Fluchthorn-Südgipfel (3398 m)


Publiziert von Ford Prefect , 29. Juni 2012 um 16:12.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Silvretta
Tour Datum:24 Juni 2012
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Fluchthorn-Gruppe   CH-GR   A   Augstenberg-Gruppe 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 1800 m
Abstieg: 1800 m
Strecke:Langer Hüttenzustieg durch das Jamtal: ca. 11 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Über Silvretta-Hochalpenstraße (Mautpflichtig) nach Galtür.
Unterkunftmöglichkeiten:Jamtalhütte (2165 m): Tel.: +43 5443 84 08

Seitdem ich das Fluchthorn das erste Mal bei einer Bergtour im nahen Verwall zu Gesicht bekam, hatte ich den Wunsch einmal auf dem markanten Gipfel zu stehen. Das Fluchthorn besitzt eigentlich 3 Gipfel, von denen der höchste, der Südgipfel, zur Freude vieler Bergsteiger zugleich auch der am leichtesten zu besteigende ist. Die Überschreitung aller drei Einzelgipfel ist, obgleich sehr reizend, deutlich anspruchsvoller, erfordert bei einer Dauer von mindestens 12h ein Biwak und wird daher vor allem heutzutage sehr selten versucht...

Auch für uns war die Besteigung des Fluchthorn-Südgipfels (3398 m) für dieses Mal Abenteuer genug. Ursprünglich war die Tour für einen Tag später geplant. Der Wetterbericht verhieß für diesen Tag jedoch nichts Gutes. Daher beschlossen wir das Schönwetterfenster noch zu nutzen und bereits einen Tag früher zu starten. Kurz nach 11 Uhr morgens erreichten wir über die Silvretta-Hochalpenstraße Galtür. Nach kurzer Parkplatzsuche machten wir uns dann auf den langen Zustieg zur Hütte. Der Weg durch das Jamtal ist landschaftlich zwar recht schön, auf Grund der breiten, wenig idyllischen Fahrstraße und der Länge von ca. 11 km bis zur Hütte wird das Laufen nach einer Weile jedoch recht langatmig und eher eintönig.


Das Jamtal ist landschaftlich schön, mit einer Länge von ca. 11 km zieht sich der Hüttenzustieg zu Fuß aber etwas.

Schnell wird uns klar warum viele das Fahrrad wählen um zur Jamtal-Hütte (2165 m) zu gelangen. Nach ca. 3h erreichten wir dann das Tagesziel, wo wir bei einem kühlen Weißbier den weiteren Tagesverlauf und die Tour am nächsten Tag besprachen. Die Jamtal-Hütte ist im Übrigen für meine Empfindung weniger eine Hütte als eine Art ,,Alpinhotel", was Ausstattung, Verköstigung und Größe betrifft. 
Die Zeit bis zum Abendessen verbrachten wir damit das Hüttenumfeld und den ersten Teil des Weges des nächsten Tages zu erkundschaften. Wir folgten dem Wanderweg entlang des Futschölbachs bis zum Beginn des Breiten Wassers. Zur Linken sieht man dabei den Klettergarten ,,Jamtal-Hüttenblick". Wir überlegten den Tag mit einer Runde Sportklettern ausklingen zu lassen, beschlossen uns aber dann für den nächsten Tag zu schonen. Zudem hatten wir nur die schweren Bergschuhe dabei und erfahrungsgemäß ist bei mir damit ohnehin schon im oberen 5. UIAA-Grad der Spaß vorbei. Erstaunt waren wir von den Hakenabständen, die jeder Kletterhalle Konkurrenz machten. So viel Metall auf so wenig Fels ist mir bisher nicht begegnet. Das Abendessen fand in relativ beschaulicher Runde statt. Außer uns waren vielleicht 10 Gäste an diesem späten Juni-Wochenende anwesend. Gemessen an der Kapazität der Hütte also sehr wenige. Für die Sommergäste war es vermutlich noch etwas früh und für Skitouren zu spät. Nach einem hervorragenden Abendessen und -unvermeidlich- ein, zwei Weißbier studierten wir nochmals die Karte und gingen dann früh zu Bett.
Am nächsten Morgen starteten wir kurz nach 4 Uhr. Wieder ging es entlang des Futschölbachs bis zum Breiten Wasser. Immer entlang des Baches gelangt man dann nach etwas über einer Stunde zum Finanzerstein. An diesem befindet sich eine zerfallene Hütte, die man gut als Depot nutzen kann, wenn man nicht alle für die Übernachtung benötigten Utensilien mit auf den Gipfel schleppen möchte.
Vom Finanzerstein aus folgt man dann, den Wanderweg linksseitig verlassend, einem markierten, steileren Pfad in nordöstlicher Richtung. Man gelangt zum P. 2763 und quert dann auf einem größtenteils mit Steinmännchen markierten Pfad die Moräne unterhalb der Fluchthorn-Südseite bis zum Beginn der nach dem Erstbegeher des Fluchthorns benannten Weilemannrinne. Die Orientierung ist an dieser Stelle aber ohnehin nicht mehr sonderlich schwierig. Wir fanden zudem noch einige Schneefelder vor, die die Querung zur Weilemannrinne noch vereinfachten.


Da gehts rauf! Im Hintergrund als linke der beiden Rinnen sichtbar: Die Weilemannrinne.

Nun hieß es endgültig Steigeisen an die Füße, Pickel in die Hand! Die Schneeverhältnisse in der Weilemann waren ideal. Es lag noch genug Schnee und da es noch nicht allzu spät war, war die Schneedecke noch hart genug gefroren um mit Steigeiseneinsatz recht effektiv Aufsteigen zu können. Ob die Weilemannrinne nun tatsächlich 45° Steigung erreicht, wie oft zu Lesen ist, sei dahingestellt. Über große Strecken sind es wohl ein paar Grad weniger. Steil ist sie jedoch ohne Frage! Die Oberschenkel-Muskulatur spürten wir am Ende der Weilemannrinne jedenfalls. Im oberen Drittel der Rinne verabschiedete sich im Übrigen meine wenig intelligent am Rucksack befestigte Sonnenbrille und demonstrierte eindrucksvoll, welche Geschwindigkeit Objekte (und gegebenenfalls wohl auch Personen) auf steilen Firnfeldern im ungebremsten Fall erreichen können. Schätzungsweise 150 Höhenmeter tiefer blieb sie dann schließlich liegen. Da ich in diesem Moment wenig Lust verspürte der Brille wegen die hart erkämpften Höhenmeter wieder abzusteigen, nahm ich mir vor sie beim Abstieg wieder einzusammeln. Es braucht fast nicht erwähnt zu werden, dass ich sie nie wieder sah... 


Teilweise ist sie doch erstaunlich steil: Die Weilemannrinne.

Im oberen Bereich, kurz unterhalb des Sattels, quert man dann in die Rinne rechts der Weilemannrinne und von hier steil nach oben bis zu den Begrenzungsfelsen des Gipfelaufbaus rechts der Scharte. Hier bieten sich mehrere Einstiegsmöglichkeiten. Ganz oben befindet sich ein durch ein Steinmännchen markierter Einsteig, der aus einer Mischung aus Riss und Verschneidung besteht. Diesen wählten wir dann auch für den Einstieg in den Gipfelaufbau. Jedoch war uns einige Meter unterhalb zuvor eine weitere Möglichkeit, in Form einer gestuften, geneigten und großgriffigen Verschneidung, aufgefallen. Da wir jedoch nicht wussten was uns überhalb erwartete, wählten wir die Steinmännchen-Variante. Im Abstieg wählten wir dann jedoch tatsächlich die andere Möglichkeit. Allgemein gilt für den gesamten Gipfelaufbau, dass es bezüglich der genauen Route wohl kein Patentrezept gibt. Man quert die Südwand allgemein zunächst etwas in östlicher Richtung, findet teilweise Steinmännchen vor, aber auch ohne gelangt man recht problemlos nach oben, da der Gipfel was die Schwierigkeit des Geländes angeht recht homogen aufgebaut ist. Meistens bewegen sich die Schwierigkeiten im UIAA-Grad I-II. Jedoch ist der Fels teilweise recht brüchig und bei schlechter Sicht stelle ich mir Orientierung und Wegfindung in diesem Bereich, vor allem auch im Abstieg, recht unangenehm und problematisch vor. 
Zum Zeitpunkt unserer Tour war der Gipfelaufbau weitestgehend schneefrei, so dass wir uns der Steigeisen und Pickel entledigten. Die Kletterei war durhgehend einfach, auch wenn wir die Steinmännchen gegen Ende aus den Augen verloren. Wir erreichten den obersten Bereich des Südostgrates, wo sich eine imposante Aussicht bot.


Die letzten Meter zum Gipfel bieten fantastische Tiefblicke und eine einmalige Aussicht...

Nach einer kurzen Steilstufe von ca. 5 m Höhe (II-III), hier sicherte ich meine Begleitung kurz nach, so war das Mitschleppen des Seiles immerhin nicht ganz umsonst, sahen wir dann den Gipfel vor uns liegen. Nach wenigen Metern auf dem Grat standen wir dann auf dem zweithöchsten Gipfel der Silvretta und genossen das fantastische Panorama! 
Im Abstieg fanden wir dann die Abzweigung der markierten Route und stiegen vor der zuvor erstiegenen Steilstufe über ein steiles Firnfeld, diesesmal mit Steigeisen an den Füßen, in die Südwand ab.
Der Schnee in der Weilemannrinne war mittlerweile deutlich aufgeweicht. Nachdem der steilere obere Teil hinter uns lag, fuhren wir den unteren Teil der Weilemannrinne mit der notwendigen Vorsicht auf dem weichen Schnee ab und erreichten zügig wieder die Moräne.
Der Abstieg zur Hütte erfolgte dann auf der Aufstiegsroute. Nach einem Kaiserschmarrn und einem Bier zur Feier des Gipfelerfolgs machten wir uns dann an den langen Abstieg nach Galtür. Während diesem mussten wir ununterbrochen daran denken, wie schön in dieser Situation ein Fahrrad gewesen wäre! Durch das am Ende eines langen Tages noch viel, viel längere Jamtal gemütlich ins Tal zu Rollen, war in dieser Situation wahrlich ein traumhafter Gedanke! (Den HIKRn die vor uns diese Tour gemacht haben und die das Zweirad für ihre Tour gewählt haben sei an dieser Stelle zu ihrer weisen Entscheidung gratuliert!)
Dennoch erreichten wir auch per pedes letzten Endes erfolgreich unser Gefährt in Galtür und machten uns an die Heimfahrt ins ferne und leider bergarme Stuttgart.
Ein Dank den HIKR-Autoren der bisherigen Fluchthorn-Berichte, deren Artikel und Bilder mich zusätzlich zu der tollen Tour motivierten und die die Planung sehr erleichterten!

FAZIT: Die Besteigung des Fluchthorns bietet viel Abwechslung und ist bei guten Bedingungen technisch nicht besonders anspruchsvoll. Im Gipfelbereich sollte man auf Grund des teilweise losen Fels aber auf Steinschlag achten. Gesichert werden kann in diesem Bereich zudem nur schwierig bis gar nicht, man sollte sich also im I und II Grad sicher bewegen können.  Auch ist die Weilemannrinne, wenn weniger Schnee liegt, ebenfalls Steinschlaggefährdet und wohl sehr viel unangenehmer.

Tourengänger: Ford Prefect


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Kommentare (5)


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Zaza hat gesagt:
Gesendet am 29. Juni 2012 um 17:13
Schöne Tour, netter Benutzername! Besser keine Touren mit Zaphod Beeblebrox unternehmen ;-)

LG, zaza

Ford Prefect hat gesagt: RE:
Gesendet am 29. Juni 2012 um 17:53
Danke dir! ;-) Du hast Recht, von Touren mit Zaphod hab ich seit geraumer Zeit genug... Die Alpen müssen fürs nächste reichen und können bisweilen nervenaufreibend genug sein! Es gibt außerdem noch einige Gipfel abzuhaken bevor die Vogonen kommen! ;-)

LG, Ford Prefect

P.S.: Don´t panic! And know where your towel is!

DHM123 hat gesagt: RE:
Gesendet am 29. Juni 2012 um 22:07
Hauptsache, ein Handtuch ist im Rucksack :)

DHM123 hat gesagt: Spacige Grüße aus M
Gesendet am 29. Juni 2012 um 17:22
Hi,
dies war mein erster anspruchsvoller 3000er - bestiegen 1975 - und da gab's auch haufenweise Schnee - vermutlich war der Fels damals deutlich besser, ich kann mich nicht an Bruch erinnern, aber an die 3- Platte :)

Ford Prefect hat gesagt: RE:Spacige Grüße aus M
Gesendet am 29. Juni 2012 um 18:01
Hallo,
Da haben wir durchaus etwas gemeinsam. Auch für mich war das Fluchthorn eine meiner bisher anspruchsvollsten Touren mit hohem Erlebniswert! Das mit dem Fels ist sehr gut möglich! Natürlich ist Felsqualität immer auch etwas subjektiv, da sich im Gipfelbuch einige der vorhergehenden Besteiger aber mit Worten wie "Irgendwer sollte diesen Schutthaufen mal wieder aufräumen" verewigten, gehe ich davon aus, dass ich mit meiner Meinung heutzutage nicht ganz alleine dastehe. ;-)
Vermutlich nagt auch am Fluchthorn der Zahn der Zeit!

Liebe Grüße aus Stuttgart,
Ford Prefect


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