Dufourspitze 4634m - Nordend 4608m


Publiziert von Chet , 4. September 2018 um 20:31.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Mittelwallis
Tour Datum:30 August 2018
Hochtouren Schwierigkeit: ZS-
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   I 
Zeitbedarf: 10:00
Aufstieg: 1900 m
Abstieg: 1900 m
Strecke:13,5 km
Unterkunftmöglichkeiten:Monte Rosa Hütte https://www.section-monte-rosa.ch/de/unsere-hutten/monte-rosa-huette

Ich habe mir eine Besteigung der Dufourspitze, des höchsten Gipfels der Schweiz, vorgenommen. Die schwierigsten Stellen liegen bei diesem Berg bekanntlich auf dem Gipfelgrat. Ein Erfolgskriterium ist ausreichende Akklimatisierung, was man durchaus messen kann, nämlich über den Sauerstoffsättigungsgrad des Hämoglobins im arteriellen Blut. Ein winziges Puls-Oxy zur Messung habe ich im Gepäck, ebenso wie den festen Vorsatz, den Aufstieg erst zu wagen, wenn der Wert 95 % nicht mehr unterschreitet.

Anreise und Akklimatisation
90€ kostet die Zugfahrkarte von mir zuhause (Stuttgart) über Bern nach Visp. Plus 37 SFR für die Privatbahn von Visp ins autofreie Zermatt. Dann noch mal 57 SFR für die Gornergratbahn, und man ist in Rotenboden (vorletzte Station) oder gleich am Kulmhotel Gornergrat (Endstation der Bahn). Dort sind die Zimmer ab 300 SFR zu haben. Deutlich günstiger (wenn auch mit 75 SFR pro Nacht/HP mit AV-Ausweis immer noch teuer genug) schläft man in der Monte Rosa Hütte. Da sie über eine heiße Dusche, Sechser- und Viererzimmer und WLan verfügt, erscheint sie mir für einen mehrtägigen Akklimatisierungs-Aufenthalt sehr geeignet. Der Unterschied zum Kulmhotel ist die Erreichbarkeit: zum Kulmhotel fährt die Gornergratbahn (mit ihren Durchsagen in sechs Sprachen, darunter auch Japanisch und Chinesisch), zur Monte Rosa Hütte führt nur ein vierstündiger Fußmarsch. Da er ein Stückchen über den Gornergletscher führt, sind Steigeisen vonnöten.

Während der Akklimatisierungsphase, so mein Plan, werde ich auf der Monte Rosa Hütte ruhig arbeiten und das "Plattje" mit kleinen Touren erkunden. Also nehme ich dorthin einen zweiten Mini-Rucksack mit Arbeitsmaterial (Büchern, Schreibzeug) sowie bequemen leichten Bergschuhen mit. Der Weg über den Gletscher führt hauptsächlich über Schutt. Wird Zeit, dass der neue Panoramaweg fertig wird, der den bisherigen Weg ersetzen soll (geplante Eröffnung 2019).

Die Hütte ist toll. Sie liegt auf einer Felsscholle (das "Plattje", 2650 m–3419 m) inmitten eines Meeres aus Gorner-, Grenz- und Monte-Rosa-Gletscher. Ein weltentrückter Ort… Sehr leckeres Essen und Trinken! Nicht mal ein Adapter für die große Handy-Aufladestation ist nötig. Die Hüttenwirtin und ihr Sohn wie auch die Helfer(innen) sind von Anfang an sehr nett, nur der alte Hüttenwirt brummt etwas unfreundlich: "Das ist eine Hütte und kein Hotel." Tatsächlich weicht mein Verhalten von dem anderer Gäste ab. Niemand bleibt für mehr als eine Nacht, wobei die Nacht ohnehin für die meisten um 2 Uhr endet. Dann gibt es nämlich Frühstück für alle Gipfelaspiranten (d.h Dufourspitze für die meisten). Um 5 Uhr macht das Hüttenteam ein zweites Frühstück (für diejenigen mit dem Ziel Signalkuppe), und dann um 7 Uhr ein drittes Mal. Das ist dann für die ganz Faulen. Mein Argument, alle Tourenbücher würden doch schreiben, dass man sich akklimatisieren solle, überzeugt schließlich den Hüttensenior und nach zwei Tagen gehöre ich schon fast zum "Inventar" und bin mit allen gut Freund. So erlebe ich auch mal den Alltag dieser speziellen Berghütte. Morgens ab 8 Uhr putzt das Hüttenteam zum Beispiel täglich die ganze Hütte durch, wenn alle Gäste weg sind (bis auf mich). Bei den drei Abendessen, die ich erlebe, schließe ich nette Bekanntschaften, eine davon mit einem der ETH-Studenten, die die diese Vorzeigehütte mit errichtet haben.  (Zur Baugeschichte der Hütte, vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Monte-Rosa-H%C3%BCtte
"Zum 150-Jahre-Jubiläum der ETH Zürich wurde rund 100 Meter oberhalb der alten Hütte die «Berghütte der Zukunft» errichtet. Nach einer Planungszeit von rund sechs Jahren – davon vier Semester Entwurf als Studierendenprojekt – und einer Bauphase von zwei Sommern wurde die neue Monte-Rosa-Hütte «Bergkristall» am 25. September 2009 eröffnet.")

Am ersten Abend liegt mein Hämoglobinsättigungswert bei 87% und auch mein Ruhepuls ist erhöht. Aber schon am nächsten Morgen ist der SpO2-Wert bei 93%. Und am Tag drauf liegt er bei 97%. Es kann losgehen.

Gipfeltag
Wecken um 1:30 Uhr; etwas mühsamer Klogang; Frühstück um 2:00 Uhr, Aufbruch mit Bergführer um 2:30 Uhr. In 5 Stunden und 40 Minuten bis zum Dufour-Gipfel über den Westgrad, der Bergführer lässt mich in den Silbersattel ab, dann gehen wir noch zum Nordend (4608 m). Wiederankunft an der Hütte nach genau 10 h um 12:30 Uhr.

Aber der Reihe nach....Beim Hochgehen entleert sich mein Geist wie zuvor mein Darm. Ich denke nur an die Zahlenfolge 1,2,3,4 während ich immer wieder gleichmäßig diese vier Schritte mache. Erst ploppen die Zahlen als arabische Zahlen in meinem Geist auf, dann als römische, dann als Punkte auf einem Würfel, dann überlagernd wie bei einem Feuerwerk. Gehen wie in Trance. So spüre ich die ersten 4 h Marsch bzw. den ersten Anstieg (knapp 1500 Hm; davon eine Stunde über Geröll und 3 h über den Monte Rosa Gletscher) kaum. "Aufwachen" muss ich allerdings am Westgrad, an dem die Tour spannend wird. Aus dem "Sattel" folgt man dem Firngrat (schön griffig) in 40 Grad Steigung zu einem recht kurzen Felsgrat. Dieser wird überklettert, und dann erreicht man bald erneut einen 40 Grad steilen Firngrad. Wenn man den hochgestapft ist (eins, zwei, drei, vier....) kommt man wiederum zu einem Felsgrat. Dieser führt über einige Türme und Kamine (2, eine Stelle 3) zum höchsten Punkt. Gipfelschokolade, heißer Tee, Umarmung... Wow, was für eine gigantische Fernsicht. Bis zum Ortler und der Berninagruppe im Osten und sogar bis zum Monte Viso auf der anderen Seite des Alpenbogens.

Der Führer und ich entscheiden uns für die Überschreitung des Dufourgrates, nicht weil im Fall des Rückwegs wieder über Westgrad Gegenverkehr zu befürchten gewesen wäre. (Außer uns war heute nur eine weitere Seilschaft von der Monte Rosa Hütte aus losgegangen und eine zweite Gruppe geisterte seit gestern herum und hatte die Nacht irgendwo biwakiert.) Der Grund für die Überschreitung ist ein anderer. Ein Weiterklettern auf dem Felsgrat (mit Steigeisen natürlich) verspricht ein Abseilabenteuer am Silbersattel und die Option auf das Nordend, den nördlichsten Gipfel des Monte Rosa Kamms.

Kurz vor dem Grenzgipfel (4618 m), führt eine schmale, steile Rinne (45 Grad oder sogar etwas mehr) runter in Richtung Silbersattel. Es gibt zur Zeit zwei mit Bohrhaken, und zwei mit Schlingen versicherte Stände, hintereinander. Mein Führer hatte ein 30m Seil dabei und ließ mich damit 4x ab, bis ich den etwa 120 m tiefer liegenden Sattel erreicht hatte. Eine heikle Situation gab es dabei: Zwischen der erste und der zweiten Abseilstelle verklemmte sich das Seil zwischen Felsen und der Führer kletterte ungesichert hoch, um es loszumachen. Das macht er auch total souverän. Aber jedenfalls ist der Abstieg über den Silbersattel schwerer geworden als noch in älteren Tourenberichten beschrieben, seit die Fixseile dort weg sind. Gute Abseilfähigkeiten sind nötig! Vom langsamen Abklettern ohne Seil in dieser Rinne ist abzuraten, da nachfolgende Seilschaften von oben Eisbrocken lostreten können.

Als wir am Silbersattel angekommen sind, beratschlagen wir kurz, ob wir noch zum Nordend gehen wollen. Die Beine sind noch gut, die Stimmung ebenfalls, und das Wetter soll auch noch bis zum Mittag halten. Der Grat zum Nordend ist überwächtet und ausgesetzt. Ein Fehltritt wäre womöglich tödlich, also bitte noch mal volle Konzentration auf den jeweils nächsten Schritt. Beim felsigen Gipfel sind ein paar beherzte Kletterzüge (II) nötig, dann sind wir oben angekommen. Und wieder wartet ein grandioser Rundblick, mit sogar noch besserer Sicht in die berühmte Monte Rosa-Ostwand als vom Dufour-Gipfel.

Der Abstieg zurück zum Silbersattel und dann zur Monte-Rosa-Hütte verläuft schnell und problemlos. Der höchste Gipfel der Schweiz steht nun im Tourenbuch ;-)

Noch ein Tipp:
Eine Schwierigkeit liegt bei dieser Tour darin, dass man bei +10 Grad auf 2883 m anfängt und (bei sehr gutem Wetter) bei -6 Grad auf 4634 m endet. In der Regel sind es 20 Grad Unterschied zwischen unten und oben. Man sollte das Zwiebelprinzip besonders berücksichtigen, d.h. ein dünnes Unterhemd und dann zwei-drei dünne Jacken, die man beim Aufstieg nacheinander anlegt und beim Abstieg wieder ablegt. Untenrum möglichst keine dicke lange Unterhose, sondern lieber eine Überhose über der Tourenhose mit durchgehendem Reißverschluss, die man an- aber auch wieder ausziehen kann (ohne dabei den Gurt ablegen zu müssen).

Tourengänger: Chet


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