Durchs Hemer(er) Felsenmeer


Publiziert von Nik Brückner , 27. November 2018 um 10:34. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Westliche Mittelgebirge » Sauerland
Tour Datum: 4 November 2018
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Zeitbedarf: 1:00
Aufstieg: 75 m
Abstieg: 75 m
Strecke:4km

Was? noch kein Wegpunkt für's Felsenmeer Hemer?

Das müssen wir ändern! Vielleicht inspiriert's ja auch den einen oder die andere Wand'rer*in dazu, ihre   Hiks   auf  Hikr  zu postn.  

Das seit 1962 als Naturschutzgebiet ausgewiesene Felsenmeer ist ein 700m langes und 200m breites Areal unmittelbar an der Stadtgrenze im Osten von Hemer im Sauerland. In einer mehr als zehn Meter tiefen Senke liegen und stehen turm- und zackenförmige Kalkblöcke neben- auf- und übereinander, zwischen und unter ihnen Klüfte, Hohlräume und Höhlen. Oder wie es fachmenschlich heißt: "Die Verkarstung des mitteldevonischen Massenkalks ist bis zu einem offenen Karrenfeld fortgeschritten."

Die Waldelfe und ich waren neulich bei Barbara und Peter zu Besuch, und obendrein eingeladen zu einem Konzert. Großartige Gastgeber die beiden, ich kann nur empfehlen, sich mit ihnen anzufreunden. Sie haben uns ihr Felsenmeer gezeigt.

Hey Ihr zwei beiden, wenn Ihr mal zu uns kommt, zeigen wir Euch unser Felsenmeer!

Die Waldelfe und ich hatte schon bei unserer Ankunft das Felsenmeer ausgeschildert gesehen (da lief Earthsides "A Dream in Static") und unsere Neugier war geweckt. Irgendwann nach dem Frühstück kam dann die Idee auf, uns ins Meer zu stürzen - wir sattelten auf und zogen los.

Das stark zerklüftete Felsenmeer entstammt dem Tertiär, einem Erdzeitalter ca. 65 Millionen Jahre - 2 Millionen Jahre vor unserer Zeit (also keine Dinosaurier mehr. Damn). Es besteht aus rund 385 Millionen Jahre altem Riffkalkstein aus dem mittleren Devon (also noch keine Dinosaurier. Damn), der in einem tropischen Meer entstanden ist. Vor 20 bis 30 Millionen Jahren entstand unter feuchtwarmen Klimabedingungen durch die teilweise Lösung des Kalksteins an der Oberfläche die bizarre Karstlandschaft, die später passend, aber vermutlich in Unkenntnis des devonischen Meers, den Namen "Felsenmeer" erhalten hat.

Ein Besuch im Felsenmeer ist eher ein Spaziergang als eine Wanderung. Ein T6-Abenteuer ist es schon gar nicht, da es wegen des sehr starken Besucherverkehrs (immerhin ca. 80 000 Besucher jährlich) verboten ist, die ausgewiesenen Wege zu verlassen. Einen Hikr erfasst beim Anblick des Felsenmeers natürlich sofort die Kletterlust, insbesondere weil der Fels schön fest und griffig ist. Doch nur an einer Stelle kann man auf ein paar Brocken hinaufsteigen.

Seit 1962 steht das Felsenmeer unter Naturschutz, und bis war es 1988 frei zugänglich. In diesem Jahr wurde das Gelände umzäunt, heute werden Spaziergänger gelenkt und Kletterer abgelenkt.

Die Gründe: Der Schutz mittlerweile seltener Tier- und Pflanzenarten, klar. Aber es gibt noch einen: Über das gesamte Gebiet verteilt befinden sich viele tiefe Klüfte und Spalten, die mit losen Zweigen und Laub nur leicht abgedeckt sind, und da dient es nicht nur dem Schutz von Tieren und Pflanzen, sondern auch der eigenen Sicherheit, dass man auf den Wegen bleibt.

Schade.

Aber vernünftig. Es kam bereits zu Todesfällen.

Nicht alle Klüfte und Löcher sind natürlichen Urprungs. Der Kalk im Felsenmeer ist mit Roteisenstein vererzt, und schon ab dem 8./9. Jahrhundert n. Chr. wurde hier Eisenerz abgebaut - der älteste Abbau von Eisenstein in Westfalen. Bis 1871 räumten Bergleute natürliche Höhlen aus, erweiterten sie, oder nutzten sie als Transportwege. Dabei entstanden zusätzlich zu den natürlichen Klüften zahlreiche Schachtöffnungen, Stollenmundlöcher und Halden.

Es gibt einen ausgewiesenen "Panoramaweg", der die schönsten Bereiche des Felsenmeers erschließt. Dort stehen Infotafeln, und Führungen gibt es auch. Wir sind ohne Führung durchgewandert, trotzdem geführt, von Barbara und Peter. Das mit dem Panorama allerdings...

Nach Beendigung des Bergbaus entwickelte sich im Felsenmeer ein Buchenhochwald, der heute den Blick auf die bizarre Landschaft teilweise verstellt. Die Begrünung des Geländes tut ein Übriges: Die Felslandschaft droht an vielen Stellen hinter Büschen und unter Laubmassen allmählich zu verschwinden.

Die Besucher sind auf den Rundweg beschränkt, der außen um das schluchtartige Gelände herum- und an ein, zwei Stellen auch hindurch führt. Leider sieht man auf diesen Wegen nicht besonders viel, die Buchen lassen die zerklüftete Landschaft unter einer dicken Schicht Laub verschwinden (oder war's der Herbst?), und die Büsche, die rings um das Gelände wachsen, versperren dem Betrachter zusätzlich den Blick. Schade.

Aber das Problem wird gesehen: "Durch diese Entwicklung entsteht zwar einerseits eine Art Urwald, was aus biologischer Sicht begrüßt wird; der eigentliche und einmalige Charakter des Felsenmeeres als Karst- und Bergbaulandschaft geht hierdurch möglicherweise unwiederbringlich verloren.", so heißt es beim Geologischen Dienst NRW. Und weiter: "Da es die Aufgabe des Naturschutzes ist, die „besondere Eigenart“ eines Gebietes zu bewahren, und hier zweifellos ein schützenswerter Geotop und mit den montanhistorischen Relikten auch ein Bodendenkmal vorliegt, hat eine intensive Diskussion über die Zukunft des Felsenmeeres begonnen. Dabei wird ein Kompromiss angestrebt, der den Interessen aller Seiten möglichst gerecht wird."

Das wäre gut, denn als Besucher hat man weniger das Gefühl, durch das Felsenmeer zu wandern, sondern bekommt eher den Eindruck, das Felsenmeer würde hier quasi museal ausgestellt, getrennt vom Betrachter durch eine Umzäunung und dichtes Buschwerk, wie ein wertvolles Gemälde, das hinter einer weinroten Kordel verschwindet. Eine echte Interaktion mit der Landschaft ist kaum möglich - daran ändert allenfalls eine anlässlich der Landesgartenschau 2010 angelegte schicke Brücke über besonders zackige Zacken ein Bisschen, auf die man hier (zu Recht) sehr stolz ist. Man muss ja nicht gleich das Klettern gestatten, aber einen Mittelweg wird es doch sicherlich geben.


Oh, und es gibt natürlich auch eine Sage! Und wie bei jeder ordentlichen Bergbausage kommen darin Zwerge vor:

Im Gebiet um den heutigen Sundwiger Wald haben sich in grauer Vorzeit Zwerge niedergelassen. Unter den Felsen suchten sie nach Gold, Silber und Edelsteinen. Herr über all ihre Schätze war der berühmte Zwergenkönig Alberich.

Als die Riesen von nebenan von all dem Reichtum hörten, machten sie sich auf, die Felsenburg der Zwerge zu plündern. Aber weil Riesen so groß sind, gelangten sie nur bis in die große Felsenhalle. Die Zwerge konnten sich unterdessen in den kleinsten unterirdischen Gängen vor den Riesen verstecken.

Als alle Riesen in der Felsenhalle der Zwerge versammelt waren, sprach König Alberich einen Fluch, und die Decke der Halle stürzte auf die Riesen ein. Auf diese Weise ist das Felsenmeer entstanden. Einen Grabstein eines Riesen kann man heute noch sehen: Eine Felsplatte mit dem Bildnis eines Riesen, irgendwo im Meer der Felsen....


Ich bin Bergsteiger. Wenn ich in meinem Leben kein Meer mehr sehe, ist das vollkommen okay. Eine Ausnahme mache ich aber bei Felsenmeeren.....

Barbara, Peter, vielen Dank für Eure Einladung, und für die schöne Runde durchs Felsenmeer! Schön war's!


Weitere Infos:

Einen Einblick in die Geschichte des Felsenmeers vermittelt das Felsenmeermuseum. Die in der Nähe gelegene Heinrichshöhle ist eine Tropfsteinhöhle, die für Besucher geöffnet ist.

Tourengänger: Nik Brückner, Waldelfe


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