Sandmeer, Kiefernmeer und…


Publiziert von lainari , 5. August 2016 um 16:26.

Region: Welt » Tschechien » Dokeská pahorkatina
Tour Datum: 4 August 2016
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CZ 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 70 m
Abstieg: 70 m
Strecke:21 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto oder Zug der ČD bis Zahrádky oder Česká Lípa
Kartennummer:1:50.000, KČT Nr. 15 Máchův Kraj

Peklo (Höllengrund/Karbenschlucht)
 
EIN Tag SONNENSCHEIN lockt mich hervor, meine finstere, ungemütliche Baustelle zu verlassen. Sonne bedeutet bei dem jetzigen Wetter aber auch Treibhausgefühl - wer das Eine will muss das Andere mögen. So nehme ich jeweils Wegstücke von zwei bereits absolvierten Touren und füge ein neues Wegdrittel hinzu. Dabei habe ich einen relativ ebenen Wegverlauf mit vielen Waldanteilen angestrebt. Ich fahre am Morgen nach Zahrádky (Neugarten). Einzig eine neue Straßenbaustelle auf der Hauptstraße 15 bremst mich geringfügig aus. Zu Fuß gestartet, orientiere ich mich nach einer gelben Wanderwegmarkierung und laufe abwärts ins Tal des Robečský potok (Robitzbach). Hinter der querenden Straßenbrücke der Hauptstraße 9 komme ich zum Ufer des Novozámecký rybník (Hirnsener Großteich). Hier blicke ich auch diesmal von der Aussichtsplattform auf den See und suche vergeblich die 198 vorkommenden Vogelarten, nur das (bekannte) Blesshuhnpaar dreht seine Referenzrunde. Es ist im Schilfsaum sowie auf den umliegenden Bäumen zwar einiges an Vogelstimmen zu hören, aber die Seefläche bleibt verwaist. Ich setze den Weg fort und passiere dabei die am Hang über dem Seeufer verstreut liegenden Anwesen der Siedlung Karasy (Karsch). Nach einer Wegstrecke von etwa anderthalb Kilometern ist die Morgenkühle verflogen. Durch angenehm schattigen Wald komme ich nun nach Srní u České Lípy (Rehdörfel) und mache zunächst den obligatorischen Bahnhofsbesuch. Weitergelaufen, soll ich jetzt eine blaue Wanderwegmarkierung beachten. Vorbei an einer Sandgrube geht es in den Wald hinein. Es gibt Blau- und Preiselbeeren und die Heide beginnt zu blühen. Das Sandmeer, Kiefernmeer und rein gar nichts mehr ziehen mich so in den Bann, dass der Wanderweg irgendwann ohne mich abzweigt. In zunehmender Wärme trotte ich immer geradeaus und realisiere, dass die Markierungen weiß-nichts-weiß der Waldabteilung gelten und weiß-blau-weiß irgendwie verschwunden ist. Nach einer Trinkpause bleibe ich getreu dem Motto: Vorwärts immer, rückwärts nimmer! einfach auf Kurs und komme zum Autodrom in Sosnová u České Lípy (Künast). Der deutsche Name des Ortes wäre für mich allein schon ein Grund gewesen, lieber einen großen Bogen darum zu machen. Auf einem schattigen Waldsträßchen komme ich doch noch nach Okřešice (Aschendorf).
 
Hinter dem Dörfchen sind zwei parallel verlaufende Bahnstrecken (sieht aus wie zweigleisig, ist aber zweimal eingleisig) blinklichtgesichert zu überschreiten. Es bimmelt und blinkt und Zug eins rauscht vorbei. Nach kurzer Stille bimmelt und blinkt es erneut und Zug zwei erscheint. Und es bimmelt und blinkt noch etwa 10 Minuten ununterbrochen. Ich warte ordnungsgemäß, weil sich auf einer Seite eine nicht einsehbare Kurve anschließt. Ohne dass etwas passiert wäre, ist plötzlich Stille und ich laufe hinüber. Nachdem ich wenige Meter weitergegangen bin, rauscht der Zug in Gegenrichtung vorbei und ich möchte nicht meine Hand ins Feuer legen, dass es erneut gebimmelt hätte…
Durch heißes Wiesenland erreiche ich die Stadtgrenze von Česká Lípa (Böhmisch Leipa). Zunächst durchquere ich eine hübsche Vorstadtsiedlung mit Eigenheimgrundstücken. Später komme ich vorbei am großen Busbahnhof zum Hauptbahnhof der Stadt. Der Bahnknoten mit Strecken in fünf Richtungen (Liberec, Bakov, Lovosice, Jedlová, Děčín) wird gerade total umgebaut. Auf dem Areal des einstigen Güterschuppens entsteht nördlich vom alten Bahnhof ein neues, futuristisches Empfangsgebäude mit entsprechend zeitgemäßen Bahnsteigen. Das Baufeld wird dabei derzeit von nur einem Gleis durchquert, was bahnbetriebliche Herausforderungen schafft. Blockweise werden Nord- und Südfahrer abgefertigt, wobei jeweils auf Befehl und nach Sicht in bereits besetzte Gleise nachgerückt wird. Bei einfahrenden Zügen ertönen automatische Warndurchsagen, wobei der Sprecher scheinbar fast hyperventiliert. Diese Hektik überträgt sich auch auf manche Reisende. Passanten und Bauarbeiter verpflegen sich an den Kiosken auf dem Vorplatz oder eilen durchs Gelände. Aber immer wieder kann das Auge auch Ruhepole böhmischer Gelassenheit entdecken. Da wäre zum Beispiel die junge Schaffnerin mit Sonnenbrille, die an ihren Zug gelehnt einfach die Sonne genießt oder der Infrastrukturmitarbeiter der die Wechselkassen für besetzte Unterwegsstationen zwecks eines Schwatzes einfach an der Hausecke abstellt. Nach einer Weile reiße ich mich vom Geschehen los und setze meinen Weg fort. Neu folge ich einer roten Wanderwegmarkierung. Auch diese biegt irgendwann ohne mich ab, aber ich habe einfach keinen Abzweig entdeckt. Meine Karte sah ohnehin noch den geraden Weg durch die prosperierende Gewerbezone bis nach Česká Lípa - Dubice (Klein Aicha) vor.
 
Gemäß dem dortigen, mir schon bekannten Wegzeiger aber ohne Wanderwegmarkierung gehe ich bis an einen Teich, wohl eine alte Sandgrube. Auf dem schattigen Ufer, bei einem erfrischenden Wind lege ich nun meine Mittagsrast ein. Frisch gestärkt durchwandere ich anschließend die Peklo (Höllengrund/Karbenschlucht) auf ihrem, teils auf Holzstegen unterhalb von Felswänden verlaufenden Pfad. Eine detaillierte Beschreibung der Landschaft in Text und Bild entnimmt der geneigte Leser bitte hier. Ungewöhnlich scheint mir heute, dass zwei Drittel der wenigen entgegenkommenden Wanderer nicht grüßen, aber scheinbar nervt manchen die Wärme oder die Familie…
In ruhigen Momenten beobachte ich dann wieder das Spiel der Blauflügel-Prachtlibellen über dem Wasser. Vorbei an Karba komme ich abschließend nach Zahrádky zurück.
 
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 5 h. Die Schwierigkeit liegt bei T1 und der Weg ist durchgängig markiert, so man darauf achtet.

Tourengänger: lainari


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