Meine Traumtour: 8 Tage solo durch die Brooks Range TEIL II


Publiziert von Mistermai , 22. August 2014 um 15:00.

Region: Welt » United States » Alaska
Tour Datum:10 August 2014
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: USA 
Zeitbedarf: 8 Tage
Strecke:Siehe Karte
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Autostopp von Fairbanks bis zur Sukakpak Mountain Rest Area (ca. 500km, grösstenteils mühsame Kiesstrasse)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Autostopp
Unterkunftmöglichkeiten:Man kann in Alaska praktisch überall wild campieren
Kartennummer:Karten vom Bureau of Land Management. Achtung: Karten sind von 1971, Massstab 1:63'630 und zeigen nur ganz grob die Waldstücke, Gewässer und Höhenlinien.

Dies ist eine Fortsetzung *dieses Tourenberichts

Tag 5 (6. Aug) - Ein ereignisreicher Tag am Apoon Mountain
An diesem Morgen liess ich mein Camp stehen und machte mich mit einem leichten Rucksack auf den Weg, Apoon Mountain zu besteigen. direkt von meinem Camp auf rund 1'100müm ging's steil nach oben und nach kurzer Zeit war ich in besagtem Couloir. Zunächst kam ich auch ganz gut vorwärts, doch dann wurde es immer steiler und rutschiger. Es löste sich viel Geröll und ich war froh, nicht auf andere Berg-Gänger Rücksicht nehmen zu müssen. Ich rutschte mehrfach mehrere Meter zu Tale - zwar bestand keine Absturzgefahr, trotzdem fühlte es sich nicht sonderlich gut an. Nach rund 400 Höhenmetern war der Spuk vorbei und ich stand auf dem viel flacheren und erstaunlich stumpfen Grat, der mich zum Gipfel führen sollte.
Ganz gereicht hatte es dann am Schluss aber doch nicht. Die letzten 40m Grat, sowie der Gipfelfels waren etwas zu bröcklig und ausgesetzt. Irgendwie hatte ich keine Lust, mitten im Nirgendwo Kopf und Kragen zu riskieren und so begnügte ich mich mit dem ebenfalls durchaus netten Vorgipfel und als sich dann die Quellwolken plötzlich verdichteten, schaute ich zu, wieder zu Tale zu kommen. 2h später begann es prompt zu regnen (und es sollte laaange nicht mehr aufhören, dazu aber später...)

Anschliessend ging's, komplett wasserdicht eingepackt, über einen namenlosen Pass und über ausgedehnte Altschneefelder auf unter 1000müm hinunter in die Region östlich des Kinnorutin Passes. Etwas später stand ich plötzlich einem mächtigen Grizzly mit zwei Jungtieren gegenüber - zwar mit rund 30m Abstand, doch das Muttertier bewegte sich in beschützender Haltung ihrem Nachwuchs gegenüber auf mich zu, was sich durchaus auf meinen Puls auswirkte. Ich zog mich langsam zurück, um dem Bären Raum zu gewähren, worauf er sich auf seine Hinterbeine stellte und ihre volle Grösse zeigte, um danach zusammen mit den beiden Jungen das Weite zu suchen.

Kurze Zeit später baute ich mein Camp auf - unterdessen war ich leicht unterkühlt und an Weitermarsch war so nicht mehr zu denken.

Tag 6 (7. Aug) - Blockiert!
Auf Grund der Strapazen der Vortage taten mir Schulterbereich (Schwerer Rucksack) und Oberschenkel gehörig weh und ich schlief sehr schlecht, dafür konnte ich mit verfolgen, wie es die ganze Nacht ununterbrochen regnete.
Da als nächstes entweder eine Gipfelbesteigung oder eine Buschwald-Durchquerung und anschliessende Passüberschreitung anstand, entschied ich mich nur loszugehen, falls sich das Wetter bessern sollte. Doch nachdem ich bereits bei meiner Radfahrt durch die Brooks Range jeden Tag Regen oder gar Schneefall hatte, wurde ich auch nun wieder von einer kräftigen Schlechtwetterfront beregnet: Pausenlos prasselte es auf mein Aussenzelt. Aus Gewichtsgründen hatte ich beinahe keine Unterhaltungsmöglichkeiten eingepackt und so wurde es mir zusehends äusserst langweilig. Dazu kam, dass ich mit der Zeit Mühe bekam, Sitz- oder Liegepositionen zu finden, in denen mir nicht alles weh tat. Da ich auch kein Essen im Zelt haben durfte (Bären-Sicherheit), war das "Gefängnis-Gefühl" perfekt. Von Stunde zu Stunde fühlte ich mich schlechter. Plötzlich fühlte sich mein Magen gar nicht mehr so fit an und Kopfweh setzte ein. Dies war der einzige Zeitpunkt auf dieser Tour, an dem ich wirklich Angst hatte: Was passiert, wenn ich nun krank werde?
Am Abend fand ich nur mühsam etwas schlaf, ich war ja den ganzen Tag nur rumgelegen und irgendwie war mir klar, dass ich am nächsten Tag weiter muss, egal wie sich das Wetter entwickelt.

Tag 7 (8.Aug) - Die Wetterlaunen der Brooks Range
Wiederum regnete es die ganze Nacht und wiederum schlief ich schlecht. Langsam fürchtete ich nun auch, dass die Flüsse und Bäche stark angeschwollen sein könnten und ich tatsächlich noch so enden würde wie der Junge im Film "Into the Wild".
Gegen 5 Uhr Morgens dann die Erlösung: Der Regen "schaltete" ab. Von einer Minute auf die andere. Nach über 40h. Nachdem ich nun über 35h beinahe durchgehend im Zelt verbracht hatte, gab's kein Halten mehr: Kurze Zeit später war ich auf den Beinen und nach einem guten Frühstück fühlte ich mich wieder deutlich fitter. Trotzdem entschied ich, keine weiteren Gipfel mehr zu besteigen und mich auf den Heimweg zu machen. Durch dichten Buschwald ging's auf den letzten Pass zu, den ich in kühlem Wind aber mit toller Aussicht überschreiten konnte. Unterdessen war der Himmel grösstenteils wieder blau!!!
Nach einem sehr langen Tag erreichte ich die Nationalparkgrenze und campierte dort voraussichtlich ein letztes Mal.

Tag 8 (9.Aug) - Eine unerwartete Begegnung
Nachdem ich mein Camp abgebaut hatte, musste ich eine Wald-Sumpf-Ebene durchqueren, um zurück an den Dietrich-River zu kommen. Aufgrund des Regens der Vortage war alles extrem Nass und schlammig und so kam ich relativ stark von der Ideallinie ab und lief viel zu weit nördlich.
Plötzlich traf ich nun auf gefällte Bäume! An sich nichts illegales, da der Park ja hinter mir lag, doch wer um alles in der Welt würde hier oben Bäume fällen???
Kurze Zeit später traf ich tatsächlich auf eine Block-Hütte, aus deren Kamin Rauch aufstieg. Ich war total perplex und eher verängstigt als erfreut und lief in grossem Bogen darum herum, schliesslich wollte ich keine Schusswaffe ins Gesicht gestreckt bekommen.
Nun gab es sowas wie einen Trampel-Pfad und dem folgte ich, in der Hoffnung, so zur letzten Flussquerung zu gelangen. Es kam wie es kommen musste und ich lief direkt in die Arme des Mannes, der hier draussen hauste. Und ja, er trug eine Waffe. Und nein, er war gar nicht verärgert: Ich wollte mich sofort rechtfertigen, dass ich nur aus Versehen sein Grundstück betreten hätte (schliesslich mögen dies Amerikaner nicht sonderlich gerne), doch ihn interessierte dies wenig: 5min später sass ich in seiner Hütte mit einer Tasse Kaffee in der Hand.

Allzu viel über ihn möchte ich an dieser Stelle nicht über ihn schreiben, weil ich weiss, dass ihm das Internet ungeheuer ist. Nur so viel: Er war ein erfolgreicher Geschäftsmann, verkaufte seine Firma und kaufte stattdessen beinahe 90ha (!) Land in der Wildnis draussen. Seines Zeichens das einzige Privat-Grundstück zwischen Wiseman und der Nordküste Alaskas!
Nun lebt er ein isoliertes Leben, jagt, trapt, fischt und war in den letzten 5 Jahren ein einziges Mal in Fairbanks. Uns beiden tat es gut, wieder einmal mit jemandem zu sprechen und so übernachtete ich in einer von drei Blockhütten, die er selber gebaut hat. Zuvor hatten wir ein tolles Nachtessen mit Fisch und Schwarzbär: Es soll nie mehr jemand behaupten, Bärenfleisch sei schlecht - ich wurde nun schon zum dritten Mal eines Besseren belehrt.

Tag 9 (10.Aug) - Ab in den Süden!
Mein Host hätte mich gerne noch eine weitere Nacht beherbergt, doch gegen Mittag zog es mich ab in die Zivilisation - die letzten Tage waren nicht nur wunderschön sondern auch sehr kräfteraubend gewesen und ich sehnte mich nach einer Dusche und einem warmen Bett.
So durchquerte ich überraschend einfach den Dietrich-River, der hier in einem enormen Flussbett mäandriert und kurze Zeit später war ich zurück am Dalton-Highway.
Nach 15min Autostoppen wurde ich von einem Jäger aufgegriffen, der die verbleibenden 500km in amerikanischem Stile in einem Stück durchfuhr (abgesehen von einem Tank-Stopp in Coldfoot) und so war ich am Abend zurück in Fairbanks.

Das Trekking war extrem eindrücklich gewesen. Die Einsamkeit, die Unberührtheit der Natur, die körperlichen und psychischen Herausforderungen - alles in einem Mix ergab ein Abenteuer, an das ich mich garantiert mein Leben lang gerne zurück erinnern werde. Hoffentlich war es nicht das letzte Mal da draussen.

Leistungsdaten
Da meine Sportuhr den Geist aufgegeben hatte und ich kein GPS mitführte, verfüge ich über keine gemessenen Werte. Wenn ich Route grob auf den Karten abstecke, komme ich etwa auf 140km Marschdistanz und rund 5000 Höhenmeter. Angesichts von Vegetation, Gewässer, Rucksackgewicht etc. fühlt es sich aber wie etwa das 3-fache an.

Für "Nachahmer"
Falls du selbst ein Trekking in dieser Region planst und so auf meinen Bericht gestossen bist, lass dir einige Dinge gesagt sein:
  • Grundsätzlich wird Trekkern in dieser Region empfohlen, Flussläufen zu folgen. Dies vereinfacht Navigation und mindert das Risiko blockiert zu werden. Bergbesteigungen sind nur bei stabilem, gutem Wetter möglich. Aber selbst dann gilt es, die Wettersituation stets im Auge zu behalten.
  • Ich rate davon ab, eine Route von jemandem anderem abzulaufen. Finde deine eigene Route, das ist Teil des Erlebnisses! Ohnehin muss man die Route laufend den Verhältnissen anpassen.
  • Unterschätze die Hindernisse nicht, auch wenn du in den Alpen 60 Leistungskilometer pro Tag läufst - in der Brooks Range schaffst du vielleicht nur einen Drittel davon.
  • Am besten Vorwärtskommen tut man i.d.R. in der offenen Tundra oder im Wald. Dazwischen gibt's oft unglaublich mühsame und kaum durchdringbare Buschwälder.
Bei weiteren Fragen darf man sich gerne bei mir melden.

Tourengänger: Mistermai


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Kommentare (7)


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Hade hat gesagt:
Gesendet am 22. August 2014 um 15:49
Du machst genau das, wovon andere - auch ich - immer nur träumen. Großen Respekt dafür! Super Bericht mit genialen Fotos von einer noch viel genialeren Trekkingtour! Da kann man die Einsamkeit richtig spüren. Hat mich mitgerissen...

VG Daniel

Mistermai hat gesagt: RE:
Gesendet am 23. August 2014 um 06:22
Hoi Daniel

Danke für den Kommentar - die Unberührtheit/Einsamkeit war wohl tatsächlich das eindrücklichste da draussen und wenns dich wirklich reizt: So schwierig ists nun auch wieder nicht...

Gruss
Manuel

Henrik hat gesagt: Spannende
Gesendet am 22. August 2014 um 20:29
Berichterstattung, sauber geschrieben, authentisch und emotional teilnehmend.

CS

Henrik

Mistermai hat gesagt: RE:Spannende
Gesendet am 23. August 2014 um 06:34
Besten Dank!

TeamMoomin hat gesagt: Hey
Gesendet am 22. August 2014 um 22:51
Manuel nach deiner genialen velo Tour die ich sehr gerne verfolgt hbae hast du mit diesem Bericht und dem coolen Video der Sache echt noch die Krone aufgesetzt.
Meinen grossen Respekt für den Mut und die Leistung alleine durch echte Wildnis zu gehen, ganz toll!

Lg Oli und Moomin

Mistermai hat gesagt: RE:Hey
Gesendet am 23. August 2014 um 06:36
Hi Oli
Danke! Hat mich auch gefreut, dass du mitgefiebert hast. Hoffentlich bis bald mal in den Bergen!
Gruss
Manuel

Alpin_Rise hat gesagt: Into the wild!
Gesendet am 25. August 2014 um 14:39
Ciao Misterimai,

was für ein Abenteuer! Ein solcher Wildnistrip bleibt in Erinnerung, besonders eindrücklich deine menschliche Begegnung "out there". Fühlen sich nach Tagen der Einsamkeit anders an, nicht?

Schön bist du wohlbehalten zurück und
G, Rise

PS: bald gibts mal die Berichte von Wildnistripps in der Sierra. Zwar nicht Alaska, aber doch ganz schön wild!


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