Kokořínsko (Daubaer Schweiz)


Publiziert von lainari , 15. Juni 2015 um 22:00.

Region: Welt » Tschechien » Dokeská pahorkatina
Tour Datum:14 Juni 2015
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CZ 
Zeitbedarf: 6:15
Aufstieg: 380 m
Abstieg: 380 m
Strecke:25,5 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto bis Holany
Kartennummer:1:50.000, KČT Nr. 15 Máchův Kraj

Ritter, Burgen und Sommersonne
 
Den Sommer mag ich eigentlich genau so wie die anderen Jahreszeiten. Nur zum Wandern ist er in hiesiger Ausprägung nicht ganz so ideal, man verbringt viel Zeit um auf gute Bedingungen zu warten - entweder es ist zu warm oder zu instabil. So will ich heute nach einem schwülwarmen Vortag, der mit Gewittern zu Ende ging, mein Glück versuchen. Ich mache mich auf nach Tschechien ins Dokeská pahorkatina (Hirschberger Hügelland). Unterwegs ist es jetzt am frühen Morgen mal mehr, mal weniger neblig. Die Gewitter haben regional ihre Spuren hinterlassen. Die Straßen sind teilweise mit herunter gebrochenen Ästen und Laub bedeckt. Im Zielgebiet herrscht dicker Nebel, so dass ich kurzfristig statt der geplanten Seeumrundung auf eine andere Route umsteuere, die mit einer Talwanderung beginnt. Diese Tour hatte ich ursprünglich für den Himmelfahrtstag vorgesehen. Die heute durchquerte Landschaft Kokořínsko (Daubaer Schweiz) besteht aus einer zerklüfteten Sandsteinplatte, die von den Hirschberger Seen bis zur Elbe reicht und dabei eine Unterformation des Dokeská pahorkatina bildet.
 
Ich erreiche meinen neuen Startpunkt in Holany (Hohlen) und parke beim zentralen Wanderwegweiser. Wohlweislich nur leicht bekleidet, starte ich bei 15° C und hoher Luftfeuchte. Ich folge der grünen Markierung entlang einer Straße. Außerorts schälen sich plötzlich vier abenteuerliche Gestalten aus dem Nebel und kommen mir entgegen - Rittersleut! Sie sind so richtig mit Panzer oder Kettenhemd, Eisenhüten, Schwertern und Lanzen ausstaffiert. Ich schaue kurz an mir herunter, die Füße in High-tech-Wanderschuhen stehen auf Asphalt, ich trage eine Armbanduhr und habe einen digitalen Fotoapparat dabei, also habe ich kein Zeitfenster durchquert. Wir begrüßen uns freundlich. Ich bereite mich darauf vor, mich gegenüber den Herren, welche örtlich zu den Berkové z Dubé (Berka von Dauba) gehören sollten, im Ernstfall als Nachfahre der Markwartinger auszugeben. Sollte ich in Verdacht geraten, ein informeller Mitarbeiter des Oberlausitzer Sechsstädtebundes zu sein, könnte das heutige Frühstück durchaus mein letztes gewesen sein. Aber sie mustern mich nur und ziehen friedlich weiter. Fünf Minuten später treffe ich auf den nächsten Eisenmann, den ich gar für ein Foto gewinnen kann. Ich biege von der Straße ab und laufe durch ein Tal am Dolský potok (Gründelbach) hinauf. Nun treffe ich erneut auf drei Ritter. Kostümieren scheint auch ein tschechischer Nationalsport zu sein…
Am Ende des Fahrweges erreiche ich ein Wasserwerk. Daneben befindet sich ein Rastplatz. Hier beginne ich mit der Burgensuche. Ich bleibe auf dieser Talseite und komme zu einem alten Wehr, das eventuell zur einstigen Dolský mlýn (Gründelmühle) gehört haben könnte. Soweit es Feuchtigkeit und Gepäck zulassen, erkunde ich den felsigen Talhang. Dies wiederhole ich ebenso ergebnislos am Rastplatz. Ich quere entsprechend der Wanderwegmarkierung den Bach und suche am anderen, eigentlich falschen Talhang. Auch hier ohne Erfolg. So laufe ich weiter talaufwärts und komme nach kurzer Zeit zu einem einzeln stehenden Haus. Hier quert ein schlammiger, nasser Pfad durch Schilfgras hinüber auf die andere Talseite. Dort gibt es einen Wegweiser und den gesuchten und sogar markierten Burgzugang. Auf Grund der Nässe ist der Aufstieg heikel und wegen steigender Temperatur schweißtreibend. Oben treffe ich auf die Reste der Chudý hrádek, die keinen offiziellen deutschen Namen hat, aber in etwa mit „Dürftige Burg“ übersetzt werden könnte. Die Burg ist eine Gründung der Berkové z Dubé aus dem 14. Jh. und wurde 1622 letztmalig urkundlich in einem Güterverzeichnis erwähnt. Ich besichtige die Mauern des Hauptgebäudes, den Keller und schaue nach dem Brunnen. Dann lasse ich mich zur verdienten Pause nieder. Wieder am Talboden angekommen, setze ich danach die Wanderung fort. Der Weg im idyllischen Čertova rokle (Teufelsgrund) ist teilweise von umgestürzten Bäumen versperrt, manchmal recht lehmig und weist Bachquerungen auf. Die touristischen Einbauten, wie Stege über Feuchtstellen und Brücklein wurden durch ein früheres Hochwasser fortgerissen. Vorbei an zwei Quellen verlasse ich später das Tal und steige hinauf nach Dřevčice (Sebitsch).
 
Auf der Straße durchquere ich die Ortschaft und biege später auf einen Flurweg ein. Weiterhin mit der grünen Markierung versehen, führt mich dieser zunächst über Offenland in den Wald hinein. Es folgt eine hügelige Landschaft mit Kiefernwald. Der Weg zieht sich dabei mit nur wenig Höhenunterschied auf einem Rücken entlang. Später erreiche ich die einstige Felsenburg Čap (Tschap). Auch diese Burg war eine Gründung der Berkové z Dubé aus dem 14. Jh. und wurde bereits im 15. Jh. aufgegeben. Heute weist nur noch ein Keller und eine Zisterne auf die Burganlage hin, die mehrheitlich mit Holzaufbauten versehen war. Besonders sehenswert ist ein etwa sechs Meter hoher Felsen, die Tschap-Keule. Auf einem schattigen Felsvorsprung lege ich meine Mittagsrast ein. Gestärkt absolviere ich im Anschluss auf einem Pfad einen kurzen steilen Abstieg. Im Tal folge ich weiter der grünen Markierung auf einem leicht steigenden Abschnitt. Auf einem Wirtschaftsweg überquere ich den bewaldeten Kostelec mit seinem Naturschutzgebiet. Der Kiefernforst hat mediterranes Flair. Ein kleines auf und ab führt mich dann zum Kostelíček. Unter dem Felsen zweigt ein Stichweg zu den auserodierten Schichtfugenhöhlen Krápník und Tisícovy kámen ab. Zurück auf dem Hauptweg laufe ich weiter und komme später über einen rot markierten Abzweig zur Husa (Gans). Eisenbänderungen im Sandstein haben auf dem Gipfel einige schöne Erosionsgebilde geschaffen, wobei die Gans selbst in meinen Augen nicht das herausragendste davon ist. Die sommerliche Wärme lässt mich nochmals auf einem schattigen Felsvorsprung rasten.
 
Zurück am Abzweig, steige ich im Verlauf kurz steil ab, um dann wieder an Höhe zu gewinnen. Dabei passiere ich eine frische Waldbrandfläche, die noch verkohlt riecht. Den Wald verlassend, biege ich an der Kreuzung mit Sicht auf den Vlhošť (Willhoscht/Wilschtberg) nach rechts auf einen blau markierten Wanderweg ab. Wieder in den Wald eintretend, komme ich durch den bereits bekannten Hohlweg zur Flanke des Vlhošť mit seinen zwei Zugängen. Ich streife Offenland und gehe durch einen Wald abwärts. An der unteren Waldkante biegt der Wanderpfad kaum sichtbar in brusthohes Grün ab. Jetzt weiß ich wieder, warum ich Nacktwandern nicht mag und auch meistens lange Hosen trage…
An einer Feldkante auf eine Trittspur ausgewichen, gehe ich anschließend parallel zum völlig verkrauteten Hohlweg weiter. Später bringt mich ein Flurweg zurück nach Holany, wo ich recht glücklich bin, das Auto zu erreichen, da die letzten zwei Kilometer sehr heiß und ermüdend waren. Auf der Rückfahrt mache ich einen Stopp am legendären Blumen-Bahnhof Zahrádky (Neugarten), der aber wegen wegrationalisiertem Personal keine Blumen mehr aufweist. Später treffe ich noch drei Militärradfahrer, einer in Phantasieuniform und zwei historisch korrekt gekleidet u. a. mit k.u.k. Filzmützen (Hut ab, bei der Wärme!) - kostümieren ist tschechischer Nationalsport!
 
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 6 h 15 min. Die Schwierigkeit variiert zwischen T1 und T2.

Tourengänger: lainari


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