Über und unter Tage durch das Schweinitztal


Publiziert von lainari , 7. August 2013 um 16:50.

Region: Welt » Deutschland » Östliche Mittelgebirge » Erzgebirge
Tour Datum: 6 August 2013
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   CZ 
Zeitbedarf: 4:45
Aufstieg: 300 m
Abstieg: 300 m
Strecke:21 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto bis Haltepunkt Oberneuschönberg oder Zug der DB bis Olbernhau-Grünthal
Kartennummer:1:33.000, SK Nr. 32 Mittleres Erzgebirge

Auf den Spuren des Bernst… - nein der Schweinitztalbahn
 
Mein geplanter Produktivurlaub kämpft schon nach kurzer Zeit mit hitzebedingten Stockungen. Wenn schon das Arbeiten zu mühsam ist, wie sieht es zur Abwechslung mit einer Wandertour aus? Ein früher Start und eine Abkühlung zwischendurch, das könnte passen. Mein planerischer Blick schweifte ins Erzgebirge, in die Region um Deutschneudorf, welche als mögliches Versteck des Bernsteinzimmers immer mal wieder in die Schlagzeilen geriet. Deutschneudorf war bis 1969 über eine Bahnstrecke mit Olbernhau-Grünthal verbunden. Deren Reste wollte ich heute aufsuchen. Bei einer Morgentemperatur von 20° C setzte ich mich ins Auto und nahm die angenehm leeren Erzgebirgsstraßen unter die Räder.
 
Am einstigen Haltepunkt Oberneuschönberg parkte ich den Wagen. Entlang von Hauptstraße und Bahnstrecke lief ich Richtung Ort. Die vorbeiführende Bahnstrecke wird zwischen Olbernhau-Grünthal und Neuhausen nicht mehr planmäßig bedient, aber von der DB-Tochter Erzgebirgsbahn für gelegentliche Sonderfahrten betriebsfähig vorgehalten. In Oberneuschönberg bog ich nach links ein und kam zur einstigen Blockstelle Abzweig Oberneuschönberg. Hier nahm die regelspurige Bahnstrecke ins Schweinitztal ihren körperlichen Ausgang, obwohl die Kilometrierung in Olbernhau-Grünthal (hist. sächs. Bezeichnung KD-Linie, Kupferhammer Grünthal-Deutschneudorf) begann. Auf dem verbuschten Bahndamm ermöglichte ein schmaler Pfad das Vorankommen. Über zunächst zwei kleinere Brücken erreichte ich die Grenzbrücke über die Flöha. Nun führte die Bahntrasse ca. 1 km über tschechisches Territorium. Die Inbetriebnahme der 1924 fertiggestellten Bahnlinie hatte sich wegen eines dazu fehlenden Staatsvertrages um drei Jahre verzögert. Auf diesem Stück befand sich bis 1945 die Haltestelle Brandau. Jetzt dient die Trasse als Flurweg, auf dem ich das Wiesenland durchquerte. Eine Brücke über den Grenzbach Schweinitz führte die Strecke wieder auf deutsches Gebiet. Heute ist das angrenzende Areal von einer Firma überbaut, der Weiterweg hier nicht möglich. Ich blieb auf tschechischer Seite und lief auf einem Flurweg Richtung Brandov. Kurz vor dem Ort bog ich nach links zum Friedhof hinüber. Dieser besteht aus einem gepflegten aktuellen und einem völlig verwilderten deutschen Teil. Hier arbeitete ich mich eine Runde mühsam durch brusthohes Grünzeug. Auf der anderen Seite angekommen, lief ich über Weideland weiter. Die vorab auf einem Satellitenbild ausgemachten Wege und Fahrspuren waren zu dieser Jahreszeit so nicht in der Realität anzutreffen. Plötzlich geriet ich auf einen braunen faserigen Untergrund mit nur einzelnen Grasinseln. Der Boden schwankte und gab Geräusche ab. Vorsichtig taste ich mich über die hochmoorartige Feuchtfläche hinüber. Bis auf schmutzige Hosenbeine blieb ich von einem größeren Malheur verschont. Dahinter nahm mich ein Waldweg auf, der am Rande einer breiten Schneise entlangführte. Unterwegs gab es Bau- und Forstarbeiten. Große bitumenummantelte Stahlrohre, die man ausgetauscht hatte, wiesen auf eine Erdgastrasse hin. Später erreichte ich eine Straße.
 
An ihrem Rand lief ich nach Hora Svaté Kateřiny (Sankt Katharinaberg) hinauf. Hier strebte ich zunächst in einem Seitentälchen bergwärts, bis ich in Dolní Kateřina nach links zum eigentlichen Ortskern hin abbog. Der Ortsname ehrt die Magd Katharina, die einst beim Grasmähen am steilen Hang Silbererz fand. Sankt Katharinaberg ist somit eine alte Bergstadt, aber der Glanz vergangener Zeiten und reicher Erzfunde ist längst vorüber. Heute kann man nur mehr von morbidem Charme sprechen. Auf einem Flurweg steuerte ich an der Bergflanke wieder talwärts. Charakteristische gehölzbestandene Lesesteinwälle und alte Bergbauhalden prägten die Wiesenlandschaft. Am Talboden traf ich in Nová Ves v Horách (Gebirgsneudorf) ein. Sogleich bog ich über die Grenzbrücke nach Deutschneudorf hinüber. An der Straße ging ich talwärts bis zum einstigen Endbahnhof. Der nicht verwirklichte Plan einer Weiterführung der Bahnstrecke nach Böhmen hatte zur ortsfernen Anlage des Bahnhofes geführt. Das Areal wird heute von Firmen genutzt. Nach einer rückgebauten Brücke erklomm ich den Bahndamm. Der folgende Kilometer hatte etwas von Dschungelkrieg. Hüfthohes Grünzeug, Verbuschung und Totholz behinderten das Vorankommen. Dazu wurde ich noch von Insekten umschwärmt. Der Bahnkörper war hier mit schönen berg- und talseitigen Stützmauern versehen. Mit Erreichen der Ortslage Deutschkatharinenberg war die Trasse überbaut. Über den gemähten Hang stieg ich zur Straße ab, wobei ich eine Kreuzotter sah. Durch den Ort lief ich zum Besucherbergwerk. Hier hatte ich noch Zeit für eine Pause. Nach Öffnung des Abenteuer Bergwerk Fortuna-Stollen wartete ich auf den Beginn der Führung.
 
Auf den Namenszusatz Bernsteinzimmer verzichte ich, da sich dieser Stollen als mögliches Versteck so langsam als haltlose Phantasie erweist. Wobei logisches Denken nicht gerade zu den Stärken der selbsternannten Schatzsucher gehört. Das Bernsteinzimmer als Wandverkleidung stelle ich mir demontiert zumindest in größeren Einzelteilen vor, welche zwar flache aber entsprechend breite und lange Transportverpackungen benötigen. Der hiesige Stollen ist schulterbreit und reichlich mannshoch (ca. 1,90 m), auf Nebenstrecken auch 1,50 m oder weniger hoch und reichlich feucht, größere trockene Hohlräume als geeignete Lagerorte gibt es nicht. Zudem wurde er nach Förderende in den 1880er Jahren konsequent verfüllt. Neure Bohr- und Sprengspuren sowie Betonausbauten wurden hier nicht vorgefunden.
 
Insgesamt 6 Personen besuchten heute die erste Führung des Tages im Besucherbergwerk. Der Führer erläuterte auf der Tour unter Tage bei einer Temperatur von 7° C und einer Luftfeuchte von 80 % die geschichtlichen Aspekte des Abbaus von Kupfererz in der einst weitläufigen Bergwerksanlage. Nur ein kleiner Teil wurde bisher wieder zugänglich gemacht, eine Erweiterung ist jedoch in Arbeit. Besonders beeindruckt immer die Mühsal des historischen Bergbaues. Mit Schlegel und Eisen wurde im Schein einer Ölfunzel von einem Bergmann in 6 Stunden Arbeit auf einem halben Quadratmeter Fläche ca. 3 cm Vortrieb erreicht. Das Ein- und Ausfahren mittels Ab- und Aufstieg über Fahrten (Leitern) im Förderschacht konnte je nach Einsatzort pro Strecke auch noch einmal 2 Stunden dauern. Der heutige ebenerdige Zugang per Stollen wurde erst gegen Ende des Bergbaubetriebes geschaffen. Mit durchweg positiven Eindrücken kehrte ich ans Tageslicht zurück. Die im Internet kritisierte Fixierung auf das Bernsteinzimmer war nicht mehr vorhanden, im Gegenteil, dieses Wort fiel unterwegs kein einziges Mal. Auch an den First geklebte Minerale aus Südamerika kamen nicht vor. Ich verstaute meine Jacke und trat aus dem Gebäude. Die mittlerweile heiße Wirklichkeit des Sommertages erschlug mich fast.
 
An der Straße lief ich weiter talwärts und besichtigte das einstige Bahnhofsgelände von Deutschkatharinenberg. Nur der Güterschuppen ist noch erhalten, ansonsten wird das Areal von einem Holzverarbeitungsbetrieb genutzt. Über die Ladestraßenzufahrt gelangte ich hinter die Bahntrasse, welche ab hier als Wanderpfad begehbar ist. Auf dem gemähten Weg kam ich nach Oberlochmühle. Auf dem südlichen Brückenwiderlager der Straßenbrücke war ein Aussichtspunkt mit Bank eingerichtet. Hier legte ich meine Mittagsrast ein. Später lief ich mit Blick auf das Viadukt an der Straße durch den Ort. Das im Internet noch verschiedentlich abgebildete Wartehäuschen des Bahnhaltepunktes ist nun verschwunden. Erneut wurde der Wanderweg auf die Trasse geführt. Im Verlauf erreichte ich Niederlochmühle, auch hier war das Wartehäuschen verschwunden. Der Weiterweg auf der Trasse erschien nicht ratsam, weil sich hinter einem Deponiegelände offenbar ein Feuchtgebiet etabliert hat. Brusthohes Grünzeug und Schilf waren keine einladenden Anzeichen. Ich wich bergwärts auf den Wanderweg aus. Der wurde vom verwachsenen Weg zum Pfad und führte weit an der Bergflanke hinauf, bevor er sich besserte und talwärts neigte. In der Ferne verdunkelte sich der Himmel und erstes Grollen setzte ein. Ich beschleunigte die Schritte und passierte die Kapelle Hirschberg. Im Endspurt kehrte ich - bis auf den Schweiß - trocken zum Haltepunkt Oberneuschönberg zurück.
 
Die Gehzeit betrug wartezeit- und pausenbereinigt 4 h 45 min. Die Bergwerksführung dauerte 40 min. Die Strecke ist mit T2 zu bewerten.
 
Fakten zur Bahnstrecke Kupferhammer Grünthal-Deutschneudorf
Länge: 9,7 km
Fertigstellung: 1924
Inbetriebnahme: 1927
Einstellung des Personenverkehrs/Güterverkehrs: 1966/1969 

Tourengänger: lainari


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Geodaten
 17234.kml

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