Das lang gezogene Felsband am Bonistock auf Melchsee Frutt bietet einen tollen Klettergarten mit über 100 Routen, die sich zumeist tapfer im Plaisir-Bereich halten. In den oberen Schwierigkeitsgraden ist das Angebot leider ziemlich beschränkt. Mit der Erstbegehung der Route "Schtrubelichopf" (8+) konnte ich jedoch eine weitere sehr lohnende Tour hinzufügen.
Herbstliche Inversion mit milden Temperaturen in der Höhe wie Ende Oktober/Anfang November 2009: das ist vielleicht die beste Lage fürs Klettern auf der Frutt. Man geniesst viel Einsamkeit und einen schönen Blick auf die schon mit Neuschnee überzuckerten Nordhänge der Wendenstöcke. Doch der Bonistock hat zu jeder Jahreszeit seinen Reiz, die Touren können bei entsprechenden Verhältnissen ganzjährig begangen werden.
Besonders erwähnenswert am Klettergarten Bonistock ist die Tatsache, dass vom dritten bis in den unteren achten UIAA-Schwierigkeitsgrad ein breites, lohnendes und gut gemischtes Routenangebot vorhanden ist. Felsqualität und Absicherung können als optimal bezeichnet werden. Es ist deshalb ein idealer Platz zum Klettern mit der ganzen Familie.
Bereits am Samstag hatte ich die schwierigsten Touren ("Titlis" (9-), "Poltergeischt" (8+)) im Onsight-Stil klettern können, guter Form, Magnesia-Tickmarks an den entscheidenden Stellen und eher gutmütiger Bewertung sei Dank. Natürlich ist das toll, doch andererseits auch etwas schade, wenn an einem solch schönen Ort keine neuen Herausforderungen mehr warten.
Doch etwas war geblieben: im Sektor 1, unmittelbar neben der etwas "kurvig" verlaufenden Toptour "Titlis" entdeckte ich die Möglichkeit einer zusätzlichen, direkten Linie. Diese wollte ich am Sonntag auschecken, einbohren und Rotpunkt klettern. Ein Erkundungs-Go im Toprope am Stand von "Titlis" zeigte, dass die Sache machbar war, und auch die optimalen Hakenplatzierungen waren bald bestimmt.
Eingerichtet habe ich die Route dann solo von unten kommend, mit Selbstsicherung und Geländerseil. Da die oberen 20m doch rund 5m Überhang aufweisen, war dies ein ziemlich mühsames Unterfangen. Mit viel Anstrengung und dem Einsatz von Cliffhängern waren dann aber schlussendlich alle Haken gesetzt und, an den wenigen Stellen wo es nötig war, die Griffe geputzt.
Somit konnte der erste Rotpunktversuch starten, der, wenn auch ohne allzu grosse Reserven, gleich zum Erfolg führte. Dem gemütlichen Zustieg über die bereits bestehende Route "Schtrubeli" folgt stark überhängende Kletterei. Während die ersten Moves noch gutgriffig sind, steigern sich Schwierigkeit und auch Steilheit graduell und kulminieren in einem athletischen Finale an kleinen Leisten, das mit einem anstrengenden Mantle in weniger steiles Gelände abgeschlossen wird.
Somit fehlt bloss noch die Bewertung. Ich denke, dass die Crux von "Schtrubelichopf" doch etwas einfacher zu haben ist als jene am abschüssigen Slopergriff von "Titlis" (9-), und dass die Gesamtanforderungen sicher höher als in den mit UIAA 8 bewerteten Touren auf der Frutt sind, bzw. vergleichbar mit den Aufgaben, welche "Poltergeischt" (8+) stellt. Daher also, im lokalen Kontext: 8+. In der französischen Skala liegt 8+ so ziemlich in der Mitte zwischen 7a+ und 7b. Hier entscheide ich mich vorsichtig für die tiefere Einschätzung von 7a+, ein Konsens wird sich er mit der Meinung von Wiederholern herausbilden.
Zuletzt noch, wie es zum Routenamen kam: man steigt ja eindeutig dem "Schtrubeli" aufs Haupt, klettert sozusagen an dessen "Chopf". Und da man sowieso beide Seillängen zusammen klettern muss, ist "Schtrubelichopf" für die Verlängerung die richtige Bezeichnung. Der Name fügt sich auch wohlwollend in die anderen, von lokalen Dialektausdrücken geprägten Routennamen ein.
Somit wünsche ich allen potentiellen Wiederholern viel Spass und ich freue mich wie immer bei Neutouren, über ein Feedback in allen möglichen Belangen (Bewertung, Absicherung, Linie, etc.). Herzlichen Dank an Kathrin für die Sicherungsarbeit, und an Sepp für die Fotos!
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