Lesen ist Silber, selber Gucken auch (IV)


Publiziert von lainari , 25. Januar 2018 um 21:07.

Region: Welt » Deutschland » Östliche Mittelgebirge » Erzgebirge
Tour Datum:14 Januar 2018
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 3:45
Aufstieg: 210 m
Abstieg: 210 m
Strecke:13 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto bis Fürstenau Wanderparkplatz (Tagesticket 3 €)
Kartennummer:1:33.000, SK Nr. 03 Osterzgebirge

Fürstenau: Historischer Bergbau im Erdbachtal und in der Zeidelweide
 
Schneefreies, trocken-kaltes Winterwetter bot den passenden Rahmen zur Fortsetzung meiner bergbauhistorischen Erkundungen. Räumlich sollte ein Anschluss zu der Tour bei Löwenhain hergestellt werden. Da die zu aufzusuchenden Punkte etwas weiter auseinander lagen, plante ich diesmal eine „klassische“ Wanderung, die größtenteils vorhandene Wege benutzt.
Das auf dem Erzgebirgskamm liegende Fürstenau (1324: Voerstenowe) wurde wahrscheinlich im 13. Jh. während der Rodung des Gebirgswaldes von fränkischen Siedlern gegründet und zunächst vorwiegend landwirtschaftlich genutzt. Relativ spät begannen Bergbauaktivitäten. Diese konzentrierten sich auf das Erdbachtal (Silber), die Ortslage (Silber/Zinn) und die Zeidelweide (Zinn). Ab dem 18. Jh. sind folgende Anlagen urkundlich geworden:
·         St. Johannis Erbstolln/St. Johannes Fundgrube und Erbstolln 1731, 1860-1891
·         Neue Gabe Gottes Fundgrube 1734
·         Milde Hand Gottes und Segen Gottes Erbstolln 1734, 1751-1754
·         Neuer Segen Gottes Erbstolln 1750
·         Thomas Fundgrube in der Zeidelweide 1853-1861
·         Himmlisches Reich Fundgrube 1856-1861
·         Himmelfahrt Fundgrube (Silberstolln) 1860-1883
Die Angaben beziehen sich ausschließlich auf das Vorhandensein von Bergakten und stellen keine durchgehenden Betriebszeiten dar. Diese Zeiträume beinhalten auch Haltezeiten, Zubußzeiten und Stilllegungen. Im Jahre 1788 zum Beispiel, soll von drei seinerzeit vorhandenen aktiven Bergwerken, dem Neuer Segen Gottes Erbstolln, dem St. Georgen Erbstolln und dem St. Johannis Erbstolln lediglich letzterer 11 ¼ Zentner Zinn ausgebracht haben.
 
So begab ich mich am Morgen nach Fürstenau und stellte das Auto als erstes des Tages auf dem Wanderparklatz im oberen Ortsteil des langgezogenen Ortes ab. Zu Fuß bewegte ich mich Richtung Grenze, bog jedoch nach wenigen Metern nach rechts auf einen Wiesenweg ab. Es gab einen Wanderwegzeiger aber Farbmarkierungen waren nicht vorgesehen. Heute war es erneut recht windig und tiefliegende Wolken aus dem Böhmischen Becken zogen nach Norden. Nachdem ich eine Weile im Offenland unterwegs war, machte ich einen Abstecher zur Traugotthöhe. Wieder am Weg zurück, stieg ich weglos in den Einschnitt des Erdbachtales hinunter. Einige Stellen waren hier recht feucht, das Frostwetter machte sich dabei positiv bemerkbar, weil diverse heikle Stellen durchgefroren und daher tragfähig waren. Die Offenflächen waren „aufgeräumt“ und wiesen Lesesteinhaufen aber keinerlei alte Bergbauspuren auf. In den bewaldeten Arealen war ebenfalls nichts Spezifisches auszumachen. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn die im Erdbachtal befindliche Himmelfahrt Fundgrube mit Tiefem und Unterem Stolln (Silberstolln) war ein reiner Hoffnungsbau. Sie wurde beginnend im 17. Jh. in mehreren kurzen Phasen jeweils mit wechselnden Namen unter Zubuße betrieben. Die Mutung erfolgte auf Silber, über ein erfolgreiches Ausbringen ist kaum etwas bekannt, die geologische Karte weist im Bereich auch keinen Erzgang aus. Von 1960-1995 wurde der wieder fahrbar gemachte Tiefe Stolln als Besucherbergwerk genutzt. Dies wurde leider vermutlich aus finanziellen Gründen aufgegeben. Trotz massivem Betonausbau im Eingangsbereich dringt dort derzeit sehr viel Wasser ein. Bei der Besichtigung des Mundloches büßte ich fast noch einen Teil meiner Ausrüstung ein, als ich versuchte meinen Fotoapparat vom Rand des Grabens aus durch das Gitter zu fädeln. Die offene Fototasche verrutschte dabei und das Telefon drohte ins Wasser zu fallen. Bei der hastigen Gegenbewegung geriet auch noch der Fotoapparat hinter dem Gitter in Gefahr hinabzufallen. Selber Schuld, warum ist er auch so neugierig…
Auf befestigtem Wege ging ich noch ein Stück talwärts zum Einschnitt des Unteren Stolln. Hier ist das Mundloch verbrochen/verwahrt. Ein Asphaltweg führte nun aus dem Tal hinauf zur Straße. Auf der Hochfläche hatte ich einen guten Ausblick auf das Osterzgebirge. An der Straße lief ich nach Fürstenau zurück.
 
Der Ort wies um die Wende herum die typischen sozialen Einrichtungen auf, die das Leben auf dem Lande erleichterten. Es gab eine Gemeindeverwaltung mit Bibliothek, einen Kindergarten, eine Kaufhalle, zwei Gasthäuser, sicher einen Gemeindearzt und als ortsansässigen Arbeitgeber eine LPG. Das Meiste davon wurde eilends abgewickelt. Die trotz einiger Investitionen bis anhin schuldenfreie Gemeinde wurde ein erstes und später ein zweites Mal eingemeindet und der steuerzahlende Gemeindebürger diente fortan nur noch als Verfügungsmasse für die Schuldentilgung der Großgemeinde. Die einzige größere Neuerung in diesem „Annex“ dürfte zuletzt das Aufstellen eines Parkscheinautomaten am Wanderparkplatz gewesen sein. Damit teilt der Ort das Schicksal vieler ländlicher Gemeinden in Sachsen, auch meine Wohngemeinde hat nach der Wende eine ähnliche „Karriere“ zu verzeichnen. Nun blicken wir noch einmal etwas weiter in die Geschichte zurück. Bergbau wurde einst auch direkt im Ort betrieben. Im Bereich oberhalb des Hofeteichs war der rechte Talhang Ziel von Bergbauversuchen. Der Milde Hand und Segen Gottes Erbstolln sollte einst der Gewinnung von Silber dienen. Offenbar wurde man nicht fündig, es ist aber gut möglich, dass dieses Bergwerk bis an die unter der nahen Kadnerhöhe befindlichen Zinnerzgänge heranreichte. Eine genauere Untersuchung in der Ortslage scheiterte an den Privatgrundstücken und an der Überbauung der alten Spuren. So ging ich nun auf einem Flurweg hinauf auf die Kadnerhöhe. Vom dem auf dem Gipfel befindlichen Lesesteinwall sah ich schon das nächste Ziel, das Gelände der einstigen St. Johannis/Johannes Fundgrube. Am Wiesenrand vermischten sich Lesesteinhaufen und Bergbauhalden. Der Trichter einer Schachtpinge wurde von der LPG als Altreifensenke benutzt und überhaupt war sehr viel älterer Unrat auszumachen. Im Wald angekommen, folgte ich dem zerfurchten Bergbauareal des einstigen Zinnbergbaues Richtung Nordosten. Auf einer Lichtung des als Zeidelweide (der Name geht auf die Waldimkerei zurück) bezeichneten Areals machte ich einige Schachthalden von Lichtlöchern des einstigen Erbstollens aus. Dieser entwässerte das Bergbaugebiet zum Zeidelweidenwasser. Beim Herumstreifen traf ich auf einen Naturfotografen, die hier in der Kälte ausharrend, mit einem riesigen Teleobjektiv einige Tieraufnahmen gemacht hatte. Wir tauschten uns kurz über unsere jeweiligen Aktivitäten aus. Ich lokalisierte den vermutlichen Beginn des Erbstollens und durchquerte das Gelände nochmals bergwärts. An einer Bank am Zeidelweidenweg machte ich Mittagsrast. Anschließend ging ich hinüber nach Gottgetreu, das einst von Böhmischen Exulanten gegründet wurde. Entlang dem wenig befahrenen Sträßchen lief ich danach nach Fürstenau zurück. Hinter dem Wanderparkplatz befindet sich ein Hochmoor mit einstigem Torfstich, das von Einheimischen und Wanderern gern besucht wurde. Die dazu vorhandenen Brücken und Stege wurden in den 1990er Jahren von Naturschützern zerstört. Selbige legten in der Region auch neue zu große Lesesteinwälle aus ortsfremdem Gestein an, genau so, wie sich ein in der Stadt wohnender „Naturliebhaber“ „seine Natur“ eben so vorstellt…
 
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 3 h 45 min.
Die Weglospassagen im Wald sind mit T2 zu bewerten, die restliche Strecke auf vorhandenen Wegen mit T1.
 
Informationsquellen:
Bestandsverzeichnisse Bergakten/Risse (Archivwesen Sachsen)
Reliefkarte: Geoportal Sachsenatlas
Historische Karte: Geologische Specialkarte des Königreiches Sachsen No. 119 Section Altenberg-Zinnwald und No. 120 Section Fürstenwalde-Graupen (Deutsche Fotothek)

Tourengänger: lainari


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentar hinzufügen»