Burgundische Schluchten 2: Von der Kathedrale in Autun zur Cascade de Brisecou


Publiziert von Nik Brückner , 2. August 2022 um 09:10. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Frankreich » .Bourgogne-Franche-Comté » Saône-et-Loire
Tour Datum:16 Juni 2022
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Zeitbedarf: 4:00
Aufstieg: 150 m
Abstieg: 150 m
Strecke:5,5 Kilometer
Unterkunftmöglichkeiten:Zahlreiche in und um Autun

Autun ist eine Stadt im Département Saône-et-Loire im schönen Burgund. Als mittelalterlich geprägtes Städtchen direkt am Rande des Waldes gelegen, bildet sie die perfekte Einheit von Kultur, Geschichte und Natur. Ideal zum Wandern!

Die Waldelfe und ich legten "Songs From The Hard Shoulder" von The Tangent ein, und fuhren die kurze Strecke hinüber nach Autun.


Unsere Tour begann mitten in Autun (366m), an der romanisch-gotischen Kathedrale St-Lazare. Hier auf der Place Saint-Louis kann man - wenn man Glück hat - sogar parken.

Romanisch-gotisch nimmt man natürlich immer gern, die Stadt ist aber noch wesentlich älter. Autun ist eine römische Gründung (um 10 v. Chr. von Kaiser Augustus als "Augustodunum" gegründet), die schnell das ca. 25 Kilometer entfernt auf einem Hügel gelegene Bibracte (Asterix-Leser kennen sich aus) als größte Siedlung der Gegend ablöste.

Die erste Station dieser kleinen Runde ist nicht zu übersehen. Es handelt sich natürlich um die Kathedrale St-Lazare. Die sollte man keinesfalls ignorieren, schließlich handelt es sich um eine der bedeutendsten romanischen Kathedralen Frankreichs.

Schon im 3. Jahrhundert wurde Augustodunum Sitz eines Bistums. Zwei Konzile wurden hier abgehalten, 663-675 und 1094. Im 12. Jahrhundert wurde dann die Kirche St-Lazare erbaut, wie gesagt eine der bedeutendsten romanischen Kathedralen Frankreichs.

Mit der Errichtung der Kirche wurde um 1120 begonnen. Noch in Bau, wurde sie bereits 1130 anlässlich des Besuchs von Papst Innozenz II. geweiht.  Als 1146 die Reliquien des heiligen Lazarus in die Kirche überführt wurden, war sie nahezu fertiggestellt; es standen nur noch Detailarbeiten aus.
 
Im Zuge des Hundertjährigen Kriegs zerstörten 1379 englische Truppen die Stadt und ihre Kirche. Erst Kardinal Jean Rolin (Bischof von 1436 bis 1483) ließ das Gotteshaus wiederherstellen und erweitern. Seither prägen die spätgotischen Kapellenreihen an den Längsseiten und der mächtige Vierungsturm die Außenansicht der Kirche. Auch das obere Fenstergeschoss des Hauptchors mit seinen schmalen hohen Spitzbogenfenstern stammt erst aus dieser Bauphase.
 
Architektonisch interessant ist vor allem das Langhaus der Kirche, das deutlich dem Vorbild des einst größten Kirchenbaus der Welt folgt: der nur wenig älteren dritten Kirche der Abtei Cluny (die heute leider nicht mehr erhalten ist). Verglichen mit dieser ist die Kathedrale von Autun allerdings stärker an antiken Vorbildern orientiert, was sich durch die große Anzahl gut erhaltener römischer Bauten in der mittelalterlichen Stadt erklärt. 
 
Weltberühmt ist die Kirche allerdings durch ihre Bauplastik. Das Tympanon, also das Bogenfeld über dem Hauptportal, gilt als die „bedeutendste Weltgerichtsdarstellung, welche die Epoche geschaffen hat“ (Willibald Sauerländer). Gislebertus, der zu Füßen Christi namentlich genannt wird ("Gislebertus hoc fecit", 'Gislebertus hat dies gemacht'), war vermutlich der Schöpfer dieses riesigen Reliefs, wie auch anderer Bauskulptur in der Kathedrale.

 

Fun Fact: Das Tympanon wurde vor dem möglichen Verfall bewahrt, weil die Kanoniker, die die Kathedrale verwalteten, 1766 beschlossen, Gislebertus' Werk mittelmäßig und hässlich zu finden. Sie bedeckten es daraufhin beschämt mit einer dicken Gipsschicht, um es vor den Augen der Menschen zu verbergen, und auf der Fläche neue, bessere Kunstwerke anbringen zu lassen. Das Tympanon wurde 1837 wiederentdeckt und vom Putz befreit. Seither ist das Meisterwerk wieder zu bestaunen - so lang bis die nächsten Banausen daherkommen.
 

Auch die Kapitelle der Pilaster an den Pfeilern im Kircheninnern gehören zu den großen Leistungen Gislebertus' und seiner Kollegen. Über 60 Kapitelle in St. Lazare wurden Gislebertus zugeschrieben. Dargestellt sind zahlreiche biblische Erzählungen, in einem lebendigen, anschaulichen Stil.
 
Gislebertus' Plastiken sind ausdrucksstark und imaginativ: von dem erschreckenden Jüngsten Gericht  mit seinen Dämonendarstellungen und auffallend gestreckten, durch zahllose parallel verlaufende Linien geprägten Figuren, bis zur Eva des Nordportals (heute im Museum), der ersten großen weiblichen Nackten in der europäischen Kunst seit der Antike. Sein Stil charakterisiert die burgundische Romanik (z. B. in Vézelay), sein Einfluss auf die französische Sakralplastik ist weithin wiederzufinden (z. B. in Saulieu, nicht weit entfernt) und seine Technik ebnete den Weg für den gotischen Stil. Der deutsche Kunsthistoriker Willibald Sauerländer hat Gislebertus den „seelenvollsten unter den großen romanischen Bildhauern“ genannt. 
 
Die Kathedrale von Autun ist damit ein großartiges Beispiel romanischer Kunst und Architektur. Sie gilt zu Recht als eines der schönsten Beispiele der französischen Romanik, und ist damit ein würdiger Ausgangspunkt unserer Tour. 
 
Nach ausgiebiger Besichtigung umrunden wir die Kirche auf der malerischen Rue Notre Dame. Hinter dem Chor mündet diese in die Rue Dufraigne. Während wir diese durchwandern, halten wir Ausschau nach der Tour des Ursulines.
 
Autun ist über seine antiken Ausmaße (ca. 200 ha) nie hinausgewachsen. Die mittelalterliche Stadtmauer (sechs Kilometer lang, mit 54 Wehrtürmen), von der 23 Türme erhalten sind, steht bis heute noch auf antiken Fundamenten. Und diese Mauer benötigte die Stadt auch: 532 besiegten die Franken hier die Burgunden und annektierten deren Reich, 725 kam der Umayyaden-General Anbassa ibn Suhaym al-Kalbi mit seinem Heer bis Autun, 888 plünderten und verwüsteten Normannen Autun und 1379 wurde die Stadt im Zuge des Hundertjährigen Kriegs von den Engländern eingeäschert. 

Die Tour des Ursulines ('Turm der Ursulinen') ist ein im 12. Jahrhundert zum Schutz der damaligen Autuner Burg Riveau (auch Rivault) errichteter Bergfried. Er ist der einzige Überrest dieser Burg: Als Autun gegen Ende der Hugenottenkriege im Bund mit der Katholischen Liga gegen den calvinistischen König Henry IV. rebellierte, hielt die Burg 1591 einer fünf Wochen andauernden Belagerung durch 8000 Soldaten stand. Nach Beendigung des Konflikts ließ die Stadt die Anlage bis 1602 aber schleifen, um Autun vor künftigen militärischen Auseinandersetzungen zu verschonen. Mit Ausnahme des Bergfrieds.
 
1647 wurde ein im ehemaligen Burghof gelegenes Gelände mitsamt dem Turm den Ursulinen überlassen, die sich hier bis 1791 der Erziehung junger Mädchen widmeten. Daher der Name "Turm der Ursulinen".
 
Der achteckige Bergfried steht auf den Fundamenten der teilweise erhaltenen gallo-römischen Stadtmauer. In seinem Mauerwerk wurde wiederverwendetes Material aus Vorgängerbauten verbaut. Allerdings weisen die Wände nach zahlreichen Reparaturen keine charakteristischen Merkmale aus der Antike, der gallorömischen Zeit oder der mittelalterlichen Epoche mehr auf. Auffallend ist dafür die auf seinem Plateau stehende, drei Meter hohe Marienstatue. Die Figur des Autuner Architekten und Bildhauers Claude Quarré steht seit 1862 hier oben.
 
Der Turm der Ursulinen ist seit 1997 Eigentum des japanischstämmigen Kunstmalers und Restaurators Hisao Takahashi, der darin ein franko-japanisches Kulturzentrum eingerichtet hat.

Weiter geht's in die Rue du Petit Pont. Von dieser zweigt der Chemin de Saint-Blaise à Couhard über die Pré Corberon ab. Es geht ins Tal hinunter und drüben wieder hinauf, zum Chemin de la Mine. Auf diesem wandern wir nun nach links, in das malerische kleine Örtchen Couhard hinüber. Unterwegs hat man einen tollen Blick auf die Schokoladenseite Autuns.

In Couhard (397m) angekommen, durchwandern wir den Ort bis hinüber zum seltsamsten Bauwerk unserer Tour: der Pyramide von Couhard (399m).

Die Pyramide von Couhard (auch "Pierre de Couhard" genannt) ist ein antikes Monument in der ehemaligen Nekropole "Champ des Urnes", einer der großen Nekropolen der römischen Stadt Augustodunum. Die Friedhöfe aller römischen Städte befanden sich immer außerhalb der Mauern. 
 
Die Pyramide wurde wahrscheinlich im ersten Jahrhundert n. Chr. errichtet. Nur das innere Mauerwerk hat die Zeiten überdauert. Es war einst mit einer Verkleidung aus Marmor bedeckt. Insgesamt war das Gebäude etwa 10,50 Meter breit und 33 Meter hoch (heutige Höhe: 22,65 Meter).
 
Das Denkmal enthält keine innere Kammer. Es weist heute zwar eine Öffnung auf, diese ist aber auf Ausgrabungen zurückzuführen, die 1640 vom Abt von Castille durchgeführt wurden. Dieser hoffte, auf einen inneren Raum zu stoßen, fand jedoch nichts dergleichen. Die Pyramide von Couhard war daher höchstwahrscheinlich ein Grabdenkmal, oder ein Kenotaph, das das Andenken eines bedeutenden Toten bewahrte.

An der Kirche Saint-Leger vorbei wanderten wir nun an einem Hangkanal entlang in den Wald hinein. Dieser malerische Weg führt geradewegs zur Cascade de Brisecou. Eindrucksvolle Granitfelsen säumen bald den Weg, und eine kleine Felsenarena links unten im Talgrund eignet sich perfekt für's familienfreundliche Klettern und Bouldern. Dann steht man am unteren Ende des Wasserfalls Cascade de Brisecou (415m). Der sorgt für erfrischende Kühlung.

Man kann auf der rechten Seite des Wasserfalls hinaufsteigen. Oben erkennt man dann, dass der Wasserfall ebenso künstlich angelegt wurde wie der darunter verlaufende Hangkanal. Macht nichts, trotzdem schön.

Wir wanderten auf dem Chemin de la Cascade de Brisecou wieder zurück nach Couhard (397m). Dort nahmen wir den Chemin des Manilles (gern auch Chemin des Manies), der an der Pyramide beginnt, zurück nach Autun, das wir in der Nähe des Friedhofs erreichten. Von dort aus schlenderten wir durch die malerischen Gässchen zurück zur Place Saint-Louis an der Kathedrale.


Fazit:

Wunderbarer Streifzug durch Kultur und Geschichte der Stadt Autun. Es gibt hier natürlich noch viel mehr zu sehen, unter anderem die römischen Stadttore Porte d’Arroux und Porte Saint-André, einen sogenannten Janustempel, ein römisches Amphitheater und das Musée Rolin - aber halt nicht auf dieser Route. 

Gehzeit einschließlich Besichtigungen.

Tourengänger: Nik Brückner, Waldelfe


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