Abschied von Körmend


Publiziert von ABoehlen , 15. Januar 2012 um 15:18.

Region: Welt » Ungarn » Nyugat-Dunántúl (Westtransdanubien)
Tour Datum: 5 Oktober 2011
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: H 
Zeitbedarf: 4:30
Aufstieg: 10 m
Abstieg: 10 m
Strecke:Körmend – Kardos-kert – Alsóberkifalu – Körmend
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit der GYSEV/Raaberbahn nach Körmend
Unterkunftmöglichkeiten:Teke Panzió in Körmend
Kartennummer:Österreichische Karte 1:50'000, Blatt Kohfidisch (Nr. 5226), Körmend térkép von Hiszi-Map kft. oder Turistatérkép Őrség, Göcsej 1:60'000 von Cartographia Földgömb és Terképbolt, Budapest

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Für den letzten Wandertag haben wir uns nichts Grosses mehr vorgenommen. Stattdessen schlendern wir noch einmal durch die Stadt und besuchen dabei eine Buchhandlung (könyvesbolt), die bei unserem letzten Stadtbummel am Samstag geschlossen war. Wie so oft in solchen Läden ist alles sehr eng, dafür ist die Ware bis fast unter die Decke gestapelt und es gibt eine Menge zu entdecken. Schlussendlich wechseln ein handliches, gebundenes Wörterbuch német – magyar / Deutsch – Ungarisch, die Wanderkarte Őrség, Göcsej 1:60’000 sowie ein Stadtplan von Budapest den Besitzer. Letzterer könnte vielleicht irgendwann auch mal nützlich sein…

Über den Hauptplatz gelangen wir an die Raab, queren sie auf der grünen, einspurigen Brücke der Bajcsy-Zsiljnszky utca und folgen ihrem südlichen Ufer weiter auf dem Damm. Bei der Brücke der Schnellstrasse entdecken wir einen Durchschlupf, der anschliessend in einen «Dschungelpfad» übergeht, welcher allerlei Grünzeugs quert und sich sogar durch ein Maisfeld schlängelt. Wieder fühle ich mich an die Prärie erinnert und an Laura Ingalls Wilder, die das Durchqueren des hohen Grases einst so beschrieben hat:

The millions of coarse grass-stems and their slender long leaves were greeny-gold and golden-green in their own shade. The earth was crackled with dryness underfoot, but a faint smell of damp lay under the hot smell of the grass. Just above Laura’s head the grasstops swished in the wind, but down at their roots was a stillness, broken only when Laura and Carrie went wading through it.
Laura Ingalls Wilder: The Long Winter, HarperCollins Publishers 1940

Ich könnte noch ewig so weiterwandern. Aber bei einer Hütte verlassen wir das Maisfeld und treffen dort auf zwei Herren, die uns fragen, wohin wir gehen wollen. Wanderer bekommen sie wohl eher selten zu Gesicht. Wir studieren dann gemeinsam die ÖK50, die diesen Weg parallel zur Raab zeigt, wobei er allerdings nach einigen Kilometern im Nichts endet. Über den wirklichen Verlauf scheinen sich die beiden aber nicht so recht einig zu sein. Wir biegen schliesslich rechtwinklig ab, wobei wir etwas später in einen ruppigen Feldweg münden, der sich laut Karte schnurgerade durch das Gebiet Csörnöc-melléki-rétek zieht. Westwärts gelangen wir so nach einiger Zeit wieder zur Schnellstrasse, etwas südlich von Körmend. Den auf der Karte nach Westen weiterführenden Weg können wir allerdings auch nach diversen Versuchen nicht finden; die zahlreichen abbiegenden Wege führen alle nur in Gärten und zu privaten Anwesen. Auch die heute morgen erworbene Wanderkarte hilft uns hier nicht weiter. Daher folgen wir der Hegyaljai utca, die uns zurück zur einspurigen Brücke führt. Auf dem Gelände des Campingplatzes gegenüber, wo nur wenig Betrieb herrscht, machen wir am Ufer der Raab unsere Mittagspause.

Von dieser Stelle aus zieht sich laut Karte ein Damm gegen Westen, bis über die Bahnlinie nach Zalalövő hinaus. Anders als vor 2 Tagen, als sich solch ein Damm im Gebiet von Horvátnádalja als völlig überwuchert und unpassierbar erwies, verläuft auf diesem hier ein breiter Feldweg. Mühelos erreichen wir so die zu diesem Zeitpunkt noch stillgelegte Bahnlinie Körmend – Zalalövő und folgen ihr bis zum Ortseingang von Alsóberkifalu, d.h. bis zu jener Stelle, wo wir vor 2 Tagen von Horvátnádalja herkommend, die Bahnlinie kreuzten. Seit dem Fahrplanwechsel im letzten Dezember gehört diese Strecke zum Netz der GYSEV und soll künftig wieder für den Güterverkehr genutzt werden, was das Begehen dann natürlich verbietet. Alternativ könnte man daher dem Damm weiter folgen um später auf einem der Pfade, die die Wanderkarte Őrség, Göcsej 1:60’000 zeigt, nach Horvátnádalja zu gelangen, von wo aus man auf «erdigem» Weg Alsóberkifalu erreicht, so wie am Montag gesehen.

Für uns ist der Rückweg nun prinzipiell derselbe wie damals, wobei wir diesmal eine etwas andere Route wählen und dabei einige andere Strässchen kennen lernen. Auch einen Souvenirshop entdecken wir noch, wo wir uns mit einigen Kleinigkeiten eindecken können. An der Vasútmellék utca stehen wir schliesslich vor der neuen Lärmschutzwad an der Bahnlinie. Die ist gut für die Anwohner, aber weniger gut für Bahnfotografen wie mich. Dank eines Beton-Holzmastens und Stini's Hilfe gelingt es mir dann doch, einige Bilder des von einem Taurus gezogenen Personenzuges 9944 zu schiessen!

Ohne konkreten Plan losgezogen, konnten wir dennoch nochmals eine interessante Runde halb um Körmend herum drehen und sind nun zeitig genug zurück, um bereits in aller Ruhe packen zu können. Für das Nachtessen geht es dann noch einmal nach Szentgotthárd ins Vándor Fogadó. Ein letztes Mal geniessen wir die Fahrt das Raabtal hinauf bei noch immer prächtigem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen. Ein Genuss ist dann auch das Essen – wie gewohnt in diesem Lokal: Heute probiere ich eine weitere ungarische Spezialität, den Lecsó, einen Eintopf mit Paprika, Tomaten und Zwiebeln. Zusammen mit Schweinefleisch serviert nennt sich das dann Lecsós szelet. Als Beilage gibt es Reis. Stini entscheidet sich für das Texasi szelet mit Bratkartoffeln, und natürlich darf auch genügend Flüssiges nicht fehlen. Auch ein Dessert genehmigen wir uns an diesem letzten Abend noch: Ich versuche nochmals einen «Palatschinke», den Mézes-mákos palacsinta, d.h. mit einer Honig-Mohn Füllung, und für Stini gibt es den Csokoládé kehely, das sind 3 garnierte Glacekugeln. Ein Kaffee rundet dieses fürstliche Mahl ab.

Nach der Rückfahrt und einer weiteren ruhigen Nacht bricht der 6. Oktober an, ein Donnerstag – der Tag der Heimfahrt. Ein erster Blick nach draussen offenbart ein vollkommen ungewohntes Bild: Der Himmel ist bedeckt. Nach all den Tagen voller Sonnenschein haben wir schon fast vergessen, wie das aussieht!

Wir lassen uns mit dem letzten Frühstück in der Teke Panzió Zeit, packen anschliessend die restlichen Sachen und bezahlen die Zimmerrechnung, die mit 7000 Forint pro Nacht ausserordentlich niedrig ausfällt. Erwartet hatte ich eigentlich 7000 Ft pro Person! Da ich nun noch ziemlich viele 10’000er Noten habe, die in Läden kaum angenommen werden, mache ich mich auf den Weg in die Stadt, um bei einer Bank diese Scheine in kleinere umzutauschen. Der Zug fährt erst um 10.31 Uhr, es bleibt also noch reichlich Zeit. Dann aber heisst es auch von der Teke Panzió Abschied nehmen. Diese sehr gemütliche Unterkunft, nahe von Bahnhof und Stadtmitte gelegen und doch ruhig, kann ich nur empfehlen!

Die erste Etappe der Rückreise führt uns nach Sopron; eine Strecke von 88 km. Der Abschnitt Körmend – Szombathely ist im «Europa Eisenbahn Atlas» von Kümmerly+Frey grün markiert, was die Legende als «malerische Wegstrecke» ausweist. Und dies ist nicht übertrieben! Gleich hinter der Stadt biegt der Zug in ein riesiges Waldgebiet ein, quert später weite Felder und Brachflächen und nur hin und wieder taucht ein Dorf auf. Entsprechend gibt es auch nur wenige Zwischenhalte und nach 20 Minuten sind wir bereits in Szombathely. Hier gibt es rund eine halbe Stunde Aufenthalt, ehe es weiter geht. Die Strecke zieht sich nun ein Stück weit in die «Kleine Tiefebene» hinaus, um schliesslich über Bük in einem langen Bogen nach rund einer Stunde die uns vertraute Gegend von Sopron zu erreichen. Dies ist die Endstation des Zuges. Der nächste Abschnitt bis Ebenfurth gehört zwar auch noch zum Streckennetz der GYSEV, wird aber mit ÖBB-Rollmaterial befahren. Bis zur Weiterfahrt bleibt noch viel Zeit, die wir für einen Einkauf im nahe gelegenen SPAR nutzen. Am Bahnsteig 1 verspeisen wir dann gemütlich unser Picknick. Längst brennt die Sonne wieder in gewohnter Manier hernieder und die Wolken von heute morgen sind verschwunden.

Um 14.13 Uhr geht die Reise weiter, wie angetönt mit einem Talent der ÖBB. Diese Triebzüge sind recht kurz und haben nicht allzuviele Sitzplätze und kaum Stauraum für’s Gepäck, was negativ auffällt, wenn man wie wir mit zwei grossen Rollenkoffern und Rucksäcken unterwegs ist. Fenster kann man auch nicht öffnen, entsprechend heiss und stickig ist es – all dies ein krasser Unterschied zu dem Zügen der GYSEV! Bis Ebenfurth wird jede Station bedient; der Zug schlängelt sich dabei kurvenreich durch das hügelige Gelände südlich des Neusiedler Sees – ebenfalls sehr reizvoll, wenn auch nicht speziell gekennzeichnet in besagtem Eisenbahn Atlas. Nach der Spitzkehre in Ebenfurth geht es dann in hohem Tempo und ohne Halt direkt nach Wien Meidling, wo wir um 15.25 Uhr eintreffen. Dort steigen wir in die U-Bahn um, damit wir am Westbahnhof unser Gepäck im Schliessfach verstauen können.

Der Westbahnhof ist noch immer eine Grossbaustelle, wie schon bei unserem letzten Aufenthalt vor eineinhalb Jahren, aber wir finden die Schliessfächer, die am Bahnsteig 1 aufgereiht sind. Alles ausser einem Rucksack verschwindet im grössten, das wir finden können, danach geht’s ab in die Stadt zu einer kleinen Shoppingrunde.

Nach den Tagen in der Provinzstadt Körmend, wo alles ziemlich gemächlich zu- und hergeht, brauche ich eine Weile, um mich wieder an den Grossstadttrubel zu gewöhnen. Der Verkehr und die Leute sind enorm! Schliesslich verziehen wir uns in den Thalia an der Mariahilferstrasse, der denjenigen in Bern an Grösse und Auswahl bei weitem übertrifft und bleiben etwa 2 Stunden dort. Mit einigen Büchern mehr im Gepäck betreten wir anschliessend die U-Bahn, die uns zum Karlsplatz führt. Nach unseren letzten Ungarn-Ferien im Frühling 2010 waren wir dort irgendwo in einem Chinarestaurant essen, das uns sehr gefallen hat. Nach einer kurzen Suche finden wir es wieder: Es heisst Wok & More und wir essen auch diesmal sehr gut.

Später am Abend kehren wir zum Westbahnhof zurück, wo der EuroNight «Wiener Walzer» pünktlich um 22.16 Uhr losfährt. Für einmal ist er nicht so gut besetzt, weshalb wir das Viererabteil für uns alleine haben. Ungewohnt und richtiggehend luxuriös! Geweckt werden wir knapp 8 Stunden später in der Gegend von Sargans, als es noch dunkel ist. Da wir jetzt wieder fast 600 km weiter westlich sind, macht sich dies halt mit einem späteren Sonnenaufgang bemerkbar! Aber es ist auch so unschwer sichtbar, wie es draussen vom Himmel schüttet. Genau zu unserem Ferienende hat also das Wetter radikal umgeschlagen. Auch kalt ist es geworden, wie wir bei der Ankunft in Zürich sogleich feststellen. Aber mit den vielen Erinnerungen an sonnige, warme Tage südöstlich der Alpen lässt sich solch nasskaltes Wetter nun mühelos ertragen!

Tourengänger: ABoehlen, Stini


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Kommentare (2)


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bidi35 hat gesagt: da habt ihr wirklich...
Gesendet am 15. Januar 2012 um 16:29
...bis zum letzten Tag bei strahlendem Wetter eure Ferien in einer mir unbekannten Gegend geniessen können. Und der Bahnfan ist doch auch voll auf seine Rechnung gekommen.

Sehr interessante Berichte Adrian.

LG Heinz

ABoehlen hat gesagt: RE: da habt ihr wirklich...
Gesendet am 16. Januar 2012 um 08:24
Merci Heinz :-)
Ja, in diesen Ferien hat wirklich alles gepasst!

LG Adrian


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