Marmolada - Punta Ombretta und Punta Rocca


Publiziert von Stefan_F , 9. Oktober 2020 um 11:44.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:14 September 2020
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 1 Tage

Es gibt Dinge auf die macht uns das Schicksal mehrmals sehr eindringlich deutlich. Mir wollte es sagen, ich sollte die 3000er der Dolomiten genauer ins Visir nehmen. Dazu zeigt es mir nicht nur, dass meine Füße unruhig zappeln, wenn ich mit Familie in Südtirol Urlaub mache, es ließ mich auch auf die Tourenberichte von Bergteufel, geordb und den anderen Dolomitliebhabern stoßen. Zu guter Letzt ist da natürlich auch die beeindruckende Schönheit der bleichen Berge.
Also nahm ich meinen guten Freund und sowohl im Sandstein als auch in den Westalpen erfahrenen Seilpartner Martin mit in den Urlaub um eben diese 3000er mal zu besuchen. Das Buch "Die 3000er der Dolomiten - Normalwege" gibt uns eine durchaus interessante Aufgabenliste vor, aus der wir uns gleich eine Tour zusammenstellten, die zwar äußerst reizvoll klingt, aber sich vor Ort als fast närrisch herausstellte. Wir wollten die Marmolada von Ost nach West mit einem Biwak in der Capanna Punta Penia überschreiten, also vom Piz Serauta über den Monte Serauta, die Punta Ombretta besteigen, dann von der Punta Rocca über den Pilastro Nino auf die Punta Penia steigen um am nächsten Tag über den Piccolo Vernel den Gran Vernel zu besuchen und dann noch die Punta Cornantes dran zu hängen. Befreundete Bergführer meinten dazu, es sei theoretisch möglich aber ich sollte sie nicht nach Details fragen... Ein erstes Zeichen? Eigentlich hätte man das Projekt auch gleich am Anfang beerdigen können.
Am 14.9. fahren wir früh nach Malga Ciapela um mit der Seilbahn zur Station Serauta zu gondeln. 7:30 sind wir vor Ort, 8:50 soll die erste Bahn gehen. So warten wir im warmen Auto auf die Öffnung der Bahn. Gegen 8:30 kommt das Personal zur Bahn und wir werden sogar angesprochen - ob wir auf die Bahn warten. Natürlich warten wir! "Die letzten Bahn für diesen Sommer ging GESTERN." Wenn Projekte so starten... Wir waren reichlich bedient und ratlos.
Also fuhren wir mit mieser Laune zum Fedaia-Stausee. Selbstbewusst und auf unsere Kondition von vielen Westalpentouren vertrauend stiegen wir schnell zur Pian Dei Fiacconi - Hütte auf (Den klassischen Korblift gibt es nicht mehr und derzeit ist offen ob es mal einen neuen Lift gibt) und fragten nach einem Platz für die Nacht. Unser Plan war nun die beiden Serautagipfel weg zu lassen - sie sind später mal leicht mit der Bahn zu erreichen - und die Punta Ombretta anzugehen. Über den Normalweg findet man keine Berichte und die Tour ist in besagtem Buch mit ZS angegeben, was für uns reizvoll erschien. Später wollten wir wie geplant weiter Richtung Punta Penia.
Der Übernachtungsplatz war noch frei, aber der Hüttenwirt dachte wir wollen von hier aus zur Punta Ombretta Ost und wies uns auf die 900Hm tiefe Schlucht, besser bekannt als Marmolada-Südwand hin, die wir zu überwinden hätte. Außerdem störten ihn unsere leichten Laufschuhe, denn wir hätten ja einen Gletscher zu begehen. Wir Zeigten ihm den für ihn scheinbar unbekannten Gipfel der Punta Ombretta (ohne Ost) und wechselten auf unsere Bergstiefel. Die Rucksäcke waren eh unheimlich schwer, da wir ja Wander-, Eiskletter- und Felskletterausrüstung einpacken mussten und auch noch an Biwakzeug gedacht haben. So ließen wir alles unnötige in der Hütte (Biwakzeug) und marschierten los in Richtung östlicher Marmoladagletscher.
Zuerst geht es über die gemauerten Stufen zur Marmoladahütte und dann einer felsigen Rinne folgend grob östlich aufwärts zum Gletscherarm. Das Gelände ist hier unschwierig und man kann sich gut an den Reibungskoeffizienten von Vibramsohle und geschliffenem Dolomit gewöhnen. Schnell ist der Gletscher erreicht und wir steigen am rechten Rand der Skipiste hoch. Hier hat es noch Trittfirn, was mich aber dennoch ganz schön fordert. Sehr schnell waren wir bis hier hin und der Stress der letzten Wochen haben dem Körper schon zugesetzt. So entschuldigt zumindest Martin meine gemütliche Geschwindigkeit. Hier erkennen wir auch den goßen Irrtum dem man allerorten aufsitzt. Auch hier auf hikr bei den Wegpunkten ist es falsch eingetragen. Die Seilbahnstation steht nicht auf der Punta Rocca, sie heißt nur so. Tatsächlich ist die Punta Ombretta nicht weit von der Station entfernt. Das auch das nicht so wirklich stimmt, erfahren wir aber erst später. So steigen wir bis knapp unterhalb der Station auf und halten dann auf die ca. 60° steile Eiswand unterhalb der deutlichen Scharte der insgesamt 11 Ombrettagipfel zu. Das Eis lässt sieh hier recht gut steigen, nur das Gestein ist für uns ungewohnt brüchig. Wie gesagt: wir sind Westalpen(ver-)wöhnt.
Nach zwei Seillängen sind wir an einer Schlinge in der Scharte und packen die Eisausrüstung weg. Nun geht sie los, die Dolomitenkletterei. Laut Literatur soll es im SG II und III aufwärts gehen. Das läuft erstmal recht gut, der Fels ist griffig, aber auch brüchig. Gut, stand auch so im Buch, fühlt sich aber trotzdem etwas komisch an. Bald erreiche ich eine Schlinge und nehme die Selbstsicherung vom Gurt. Die linke Hand hat einen ganz guten Griff, der aber just in dem Moment seiner Basis die Freundschaft kündigt und ich plötzlich etwas Abstand zur Wand gewinne. Irgendwie bleibe ich aber dennoch stehen. Ok, das ist also die Begrüßung die man hier erfährt. Puh! Jetzt bin ich wach und konzentriert und das Gestein hat mich gewarnt, oder mich eher zurecht gestutzt. Auch Martin ist durch meine Urlaute der Verwunderung nun noch mehr bei der Sache als so schon. Also vorsichtig den Stand gebaut und schnell ist Martin bei mir. Der Weiterweg bis zu einem Felskopf ist unschwer, aber dann lacht mich der Dolomit wieder höhnisch an. Auf einem schmalen Grat, einer Art Dachfirst, soll ich bis zu einem scheinbar optimal runden Bauch aus gepresstem Kalk-Kies-Bruch tanzen. Mit etwas Konzentration geht das schon. Der Bauch ist dann aber doch etwas fester als es scheint. Nur der Antritt auf Hüfthöhe fühlt sich im ungewohnten Gestein ungemütlich an, zumal das Griffangebot etwas übersichtlich ist. Aber da ich jetzt eh keinem Griff mehr vertraue, ist es auch egal welchen ich nehme.
Martin kommt dann den Grat reitend nach und wir stehen wieder vor einem Rätsel. Drei Köpfe stehen zur Auswahl welcher denn nun der höchste Punkt der Ombretta ist. Will man wie wir eh zur greifbar nahen Bergstation, überschreitet man sie eh alle. Die Scharten lassen sich gut überwinden. Kraxelgelände, wohl SG II nennt man das hier.
Letztlich gratulieren wir uns zum ersten Dolomiten-3000er und dann gleich einem relativ anspruchsvollen. Im Vorfeld dachten wir ja darüber nach, aber die Sammelei der 3000er eher eine Wanderaufgabe ist und doch deutlich hinter den 4000ern abfällt. Nun wissen wir, nur Narren denken so und beides lässt sich einfach schwer vergleichen. Wandergipfel gibt es auch an den 4000ern.
Auf dem letzten Gipfelkopf beginnt ein Stahlseil, welches wahrscheinlich zur Sicherheit bei den Arbeiten an der großen Funkantenne dient. Schnell sind wir an den Stahlleitern, -geländern und sonstigem Schlossereibedarf der Bergstation. Heute fährt zwar die Gondel doch, aber nur zu Wartungsarbeiten. Gerade ist niemand hier. Daher sind auch alle Türen verschlossen und wir klettern erstmal mit den großen Rucksäcken die mit Stahlgeländern eingefassten Leitern hinab. Es ist ein elendes Gequetsche da durch zu passen. Unten angekommen geht es nicht weiter. Nur Sackgassen und verschlossene Türen. Also klettern und seilen wir durch die Einflugöffnungen für die Gondeln in Richtung Freiheit. Die Leute an den Überwachungskameras bekommen köstliche Unterhaltung geboten... Die Aktion dauert eine Stunde!!
Von wegen seilbahnnahe Gipfel sind leicht zu besteigen! Es ist aber schon so, dass man die Punta Ombretta von der Seilbahn aus leichter erreichen kann als auf dem beschriebenen Weg, wenn man denn durch die Seilbahnstation kommt. Daran vorbei (südseitig) geht eher nicht.

Endlich sind wir auf dem kleinen Gletscherplateau neben der Station und machen erstmal eine Pause. Durchatmen, essen, trinken, Landschaft genießen, herzlich über die Aktion an der Seilbahn lachen und wem auch immer für das glückliche Ende des Griffausbruchs danken.
Schnell ist man dann zum Fuß der Punta Rocca gequert. Im leichten Gelände, welches durchaus unterhaltsam angenehm zu steigen ist, erreicht man die alte Hütte aus dem Krieg. Ab hier sind wir rechts raus gequert und eine seichte Rinne ca. 10m nach oben bis man auf der Kanzel sitzt. Alles nicht schwer, will aber konzentriert geklettert sein. Der Rest zum Gipfel ist dann wieder leicht und schnell stehen wir auf dem zweiten Gipfel an diesem Tag. Wie schon den ganzen Tag lohnt es sich immer mal in die beeindruckende Südwand zu schauen!
Nun interessiert uns aber das Herzstück der Tour. Über den Übergang von Punta Rocca über den Pilastro Nino auf die Punta Penia findet man im Netzt keine Informationen und im Buch nicht viel. So gut wie nie gemacht wird das, ist höllisch brüchig, schwer bis gar nicht zu sichern und noch mieser einsehbar. Altes Eisen aus dem Krieg soll es dort wohl geben. Die Uhr zeigt frühen Nachmittag und so schmieden wir einen anderen Plan und backen kleinere Brötchen. Von der Punta Penia wollen wir mal in die Scharte absteigen und so den Nino einsammeln, nur heute nicht mehr. Wieder ein Dämpfer für uns hoch motiviert gestarteten Stürmer.
Ruhig klettern wir den Aufstiegsweg wieder runter und sind bald am Gletscher. Mit Steigeisen tasten wir uns den doch recht steilen mittleren Gletscherarm in direkter Richtung zur Hütte runter. Bald ist auch hier das Schotterfeld erreicht und wenig später fallen an der Hütte die Rücksäcke von den Schultern.
Beim wohlverdienten Bier besprechen wie die Lage. Wir müssen uns eingestehen, dass die Gipfel durchaus ihren Anspruch haben und das auch zeitlich. Wir haben viel gelernt auf der Tour und sind doch leicht geschafft. Es ist nicht so, dass man die Marmolada wie geplant mal eben so komplett überschreitet. Wir sind geleutert, aber wissen um die taktischen Änderungen, die nötig sind um hier noch viele schöne Touren zu machen. Am reizvollsten erscheint uns aber die Idee, schnell abzusteigen und meine Freundin und meine Tochter am Abend mit unserer Rückkehr zu überraschen.
Mit kindlicher Freude und irgendwie auch erleichtert rennen wir in 25min von der Hütte zum Wanderparkplatz und fahren heim. In La Villa im Gadertal genießen wir eine köstliche Pizza und finden auf dem Parkplatz noch 80€. Vermutlich gehörten sie dem Sportwagenfahrer mit um die Schultern gebundenem Pullöverchen und der Trump-schen Föhntolle. Ärmer gemacht hat´s ihn wohl nicht.

Zufrieden erreichen wir gegen 21:00 das Pustertal und unsere Unterkunft.
Auch die Überraschung war gelungen und der Tag mit einer Dusche und Grappa beendet. Weitere Pläne lagen zu der Zeit schon auf dem Tisch.


Tourengänger: Stefan_F


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