NZZaS, 20.2.11


Publiziert von Zaza, 20. Februar 2011 um 10:49. Diese Seite wurde 1066 mal angezeigt.

In der heutigen Ausgabe der NZZ am Sonntag ist eine mässig originelle Polemik gegen Schneeschuhgänger zu lesen, leider (noch) nicht online.



Kommentare (16)


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xaendi hat gesagt:
Gesendet am 21. Februar 2011 um 07:22
Hier der Artikel im Wortlaut:
Sie kommen in Scharen und trampeln alles nieder. Schneeschuhwanderer sind in diesem Winter zu einer richtigen Plage geworden. Eine Polemik von Carole Koch

Es gibt Momente, die magisch sind. Rar und flüchtig, wie die Gemsen in den Gipfeln. Kaum zeigen sie sich zwischen den Felsen, wollen sie auch schon wieder dahinter entschwinden. Man möchte die Zeit einfrieren, sie bitten zu bleiben. Goethe hat zu solchen Augenblicken gesagt: Verweile doch, du bist so schön!

So schön war es auch neulich im Haslital auf der Terrasse der Brochhütte: Der Eiger vor pastellfarbenem Himmel. Engelhörner. Das Rauschen des Bachs. Stille. Zen. Man vergass, warum man gekommen war. Um dem Alltag zu entfliehen nämlich. Der Enge. Der Stadt und all ihren Ausgeburten. Menschen im Besonderen. Dem Lärm, den sie machen, und dem ganzen Dreck. Zu erahnen war ja nicht, was sich hinter den Tannen im Tal auf dem Parkplatz der Schwarzwaldalp formierte, um sich aufzumachen und schon bald genau hier hochzustampfen, keuchend, schwitzend, mit verkrampften Gesichtern, eins zwei, eins zwei, gleichgeschaltet wie die Soldaten in der Armee: ein Heer von Schneeschuhwanderern.

Hallo? Sind das jetzt die King-Kongs der Alpen? Oder die Nordic Walker des Winters? Letztere wiederum sind AHV-Wanderer. Graumelierte Menschen also, die im Gymnastik-Turnen doch ganz gut aufgehoben wären. Besser als auf den Alpweiden, über die sie immer so gehetzt stapfen, als hätten sie einen Plan. Oder Grösseres im Sinn, als Enziane oder Weidenröschen umnieten. Leider aber haben sie sich in den Berglandschaften epidemisch vermehrt. Und nun sind auch die Schneeschuhwanderer zu einer richtigen Plage geworden. Ein paar Zahlen zur Illustration: Während Mitte der Neunziger rund 6000 der Tennisschläger-artigen Dinger aus Kunststoff oder Hartplastic verkauft wurden, waren es 2008 bereits 75 000. Der erste SAC-Tourenführer für Schneeschuhwanderer kam 2006 heraus, inzwischen gibt es zehn davon. Und im Prättigau, einer der Hochburgen dieses Volkssports, sollen neulich mehr von ihnen unterwegs gewesen sein als Skitourengänger.

Fehl am Platz

Dabei gehören Schneeschuhwanderer doch gar nicht ins Gebirge. Zumindest wurden die Bretter an ihren Füssen vor mehr als 2000 Jahren nicht extra dafür erfunden. In steilen Hängen, wo Skifahrer elegante Wellen ins Weiss zeichnen, kommen sie schon einmal ins Purzeln und nehmen dabei den halben Berg mit. Die indigenen Stämme Nordamerikas haben Schneeschuhe also insbesondere verwendet, um im Flachen von A nach B zu kommen, ohne im Tiefschnee zu versinken. Die ersten Exemplare wurden aus Zweigen geflochten, dann hat man Holzrahmen mit Sehnen oder Därmen von Tieren bespannt. Später verwendeten die auch Trapper, Pioniere und Jäger. Und noch später Förster oder Holzarbeiter in Europa und Asien. Bis irgendwann Hinz und Kunz dachte, ach ja, die Berge, die gibt es ja auch noch. Die sind ganz nett. Langlaufen aber ist mir zu anstrengend, Skifahren kann ich nicht, Snowboarden auch nicht, auf zwei Beinen gehen aber, doch, das kann ich. Muss man ja auch manchmal. Sich ein bisschen bewegen, einmal rauskommen aus dem Nebel, an die frische Luft, Sonne tanken, die Mitte wieder finden und so weiter. Und nun sind sie überall da, wo sie nicht hingehören: in der weissen Wildnis.

Alles platt gewalzt

Da kann man im Grunde nichts dagegen sagen. Die gehört halt allen. Man darf das nicht so eng sehen. Unter diesen hochtechnischen Spezial-Anzügen stecken ja auch Menschen. Und so wie man niemandem verbieten kann, in einen Fettnapf zu trampen, haben nicht nur Skitourengänger, sondern eben auch Neo-Yetis auf dem Selbstfindungs-Trip das Recht darauf, von der Schwarzwaldalp aus loszuwuchten, immer weiter hinauf Richtung Hornseeli, auch wenn sie in Scharen kommen und der Schnee unter ihnen ächzt und stöhnt.

Aber mal ehrlich: Schön sieht das nicht aus. Schön ist auch nicht, dass sie wie King Kong im Film alles platt walzen. Und ganz und gar hässlich sind die tiefen Furchen, die sie in den glitzernden Matten ziehen, wo vorher feine Spuren die Geschichten von Hasen oder Gemsen erzählten. Abwarten also, bis die Herde vorbeigetrampelt ist, das Auge seinen Frieden zurück hat und das Ohr die Stille. Jetzt kann man den Aufstieg wagen, einen Fuss vor den anderen setzen, selbstvergessen, rhythmisch, die kalte Luft einatmen und wieder aus. An den Tannen vorbei, immer weiter hinauf, dahin wo die Harmonie wohnt. Oder Moment mal: gewohnt hat. Denn was ist denn das schon wieder da oben? Schneeschuhwanderer, die in ihre Energieriegel beissen. Schneeschuhwanderer, die sich aus ihren nass geschwitzten Thermo-Unterhosen schälen. Schneeschuhwanderer, die ins Weiss pinkeln, gackernd, juchzend. Entschuldigung, wo bitte geht es hier zur Harmonie?

Langsam kann man die Wildtiere richtig gut verstehen. Die haben es nämlich satt, immer wieder von den blinden Natur-Verliebten verschreckt zu werden. Dahin fliehen zu müssen und schon wieder dorthin. Und dabei Energien zu verschwenden, die sie im Winter ja gar nicht haben. Nicht einmal Skitourengänger machen das so gründlich. Weil sie im Gegensatz zu Schneeschuhwanderern ja gar nicht bis in die hintersten Winkel der Wildnis kommen. Wäre Goethe eine Gemse gewesen, hätte er in diesem Augenblick wohl gesagt: Hau doch ab, du bist so furchtbar!

Dabei hat es doch so schön angefangen. Mit einem magischen Moment. Jetzt ist ein paradoxer daraus geworden. Weil man realisiert, dass man zutiefst verachtet, was man selbst ist.

xaendi hat gesagt:
Gesendet am 21. Februar 2011 um 07:31
Ich frage mich, was die Motivation der Journalistin war, so über die Schneeschuhwanderer herzuziehen. Konsequenterweise hätte sie Skitourengänger in den gleichen Topf werfen müssen - denn diese walzen ja auch ziemlich alles platt wie King Kong im Film ;-)

Ich denke aber schon, dass eine gewisse Tendez besteht, dass sich immer unerfahrenere Leute mit den Schneeschuhen in Gelände begeben, welchem sie nicht gewachsen sind. Am Samstag habe ich unterhalb des Wissmilen ein Paar mit Schneeschuhen gesehen, welches sich Zentimeter um Zentimeter den Berg hinab gekämpft hat - obwohl es nicht sonderlich steil war. Vor Selbstüberschätzung ist niemand gefeit!

Zaza hat gesagt: RE:
Gesendet am 21. Februar 2011 um 08:04
Bisweilen machen sich Journalisten einen Spass daraus, provozierende Artikel zu schreiben, um danach eine Flut amüsanter Leserbriefe abdrucken zu können. Das funktioniert z.B. immer bestens, wenn eine Zeitung einen hundehasserischeren Artikel druckt.

Vielleicht ist das hier was in der Richtung, auch wenn es normalerweise eher eine Taktik für die Saure-Gurken-Zeit ist. Der Inhalt dieses Artikels ist jedenfalls so ein klischierter Käs, dass er keine Diskussion wert ist.

xaendi hat gesagt: RE:
Gesendet am 21. Februar 2011 um 08:14
Interessante These - und auch eine Möglichkeit, günstig Inhalte zu generieren! So etwas erwarte ich aber eher von 20 Min oder "Blick am Abend" - nicht aber von der NZZ. Obwohl man sagen muss, dass man NZZ und NZZaS nicht vergleichen kann.

MaeNi hat gesagt:
Gesendet am 21. Februar 2011 um 08:36
Genau gelesen eine provokante, überspitzte Selbstkritik, die aber keinesfalls für alle Neben-der-Piste-Wintersportler gilt...aber wie so oft wird das Verhalten einiger weniger auf alle umgemünzt..schade..

roger_h hat gesagt:
Gesendet am 21. Februar 2011 um 09:08
Ich sehe das ein wenig anders. Es steht ja da, dass es eine Polemik ist. Für mich heisst das, der Artikel soll eine Thematik nicht differenziert betrachten oder durch und durch fair sein, sondern (auf polemische Art) auf etwas hinweisen, was einige Leute so sehen. Wenn das dazu führt, dass sich einige "Mir ist alles scheissegal"-Schneeschuhgänger hinterfragen, ist uns allen geholfen, obwohl das bei denjenigen natürlich unwahrscheinlich ist.
Irgendwo habe ich mal eine Polemik über Nordic Walker gelesen, die um einiges bissiger und provokanter war als diese hier und ich konnte mich königlich darüber amüsieren. Bei dieser hier über Schneeschuhgeher bin ich hingegen direkt angesprochen und trotzdem kann ich etwas wahres daran erkennen. Wer denkt, das alles sei masslos übertrieben, dem empfehle ich einen Besuch des Langis (beim Glaubenberg) im Winter bei Schönwetterlage.

Sputnik Pro hat gesagt:
Gesendet am 21. Februar 2011 um 09:49
Ich frage mich wie Carole Koch unterwegs war um dies alles zu beobachten?

Ziemlich sicher nicht ohne Ski oder ohne Schneeschuhe!

Übrigens frage ich mich wieso eine sachliche Zeitung wie die NZZ so einen Quatsch einer "möchtegernschlauen" Journalistin überhaupt publiziert.

MunggaLoch hat gesagt: RE:
Gesendet am 21. Februar 2011 um 18:57
Haha, wie SIE unterwegs war, habe ich mich auch gefragt, als ich es gelesen habe... ;-)
Sollen die doch so einen Blödsinn schreiben...

laponia41 hat gesagt: AHV-Wanderer
Gesendet am 21. Februar 2011 um 10:59
Ich schäme mich ja so. Ich bin einer dieser AHV-Wanderer. Versuchte es mit allen Mitteln zu verhindern, konnte aber das Rad der Zeit nicht anhalten. Natürlich werde ich mich nun sofort für das Seniorenturnen anmelden. Wird in meinem Dorf zwar nur für Frauen angeboten, die werden aber wohl mein bisschen Damenbart akzeptieren müssen.

Und noch etwas: diese goldgelben Spuren im Schnee....Gibt es wohl Tourenpampers für Senioren? Wer hat damit schon Erfahrungen gemacht?

Statt dass ich mich AHV- und Senioren konform verhalte, nehme ich sogar noch an Hikr-Treffen teil, sogar als Koch - nicht als Carola Koch, sondern als Fondue Koch. Ganz nach dem Spruch: Alter schützt vor Torheit nicht. Journalismus aber offensichtlich auch nicht.


bulbiferum hat gesagt:
Gesendet am 21. Februar 2011 um 11:03
Die Aussage steckt im letzten Satz. Der ganze provokante Texte zielt dahin. Ich finde den Artikel nicht ganz so schlimm.
Sie hat bezüglich der Riesengruppen, die man gerade auf der Schwarzwaldalp oder bei Langis immer wieder beobachten kann, schon ein wenig recht.

Seeger hat gesagt: Ist so überzeichnet, dass...
Gesendet am 21. Februar 2011 um 11:42
man nicht umhin kommt, Carole Koch habe selbst Spass an diesen Zeilen.
Einfach herrlich diese Bilder......zum "Gäussen"!
Ein Quentchen Wahrheit steckt dahinter. Oder frage mal die Wildhüter.
Andreas

kopfsalat hat gesagt:
Gesendet am 21. Februar 2011 um 11:54
man merkt eben, dass es sich um eine (junge?) frau handelt, die leider weder von geschichte, noch von den zusammenhängen in der natur eine richtige ahnung hat.

aber was sind journalisten schon anderes, schreiberlinge, die ihren lohn pro geschriebenes wort erhalten.

kategorie: abhaken und vergessen.

Alpin_Rise hat gesagt: Retour à la nature
Gesendet am 21. Februar 2011 um 14:01
Jetzt hören sogar die AutorInnen der NZZaS mitten im Winter Bäche rauschen... Oder vielmehr den Wind im Blätterwald, welcher die Finanzen für fundierte Artikel herausbläst? Als Polemik mit dem letzen Satz durchaus neckisch, aber etwas prominent platziert...

Mich stören nur die Schneeschugänger, welche schneller sind als ich - also vor mir die Spur zertrampeln ;-)
G, Rise

ossi hat gesagt: RE:Retour à la nature
Gesendet am 21. Februar 2011 um 19:38
Naja, schon sehr überzeichnet und etwas gar fokussiert auf Schneeschuhwanderer. Ich begreife auch nicht, weshalb Pensionäre nun zwingend ins Altersturnen gehen müssen...

Aber der letzte Satz gibt zu denken, ist nämlich wie bei den Hüsli: Jeder wünscht sich ein Stück "heile, ursprüngliche, unschuldige Welt" und stellt "seine Hüslioase" auf einen Flecken grünes Land: Bis das ganze Land zubetoniert ist.

kopfsalat hat gesagt:
Gesendet am 23. Februar 2011 um 17:12
> Dabei gehören Schneeschuhwanderer doch gar nicht ins Gebirge. Zumindest wurden die Bretter an ihren Füssen vor mehr als 2000 Jahren nicht extra dafür erfunden. ... Die indigenen Stämme Nordamerikas haben Schneeschuhe also insbesondere verwendet, um im Flachen von A nach B zu kommen, ohne im Tiefschnee zu versinken. Die ersten Exemplare wurden aus Zweigen geflochten, dann hat man Holzrahmen mit Sehnen oder Därmen von Tieren bespannt. Später verwendeten die auch Trapper, Pioniere und Jäger. Und noch später Förster oder Holzarbeiter in Europa und Asien.

warum immer nach amerika schauen, wenn das gute liegt so nah: www.raeer.com/shopexd.asp?page=&id=18196?var=00000

wobei "gute" eher relativ ist. brauchbar waren die dinger eigentlich nicht einmal in ebenem gelände, die bindung (im wahrsten sinne des wortes) war der grösste mumpiz, zehn schritte und man stand ohne schneebrettchen da. fassen und mittragen durften wir sie trotzdem jahr für jahr.

flyy hat gesagt: Stimmt
Gesendet am 24. Februar 2011 um 13:52
Warum diese Aufregung um diesen Artikel?

Klar ist's uebertrieben, das ist ja die Idee! :)

Ich bin selbst Schneeschuhtourengaenger und bin einig mit der Journalistin, da bin ich auch durchaus selbstkritisch.


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