Unbekanntes Erzgebirge VI
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Bronzezeitliche Zinnseifen an der Roten Weißeritz?
Im Jahr 2018 wurde unter anderem in Zeitungsartikeln (Beispiel) bekanntgegeben, dass man am Oberlauf der Roten Weißeritz bronzezeitliche Zinnseifen entdeckt und über Holzkohlereste und Blütenpollen archäologisch nachgewiesen habe. Es kam natürlich einer Sensation gleich, im ohnehin tobenden Wettstreit um den Nachweis des frühesten Bergbaubeginns im Erzgebirge die „Konkurrenz“ derart abhängen zu können. Auch das genannte Gebiet schien perfekt zu sein. Betrachtet man den Flusslauf der Roten Weißeritz oberhalb der Schinderbrücke bei Schellerhau auf einer Reliefkarte, ist man bei den dort sichtbaren fächerartigen Strukturen (nur Relief) mit ein wenig Kenntnis des Erzgebirges sofort geneigt, einen menschlichen Ursprung anzunehmen. Gemeinhin sind hier die Täler V-förmig, mit schwach bis stärker geneigten Talhängen und gegebenenfalls mit klippenartigen Felswänden oder Einzelfelsen ausgeprägt, Erosionseinflüsse werden eher sehr sehr langfristig wirksam. So die Theorie. Im vorliegenden Fall wurde sofort ein Zusammenhang zu den Zinnvorkommen der Region hergestellt und eine Seifentätigkeit im Flussbereich befundet. Doch nun sind erhebliche Lücken in der Forschung und unterlassene Fragen beanstandet worden (Publikation). Meine heutige Tour wird keine der Fragen klären aber eine laienhafte Gesamtschau des Areals vornehmen.
Ich beginne meine Runde mit einer nordwestlichen Aufwärmschleife an der Schinderbrücke, die an der Straße von Altenberg nach Schellerhau liegt. Hier in der Nähe residierte einst der Schinder (= Abdecker) des Amtes Altenberg. Über den Schinderweg laufe ich bergan und biege nach links auf den Breiten Flügelweg auf. Ich verlasse später den markierten Wanderweg geradeaus und gehe zur Roten Weißeritz hinunter. Auf einem Pfad wende ich mich flussaufwärts. Zuletzt weglos, komme ich wieder zur Straße.
Dahinter betrete ich in das fächerartige Areal der vermuteten bronzezeitlichen Zinnseifen. Begrenzt wird das Tal auf der orografisch linken Seite durch einen etwa 4 m hohen Abbruch, der laut Deutung der Archäologen eine Tagebaukante von der Seifentätigkeit sein soll. Ich streife durch das Gelände und beobachte an vielen Stellen häufige Gewässerverlegungen durch Wurzeln, Fallholz, Treibgut und Hochwässer sowie eine gewisse „Erosionsfreudigkeit“ des Untergrundes selbst bei geringen Wasserbewegungen. Der Boden besteht vielfach aus Granitzersatz und Bachschottern. Anstehendes Festgestein war auf den ersten Blick nicht auszumachen. Selbst bei Annahme einer ausgeräumten Lagerstätte bleibt die Frage, woher das Zinn stammen soll. Eine Hangseife kommt mangels eines ausreichend hohen Bergs nicht in Betracht, für eine Flussseife hat es einen relativ kurzen Transportweg, geringen Einzugsbereich und wenig hydraulische Energie zur Bildung. Zudem wurde das Einzugsgebiet zu DDR-Zeiten im Zusammenhang mit dem Altenberger Zinnbergbau rasterartig mit Reihenbohrungen erkundet, die keine wirtschaftlich bedeutsamen Mengen Zinn nachgewiesen haben. Mir persönlich scheint auch ein kulturhistorischer Aspekt bedeutsam: Je weiter man in der Geschichte zurückgeht, desto deutlicher kann man doch annehmen, dass man für die Herstellung von Gebrauchsgegenständen und Schmuck nutzbare Mineralien und Erze eher durch Zufallsfunde entdeckte und nur sichtbare Vorkommen erschloss. Hoffnungsbauten (Bergbau auf Verdacht) sollten doch erst später mit dem Aufkommen von Gewinnerzielungsabsichten erfolgt sein. Dass man in der Bronzezeit Stellen mit geringstem Zinnertrag tausend-Tonnen-weise durchgesiebt und gewaschen hat, wird eher unwahrscheinlich sein. Neuere Waschproben haben nur ganz minimale Korngrößen im Bereich von etwa 0,2 mm erbracht. Klassische mittelalterliche Zinnseifen haben Korngrößen ab 1 mm aufwärts gewonnen. Nach einer Weile komme ich schließlich zum südöstlichen Ende der Struktur.
Fazit: Obwohl ich öfter historische Spuren menschlichen Handelns erkunde und bei ungewöhnlichen Geländeformen recht schnell Bergbauspuren annehme, habe ich heute nur bei zwei Objekten (tagebauähnliche Rinnenstrukturen mit Querriegel unmittelbar oberhalb der Schinderbrücke sowie tiefe Trichterform im hinteren Talteil) stärkere Indizien für menschliche Eingriffe gesehen. Der Großteil der gesamten Talstruktur könnte auch einen natürlichen Ursprung haben, denn Indizien für natürliche Gewässerverlegungen und Erosion sind ausreichend vorhanden.
Über den Seifenweg und den Seifenflügel (die Namen sollten kurzen mittelalterlichen Bergbauversuchen entstammen) laufe ich bergwärts zum Pöbelknochen. Ich verlasse den flachen Gipfel auf der Westseite über eine Rückegasse und begehe dann den Gabelweg. An der Waldkante besuche ich das Franzosengrab von 1813 aus den Napoleonischen Kriegen. Über die Alte Zinnstraße laufe ich nach Schellerhau und schaue am Ortsende nach dem (nachgebauten) Galgen des Amtes Altenberg, dessen historischer Vorgänger von 1673-1787 genutzt wurde.
Kleine Schauergeschichte: Am 11. Oktober 1695 wurden zwei „Weibspersonen“ wegen Diebstahls gehängt und zur Abschreckung bis März 1700 hängen gelassen.
Kurz nach dem Ortsausgang erreiche ich wieder die Schinderbrücke.
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 3 h.
Die absolvierte Strecke ist nur teilweise als Wanderweg markiert und auf den vorhandenen Wegen als T1 zu bewerten. Die weglosen Erkunden haben die Schwierigkeit T2.
Im Jahr 2018 wurde unter anderem in Zeitungsartikeln (Beispiel) bekanntgegeben, dass man am Oberlauf der Roten Weißeritz bronzezeitliche Zinnseifen entdeckt und über Holzkohlereste und Blütenpollen archäologisch nachgewiesen habe. Es kam natürlich einer Sensation gleich, im ohnehin tobenden Wettstreit um den Nachweis des frühesten Bergbaubeginns im Erzgebirge die „Konkurrenz“ derart abhängen zu können. Auch das genannte Gebiet schien perfekt zu sein. Betrachtet man den Flusslauf der Roten Weißeritz oberhalb der Schinderbrücke bei Schellerhau auf einer Reliefkarte, ist man bei den dort sichtbaren fächerartigen Strukturen (nur Relief) mit ein wenig Kenntnis des Erzgebirges sofort geneigt, einen menschlichen Ursprung anzunehmen. Gemeinhin sind hier die Täler V-förmig, mit schwach bis stärker geneigten Talhängen und gegebenenfalls mit klippenartigen Felswänden oder Einzelfelsen ausgeprägt, Erosionseinflüsse werden eher sehr sehr langfristig wirksam. So die Theorie. Im vorliegenden Fall wurde sofort ein Zusammenhang zu den Zinnvorkommen der Region hergestellt und eine Seifentätigkeit im Flussbereich befundet. Doch nun sind erhebliche Lücken in der Forschung und unterlassene Fragen beanstandet worden (Publikation). Meine heutige Tour wird keine der Fragen klären aber eine laienhafte Gesamtschau des Areals vornehmen.
Ich beginne meine Runde mit einer nordwestlichen Aufwärmschleife an der Schinderbrücke, die an der Straße von Altenberg nach Schellerhau liegt. Hier in der Nähe residierte einst der Schinder (= Abdecker) des Amtes Altenberg. Über den Schinderweg laufe ich bergan und biege nach links auf den Breiten Flügelweg auf. Ich verlasse später den markierten Wanderweg geradeaus und gehe zur Roten Weißeritz hinunter. Auf einem Pfad wende ich mich flussaufwärts. Zuletzt weglos, komme ich wieder zur Straße.
Dahinter betrete ich in das fächerartige Areal der vermuteten bronzezeitlichen Zinnseifen. Begrenzt wird das Tal auf der orografisch linken Seite durch einen etwa 4 m hohen Abbruch, der laut Deutung der Archäologen eine Tagebaukante von der Seifentätigkeit sein soll. Ich streife durch das Gelände und beobachte an vielen Stellen häufige Gewässerverlegungen durch Wurzeln, Fallholz, Treibgut und Hochwässer sowie eine gewisse „Erosionsfreudigkeit“ des Untergrundes selbst bei geringen Wasserbewegungen. Der Boden besteht vielfach aus Granitzersatz und Bachschottern. Anstehendes Festgestein war auf den ersten Blick nicht auszumachen. Selbst bei Annahme einer ausgeräumten Lagerstätte bleibt die Frage, woher das Zinn stammen soll. Eine Hangseife kommt mangels eines ausreichend hohen Bergs nicht in Betracht, für eine Flussseife hat es einen relativ kurzen Transportweg, geringen Einzugsbereich und wenig hydraulische Energie zur Bildung. Zudem wurde das Einzugsgebiet zu DDR-Zeiten im Zusammenhang mit dem Altenberger Zinnbergbau rasterartig mit Reihenbohrungen erkundet, die keine wirtschaftlich bedeutsamen Mengen Zinn nachgewiesen haben. Mir persönlich scheint auch ein kulturhistorischer Aspekt bedeutsam: Je weiter man in der Geschichte zurückgeht, desto deutlicher kann man doch annehmen, dass man für die Herstellung von Gebrauchsgegenständen und Schmuck nutzbare Mineralien und Erze eher durch Zufallsfunde entdeckte und nur sichtbare Vorkommen erschloss. Hoffnungsbauten (Bergbau auf Verdacht) sollten doch erst später mit dem Aufkommen von Gewinnerzielungsabsichten erfolgt sein. Dass man in der Bronzezeit Stellen mit geringstem Zinnertrag tausend-Tonnen-weise durchgesiebt und gewaschen hat, wird eher unwahrscheinlich sein. Neuere Waschproben haben nur ganz minimale Korngrößen im Bereich von etwa 0,2 mm erbracht. Klassische mittelalterliche Zinnseifen haben Korngrößen ab 1 mm aufwärts gewonnen. Nach einer Weile komme ich schließlich zum südöstlichen Ende der Struktur.
Fazit: Obwohl ich öfter historische Spuren menschlichen Handelns erkunde und bei ungewöhnlichen Geländeformen recht schnell Bergbauspuren annehme, habe ich heute nur bei zwei Objekten (tagebauähnliche Rinnenstrukturen mit Querriegel unmittelbar oberhalb der Schinderbrücke sowie tiefe Trichterform im hinteren Talteil) stärkere Indizien für menschliche Eingriffe gesehen. Der Großteil der gesamten Talstruktur könnte auch einen natürlichen Ursprung haben, denn Indizien für natürliche Gewässerverlegungen und Erosion sind ausreichend vorhanden.
Über den Seifenweg und den Seifenflügel (die Namen sollten kurzen mittelalterlichen Bergbauversuchen entstammen) laufe ich bergwärts zum Pöbelknochen. Ich verlasse den flachen Gipfel auf der Westseite über eine Rückegasse und begehe dann den Gabelweg. An der Waldkante besuche ich das Franzosengrab von 1813 aus den Napoleonischen Kriegen. Über die Alte Zinnstraße laufe ich nach Schellerhau und schaue am Ortsende nach dem (nachgebauten) Galgen des Amtes Altenberg, dessen historischer Vorgänger von 1673-1787 genutzt wurde.
Kleine Schauergeschichte: Am 11. Oktober 1695 wurden zwei „Weibspersonen“ wegen Diebstahls gehängt und zur Abschreckung bis März 1700 hängen gelassen.
Kurz nach dem Ortsausgang erreiche ich wieder die Schinderbrücke.
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 3 h.
Die absolvierte Strecke ist nur teilweise als Wanderweg markiert und auf den vorhandenen Wegen als T1 zu bewerten. Die weglosen Erkunden haben die Schwierigkeit T2.
Tourengänger:
lainari
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