Rund um den Novozámecký rybník (Hirnsener Großteich)


Publiziert von lainari , 18. Juni 2015 um 17:05.

Region: Welt » Tschechien » Dokeská pahorkatina
Tour Datum:17 Juni 2015
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CZ 
Zeitbedarf: 5:45
Aufstieg: 330 m
Abstieg: 330 m
Strecke:21 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto oder Zug der ČD bis Zahrádky
Kartennummer:1:50.000, KČT Nr. 15 Máchův Kraj

Unterwegs im Land der Schlucken
 
Schönes und etwas kühleres Wetter wird erwartet. Warum also die Abläufe ändern? Meine Pferde kennen den Weg schon und so wiederholt sich die Anreise nach Tschechien ins Dokeská pahorkatina (Hirschberger Hügelland). Einzig eine neue Baustelle und eine geschlossene Bahnschranke verzögern die Ankunft etwas. In Zahrádky (Neugarten) parke ich am Schloss. Ich breche zur letztens verschobenen Seeumrundung auf und folge ab hier einer roten Wanderwegmarkierung. So ist es zumindest beabsichtigt. Schon nach wenigen Metern verpasse ich den unscheinbaren Abzweig und laufe an der Straße weiter. Ich bemerke den Irrtum und kehre auf den richtigen Weg zurück. Nach überqueren der Fernstraße 15 verlasse ich den Ort und komme wenig später zur Kostel svaté Barbory (Kirche der hl. Barbara). Sie ist das einzige Überbleibsel des im Dreißigjährigen Krieg eingegangenen Ortes Mnichov (München). Ein Stichweg bringt mich zur Statue Svatá Starosta (Statue der hl. Kümmernis, auch Wilgefortis). Die heikle Überquerung der Fernstraße 9 ermöglicht im Anschluss die Besichtigung des Mnichovská průrva (Münchner Schlucken). Dies ist ein künstlich angelegter Felsenkanal aus dem 14. Jahrhundert, der das Stauwehr/den Abfluss des bis 1792 angestauten Münchner Teiches bildete. Dabei leitet er das Wasser der Bäche Dolský potok (Gründelbach) und Bobří potok (Bieberbach) in den unmittelbar angrenzenden tieferliegenden Novozámecký rybník (Hirnsener Großteich) über. Zurück an der Kirche, folge ich dem Hauptweg im Verlauf durch den Ort Borek (Regersdorf). Nun gehe ich eine Weile an der Waldkante entlang, was vom Lärm der Fernstraße etwas getrübt wird. Später biegt der Weg hinter den Dlouhý hřeben (Langer Kamm) hinein und verläuft durch ein schönes sandsteingesäumtes Tal. Dann wird der Kamm überschritten, wobei man den Abstecher zum (Nicht-)Aussichtspunkt getrost auslassen kann. Aber das weiß man erst hinterher. Einmal dort, nutze ich die Örtlichkeit zu einer Pause. Das Gefälle führt schließlich nach Jestřebí (Habstein) hinunter, das ich nach Überqueren der Fernstraße erreiche. Dabei sollte man dem Zebrastreifen nicht allzu viel Vertrauen schenken, um nicht als neue Kühlerfigur eines schnellfahrenden Lastwagens zu enden.
 
Unübersehbar thront über dem Ort der zweigeteilte Felsen der Hrad Jestřebí/Habštejn (Burg Habstein/Habichenstein/Habichtstein), mein nächstes Ziel. Die Burg wurde wohl erst um 1400 von den Berkové z Dubé (Berka von Dauba) errichtet. Nennungen eines ein Jahrhundert früheren Baues sollen auf falsche Ortszuordnungen bei der Quellenauswertung beruhen. Zum gefühlt hundertsten Mal muss ich über die räuberischen Aktivitäten des Berka-Clans berichten, so dass auch hier der Oberlausitzer Sechsstädtebund auf den Plan gerufen wurde. 1445 zog man zur Belagerung der Burg auf. Mit einem geschickten Winkelzug wurde die Burg durch Zahlungen ausgelöst, anderen Quellen sprechen in diesem Zusammenhang von einem Verkauf, wodurch die Burg unbeschädigt blieb. Um 1550 wurde sie dann als wüst bezeichnet. In ursprünglicher Schönheit soll sie einem gestrandeten Schiffsrumpf ähnlich, einen allseitigem Felsüberhang aufgewiesen haben. Irgendwann begannen die Anwohner mit der Sandsteingewinnung, wodurch das Aussehen zerstört wurde und Folgeschäden durch Felsstürze zu verzeichnen waren. So wurde die unterhalb gelegene Kirche getroffen, von der heute nur noch der Turm steht. Der freigelegte, teilweise halbierte Burgbrunnen wurde nachträglich wieder komplettiert und mit einer Treppe zum Aufstieg versehen, über die man den flacheren Teil des Felsens betritt. Der höhere Teil ist unzugänglich. Von oben habe ich einen schönen Ausblick auf die Umgebung, besonders die Provodínské kameny (Mickenhaner Steine), von denen ich einen besuchen will. So steige ich ab und laufe ohne Wanderwegmarkierung durch den Ort, um anschließend die Talebene zu queren. Auf dem Fußweg begegnen mir eine ältere Frau und ihr halbwüchsiger Begleiter, sichtbar Angehörige einer benachteiligten Minderheit. Im vorbeigehen fingert mich der Typ an und verlangt Geld - das gibt Punktabzug! Tief Luft holen, böse gucken und weiter geht’s. Gleich darauf komme ich nach Provodín (Mickenhan), wo sich auch der Bahnhof Jestřebí befindet. Mickenhan ist eine Ortsbezeichnung der Hain-Gruppe und würde dialektbereinigt wohl Mückenhain heißen. Ab dem Bahnübergang ist eine grüne Wanderwegmarkierung vorhanden, die mich auf einer Anliegerstraße am Rand des Siedlungsgebietes entlang leitet. Leicht steigend wandere ich dann durch Offenland und komme über einen Pfad in einem Gehölzstreifen zum Fuß des Lysá skála (Kahlstein). Mit leichten Klettereinlagen erklimme ich den Gipfel des herrlichen Basaltberges, der einen phänomenalen Rundblick bietet. Drei Monteure, die ihr Auto an der letzten befahrbaren Straße abgestellt hatten, verbringen hier ihre Mittagspause. Sightseeing statt Frittenbude, eine gute Idee. Ich verschnaufe ein wenig und kehre dann nach Provodín zurück.
 
Auffallendster Punkt des Ortes sind die Fabrikanlagen der Provodínské písky a.s., wo Quarzsand/-mehl in höchster Reinheit aufbereitet wird. Abgebaut wird er in zwei nahen Tagebauen aus einer Sandsteinschicht. Eine Anschlussbahn sorgt für ein erhöhtes Güterverkehrsaufkommen. Ich mache halt am Bahnhof und lege eine Mittagspause ein. Mit Hornstößen und blinkendem Fernlicht quittiert die freundliche Crew des vorbeirauschenden Schnellzuges nach Rumburk meine Fotobemühungen. Ich beende meine Pause und will weiterlaufen, als sich nochmals die Schranken des Bahnüberganges schließen. Eine ebenso freundliche Cargo-Crew bollert mit ihrer Diesellok aus dem Anschluss zurück in den Bahnhof. Ob sich dort weitere Aktivitäten anschließen, warte ich nicht ab, sondern wandere weiter, nun geführt von einer blauen Wanderwegmarkierung. Das selten genutzte Fahrsträßchen führt dabei aus dem Siedlungsgebiet heraus in Offenland. Ich lege nochmals eine Pause ein und genieße den schönen Tag. An einem Abzweig wechselt die Markierung auf Gelb. Der Weg führt ans Seeufer des Novozámecký rybník (Hirnsener Großteich) heran, dessen Fläche mittlerweile zu zwei Dritteln verschilft ist. Am Hang über dem Seeufer liegen verstreut die Anwesen der Siedlung Karasy (Karsch). Ein Steg durchbricht das gehölzbestandene Seeufer und erschließt eine Aussichtsplattform. Die ganze Seeregion ist als Vogelschutzgebiet ausgewiesen, doch mehr wie ein Blesshuhn und eine Schwalbe kann ich nicht entdecken. Die übrigen hier vorkommenden anderen 198 Vogelarten halten sich gut versteckt. Im Anschluss erreiche ich das Siedlungsgebiet von Zahrádky und unterquere zunächst die Fernstraße. Nach links abgebogen, komme ich durch ein Tälchen zur Fernstraßenkreuzung, die ich wegen einer Baustellenampel günstig überschreiten kann. Neben einem Gasthof versteckt, befindet sich der Novozámecká průrva (Hirnsener Schlucken), auch hier als Stauwehr/Teichabfluss. Die Anlage des künstlichen Felsenkanales erfolgte ebenfalls im 14. Jahrhundert. In ihm wird der Robečský potok (Robitzbach) entlanggeführt. Obwohl nirgends explizit erwähnt, wird die Einrichtung der hiesigen Teichgebiete zur Fischzucht auf kirchliches Bestreben zurückzuführen sein. Nach der Besichtigung kehre ich durch das Tälchen zum gelben Wanderweg und abschließend zum Schloss zurück. Das Schloss ersetzte eine ältere Burganlage und wurde Anfang der 2000er Jahre durch einen Brand schwer beschädigt. Heute schien es wieder genutzt zu werden. Von hier aus setze ich zur entspannten Rückfahrt an. Zurück in Deutschland fahren zwei Mopedfahrer abseits der Straße gleichschnell neben mir auf einem Radweg her. Manchmal spürt man den Ärger bevor er konkret wird…
Sie schießen hinter mir auf die Straße und kurven auf gerader Strecke überschwänglich über die gesamte Fahrbahnbreite. In Postelwitz bremst ein vorausfahrendes Auto abrupt, um den Postmann - und das ist kein Witz - in sein Fahrzeug einsteigen zu lassen. Ich bremse ebenso und hinten kracht‘s…
Mopedfahrer Nummer eins ist aufgefahren. Schon wieder Punktabzug! Tief Luft holen, böse gucken und Standpauke halten. Nach reeller Einschätzung des Schadens erbete ich mir dann einen geringen Betrag für eine Politur der Kratzer und weiter geht’s.
 
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 5 h 45 min. Die Schwierigkeit variiert zwischen T1 und T2. Auf den Bildern waren heute teilweise unschöne Sensorflecken, die ich nicht vollständig nachträglich entfernen konnte.

Tourengänger: lainari


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