Gipfelsammeln an den Bärensteinen


Publiziert von rele , 1. November 2020 um 12:36.

Region: Welt » Deutschland » Östliche Mittelgebirge » Elbsandsteingebirge
Tour Datum:25 Oktober 2020
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 

An einem schönen Sonntag in den Herbstferien muss man sich schon Mühe geben, wenn man beim Wandern in der Sächsischen Schweiz auch mal etwas Ruhe genießen will. Da bietet sich an, die Bärensteine, zwei Felsmassive mit diversen Trabanten, nicht nur auf den Hauptwegen zu begehen, sondern auch ein paar kleine Gipfel abseits der Wege zu erkunden.

Wir starten bei Naundorf (gut vom Bahnhof Wehlen in ca. 0h30 zu erreichen), wo die Straße Am Bärenstein in einen Wanderweg direkt zum Westende des Kleinen Bärenstein ausläuft. Hier gibt es schon den ersten kleinen Klettergipfel zu erkunden: den Rhombus, einen etwas moosigen Quader, der wenige Meter östlich hinter einem kleinen Gebäude steht. Trotz des etwas abschreckend-algigen Ambientes ziehen wir unsere Wanderschuhe aus, um den Aufstieg des Alten Weges (AW, versehen mit der sächsischen Schwierigkeitsgrad II) unter unsere nackten Füße zunehmen. Das traditionelle Barfußklettern bietet sich hier nicht allein deswegen an, um ein besseres Gefühl für die Reibung am Fels zu haben -- auch, um den sensiblen Sandstein nicht den mahlenden Profilsohlen unserer Wanderschuhe auszusetzen. Der AW führt von der Scharte zwischen Massiv und Fels über einen kurzen, glatten Verbindungsgrat und einen kleinen, schrägen Wandabschnitt zum Gipfelbuch. In die Scharte kann man auf drei Arten gelangen: Entweder absteigen vom Massiv (UIAA II), oder von unten (aus südost oder nordwest) hinauf (UIAA II+). Die Nordwestseite sieht allerdings vor lauter Moos eher ungangbar aus -- wir probieren daher nur den Zugang vom Massiv und von Südost. Von der Scharte folgt dann ein kurzer Ritt auf dem Grat und die schräge Wand zum Gipfel. Beides evtl. nur mit UIAA I zu bewerten, doch sehr reibungslastig und mit wenigen Tritten und Griffen versehen. Da der Fels heute früh etwas feucht ist, bereitet uns diese Kletterei nur begrenztes Vergnügen. Auch die Aussicht von oben und der Platz auf dem Gipfel sind beschränkt, weshalb wir uns bald wieder auf den Weg nach unten und den Weiterweg begeben.

Auf dem beliebten und belebten Wanderweg südlich des Kleinen Bärenstein wandern wir nun in östlicher Richtung bis zur Scharte zwischen Thürmsdorfer Stein (hier ein Foto von Bergmax) und dem Hauptgipfel des Kleinen Bärenstein. Aus der Scharte führen zwei leichte Kletterwege hinauf zum Thürmsdorfer Stein, beide mit dem sächsischen Klettergad I bewertet: Der Alte Weg verläuft aus der Scharte über Felsstufen gerade nach oben, bevor ein leichter Kamin zum Gipfel zieht. Der Gratweg zieht stattdessen in einer weiten Rechtsschleife auf Pfadspuren zum westlichen Ende des Felsens, woraufhin er sich nach Osten über eine blockige Schlucht zum Gipfel wendet. Beide Wege sind mit einer Sachsen-I bewertet und überschreiten nicht den II-ten Grad UIAA. Wir sind jedoch abenteuerlustiger gesinnt... dafür steigen wir auf dem Wanderweg ein kurzes Stück von der Scharte durch das Schneiderloch, eine eingeschnittene Felsspalte, hinab an den Beginn der Ostwand. Hier beginnt der Tunnelweg -- und eine fantastische Bergfahrt! Nachdem wir uns wieder der Schuhe und Rucksäcke entledigt haben, steigen wir (zu Beginn etwas sandig) einen kleinen Kamin hinauf zu einem kleinen Absatz (UIAA III). Nun gilt es, sich über einen Klemmblock durch ein enges Loch in den namengebenden Tunnel hineinzuzwängen, in welchem wir uns einige Meter im Halbdunkel nach oben hieven (III). Wir steigen auf einen kleinen Absatz aus, hier bereits mit toller Aussicht! Der Weiterweg wird nun lapidar mit "Wand und Kamine zum Gipfel" beschrieben: Er ist für uns nicht mehr ganz eindeutig, dafür wird es technisch einfacher. Wir halten uns eher rechts und gelangen über schrofiges Gelände und einige kleine Absätze (maximal UIAA II), u.a. vorbei an einem kleinen Gitarren-Fresko, in immer leichteres Gelände und schließlich zum Gipfelbuch (etwas versteckt: am nördlichen Abbruch, unter einer kleinen Stufe). Die weite Aussicht nach Süden ist nichts weniger als traumhaft! Trotz des Andrangs vieler Kletterer in der sonnigen Südwand haben wir den Gipfel nun sogar für uns alleine... So genießen wir ausgiebig den Logenplatz, bevor wir uns an den Abstieg machen: Alter Weg oder Gratweg, das ist hier die Frage... Letzterer verspricht noch etwas mehr Abwechslung! So lassen wir die Abseilöse in diesem Fall rechterhand liegen und klettern auf anregenden Blöcken (UIAA II) hinab in eine kleine Schlucht, der wir nach Westen bis zum Ende folgen. Nun nach rechts um eine Ecke, und auf Pfadspuren, noch unter einem Klemmblock hindurch, in Richtung Scharte (T4).

Da unsere nächsten Ziele nördlich liegen, geht es, nachdem Rucksäcke und Schuhe wieder abgeholt sind, nun ein kurzes Stück im Strom der Wanderer auf den gut besetzten Hauptgipfel des Kleinen Bärenstein. Die Aussicht wäre bei weniger Trubel durchaus zu genießen! Da ich mir dort keine Zeit zum Fotografieren nahm, hier der Link zu einem Foto unseres nächsten Zieles, der Drei Bären, in welchem die drei kleinen Bärchen hübsch im Vordergrund zu erkennen sind (im Hintergund der Große Bärenstein). Wir steigen also zügig auf der anderen Seite über einen wenig begangenem, steilen Pfad (T3) wieder hinab. Rechterhand (östlich) dieses Abstieges befinden sich die (von unten reichlich abschreckend dreinblickenden) Kletterfelsen Drei Bären. Doch die Höllenvariante (Sachsen-I) des Versteckten Weges führt hier erstaunlicherweise recht einfach hinauf, indem sie quasi durch die Eingeweide des Berges hindurch und nach oben leitet -- ein ganz erstaunliches Schmankerl! Eigentlich auch eher ein eigenständiger Weg als eine Variante. Unter einem Felsabbruch kriechen wir zunächst durch eine kleine Höhlung und ein Loch hinauf in eine Art Scharte (I). Dort öffnet sich linkerhand unvermutet eine sehr schmale, kaminartige Felsspalte, hinein in den Berg. Beleibte haben es hier nicht einfach! Diese Spalte spreizen wir etwa 10m weit hindurch in Richtung Norden, was durch eine kleine, im Halbdunkel kaum sichtbare Leiste auf Fußhöhe angenehmer geht als gedacht. Wir befinden wir uns nun inmitten des Berges an einem viergeteilten Schlot, und es gilt mit Kamintechnik (UIAA III) ein paar Meter nach oben zu klettern. Rechterhand erreichen wir einen kleinen Absatz. Es folgt nur noch ein Übertritt zum Gipfelaufbau und wenige Meter leichter Kraxelei (I) zum Gipfelbuch. Auch hier wieder ein fantastisches Panorama; diesmal mit nördlicher Ausrichtung. Noch berauscht vom spannenden Aufstieg und Ausblick treten wir schließlich über den Anstiegsweg wieder den Rückweg an. Wichtig dabei: Von der Scharte nicht durch Fußspuren dazu verleiten lassen, nach Osten abzusteigen --  das endet in überhängenden Abbrüchen! Stattdessen wie gehabt durch die kleine Höhle zurück zum Einstieg.

Schließlich wollen wir uns auch noch dem Großen Bärenstein und seinen Trabanten zuwenden. Dafür steigen wir dem Pfad folgend weiter nach Norden hinab und treffen auf einen breiten Wanderweg, der zum Rastplatz Martins Ruh auf der Südseite des Großen Bärensteins leitet. Wir entscheiden uns für einen Aufstieg über den wenig begangenen Angelasteig, schon vor einem Jahr hier beschrieben. Dafür umrunden wir den Großen Bärenstein auf der Ostseite, um dann über besagten Steig von Nordosten den Gipfel zu erreichen. Diesmal entdecke ich sogar ein "Wandbuch" was ich letztes Mal übersehen habe: gar nicht so versteckt in einer kleinen Nische direkt über der Steintreppe. "Bärentreppe" steht auf dem grünen Plastikbehälter -- offenbar ein Alternativname zum Angelasteig.

Mittlerweile steht die Herbstsonne schon tief, und so haben wir die Ost-Aussicht oben auf dem Großen Bärenstein für uns alleine. Langsam legt sich auch unsere Abenteuerlust -- doch einen weiteren Gipfel wollen wir noch bekraxeln! So spazieren wir nun auf dem schönen Plateau des Bärenstein entlang in Richtung Westen bis an den Ausstieg der Riegelhofstiege. Diese steigen wir nördlich hinab (T3, Stellen I). Unten angekommen befinden wir uns in einem eindrucksvollen Felsenkessel. Zu unserer Rechten (östlich) recken sich die Klettergipfel Khan und Conradturm in die Höhe. Zum Khan führt ein gut gangbarer Alter Weg (AW), der mit einer Sachsen-II eher großzügig bewertet ist. Zunächst führt eine von unten gut einzusehende, lange Schlucht (Stellen UIAA II) hinauf in eine Scharte. Der AW führt von hier links hinauf über einen gut gangbaren Kamin (II+) zum Gipfel mit Buch. Wir entscheiden uns allerdings für eine Anstiegsalternative: Der Blockweg, eine Variante des AW, führt zunächst kurz weiter in Verlängerung der Schlucht hinauf auf einen Klemmblock. Von hier links gegen eine 3m-Wand (UIAA II+), über welche wir auf einen kleinen Absatz und über leichte Schrofen (I) zum Gipfel mit Buch gelangen. Der erfolgreiche Abschluss dieses Tages wird gekrönt durch einen wunderschönen Blick und Sonnenuntergang! Beseelt treten wir schließlich den Rückweg über den Kamin des Alten Wegs an, etwas weniger ausgesetzt als der Blockweg und daher gut für einen ruhigen Ausklang. Auch der weitere Rückweg durch die Schlucht zu unseren Rucksäcken ist entspannt.

Über den Zustiegspfad zur Riegelhofstiege trotten wir dann, wieder aufgesattelt, in der Dämmerung zum breiten Wanderweg. Dieser bringt uns hinunter auf die Robert-Sterl-Straße, und diese schlussendlich nach Wehlen zur Bahnstation.

Fazit: Hübsche Wanderung mit diversen Einsamkeits-Inseln und Free-Solo-Kraxelmöglichkeiten. Die Kletterwege sind natürlich nur bei Trockenheit zu begehen. Während wir am Rhombus nicht übernäßig Freude hatten (besser nach längerer Trockenperiode), stellen Khan, Drei Bären und besonders auch der Thürmsdorfer Stein lohnende Ziele am Wegesrand dar. Letzterer erfreut sich freilich einiger Beliebtheit -- bei den anderen beschriebenen Klettergipfeln geht es dafür ruhig zu. Wer kein Seil mitnimmt, dem sei noch folgendes Motto ans Herz gelegt: Nur hochklettern, was man auch abklettern kann ;)

Tourengänger: rele


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (4)


Kommentar hinzufügen

Toni83 hat gesagt:
Gesendet am 1. November 2020 um 13:59
Wow, was für eine geile Gegend. Congrats!

rele hat gesagt: RE:
Gesendet am 6. November 2020 um 08:09
Danke Toni! Lohnt sich wirklich, ein Besuch ;)

Nyn hat gesagt:
Gesendet am 1. November 2020 um 18:44
Eindrückliche Türme und Türmchen und ebensolche Soloerei

rele hat gesagt: RE:
Gesendet am 6. November 2020 um 08:13
Danke Nyn! Das ist wirklich ein toller Spielplatz für solche Sachen ;)


Kommentar hinzufügen»