|
Tourbericht:
- Hüttenzustieg - Versuch Grand Combin - Combin de Corbassière - Abstieg -
Da als große Überschreitung des Grand Combin vom Val d'Entremont ins Val de Bagnes geplant, begann die Tour mit einer dreistündigen ÖV-Odyssee (Bus-Zug-Zug-Bus) von Fionnay, wo wir das Auto abgestellt hatten, über Le Châble, Sembrancher und Orsières nach Bourg-St-Pierre (1632m). Von hier sind wir am frühen Nachmittag dem markierten Fahr- bzw. später Fußweg folgend schließlich losmarschiert.
Man wandert - zunächst ohne viel Höhengewinn - via Cordonna (1834m) bis zum Chalet d'Amont (2197m), wo sich der Pfad teilt: Linker Hand weiterhin weiß-rot-weiß, rechts hingegen (neuerdings) weiß-blau-weiß. Der Zeitersparnis wegen entschieden wir uns schnell für Variante "blau" und steuerten mit zunehmender Steigung den Felsrigel der Six Rodzes an, welcher dank einiger Leitersteige problemlos überwunden wurde. Hiernach gings wieder etwas flacher, allerdings jetzt schon im Schnee, über die Ebenen der Plan des Cretons und Grands Plans (von wo man erstmals die Hütte weit oben auf einem Felsvorsprung erspähen kann) zum Pt. 2614. Die letzten gut 400 Höhenmeter gewinnt man stotzig über felsiges und gerölliges Terrain in vielen Kehren, wobei einem die Fahne der Hütte ständig zuwinkt, aber kaum näher zu kommen scheint. Pünktlich zum Abendessen hatten wir es dann doch geschafft und die Cabane de Valsorey (3030m) just in dem Moment erreicht, als bei Tisch im 1. Gang die Suppe serviert wurde. ;-)
Nach dem schmackhaften z'Nacht wurde noch einige Zeit mit in Anbetracht der Schneemassen ebenfalls etwas ratlosen (Grand Combin via Grat, Südflanke oder Nordanstieg?) Bergsteigern gefachsimpelt, bevor es gegen 10 Uhr in die Falle ging.

Pünktlich um 3 Uhr gabs Frühstück, wonach sich fast alle der gut 30 Personen quasi gleichzeitig im Stirnlampenschein kurz vor vier auf den Weg machten. Zunächst steigt man über Felsen und Blöcke zum Glacier du Meitin auf, überquert diesen auf guter Spur und nimmt schließlich die steile Schutt- und Geröllhalde, die sich bei uns wegen der Schneeauflage einigermaßen gut zu gehen präsentierte, in Angriff. Während einige schon zu Begin des Schneefeldes die Steigeisen anlegten, benötigen wir sie erst in der Flanke; wieder andere gingen gar ohne bis zum Col du Meitin (3611m), der nach knapp anderthalb Stunden geschafft war.
Hier ist es dann vorbei mit der Einmütigkeit und die Wege der verschiedenen Seilschaften trennen sich. Einige steigen direkt in den Meitingrat ein; andere queren hinüber zum Plateau du Couloir um die Südwestflanke zu versuchen. Schlüssig ist man sich jedoch wohl hüben wie drüben nicht, denn die Entscheidungsfindung dauert doch einige Zeit. Auch wir beraten den Fortgang. Mein erfahrener Bergkamerad Imseng hat etwas Bedenken, dass sich der Grat im oberen Teil zu verschneit zeigen könnte, wohingegen in der Südwestflanke eventuell wieder zu wenig bzw. zu lockerer Schnee liegt, um auf der allgemein nicht mehr als Normalweg empfohlenen Route sicher aufsteigen zu können.
Also wählen wir, wie auch eine weitere Seilschaft, die dritte Alternative: den kurzen Zwischenabstieg auf den oberen Rand des Plateau des Maisons Blanches mit anschließendem Aufstieg über die Nordwestflanke. Gesagt, getan, steigen wir anfangs rückwärts mittels Frontzacken- und Pickeleinsatz, nachher nicht mehr ganz so steil vorwärts zum Bergschrund auf ca. 3540m ab. Dessen Überwindung erfolgt mit Hilfe von 2 Eisschrauben und weiter gehts durch allerlei eisiges "Fallobst" unter die Nordseite. Können wir zu Beginn noch eine verwitterte Spur in Trittfirn benutzen, verliert sich diese alsbald im immer mehr aufsteilenden und zunehmend glattgefrorenen Gelände. Der Blick nach oben verheißt auch nicht unbedingt das Beste: die Steigung nimmt weiter zu und die Seracs sowie Gletscherabbrüche, welche es unterhalb des Gipfelplateaus zu durchsteigen gilt, wirken recht bedrohlich. Katalysiert vom Vorbeizischen einiger Eisklumpen stuft Imseng die gegebenen Gefahren und das damit verbundene Risiko für uns hier und jetzt als zu hoch ein (knapp 3700m). Ohne viel Federlesen kehren wir dem Grand Combin unverrichteter Dinge den Rücken und steigen wieder ab in die Ebene des Plateau des Maisons Blanches (3300m).

Gefrustet vespern wir dort und halten derweil nach einem neuen Ziel Ausschau. Gegenüber des Gletschers erhebt sich die Pyramide des Combin de Corbassière, welcher uns geradezu einladened seinen Südgrat entgegenstreckt. Es wird zusammen gepackt und - den Combin de Boveire (3663m) links liegen lassend - der kurze Gegenanstieg bis in den Sattel bei Pt. 3402 unter die Füße genommen. Hier errichten wir ein Eisenwaren-Depot und machen uns über besagten Südgrat her. Der Fels ist größtenteils stabil und gut zu greifen, wobei es sich empfiehlt, möglichst selten in die Flanken auszuweichen. So stehen wir nach einer rund einstündigen wunderschönen, mitunter etwas ausgesetzten aber insgesamt unschwierigen Kletterei (max. oberer II. Grad) auf dem Gipfel des Combin de Corbassière (3716m).
Die tolle Aussicht kann einen Misserfolg wie den vorigen zwar nicht wettmachen, aber wir genossen es trotzdem. Da doch recht zugig hier oben, verweilten wir nicht allzu lange, zumal noch ein nicht unwesentlicher Abstieg bevor stand. Zurück im Sattel bei Pt. 3402, bewaffneten wir uns erneut mit Pickel, Seil und Eisen und schritten über den namenlosen Gletscher am Südwestfuß des Combin de Corbassière gen Osten. Laut Karte und Führer sollte man so auf einer steil abfallenden, sich verjüngenden Gletscherzunge zum Glacier de Corbassière hinunter gelangen. Ende der 90er Jahre war dies vermutlich noch möglich, jetzt allerdings begrüßte uns knapp unterhalb Pt. 3096 eine kaum überwindbare Rampe aus losem Geröll mit eingebetteter kleiner Gletscherbachschlucht. Deshalb waren wir gezwungen, die Halde ohne viel Höhenverlust nach Süden zu queren, um so den linken Rand des Corbassière-Gletschers erreichen zu können. Nun mussten wir nur noch eintönig und nicht enden wollend der Spur über jene in diesem unteren Bereich fast spaltenfreie Eisfläche folgen. Nach einiger Zeit und einem weiteren kurzen, schuttigen Gegenanstieg hatten wir die Cabane de Panossière/F.-X. Bagnoud (2641m) dann endlich erreicht. Hier gabs zu allererst einmal ein redlich verdientes, wenn auch nachgelagertes Gipfelbierchen.

Nachdem Durst und Hunger vorerst gestillt waren, begaben wir uns auf den letzten Teil der langen Tour, welchen wir ehrlich gesagt nicht mehr gebraucht hätten. Aber eben, das Vehikel stand ja etliche km und weitere 1200 Höhenmeter unter uns. Gut markiert und gepflegt schlängelt sich der viel frequentierte Wanderweg erst moderat abfallend bis Pt. 1959 über Schafweiden und dann durch lichten Wald deutlich steiler dem Tal entgegen. Unterwegs legten wir an einem Bergbächlein nochmals eine kurze Pause ein, um die zur Neige gegangenen Wasservorräte soweit aufzufüllen, dass es bis runter langte. Weiter gings, irgendwann kamen die Stauseen in Sicht und schlussendlich kamen wir gegen halb acht tatsächlich in Fionnay (1491m) an. Geschafft!
Das Ende einer Hammer-Tour, die uns trotz des Makels, keinen 4000er im Gepäck zu haben, dennoch das Gefühl gab, etwas tolles geleistet zu haben. Erschöpft aber glücklich traten wir die Heimreise an, im Wissen "aufgeschoben ist nicht aufgehoben"... ;-)
(Tour mit Imseng)
|
|
Kommentare (2)