach rechts weiter, immer möglichst nah am Bergrücken bleibend. Nach vier Tagen am Limes kriegt man ein Gefühl dafür, wo der nächste Turm stehen könnte, und so bringt mich meine Route auch genau dorthin, zum Hinweisschild von WP 10/5 "Auf der Seckmaurer Höhe" (300 m). Der letzte gesicherte Turmstandort auf meiner Route!
Von hier weiter geradeaus zum Waldrand, wo in einer Waldlücke verschiedene Markierungen auf verschiedene Wege hinweisen. Hier fehlt zum ersten Mal mein gewohntes "L", aber ich weiß, dass das Numeruskastell Seckmauern in diesem Wald liegt, also hinein.
Zwei Dinge erwarten mich im Seckmaurer Wald: Ein wahres Gewirr von Waldwegen (wer hat sich das ausgedacht?) - und keinerlei weitere Markierungen. Zumindest das Römerkastell wird beschildert sein, denke ich, immerhin hat nicht jede Gemeinde eins - doch weit gefehlt! Den Seckmaurern scheint ihre römische Vorgeschichte herzlich egal zu sein. Nur der Instinkt des Orientiers, gepaart mit viel Glück, bringt mich zu dem irgendwo im Wald gelegenen Numeruskastell Seckmauern (285 m). Mein Buch hilft nicht weiter, weil ich von der falschen Seite komme, und meine Karte ist von Kompass, also sind sämtliche dort eingezeichneten Wege reine Phantasie. Immerhin hat irgendjemand am Kastell eine Infotafel (285 m) aufgestellt, die macht es überhaupt erst möglich, die Stelle im Wald zu finden.
In der Nähe stoße ich dann auch wieder auf ein "L", aber es ist gelb, und nachdem ich ihm eine Weile gefolgt bin, stellt sich heraus, dass des einen Geo-Lehrpfad markiert. Ganz schlau gedacht, ein "L"-Weg am Ende des Limeswegs... War das "G" nicht mehr frei?
Und so schlage ich mich allein auf meinen Orientierungssinn angewiesen durch das Wegegewirr hinunter in Richtung Wörth. Das klappt auch ganz gut. Mal folge ich dem gelben "L", mal einem Keltenweg, einen Limesweg dagegen finde ich nicht mehr.
Kein Wunder: Vom Kastell Secklmauern aus zieht der Limes unregelmäßig in westliche Richtung. Bis zum folgenden Kastell Wörth werden drei Wachtposten auf Grund der topographischen Gegebenheiten und der durchschnittlichen Entfernung zwischen jeweils zwei Wachttürmen vermutet, sie sind aber nicht archäologisch gesichert.
In der neueren Forschung wird die Vermutung geäußert, dass der bereits genannte Pfitschengraben, der die direkte Verbindung vom Kastell Seckmauern zum Main herstellt, die Limeslinie darstellen könnte. Dies würde auch das Fehlen jeglicher Spuren von Wachtürmen zwischen den Kastellen Seckmauern und Wörth erklären.
Die eigene Nase führt mich schließlich zielsicher in Richtung Wörth. Ich unterquere noch eine Bundesstraße und stehe schließlich vor dem Areal des Numeruskastells Wörth (125 m).
Geschafft! Der Odenwaldlimes ist erwandert! Vorbei an einer Obstwiese, unter der die Mauerreste des Kastellbades schlummern wandere ich hinein in das wenig attraktive Wörth (126 m).
Gut dass es dort inmerhin eine Tanke hat, so kann ich die lebensnotwendigen Grundnahrungsmittel erkaufen: Gummibärchen und Energydrinks. Danach geht es zum Bahnhof und mit dem Zug nach Hause! - wo ich dann Daniela begegnete, aber das ist eine andere Geschichte.
Fazit:
Vier Tage Limes! Ein echter Knaller, sowohl für den Hikr - die Gegend ist wirklich schön - als auch für den Geschichtsinteressierten. Echtes Interesse vorausgesetzt, lernt man viel über die Römer, ihre Grenzanlagen und über Grenzen an sich. So sehr der nördliche Teil, ab Schloßau, in seinem Verlauf entlang dem Höhenrücken einleuchtet, so sinnlos erscheinen einem menschliche Grenzen, wenn man liest, dass diese aufwändige Anlage nur etwa fünfzig Jahre lang betrieben wurde, bis man die Grenze 20 Kilometer nach Osten verlagerte. Dort das Ganze nochmal - wegen 20 Kilometern?
Menschen und ihre Grenzen.... Wenn sie nur welche ziehen können. Und wenn wir ganz fest dran glauben, dann finden wir sicher auch irgendwas, das an denen da drüben ganz anders ist als an uns. Und schon haben wir jedem dahergelaufenen Charismatiker die Chance eingeräumt, uns zu sonstwas aufrufen, und wie die Idioten nehmen wir unsere Knüppel und laufen ihm hinterher. Aber Grenzen sind wie Geld: Nur Linien auf einem Stück Papier. Solange bis wir dran glauben. Nein, nein, es hat schon seinen Sinn, rational zu bleiben, nicht allzu vieles mit Bedeutsamkeit aufzuladen und sich nicht an derlei Symbole zu klammern. Der Limes lehrt: All dieser Kram kann sehr schnell an Bedeutung verlieren. Es kommt vielmehr darauf an, zu erkennen, was wirklich wichtig ist. Grenzen von Verwaltungseinheiten sind es sicher nicht. Ob es wohl irgendwann auch romantische Wanderwege zwischen Texas und Mexiko, entlang dem 38. Breitengrad, und in Palästina gibt? Und was das dann wohl bedeutet?
Service:
Die Webseite vom Limesweg (der sich - Obacht - aber nicht immer so genau an die Limeslinie hält, wie wir das getan haben).
Nach vollbrachter Pennung in dem grandiosen Parkhotel 1970 (siehe Bericht zu Tag 3) in Vielbrunn (430 m) mache ich mich am Ostermontag auf meine letzte Etappe entlang dem (nicht: des) Odernwaldlimes.
Wieder ist kaum jemand unterwegs, die Deutschen glauben offenbar, dass ein Fernsehwetterbericht für ganz Deutschland, der kaum 30 Sekunden dauert, ihnen sagen kann, wie das Wetter vor Ort wirklich wird. Arme Stubenhocker! Denn der Montag wird erneut ein ganz toller und warmer Frühlingstag.
Für die Wegfindung benutze ich wieder die üblichen Wanderkarten sowie das Buch "Der Odenwaldlimes" von Egon Schallmayer. Beides führt mich zuerst hinauf zu Wachtposten 10/16 "Bei Vielbrunn" (455 m).
Der ausgeschilderte Limesweg hat mich mittlerweile zu oft an interressanten Turmstellen vorbeigehen lassen, und so laufe ich mittlerweile jede an, egal ob ausgeschildert oder nicht. Und diese hier ist besonders interessant, hat man doch endlich mal freien Blick zum benachbarten Wachtposten und kann so die Sichtverbindung, die in der Antike zwischen den Türmen bestand, gut im Gelände nachvollziehen. Zudem ist hier auch wieder ein Stück Palisadenzaun errichtet worden, so dass mir vollkommen unverständlich ist, warum der Limesweg WP 10/16 auslässt.
WP 10/16 liegt zudem direkt an der Hohen Straße, einem uralten Höhenweg, der sicher letztlich auf den römischen Weg zurückgeht, mit dem man einst hinter dem Palisadenzaun die Wachtposten und die Kastelle miteinander verbunden hat. Geschichte allenthalben!
Über Wiesen wandere ich hinüber zu WP 10/15 "Im oberen Haspel" (460 m).
Dort wurde ein Holzturm so originalgetreu wie möglich wiedererrichtet. Einige Zugeständnisse musste man natürlich machen, so kann man heutigen Besuchern wohl nicht zumuten, auf Leitern in dem Turm herumzukraxeln. Ich hatte Glück, denn just als ich am Turm ankam, schloss sein Wächter, ein echtes Odenwälder Rauhbein, den Turm auf. Von oben hatte ich freie Sicht von WP 10/17 bis WP 10/12. Tafeln informieren ausführlich über sämtliche Aspekte des Turmbaus - in der Antike und in der Gegenwart.
Nun geht es in den Wald. Vorbei am deutlich ausgeprägten Ringgraben und Hügel von WP 10/14 "An der Döllchenschneise" (461 m) geht es zum Numeruskastell Hainhaus (445 m).
Vom Kastell ist nicht mehr viel übrig, weil die Fürsten von Löwenstein-Wertheim-Rosenberg hier im 18. Jahrhundert ein kleines Jagdschlösschen bauen mussten. Na, billige Steine lagen hier sicher genügend herum...
Die knapp 5700 Quadratmeter des Kastellgeländes erstrecken sich auf dem Plateau eines Höhenrückens zwischen dem Kimbachtal (im Westen) und dem Ohrenbachtal (im Osten). In der Antike hatte die Besatzung, ein etwa 150 Mann starker, namentlich nicht bekannter Numerus, vermutlich die Aufgabe, den Übergang zwischen den beiden Tälern zu überwachen.
Über die heute zu erkennenden Steinmauern hinaus konnten Trockenmauerreste festgestellt werden, was dafür spricht, dass auch dieses Lager – wie die nahegelegenen Kastelle Würzberg und Hesselbach – alle drei typischen Bauphasen des älteren Odenwaldlimes durchlaufen hat: Damit wäre Hainhaus in trajanischer Zeit in Holz-Erde-Bauweise errichtet worden, in hadrianischer Zeit, also zwischen 117 und 138, hätte man die hölzerne Umwehrung durch eine Doppel-Trockenmauer ersetzt, und diese schließlich zwischen 140 und 150 durch eine gemörtelte Steinmauer. Mit der Vorverlegung des Limes um etwa 30 km in östliche Richtung bis spätestens 159/160 ist das Kastell dann schließlich – wie der gesamte Odenwaldlimes – aufgegeben worden.
Mit seiner Prätorialfront war Hainhaus nach Osten, zum Limes hin ausgerichtet, der das Lager in etwa 80 Meter Entfernung passierte. Es maß ca. 73 mal 79 Meter. Die Ecken der ungefähr 80 Zentimeter starken Mauer waren gerundet und nicht mit Wehrtürmen versehen. Davor verlief ein Graben, an der Innenseite ein vier bis fünf Meter breiter Erdwall. Spuren der eigentlichen Innenbauten sind zerstört, lediglich die Wegachsen konnten durch einige Grabungsschnitte festgestellt werden. Denn im 18. Jahrhundert errichteten die Fürsten von Löwenstein-Wertheim-Rosenberg ein Jagdschloss inmitten des Kastellgeländes.
Der Kastellplatz war auch in nachrömischer Zeit bekannt und als Ruine sichtbar. Wieder weist ein Name darauf hin, dass man vor Jahrhunderten die Reste der römischer Bauten mit Riesen (Hünen, Heunen) in Verbindung brachte. In einer Urkunde aus dem Jahre 1432 wird das Kastell dann aber als Bentzenburg bezeichnet, was so viel wie 'Geisterburg' bedeutet.
Links der östlichen Lagerpforte stehen unter eine Linde sechs aus monolithischen Sandsteinblöcken gehauene Barocksessel, die wohl aus dem Jahr 1723 stammen. Sie wurde einst offenbar in Vielbrunn als Gerichtssessel aufgestellt. Hier ließ ich mich nieder und informierte mich über das Numeruskastell, von dem außer einem ausgeprägten Wall nichts mehr zu sehen ist.
Weiter geht es, vorbei an WP 10/13 "In den Erlen" (450 m) und WP 10/12 "In den Dickhecken" (450 m), die beide an der Hohen Straße gelegen sind, zu einem abgesperrten Gelände, um das herum einige große Windkraftanlagen stehen. Hier überquert man die Straße und folgt nah an einem Zaun der Absperrung nach Nordwesten. Bald überquert der Limeswanderweg die breite Zufahrt zum nördlichsten Windrad und man steht vor WP 10/11 "Auf der Sellenplatte" (420 m).
Sowohl WP 10/12 als auch WP 10/11 lassen den Ausbau der Limesfortifikation gut nachvollziehen: An beiden Stellen sieht man die Überreste sowohl eines älteren Holz- wie eines jüngeren Steinturms. Das ist hier oben im nördlichen Abschnitt eigentlich der Normallfall.
Nun geht es auf kleinen Weglein nordwärts leicht bergab, und vorbei an der nächsten Turmstelle WP 10/10 "In der Klinge" (360 m) zum Kleinkastell Windlücke (350 m).
Das Kastell stand auf einem Gebirgssattel zwischen Breitenbrunn und Haingrund, unmittelbar nördlich der L3106, westlich eines Sportplatzes. Der Sattel dürfte wohl auch in antiker Zeit einen nicht unbedeutenden Gebirgsübergang dargestellt haben, zu dessen Überwachung das Kastell gedient haben wird.
Ausgrabungen ergaben, dass es sich um ein annähernd quadratisches Steinkastell handelte, mit einer Seitenlänge von etwa 13,5 Metern und einer Fläche von rund 180 Quadratmetern. Das einzige Tor war nach Osten, zum nur 27 Meter entfernten Limes hin ausgerichtet. Ein Graben war nicht vorhanden. Im Kleinkastell Windlücke dürften eine Besatzung von höchstens 20 Mann Platz gefunden haben. Heute ist im Gelände nichts mehr zu erkennen, nur ein paar einsame Infotafeln stehen verloren herum.
Weiter geht es auf der Ostseite des Sportplatzes nordwärts. Hier entspinnt sich eine Vielzahl von Wegen, alle mehr oder weniger parallel zur Hohen Straße. Der Limesweg ist gut ausgeschildert, und führt vorbei an dem doppelten Turmhügel von WP 10/9 "Im Breitenbrunner Bannholz" (375 m) zu WP 10/8 "Im Lützelbacher Bannholz" (365 m).
Hier hat man dem Wanderer ordentlich was geboten: ein kleiner Lehrpfad wurde hier eingerichtet, mit vielen interessanten Tafeln, die nicht nur über die Turmstelle und den Limes berichten, sondern auch einen kleinen Einblick in die Geschichte der archäologischen Forschung ermöglichen.
Weiter nördlich führt der Weg aus dem Wald heraus auf eine Lichtung (330 m).
Hier lag linker Hand in einem Waldeck das Numeruskastell Lützelbach. Mit Seitenlängen von etwa 75 mal 70 Metern begrenzte seine Mauer eine Fläche von gut 5250 Quadratmetern, damit ist Lützelbach das kleinste Numeruskastell am Odenwaldlimes. Ins Lagerinnere führten drei Tore, die Porta decumana (rückwärtiges Tor) fehlt. Das Haupttor (Porta praetoria) war nach Südosten, zum Limes hin ausgerichtet, der das Kastell in nur etwa 25 Metern Entfernung passierte.
Die Mauer bestand aus rotem Sandstein. Außen umlief ein Graben die Anlage an der Mauerinnenseite verlief ein mit Sandsteinen stufenartig bedeckter Erdwall auf dem sich der Wehrgang befand. Die drei Tore waren von jeweils zwei rechteckigen Türmen flankiert, die aus der Mauerflucht hervorsprangen.
Die Besatzung des Lagers bestand aus einem namentlich nicht bekannten Numerus, einer Auxiliartruppe von etwa 160 Mann Stärke.
Ein Kastellbad befand sich etwa 40 Meter nördlich des Lagers. Von einer Ausgrabung wurde abgesehen, die Stelle ist aber durch eine bis zu 1,5 Meter hohe Geländeerhebung heute noch gut zu erkennen.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Ruine leider als Steinbruch ausgebeutet, so dass man bereits Mitte der 1870er Jahre eine weitreichende Zerstörung des Bauwerks konstatieren musste. Das Zerstörungswerk nahm aber auch in den folgenden Jahren trotz massiver Proteste von Archäologen seinen Fortgang. Das Kastellinnere ist daher durch den massiven Steinraub so sehr gestört, dass man nur noch wenige Spuren der Innenbauten mehr feststellen kann. Mit seinem stellenweise noch stattliche drei Meter hohen Wall sind immerhin die Umrisse der Anlage aber noch gut zu erkennen. Auch diese Stelle ist mit Schildern und sogar einem kleinen Modell für Interessierte gut erschlossen.
Nördlich des Kastells geht es nun für längere Zeit hinaus ins freie Feld. Ich wandere hinunter zur L3259 und überquere die Straße nördlich von WP 10/7 "Im Hoffeld" (335 m). Über die Landstraße hinüber geht es nun fast eben auf einem Feldweg weiter zu WP 10/6 "Im Hannsbatzenfeld" (325 m).
Von dem Wachtposten kann man zwar nichts mehr sehen, aber ein Hinweisschild macht auf seinen Standort aufmerksam.
Kurz danach zieht der Weg ein wenig nach rechts und wendet sich dem Tal zu. Ich steige bei der ersten Möglichkeit links hinauf und wandere oben auf einem grasigen Weg nach rechts weiter, immer möglichst nah am Bergrücken bleibend. Nach vier Tagen am Limes kriegt man ein Gefühl dafür, wo der nächste Turm stehen könnte, und so bringt mich meine Route auch genau dorthin, zum Hinweisschild von WP 10/5 "Auf der Seckmaurer Höhe" (300 m). Der letzte gesicherte Turmstandort auf meiner Route!
Von hier weiter geradeaus zum Waldrand, wo in einer Waldlücke verschiedene Markierungen auf verschiedene Wege hinweisen. Hier fehlt zum ersten Mal mein gewohntes "L", aber ich weiß, dass das Numeruskastell Seckmauern in diesem Wald liegt, also hinein.
Zwei Dinge erwarten mich im Seckmaurer Wald: Ein wahres Gewirr von Waldwegen (wer hat sich das ausgedacht?) - und keinerlei weitere Markierungen. Zumindest das Römerkastell wird beschildert sein, denke ich, immerhin hat nicht jede Gemeinde eins - doch weit gefehlt! Den Seckmaurern scheint ihre römische Vorgeschichte herzlich egal zu sein. Nur der Instinkt des Orientiers, gepaart mit viel Glück, bringt mich zu dem irgendwo im Wald gelegenen Numeruskastell Seckmauern (285 m). Mein Buch hilft nicht weiter, weil ich von der falschen Seite komme, und meine Karte ist von Kompass, also sind sämtliche dort eingezeichneten Wege reine Phantasie. Immerhin hat irgendjemand am Kastell eine Infotafel (285 m) aufgestellt, die macht es überhaupt erst möglich, die Stelle im Wald zu finden.
Das Kastell befindet sich auf einem Höhenzug östlich des oberen Endes des Pfitschengrabens, einer kleinen Waldschlucht, die eine direkte Verbindung zum Main herstellt. Heutzutage ist die Anlage nur noch als schwaches Plateau im Gelände wahrnehmbar. Die im engeren Umkreis anzutreffenden antiken Bauschutthaufen und herum liegenden einzelnen Steine gehören nicht zum Kastell, sondern zu drei jüngeren Gebäuden einer Villa Rustica westlich des Militärlagers.
Das Kastell hatte die Form eines leicht verschobenen Rechtecks mit Seitenlängen von ca. 74, 70 und zwei mal 85 Metern. Damit bedeckte es eine Fläche von etwa 6000 Quadratmetern. Die Fortifikation war ein reines Erdwerk, als zusätzliches Annäherungshindernis diente ein Graben und eine hölzerne Palisade. An den wie im Odenwald üblich abgerundeten Ecken konnten keine Türme festgestellt werden. Das Kastell besaß aber vermutlich Türme an seinen insgesamt vier Tore. Mit seiner Prätorialfront war es nach Süden, zum Limes hin ausgerichtet, der das Lager in etwa 250 Metern Entfernung passierte.
Das Kastell wurde in trajanischer Zeit errichtet und bot einem Numerus, einer Auxiliartruppen-Einheit von etwa 160 Mann, Platz. Über den Truppenteil ist nichts bekannt. Bereits zu hadrianischer Zeit (117 bis 138 n. Chr.) muss das Lager schon wieder verlassen gewesen sein, denn die in dieser Epoche erbaute Limespalisade verläuft mitten durch das Lager. Möglicherweise wurde das Kastell Seckmauern durch das Kastell Wörth ersetzt.
Ein im Kastell entdecktes Fachwerkgebäude gehörte nicht zum Lager, sondern zu einer in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts auf dem Gelände errichteten und bis ins 3. Jahrhundert bewohnten Villa Rustica. Gleiches gilt für Steinbauten jeweils ca. 100 Meter westlich und nordöstlich des Kastells. Bei letzterem handelt es sich um das Badegebäude der Villa.
Vom Kastell selbst ist im Gelände so gut wie nichts mehr zu sehen, die Baureste der nachkastellzeitlichen Villa Rustica sind dagegen noch als Erdhügel in der Umgebung erkennbar.
In der Nähe stoße ich dann auch wieder auf ein "L", aber es ist gelb, und nachdem ich ihm eine Weile gefolgt bin, stellt sich heraus, dass des einen Geo-Lehrpfad markiert. Ganz schlau gedacht, ein "L"-Weg am Ende des Limeswegs... War das "G" nicht mehr frei?
Und so schlage ich mich allein auf meinen Orientierungssinn angewiesen durch das Wegegewirr hinunter in Richtung Wörth. Das klappt auch ganz gut. Mal folge ich dem gelben "L", mal einem Keltenweg, einen Limesweg dagegen finde ich nicht mehr.
Kein Wunder: Vom Kastell Secklmauern aus zieht der Limes unregelmäßig in westliche Richtung. Bis zum folgenden Kastell Wörth werden drei Wachtposten auf Grund der topographischen Gegebenheiten und der durchschnittlichen Entfernung zwischen jeweils zwei Wachttürmen vermutet, sie sind aber nicht archäologisch gesichert.
In der neueren Forschung wird die Vermutung geäußert, dass der bereits genannte Pfitschengraben, der die direkte Verbindung vom Kastell Seckmauern zum Main herstellt, die Limeslinie darstellen könnte. Dies würde auch das Fehlen jeglicher Spuren von Wachtürmen zwischen den Kastellen Seckmauern und Wörth erklären.
Die eigene Nase führt mich schließlich zielsicher in Richtung Wörth. Ich unterquere noch eine Bundesstraße und stehe schließlich vor dem Areal des Numeruskastells Wörth (125 m).
Das Wörther Kastell scheint erst nach dem Kastell Obernburg und nach dem Lager Seckmauern errichtet worden zu sein. Es wurde daher vermutet, dass das niemals in Stein ausgebaute und von einer später errichteten Limespalisade durchquerte Kastell Seckmauern nach kurzer Zeit aufgegeben und durch die Anlage in Wörth ersetzt wurde.
Beim Kastell Wörth handelt es sich um ein steinernes Numeruskastell von 93 Metern Länge und 84 Metern Breite. Die Porta Praetoria der viertorigen Anlage ist nicht zum Limes, sondern zum Main hin ausgerichtet. Das Kastell war mit Ecktürmen bewehrt und von einem Graben umgeben. Im Kastellinneren konnten lediglich die Principia (Stabsgebäude) nachgewiesen werden, alle anderen Innenbauten dürften aus Fachwerk bestanden haben.
Erbauungs- und Endzeit des Kastells konnten bislang nicht sicher datiert werden. Einzelne Funde deuten auf eine mögliche Errichtung schon in domitianischer Zeit (81 bis 96 n. Chr.), den Schwerpunkt der insgesamt spärlichen Funde bildet aber die Zeit vom mittleren zweiten bis zum frühen dritten Jahrhundert. Auch über die hier einst stationierte Truppe ist nichts bekannt. Möglicherweise handelt es sich um einen Numerus Brittonum et Exploratorum Nemanigensium.
Heute sind von dem Kastell nur noch schwache Konturen im Gelände sichtbar. Eine Bodenwelle auf der Flur Obere Au gehört der südwestlichen Kastellseite. Rund 45 Meter südöstlich der Porta Principalis Dextra befand sich das Kastellbad, von dem in der eingezäunten Streuobstanlage heute nichts mehr zu sehen ist. Auch von dem nordwestlich des Kastells lokalisierten Vicus ist aufgrund von Überbauung nichts mehr zu erkennen.
Geschafft! Der Odenwaldlimes ist erwandert! Vorbei an einer Obstwiese, unter der die Mauerreste des Kastellbades schlummern wandere ich hinein in das wenig attraktive Wörth (126 m).
Gut dass es dort inmerhin eine Tanke hat, so kann ich die lebensnotwendigen Grundnahrungsmittel erkaufen: Gummibärchen und Energydrinks. Danach geht es zum Bahnhof und mit dem Zug nach Hause! - wo ich dann Daniela begegnete, aber das ist eine andere Geschichte.
Fazit:
Vier Tage Limes! Ein echter Knaller, sowohl für den Hikr - die Gegend ist wirklich schön - als auch für den Geschichtsinteressierten. Echtes Interesse vorausgesetzt, lernt man viel über die Römer, ihre Grenzanlagen und über Grenzen an sich. So sehr der nördliche Teil, ab Schloßau, in seinem Verlauf entlang dem Höhenrücken einleuchtet, so sinnlos erscheinen einem menschliche Grenzen, wenn man liest, dass diese aufwändige Anlage nur etwa fünfzig Jahre lang betrieben wurde, bis man die Grenze 20 Kilometer nach Osten verlagerte. Dort das Ganze nochmal - wegen 20 Kilometern?
Menschen und ihre Grenzen.... Wenn sie nur welche ziehen können. Und wenn wir ganz fest dran glauben, dann finden wir sicher auch irgendwas, das an denen da drüben ganz anders ist als an uns. Und schon haben wir jedem dahergelaufenen Charismatiker die Chance eingeräumt, uns zu sonstwas aufrufen, und wie die Idioten nehmen wir unsere Knüppel und laufen ihm hinterher. Aber Grenzen sind wie Geld: Nur Linien auf einem Stück Papier. Solange bis wir dran glauben. Nein, nein, es hat schon seinen Sinn, rational zu bleiben, nicht allzu vieles mit Bedeutsamkeit aufzuladen und sich nicht an derlei Symbole zu klammern. Der Limes lehrt: All dieser Kram kann sehr schnell an Bedeutung verlieren. Es kommt vielmehr darauf an, zu erkennen, was wirklich wichtig ist. Grenzen von Verwaltungseinheiten sind es sicher nicht. Ob es wohl irgendwann auch romantische Wanderwege zwischen Texas und Mexiko, entlang dem 38. Breitengrad, und in Palästina gibt? Und was das dann wohl bedeutet?
Service:
Die Webseite vom Limesweg (der sich - Obacht - aber nicht immer so genau an die Limeslinie hält, wie wir das getan haben).
Tourengänger:
Nik Brückner

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