Turm, Wächter und Khedive: Kraxelgipfel um den Rauenstein


Publiziert von rele , 12. November 2020 um 13:25.

Region: Welt » Deutschland » Östliche Mittelgebirge » Elbsandsteingebirge
Tour Datum:24 Oktober 2020
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 

An einem sonnigen Herbstwochenende ist der Rauenstein mit seinen schönen Ausblicken und der Gaststätte am Gipfel gut besucht. Dem ruheliebenden und kraxellustigen Wanderer bieten sich dann diverse Nebengipfel zur Abwechslung, denen wir heute u.a. einen Besuch abstatten wollen.

Zu erreichen ist das Rauensteinmassiv auf gut ausgebauten Wanderwegen in rund 30 min von den Bahnstationen Rathen oder Wehlen. Aus Rathen ist der Zustieg etwas kürzer -- dafür lässt sich von Wehlen auf dem 'Kammweg', einem Gratweg mit vielerlei Aussichten, abwechslungsreich entlangflanieren (schöne Beschreibung z.B. hier). Nachdem wir gemeinsam mit einer Menge anderer Wochenendausflügler die vielfältigen Blicke dort oben genossen haben, zieht es uns wieder hinab und zu den ruhigeren Trabanten des Rauenstein. Wir starten an der Südwestecke, wo sich der Rauensteinwächter an der Wand des Massivs in die Höhe reckt -- kaum kann man an diesem Fleckchen glauben, dass sich in nur ~100m Luftlinie irgendwo schräg über uns die Gaststätte mit dutzenden Besuchern befindet. Auf den Gipfel führen diverse Kletterouten, deren leichteste, der Alte Weg, mit einer II der sächsischen Kletterskala bewertet ist: wohl stellenweise schon UIAA III, doch für den klettergewandten Wanderer auch ohne Seil noch erschwinglich. Wir entledigen uns zunächst der Rucksäcke und Schuhe (barfußklettern ist nicht nur schonend für den sensiblen Sandstein, sondern erhöht auch das Gefühl für die Reibung am Fuß!). So vorbereitet, geht es von Nordwesten über blockiges Gelände hinauf in die Scharte zwischen Massiv und Turm (UIAA II). Dort folgt die Schlüsselstelle des Aufstiegs: Die uns hier umgebenden Wände sind glatt und noch etwas morgenfeucht. Ob das geht? Im Kamin arbeiten wir uns wenige Meter zwischen den Felsen nach oben (III), bis sich die Gipfelwand etwas zurücklehnt. Hier treten wir über und steigen leichter (I, aber immer noch etwas reibig) an der Wand hinauf zum Gipfel mit Buch. Zufrieden schreiben wir uns ins Büchlein ein, und genießen eine Weile die Sonnenstrahlen am ruhigen Gipfel. Der Abstieg entlang der Auftiegsroute erfordert noch mal volle Konzentration, bis wir uns unten die Wanderschuhe wieder anziehen dürfen und dem Pfad am Massiv entlang weiter nach Westen folgen.

Als nächstes wollen wir die Nonne erkunden: einen recht beliebten Kletterfelsen südöstlich des Rauenstein. Er ist freilich an diesem schönen Samstag von allen Seiten durch Kletterer belagert, und im von uns avisierten Alten Weg (eine Sachsen-II) befindet sich grade eine ganze Familie im Aufstieg... Naja, das wäre seilfrei sowieso recht ambitioniert geworden! So machen wir bald wieder kehrt, ohne selbst Hand an den Fels gelegt zu haben, und wandern zurück zum Fuß des Rauensteinmassivs.

Hier folgen wir für etwa einen Kilometer dem schmalen Pfad an der Nordostseite des Massivs entlang zu unserem nächsten Ziel: dem Rauensteinturm, einer eindrucksvollen Felsenburg an der Nordostecke mit allseits ziemlich einschüchternden, steil abfallenden Wänden. Und doch gibt es eine Schwachstelle, die uns auch seilfrei möglich scheint: Einen Kamin, der sich an der Südwestseite aus einer Höhlung heraus senkrecht nach oben zieht. Südwestweg nennt sich die Route und ist mit dem II. sächsischen Klettergrad bewertet. Eng sieht der Kamin aus... doch probieren geht über studieren! Also wieder Rucksäcke ab, Schuhe weg und los geht's. Der erste Zug hinein in die Höhle hinein ist gar nicht so harmlos, wie er scheint (II+). Dann einfacher bis zum engen Kamin und dort irgendwie hinauf (III), durchaus mühsam: robuste Kleidung von Vorteil, und inspirierend für kreative Klemmtechniken ;) Außen etwas besser zu klettern, aber natürlich auch ausgesetzter als weiter innen. Nach einigen anstrengenden Metern können wir rechts auf einen Absatz aussteigen. (Wer möchte, kann hier auch noch im weniger ausgesetzten Kamin bleiben.) Ab nun ist die Kletterei ist angenehm und leichter (II). Über eine weitere Wandstufe erreichen wir den Gipfel, mit Buch und herrlicher Aussicht! Schon des kraftraubenden Aufstiegs wegen pausieren wir hier oben länger... und das fällt an diesem wunderbaren Plätzchen überhaupt nicht schwer! Im Abstieg flutscht es dann etwas leichter, schließlich kann man sich ja quasi im Kamin nach unten rutschen lassen -- aber diese "Technik" ist nicht unbedingt was fürs Lieblingshemd ;)

Zufrieden satteln wir unten wieder auf und wandern weiter am Massiv entlang, nun in Richtung Westen. Nach ~200m gelangen wir an eine Ecke, an welcher der Fels nach Süden zurückweicht. Dort steht der Dreifreundestein, ein Kletterfelsen, den wir uns seilfrei allerdings nicht zutrauen. 50m nördlich davon befindet sich der Khedive, ein scheinbar einfach zu erreichender Gipfel und für heute unser letzes Ziel. Auf ihn führen gleich zwei Routen im I. Sachsengrad: Leichtes Spiel, sollte man denken... doch weit gefehlt, zumindest in unserem Fall! Zwar gibt sich der Alte Weg (AW) zunächst gutmütig: Von Südosten zieht eine griffige Rampe (UIAA I) hinauf auf einen Absatz auf der Südwestseite. Dann jedoch folgt rechtshaltend ein Übertritt auf eine schräge Wand mit eingeschlagenen Tritten. Zwar nur UIAA I, aber nervenaufreibend schmierig! Zwei von uns kehren hier lieber um und weichen auf den Südostkamin aus: Dieser führt rechts vom Einstieg des AW über zwei mögliche Kamine (UIAA III, beide moosig-feucht und mit der Sachsen-I wohl unterbewertet; dafür weniger ausgesetzt als der AW) auf eben jenen Absatz, auf den man auch über den abschüssigen Wandabschnitt des AW gelangt. Von hier sind es dann zum Gipfel nur noch wenige, einfache Meter (I). Immerhin kann der Gipfel auch mit Buch und ein bisschen Aussicht aufwarten-- auch wenn diese nicht mit der des Rauensteinturms zu vergleichen ist. Bald treten wir den Rückweg an, teils über den AW, teils über den Südostkamin: beides unter den vorgefundenen Bedingungen weder im Aufstieg noch im Abstieg übermäßig vergnügliche Unternehmungen. Dementsprechend fehlt uns schließlich die Motivation, auch noch den Nordwestkamin, einen Sachsen-IIer auf den Gipfel, auszuprobieren. So beschließen wir mit diesem nicht ganz so befriedigenden Ende einen insgesamt sehr erfüllten Wander- und Kraxeltag!

Vom Khedive kann über schmale Zustiegspfade schnell in nördlicher Richtung auf den Rauensteinweg abgestiegen werden, der zurück nach Rathen leitet. Oberhalb des Laasenhauses kommt man evtl. noch am Laasenstein vorbei, der auch einige leichtere Kletterrouten zu bieten hat... vielleicht ja noch was fürs nächste Mal!

Fazit: Wenn am Rauenstein der Bär tanzt, bieten Abstecher auf die drei beschriebenen Klettergipfel etwas Ruhe und teilweise anregende Kletterei. Am Rauensteinturm lohnenswerte Aussicht! Nachteil der beschrieben Kletterrouten (insbesondere am Khedive) das recht feuchte Ambiente, daher besser nach längerer Trockenperiode. Wer kein Seil mitnimmt, dem sei mal wieder folgendes Motto ans Herz gelegt: Nur hochklettern, was man auch abklettern kann ;)

Tourengänger: rele


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Kommentare (9)


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Nyn hat gesagt:
Gesendet am 12. November 2020 um 15:14
Fein geschrubbt :D

rele hat gesagt: RE:
Gesendet am 12. November 2020 um 16:29
Haha, danke Nyn :)

Nyn hat gesagt: RE:
Gesendet am 12. November 2020 um 18:22
Ich hab neulich eine schöne Serie auf youtube über/mit Adam Ondra gesehen - einem der besten Sportkletterer der Welt. Er berichtet eindrücklich von Touren, Wettkämpfen und Training allovertheworld.

Bei einem Wettkampf hatten die Schrauber doch tatsächlich einen Boulder mit einer rissähnlichen Struktur gezimmert, die fast alle anderen Boulderer abwarf, weil sie der klemmenden Risstechnik nicht mächtig waren :D. Adam hatte das vorher geübt und konnte den Boulder locker lösen....

Bei schweren Körperrissen oder halboffenem überhängenden FastKaminieren ists ähnlich, aber sehr speziell. Wer ko, der ko und wers nicht ko, der kommt hald ned nuff.

Ein ganz übles Teil z.B. hier:

https://www.youtube.com/watch?v=KJ2GBjwf5CI


rele hat gesagt: RE:
Gesendet am 12. November 2020 um 22:23
hmm interessant, hab's mir grad angeschaut... wusste noch gar nicht, dass Adam auch so ein guter Risskletterer ist!

Nyn hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. November 2020 um 10:16
Nun, wenn Du in der "Szene" der "Beste" oder mit zu den Besten gehören willst, dann kannst du ja schlecht Elemente einfach ausklammern, die es eben auch gibt. :D

Auch wenn Rissklettern und Kaminschrubben vor allem in der Offwifth-Variante keinen oder kaum Einzug ins Wettkampfklettern finden dürfte, so sind jegliche Techniken, die Dir weiterhelfen, eine Passage oder Stelle zu meistern inzwischen von unschätzbarem Wert.
Noch vor wenigen Jahren waren z.B. die Knie/Oberschenkelklemmer (Kneel-hook - mit diesen Bandagen) fast völlig unbekannt. Heute entscheidet die Fähigkeit, solche Stellen zu finden und zu nutzen über die paar Sekunden mehr Ausdauer am Ende, die den Unterscheid zwischen Sieg und Niederlage in den extremen Sportkletterein ausmachen.

Ich bin selbst nie über den 8ten Grad hinausgekommen, verfolge aber die Entwicklungen und Protagonisten weiterhin sehr gespannt.

Adam würde ich jetzt nicht unbedingt als Rissspezialisten bezeichnen, aber er ist in der Lage, da hochzukommen, wo viele andere es vermutlich nicht mal versuchen würden.

riakiwi hat gesagt: Khedive
Gesendet am 10. Oktober 2021 um 21:56
Vielen Dank für Deine coolen Touren. Ich war heute am Rauenstein, bin aber nach dem Rauensteinwächter auf den Rauenstein rauf - 2-300m weiter nach NW kommt ein Weg, der in die Einsattelung zwischen Gasthaus und Gipfel führt - und ein Stück weite über den Rauensteinweg in den Bärengrund und so zu Turm und Khedive.
Den AW auf die Khedive empfand ich einfacher, als von Dir beschrieben. Es war zwar alles, wie Su sagst - schmierige, eingeschlagene Tritte nach dem Übertritt an die schräge, exponierte Wand - aber wenn man die Löcher für die Hände abtastet, findet man immer ein bisschen weiter links, als wo man normalerweise suchen würde, sehr gute Griffe, die das Ganze dann doch deutlich weniger gruselig machen. Mein Tip also: sich viel Zeit nehmen, um die besten Griffe zu finden.

rele hat gesagt: RE:Khedive
Gesendet am 11. Oktober 2021 um 10:10
Danke sehr für die Rückmeldung und die Tipps, riakiwi! Vielleicht sollte ich dem Khedive ja ne zweite Chance geben, am besten bei staubtrockenen Bedingungen :) Hast Du Dich auch noch am Turm versucht?

riakiwi hat gesagt: RE:Khedive
Gesendet am 11. Oktober 2021 um 13:43
Ich war beim Turm, aber da war eine JDAV-Gruppe in der Tour. Sah aber für seilfreies Klettern ziemlich hoch und exponiert aus. Respekt!

rele hat gesagt: RE:Khedive
Gesendet am 11. Oktober 2021 um 14:12
ah verstehe... Naja, hoch ist es schon dort, von unten betrachtet, aber tief im Kamin geklettert kann man eigentlich kaum rausfallen -- insofern doch wieder ok für free solo. Dann hast Du ja vielleicht noch was für den nächsten Besuch übrig :) Der Laasenstein würde mich auch noch mal interessieren... hoffentlich komm ich bald noch mal hin!


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