Peklo (Höllengrund/Karbenschlucht)


Publiziert von lainari , 1. Juli 2015 um 18:40.

Region: Welt » Tschechien » Dokeská pahorkatina
Tour Datum:28 Juni 2015
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CZ 
Zeitbedarf: 5:15
Aufstieg: 220 m
Abstieg: 220 m
Strecke:15 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto oder Zug der ČD bis Zahrádky
Kartennummer:1:50.000, KČT Nr. 11 České středohoří východ

Burgen rund ums Tal des Robečský potok (Robitzbach)
 
Überall kriselt es - Touristenziele unsicher, Geld unsicher, Perspektive unsicher, Wetter unsicher. Da kann man auch direkt in die Hölle gehen. Gesagt, getan! Zur Pflege meines neuen Faibles für finstere feuchte Gründe mit diabolischen Namen lenke ich meine Pferde heute erneut nach Zahrádky (Neugarten). Der Robečský potok (Robitzbach) führt hier nach Verlassen des Novozámecký rybník (Hirnsener Großteich) die nächsten etwa fünf Kilometer flussabwärts bis zu seiner Einmündung in die Ploučnice (Polzen) bei Česká Lípa (Böhmisch Leipa) durch das interessante sandsteingesäumte Tal Peklo (Höllengrund/Karbenschlucht). Bis zum II. Weltkrieg war auf dem Flüsschen eine Kahnfahrt eingerichtet. Diese touristische Nutzung endete und später wurde das Tal als Naturreservat ausgewiesen. An den Flanken und in der Umgebung befinden sich die spärlichen Reste einiger alter Burgen, was den Reiz eines Besuches für mich zusätzlich erhöht.
 
Ich parke am Schloss, durchquere die Anlagen des Schlossparkes und gelange durch ein Seitentälchen hinunter zum Fluss. Nach kurzer Zeit wird die große Fachwerkbrücke der einstigen Nordböhmischen Transversalbahn sichtbar, die heute von den Zügen der Relation Česká Lípa-Lovosice-Postoloprty befahren wird. Wenig später passiere ich die Kleinsiedlung Karba. Im Verlauf erreiche ich ein Wehr und eine (ungenutzte) Wasserkraftanlage. Hier wechselt der Weg die Talseite. Als sich abzeichnet, dass der Wegverlauf etwas vom Karteneintrag abweicht und das nächste Ziel, die erste Burg so nicht erreichbar scheint, kehre ich um. An der Wasserkraftanlage biege ich in ein Seitentälchen hinein und umgehe auf dem Pfad ein auf der flussseitigen Anhöhe gelegenes Grundstück. Ich quere den Zugangsweg und folge einem Wildwechsel talseitig um einen nächsten felsigen Rücken. Nach einem kurzen Steilabstieg sehe ich direkt am Fluss einen engen Einschnitt, durch den laut einer Beschreibung die Burgbesatzung einst zum Wasser holen ging. Ich umrunde den Burghügel und entdecke bergseitig einen gut erhaltenen Doppelwallgraben. Auf dem Plateau bestätigen zwei Fundament-Aussparungen im Felsen und eine Tafel das Erreichen der Hrad Kvítkov - Frýdlant. Verschiedene heutige Quellen schließen eine Verwechslung der Burg mit einer Anlage im nahen Kvítkov nicht aus, so dass verschiedentlich dieser Doppelname verwendet wird. Der Bau der Anlage in der ersten Hälfte des 13. Jh. soll auf einer königlichen Stiftung beruhen. Bereits Ausgangs des 13. Jh. wurde sie wieder aufgegeben. Die Aufbauten der Burganlage bestanden wahrscheinlich größtenteils aus Holz. Wenn der König Burgen sponserte, müssen sicherlich gewichtige Gründe wie eine akute Bedrohung vorgelegen haben, denn ein frühes Konjunkturprogramm zur Ankurbelung der Wirtschaft und zur Schaffung hübscher Wohnsitze für lokale Adlige wird auszuschließen sein. Ich schaue mich um und folge der ab hier vorhandenen gelben Wanderwegmarkierung (fehlt auf der Karte Stand 2009) auf abwechslungsreichen Wegen/Pfaden nach Kvítkov (Quitkau/Kwitkau). Am oberen Ortsende liegt auf der linken Seite am Grundstück Nr. 13 die Ruine der Burg Kvítkov. Auf dem Weg dorthin irritiert mich kurzzeitig die Hausnummernfolge, nach der Nr. 12 kommt plötzlich eine 66 und später doch die gesuchte 13. Neubauten, die hierzulande mit einem a-Zusatz eingereiht würden, erhalten in Tschechien nach dem Konskriptionsnummern-System die nächste freie Nummer. Verschiedene Quellen berichten, der Grundbesitzer würde Besuche des nur über sein Land zugänglichen Felsens auf Nachfrage ermöglichen. Ein auf dem Grundstück freilaufender missgestimmter riesiger Hund mit Quadratschädel (Bullmastiff?) spricht eher nicht dafür. Der Weg vom Gartentor zur Haustür zwecks Nachfrage könnte schwierig werden. So begnüge ich mich mit der Betrachtung der Rückseite des Burgfelsens. Zur Geschichte werden dieselben Angaben wie zur zuvor besuchten Burg gemacht, da man ja eine Verwechslung nicht ausschließt. Archäologische Ausgrabungen haben jedoch abweichend dazu eine Besiedlung an der Schwelle vom 14. zum 15. Jh. nachgewiesen. Auch die Bauweise scheint anders, da man sechs einzelne Felsen durch Spaltenausmauerung zu einem Ganzen zusammengefügt hatte. Das Hauptgebäude der Burg soll hier aus Backsteinen bestanden haben.
 
Ich gehe durch den Ort zurück und folge nun einer blauen Wanderwegmarkierung (fehlt auf der Karte Stand 2009). Kurz nach Verlassen des Ortes führt ein kurzer Abzweig zur Statue Svatá Barbora (Statue der hl. Barbara). Auf einer aussichtsreich positionierten Bank lege ich eine Pause ein. Weitergelaufen, erreiche ich nach einer Kleinsiedlung die Felskante mit dem Abzweig zum Hanlův kámen (Hahnelfelsen) und zur Robečský hrádek (Burg Hahnelstein). Einzig ein Halsgraben weist auf diese frühe Burganlage hin, die wohl nur eine untergeordnete Wach- oder Übermittlungsfunktion hatte. Dabei muss ein geschichtlicher Zusammenhang zur Burg Frýdlant bestehen. Der schräg abfallende Felssporn bot kaum einen idealen Platz für die Anlage größerer Gebäude, auch Spuren einer Zisterne oder eines Brunnens sind nicht zu entdecken. Zurück auf dem Wanderweg steige ich durch ein Seitentälchen hinab. Nach einem recht verwachsenen Pfadabschnitt führt ein Flurweg an einen ersten größeren Teich. Der weiterführende Pfad passiert einen Zweiten. Überall sitzen Angler und warten geduldig auf einen Fang. Nun komme ich entlang der Straße, die auf einem Damm am dritten Teich entlang verläuft, nach Česká Lípa - Dubice (Klein Aicha). Gemäß einem Wegzeiger aber ohne Wanderwegmarkierung gehe ich an einem vierten Teich, wohl eine alte Sandgrube, vorbei und komme später zu einigen alten Sandsteinbrüchen.
 
Dann tritt der Fußgängern vorbehaltene Weg in die großartige Szenerie der Peklo ein. Der feuchte oft überschwemmte Talgrund ist von einem standorttypischen Urwald bewachsen. Der Robečský potok ist durch die einstige Nutzung mit einer Kahnfahrt relativ breit und fließt träge dahin. Umgestürzte Bäume versperren bisweilen den Flusslauf. Der Weg führt teils über Holzstege entlang der felsigen Talwand. Nach etwa zwei Dritteln des Talweges trifft der Weg auf ein einzelnstehendes Haus, früher Kahnhäusel genannt. Vorbei am Haus steige ich aus dem Tal heraus und komme auf der Hochfläche zu einer Ziegenfarm. Der nächste Burgplatz, Hrad Zahrádky - Nový Dvůr liegt auf einem Felssporn dahinter und stellt sich als nicht frei zugänglich heraus. Die Burganlage soll aus der 2. Hälfte des 14. Jh. stammen und um 1550 eingegangen sein. Durch teilweise Überbauung mit dem Gutshof und einem Pavillon sind die Bauwerksreste stark verändert. Ich lege an einem erhöhten Punkt an der vorbeiführenden Bahnstrecke meine Mittagsrast ein. Die Ruhe wird dabei vom Rennlärm des nahen Autodrom Sosnová beeinträchtigt. Gestärkt versuche ich, über den talseitigen Steilhang das Farmgebäude zu umgehen, was ich aber vernünftigerweise wegen zu hohem Risiko abbreche. Zum Kahnhäusel zurückgekehrt, setze ich den Talweg fort. Nach kurzer Zeit komme ich zum bereits bekannten Wehr und schließe meine Wanderung über den am Morgen begangenen Weg vorbei an Karba nach Zahrádky ab.
Die Tour hat mir höllischen Spaß bereitet.
 
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 5 h 15 min. Die Schwierigkeit variiert zwischen T1 und T2. Der Zugang zur Hrad Kvítkov - Frýdlant (absolvierter Hinweg) ist unmarkiert.

Tourengänger: lainari
Communities: Flusswanderungen


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Kommentare (2)


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Felix hat gesagt:
Gesendet am 2. Juli 2015 um 07:08
wild-romantisch; da hast ja wieder ein kleines Bijou durchwandert!

lg Felix

lainari hat gesagt: RE:
Gesendet am 2. Juli 2015 um 12:39
Merci, Felix!

Die ideale Besuchszeit dürfte allerdings im Frühjahr liegen, da hat man noch bessere Sicht auf die Felsen und am dann relativ leeren Boden soll sich eines der größten Vorkommen von Märzenbechern in Nordböhmen befinden.

VG Holger


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