Asienreise 1979 - Pakistan


Publiziert von rhenus , 1. März 2024 um 17:50.

Region: Welt » Pakistan
Tour Datum:27 Mai 1979
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: PK 
Zeitbedarf: 5 Tage

Pakistan war nach Nepal und Nordindien das dritte Land, das ich auf meiner Asienreise in einer Gruppe mit 17 Teilnehmern mit dem Unternehmen "Encounter Overland" (Archiv siehe hier) im Jahre 1979 auf dem Landweg besuchen durfte. Es versteht sich von selbst, dass meine fünf in Nordpakistan verbrachten Tage nur einen winzig kleinen Einblick in das vielschichtige, uns fremde, muslimisch geprägte Land am Indus ermöglichten, welches erst im Jahre 1947 nach der Teilung Britisch-Indiens entstand. Nach der Abspaltung von Ostpakistan zum eigenen Staat Bangladesch im Jahre 1971 weist Pakistan derzeit eine Bevölkerung von etwa 235 Mio Einwohnern auf. Obwohl Pakistan nach wie vor ein armes Land ist und von chronischer Instabilität geplagt wird, ist es seit 1998 eine Atommacht. Ethnisch-religiöse Konflikte, Terrorismus, Korruption, die Diskriminierung von Frauen und der Kaschmir-Konflikt mit Indien sind die grossen Probleme des Landes. Nicht zuletzt muss Pakistan nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im Jahre 2021 auch seine Rolle im Verhältnis zu diesem wichtigen Nachbarland neu definieren.

Lahore
Von Amritsar herkommend überquerten wir am 27. Mai 1979 die pakistanisch-indische Grenze bei Ganda Singh Wala und erreichten von dort nach einer stündigen Fahrt die Stadt Lahore in der pakistanischen Provinz Punjab. Lahore wies damals rund 3 Mio Einwohner auf, heute sind es 13 Mio. Wir parkierten mit unserem Truck am Safari Inn am Gulberg Market nahe der prunkvollen Altstadt. Rasch wurde mir klar, dass sich in Pakistan im Gegensatz zu Indien schon damals vieles verändert hatte. Alles war viel westlicher geprägt. Auf den deutlich besseren Strassen zirkulierten viele japanische oder westliche Auto-Marken sowie zahlreiche Töffs; man konnte in den Läden unzählige, vom Westen importierte Artikel kaufen und es war allgemein viel sauberer als in Indien.

Als Erstes besuchten wir in Lahore die Shalimar Gärten. Dann gingen wir zum Fort von Lahore, das eine grosse Sammlung von Waffen aller Art, historische Bilder und schöne alte Schriften beherbergt. Kultureller Höhepunkt von Lahore war aber die riesige Badshahi Moschee, die zweitgrösste Moschee Pakistans, erbaut in den Jahren 1671 - 1674. Der Eindruck bei meinem Besuch war überwältigend: Vor mir das mächtige Tor, dahinter die 3-kupplige Moschee, von einem quadratischen Platz umgeben, an deren Ecken etwa vier 50 m hohe Minarette stehen. Ich gab meine Schuhe ab, bekam einen Rock umgeschlagen, da kurze Hosen nicht erlaubt waren. Dann lief ich barfuss auf den ausgelegten Strohmatten, da man es sonst auf den von der Sonne aufgeheizten Steinplatten nicht ausgehalten hätte. Das Innere der Moschee enthielt mehrere Nischen und war an den Wänden und Decken mit Ornamenten wunderschön gezeichnet. Auf einem Teppich lagen mehrere Pakistani und scherzten miteinander. Dann stieg ich ein zugängliches Minarett hinauf. Die Aussicht etwa 50m über Grund auf die Moschee, das Fort und die Altstadt war sehr schön. Am Abend speisten wir zu viert vorzüglich im chinesischen Restaurant "Cathay Restaurant at the Mall".   

Zwillingsstadt Rawalpindi und Islamabad
Am 29. Mai verliessen wir um 8 Uhr früh die Millionenstadt Lahore und nahmen den etwa 250km langen Weg nach Islamabad, Pakistans Hauptstadt, unter die Räder. Nochmals befuhren wir die breiten Strassen mit den vielen Bussen, aber auch den vielen Pferdewagen oder Karren, gezogen von Ochsen oder Wasserbüffeln. Ab und zu passierten wir einen Checkpoint, wo wir 3 Rupien Maut zu bezahlen hatten. Nach einer Stunde Fahrt wurde es bei starkem Wind sehr staubig, und es änderte sich auch der Charakter der Landschaft. Die anfänglich topfebene, fruchtbare Landschaft wurde nun zusehens rauh und war durchfurcht mit von der Erosion erzeugten, seltsamen Formen mit wenigen Büschen. Erst vor Rawalpindi ging die wilde Landschaft wieder in eine fruchtbare Ebene über.

Rawalpindi bildet mit Islamabad eine Zwillingsstadt und war vor der Fertigstellung des Regierungssitzes in Islamabad von 1958 bis in die 1960-er Jahre Sitz der pakistanischen Regierung. Wir umfuhren die Garnisonsstadt Rawalpindi, wo sich heute das Hauptquartier der pakistanischen Armee und der internationale Flughafen befindet und fuhren über eine moderne, asphaltierte Strasse entlang einer Baumallee direkt nach Islamabad, wo wir bei der CDA Camp Site unter schattigen Bäumen in der Nähe der Faisal-Moschee abstiegen (CDA steht für "Capital Development Authority", die zuständig ist für die Bereitstellung kommunaler Dienstleistungen im Hauptstadtterritorium von Islamabad).

Islamabad bedeutet in der Urdu-Sprache "Wohnsitz des Islam". Die 1960 gegründete, geplante Stadt mit schachbrettartigem Grundriss liegt klimatisch günstig am Rande des Pothohar-Plateaus und wies damals ca. 200'000 Einwohner auf, heute aber schon über eine Million. Islamabads Architektur besteht aus einer Mischung zwischen islamischer Tradition und moderner Architektur des "Neuen Bauens". Nur 50 km nördlich von Islamabad liegt die Stadt Abbottabad, die international bekannt wurde, als dort Osama bin Laden, der Anführer des Terrornetzwerks Al Kaida, von den Amerikanern entdeckt und am 2. Mai 2011 erschossen wurde. Wir beschafften uns in der iranischen Botschaft Islamabads die Visas für den Iran. Interessant waren die unterschiedlichen, uns in Rechnung gestellten Gebühren: Briten und Amerikaner zahlten keine Gebühren. Die Neu Seeländer zahlten 3 Rupien, als Bürger der Schweiz hatte ich hingegen 107 Rupien zu berappen (107 Rupien entsprachen etwa dem damaligen Wert von CHF 18.- oder ca. 5% des Bruttosozialprodukts BSP pro Kopf von Pakistan im Jahre 1984).   

Attock Bridge und Peshawar
Am Nachmittag des 30. Mai verliessen wir Islamabad auf guter Strasse in Richtung Peshawar. Nach etwa 2 Stunden kamen wir zum historisch bedeutsamen Attock Fort. Auf der dort gelegenen (Old) Attock Bridge, die von den Briten im Jahre 1883 erstellt und 1929 verstärkt wurde, überquerten wir den Indus, dies nachdem 1860 anfänglich mit dem Bau eines Tunnels begonnen wurde. Die eindrückliche Fachwerkbrücke mit 8 Feldern und einer Länge von 455m weist 2 Etagen auf: Die obere Etage dient noch heute der Eisenbahn, die untere Etage diente damals dem Strassenverkehr. Mit dem Bau der Nationalstrasse N5 oberhalb der historischen Brücke wird das untere Deck heute nur noch vom Fussgängerverkehr genutzt. Die Brücke liegt hoch über dem Flussbett des Indus, denn man rechnete damals mit einem Anstieg des Wasserspiegels des Indus bei einem Extremhochwasser um bis 30m! Diese weitsichtige Planung der damaligen britischen Ingenieure sollte sich bewähren. Denn in der grossen Überschwemmungskatastrophe von 2010 schwoll der Indus extrem stark an. Das Jahrhundert-Ereignis forderte in Pakistan 1738 Menschenleben, zerstörte oder beschädigte rund 1.7 Mio Häuser und warf das Land in der Entwicklung um Jahrzehnte zurück. Speziell erwähnswert für den Indus sind natürlich auch die stark gefährdeten Indusdelfine, die vor 100 Jahren im ganzen 3500km langen Indus bis ins Himalaya-Vorgebirge endemisch waren und heute nur noch in einer kleinen Population im Mittellauf vorkommen.  

Etwa 40 km vor Peshawar verliessen wir die Strasse und fanden am Ufer des dort gemächlich fliessenden, etwa 400 bis 500m breiten Kabul Flusses - einem Nebenfluss des Indus - eine geeignete Wiese für unser Camping. Anderntags fuhren wir früh los und erreichten Peshawar etwa um 8 Uhr morgens. Ian und ich hatten für diesen Tag für die Grupppe zu kochen. Auf dem lokalen Markt versuchten wir Brot und Eier aufzutreiben, fanden aber nur allerlei Gemüse und Kartoffeln. So ein enormes Gedränge wie auf jenem Markt habe ich auf der ganzen Reise sonst nirgends erlebt, wie ich in meinem Tagebuch speziell erwähnte. Auf dem Weg zum Fort Balahisar wurden wir von Militärpolizisten äusserst barsch zurückgewiesen. Wir sollten uns auf unserer Reise bald an rauhere Sitten gewöhnen müssen!

Die heutige Millionenstadt Peshawar zählte 1981 noch 566'000 Einwohner und liegt am östlichen Ausgang des Khyber Passes. Sie wurde vor über 2'000 Jahren gegründet und ist seit Jahrhunderten ein Handelszentrum zwischen dem indischen Subkontinent, Afghanistan und Zentralasien. Die Einwohner Peshawars sind mehrheitlich Paschtunen. Wegen des sowjetischen Einmarsches 1979 und der 20 Jahre dauernden Besetzung Afghanistans durch eine US-geführte Allianz seit 2001 wurden seit den 1980-er Jahren viele afghanische Flüchtlinge in Peshawar aufgenommen. Ende 2007 befanden sich gemäss Wikipedia ca. 2 Mio Afghanen in Pakistan im Exil. Mit der Machtübernahme der Taliban Ende August 2021 dürften es wesentlich mehr geworden sein. Die pakistanische Regierung hatte im Sept. 2023 den 1.7 Mio nichtregistrierten Afghanen überraschend eine Frist bis zum 1. Nov. 2023 gesetzt, Pakistan zu verlassen. Rund eine halbe Million afghanische Flüchtlinge sind seither aus Pakistan in ihre Heimat zurückgekehrt und bei Verwandten untergekommen. Angesichts der katastrophalen Lage und der äusserst schwierigen Situation für die Frauen könnte Europa eine neue Migrationswelle aus Afghanistan drohen (NZZ, 5.2.2024).     
   
Überquerung des Khyber Passes nach Afghanistan
Der britische Kartograf Sir Mortimer Durand wählte 1893 den Khyber Pass (auch "Chaiber Pass") am nordöstlichen Ausläufer des Spin-Gar-Gebirges als natürliche Grenze zwischen Afghanistan und dem damaligen Britisch-Indien. Neben der Route von Kandahar über Chaman nach Quetta ist die Strasse über den Khyber Pass die einzige Verbindung Afghanistans ins südliche Nachbarland - und gleichzeitig auch die wichtigste, da von hier aus Kabul und Islamabad in wenigen Stunden zu erreichen sind. Auf gut 50 km Länge durchschneidet der legendäre, 1070m hoch gelegene Pass das Hochland der Paschtunen. Die Krieger Alexander des Grossen, die Horden Dschingis Khans oder die Reiter Timurs, immer wieder strömten Heere aus dem Westen durch diese Schluchten, angezogen von den Reichtümern Indiens. Wer klug war, vermied den Kampf und arrangierte sich mit den kriegerischen Stämmen im Gebirge. 

Auch wir nahmen am 31. Mai 1979 mit unserem Truck die Überquerung des Khyber Passes in Angriff. Neben der eigentlichen Passfahrt sollten die bürokratischen Hürden beim Grenzübergang den Tag erst richtig interessant machen. Um halb zehn Uhr fuhren wir in Peshawar ab und erreichten nach der Brücke über den Fluss "Chaura Khawi" das 1963 erstellte Khyber Tor (Bab-e Khyber) bei der historischen Festung von Jamrud. Die Strasse nach Torkham an der pakistanisch-afghanischen Grenze war damals noch eine schmale Strasse ohne Absicherungen. Heute ist sie ja eine breite und komfortabel ausgebaute Passstrasse mit teilweise richtungsgetrennter Fahrbahn, wie man auf Google Maps ersehen kann. Nach einer langen Gerade windete sich die Strasse aus der weiten Ebene um Peshawar die kargen Berghänge empor. Es wuchs kein Baum auf diesen steilen Flanken, deren Gestein unter dem klaren Himmel in Rot- und Brauntönen leuchtete. Es hatte etlichen Verkehr, v.a. viele Lastwagen waren unterwegs. Nach dem Passieren eines Checkpoints nahe einer Festung, wo eine Fahne wehte, änderten sich auch die Behausungen. Es waren nun braune Gebäude mit hohen Mauern, in denen die Menschen wohnten und die in der Landschaft kaum auszumachen waren. Auf jedem zweiten Felsen ragten die Reste britischer Wachtürme empor. Auf der Passhöhe auf 1070m vor Landi Kotal thronte ein riesiges Fort aus rotem Backstein, das man fotografieren durfte. Entlang der Strasse haben vor Jahrzehnten gelangweilte britische Soldaten ihre Regimentsembleme in den Fels gemeisselt. Als wir dort kurz anhielten, wurden wir sofort von einigen Kindern in ihren schwarzen Kleidern mit typisch schwarzen Käppchen belagert. Eindrücklich war auch die über den Pass verlaufende Eisenbahnlinie, die auf separatem Trasse bis Landi Kotal führt. 34 Tunnels und 92 Brücken waren nötig, damit die dampfbetriebenen Züge die 600 Höhenmeter bis zur Passhöhe überwinden konnten.

Nach der Khyber Passhöhe 1070m erreichten wir die ärmliche Siedlung Landi Kotal, die ganz auf pakistanischem Boden liegt und damals aus schäbigen Häusern und Bretterbuden bestand. Von der Passhöhe waren es noch etwa 6 km bis zur eigentlichen Grenze zum tiefer gelegenen Torkham auf 786m. Zuerst passierten wir eine Ebene, wo sogar einige Bäume wuchsen und es etwas grün war. Dann fuhren wir in eine Schlucht hinunter, wo man die alte Strasse mit verfallenen Brücken erkennen konnte. Auf einem Aussichtspunkt, von wo wir auf die afghanische Grenze hinuntersehen konnten, erblickten wir auf dem ehemaligen Karawanenweg einen kleinen Eselstrupp, der Materialtransporte ausführte. Dann erreichten wir bei einem mächtigen Schlagbaum den pakistanischen Zoll, wo sich unser "Expedition Leader" Allan Townsing mit den pakistanischen Zöllnern herumschlug. Es dauerte nicht lange, da war eine an unserem Truck befestigte Axt verschwunden. Nach einer Wartezeit von einer guten Stunde und dank Bakschisch konnten wir bis zur afghanischen Grenze passieren. Dort sollte es viel länger dauern. Nachdem wir unsere Wertgegenstände und unsere damals mitgeführten Traveller-Checks vorgewiesen hatten, mussten wir unseren Anhänger vollständig entladen. Dann untersuchten sie minuziös unser ganzes Gepäck und verlangten, dass wir alle unsere Souvenirs verzollten. "Da machen wir nicht mit", sagten wir ihnen, aber auch sie blieben trotz reichlich Bakschisch stur und sagten "Nein, ihr könnt nicht passieren". Erst nachdem der kräftig gebaute Allan sich mit einigen Zöllnern im Armdrücken gemessen hatte und für ein "Ringen und Schwingen" sich hinter das Zollgebäude begeben hatte, wo er die afghanischen Zöllner obsiegen liess, war das Eis gebrochen. Sie spassten nun mit uns und gaben uns nach etwa 6 Stunden Warten endlich die Bewilligung zur Einreise nach Afghanistan. 

Die staubige Strasse führte über karges Gelände, vorbei an 3 Check-Points mit viel Militär, weiter nordwestwärts in Richtung von Kabul. In einem Dorf unterwegs gingen wir einkaufen. Nur mit viel Mühe fand ich die schon am Morgen gesuchten Eier, Ian kam mit dem typischen Fladenbrot zurück. Am Kabul Fluss bei Samerkhail, etwas östlich der Stadt Jalalabad, schlugen wir unsere Zelte auf. Da wir nächtliche Besucher erwarteten, postierten wir die Zelte sehr nahe am Truck. 

Übersicht und Links
Asienreise 1979 - Nepal, siehe hier
Asienreise 1979 - Indien, siehe hier
Asienreise 1979 - Afghanistan, siehe hier
Asienreise 1979 - Iran, siehe hier
Asienreise 1979, Türkei und Heimreise siehe hier

Tourengänger: rhenus


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