Graupener Bergreviere II


Publiziert von lainari , 5. Dezember 2018 um 21:08.

Region: Welt » Tschechien » Krušné hory
Tour Datum: 2 April 2018
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Zeitbedarf: 5:30
Aufstieg: 400 m
Abstieg: 400 m
Strecke:12 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto bis Kaple sv. Wolfganga oder Sessellift Bohosudov - Komáři vížka
Kartennummer:1:50.000, KČT Nr. 6 Krušné hory - Teplicko

Rosenthal (Vrchoslav)
 
Wer am Mückenberg (Komáří hůrka) im Böhmischen Erzgebirge unterwegs ist und sich für Bergbau interessiert, hat ein Problem. Der Arzt würde wahrscheinlich Reizüberflutung oder Dichtestress diagnostizieren. Zu den Hochzeiten des Bergbaues waren hier bis zu 70 Stollen und 100 Schächte gleichzeitig in Betrieb. Entsprechend mannigfaltig sind die historischen Spuren in diesem Bereich. Die Bergschadenskarte der Region beginnt mit dem Objekt 1 und die höchste lesbare Zahl ist die 164. Durch das dichte Zusammenliegen der Markierungen kann die tatsächliche Anzahl durchaus höher sein. Zudem enthält die Karte nur Objekte im Zentralbereich.
 
Ausgegangen war der Bergbau am Südfuße des Erzgebirges auf dem Gebiet des 1330 erstmals urkundlich erwähnten Ortes Graupen (Krupka). Hier wurde bereits seit dem 12. Jh. in den Bächen Zinn geseift. Die dabei gefunden Zinnkörner nannte man Graupen. So müsste eigentlich der Ausspruch „die Graupen dicke haben“ nicht für etwas Negatives stehen, sondern für eine gewisse Wohlhabenheit. Bereits im 13. Jh. ging man dazu über, Zinn in Primärlagerstätten durch Schürfmulden und Tagebaue im Festgestein zu gewinnen. Für das 15. Jh. wurde dann der Beginn des Tiefbaues mit Stollen und Schächten nachgewiesen. So blickt die Region wohl auf eine 800-jährige Bergbaugeschichte zurück. Die örtlichen Bergreviere wurden wie folgt eingeteilt:
  •          Mückenberg
  •          Klösenberg
  •          Steinknochen
  •          Knötel/Knödel
  •          Rosenthal (Vrchoslav)
  •          Günther
  •          Preisselberg
Bei der Erkundung des Geländes hilft eine Internetseite mit einem virtuellen Bergbaulehrpfad (VNS Krupským hornictvím). Mit einer realen Auszeichnung im Gelände wurde begonnen. Der Lehrpfad hat eine Länge von etwa 12 km mit je 800 hm Auf- und Abstieg. Für das Gewinnen eines Überblickes kann man somit eine Gesamtbegehung durchführen. Die Menge der heute noch sichtbaren Bergbauspuren lässt eine Zerlegung in mehrere Abschnitte sinnvoll erscheinen. Auf Grund der kurzen Tage im Winter und zugunsten einer genaueren Nachschau zerlegte ich das Projekt dann auch in mehrere Teile.
 
Den Zweitbesuch startete ich am kalten Ostermontag an der Passhöhe der Straße, die von Krupka heraufkommt, bei der Kaple sv. Wolfganga (St. Wolfgangskapelle). Der stellenweise vorhandene Restschnee war mit einer geringen Neuschneeauflage überzuckert. Ich wandte mich auf dem Kammweg (Sedmihůrská cesta/Siebengiebler Weg) in westliche Richtung. Unterwegs passierte ich den Aussichtspunkt Sedmihůrská vyhlídka. Später verließ ich den Weg nach links und drang im Bereich des Loupežník (Raubschlossberg) zu alten Bergbaurelikten vor. An den beiden Talflanken der östlich des Berges anreißenden Taleinkerbung wurde in geringerem Umfang Zinn aus Gangvererzungen gewonnen. Hier waren die dafür typischen linienförmigen Anordnungen von teilweise offenen Abbauen und Schachtpingen zu entdecken. Über einen den Hang traversierenden, als blauen Wanderweg markierten Pfad lief ich wieder ostwärts und passierte dabei die Hütte eins Einsiedlers. Das putzige Männlein trat heraus und sortierte und besprach beflissen irgendwelche Dinge. Das Umfeld der Hütte war mit allerlei Beutestücken aus der Zivilisation (Grabschmuck aus Plastik, Spielzeugfiguren und Haushaltwaren) in teilweise merkwürdigen Installationen dekoriert. Wenig später ging ich an der linken Flanke einer sich andeutenden Taleinkerbung talwärts. An einer Kreuzung mit einem Brunnenschacht steuerte ich in die gegenläufige Richtung um, weil zwecks sanfteren Höhenverlusts am Talende eine Schleife gelaufen werden musste. Das schmeckte mir nicht so recht, so dass ich über eine steile, direkter talwärts führende Rampe abkürzte. Unmittelbar am Talboden fanden sich einige merkwürdige Verbrüche. Am Hang wurde linker Hand ein Bruchgraben sichtbar. Dieser stammt von der Propadliny dolů (Grube) František, die im Gelände des Revieres Rosenthal (Vrchoslav) eine etwa 1,2 km lange teilverbrochene Kluft bildet. Hier in den tieferen Gesteinslagen des Erzgebirges waren die Klüfte nicht mit Quarz und Erzmineralien gefüllt, sondern mit Fluorit (Flussspat). Der an dieser Stelle besonders ergiebige Gesteinsgang wurde nach dem II. Weltkrieg von den Stollen František I-III angefahren und ausgebeutet. Der Fluoritgang wurde auf einer angenommenen Höhe von etwa 40 m abgebaut, die stehen gelassene Gebirgsdecke darüber betrug etwa 3-5 m, was zum späteren Teilverbruch der Struktur führte. Heute wird der Gangverlauf an intakten Stellen von drei Waldwegen und zwei Bächen gekreuzt. Nachfolgend mal eine überschlägige Modellrechnung zur ausgebrachten Menge für eine einen Meter breite Kluft: 1,2 km lang x 40 m hoch x 3 t/m³ (2,8 t/m³ Granit, 3,2 t/m³ Fluorit gemittelt 3 t/m³ für Gesteinsmischung) = 144.000 t abgebaute Masse. Die tatsächliche Breite der Abbaue schwankte in den sichtbaren Bereichen von 50 cm bis etwa 5 m. Darüber hinausgehende Maße von Anrissen und Rutschungen sollten vom (Teil-)Verbruch der Struktur stammen. Ich folgte dem Bruchgraben bis zum südöstlichen Ende und ging dann auf einem Waldweg zur einstigen Důl 5. Květen (Grube 5. Mai). Hier wurde zwischen 1952-1969 auf 2,5 km Stollenlänge ein Ertrag von 320.000 t Fluorit ausgebracht. Im Areal befindet sich heute ein Sägewerk. Vom westlichen Tor aus kann man das Stollenmundloch sehen. Von hier aus lief ich das Tal wieder aufwärts und passierte dabei eine Stollenhalde. Welcher der drei Zugangsstollen der Grube František an dieser Stelle ausmündete, konnte ich noch nicht ermitteln. An dem Punkt, wo ich auf dem Hinweg am Talboden die Bruchlinie entdeckt hatte, bog ich nun ab, um das nordwestliche Ende der Grube František zu erkunden. Dazu war ein Aufstieg am Steilhang erforderlich. Am oberen Ende der Struktur haben Mineraliensucher ihr Refugium. Über abenteuerliche Fixseile und selbstgebaute Leitern steigen sie in die Kluft, um in noch abenteuerlicheren Löchern oder Spalten Fluoritkristalle zu bergen. Dabei gehen sie nicht zimperlich zu Werke, ist etwas im Weg werden auch Teile der Kluftwand durch Unterhöhlung „gefällt“. Heute traf ich zwei Roma an, die bereits mehrere Plastikeimer mit Mineralienstufen zum Abtransport vorbereitet hatten. Da sie recht verwegen aussahen und merkwürdige Dinge rauchten, sparte ich mir die Frage auf, ob ich ein minderwertiges Stück erhalten könne. Ich kehrte zum Weg zurück und lief, dieses mal über die Schleife am Talende weiter aufwärts. Ab der Kreuzung mit dem Brunnenschacht stieg ich über eine direkte Wegverbindung zum Kammweg hinauf und beendete die heutige Erkundung an der Kaple sv. Wolfganga.
 
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 5 h 30 min.
Die Weglospassagen im Wald sind mit T3 zu bewerten, die restliche Strecke auf vorhandenen Wegen mit T1. Ich weise ausdrücklich auf die besonderen Gefahren des Altbergbaues hin, selbst außerhalb von markierten Bereichen sind durch Vegetation verdeckte offene Schächte und Verbruchstellen anzutreffen!

Tourengänger: lainari


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