Císařský neúspěch


Publiziert von lainari , 3. September 2017 um 18:30.

Region: Welt » Tschechien » Mostecká pánev
Tour Datum:26 August 2017
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CZ 
Zeitbedarf: 2:15
Aufstieg: 50 m
Abstieg: 50 m
Strecke:9,5 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto oder Zug der ČD oder RCAS (April-Oktober, nur am Wochenende) bis Kadaň město oder Kadaň předměstí
Kartennummer:1:50.000, KČT Nr. 7 Žatecko

Ein kaiserlicher Reinfall
 
Aufbauend auf den Erfahrungen des Vorjahres will ich heute wieder den Císařský den (Kaisertag) in Kadaň (Kaaden) besuchen. Erneut schnüre ich dazu ein Paket aus Wanderung, Citytrip, Sonderzugbeobachtung und Festbesuch. Eine erste Beeinträchtigung verschafft die sich kurzfristig ändernde Wetterprognose. Statt warmem Wetter mit einzelnen Gewittern soll es nun halbtägig trübe und durchwachsen sein. Als Wanderstrecke habe ich mir einen vier Kilometer langen Lehrpfad zum Želinský meandr einer großen Flussschleife der Ohře (Eger) ausgesucht. Das weitgehend naturbelassene, bis 30 m tief eingeschnittene Flusstal sollte einen guten Kontrast zur umgebenden Tagebau- und Industrielandschaft bilden. Mir war beim Kartenstudium freilich aufgefallen, dass der Pfad im Nichts an einer Hauptstraße enden wird. Mit ein wenig Querfeldeinlaufen und dem Marsch über Flurwege sieht mein geplanter Rückweg daher einen Abstecher zum Kraftwerk Tušimice II und zwei Bergüberschreitungen vor. Soviel zur Theorie.
 
Ich überquere den Erzgebirgskamm, kann einen kurzen Blick auf die Andeutung eines Sonnenaufganges werfen, komme nach zügiger, störungsfreier Fahrt in Kadaň an und parke erneut hinter der Brücke über die Ohře. Über ebendiese wechsele ich zu Fuß das Ufer, fädele auf den Lehrpfad ein und laufe flussabwärts. Der Pfad wurde jüngst aufwändig vom ansonsten dichten Bewuchs gesäubert. Ich lese eine Infotafel unter der großen Eisenbahnbrücke als überraschend ein ČD-Regionova-Triebwagenzug herüberkommt. Die Strecke jenseits des Flusses ist eigentlich Railway Capital-Wochenendausflugszugrevier und wird nicht mehr von der ČD bedient. Ich gehe weiter. Es ist trübe, die Luft ist feucht und es herrscht keinerlei Luftbewegung. Über dem Ufer wabert unausweichlich der süßliche Blütenduft des massig vorkommenden Himalaya-Springkrautes und schlägt mir auf den Magen. Ich passiere zahlreiche Angler, die in Zelten und auf Klappsesseln auf den großen Fang warten. Am Wehr des Wasserkraftwerkes biegt der Lehrpfad offenbar den Talhang hinauf. Ich tappe am Abzweig vorbei und gehe auf einem Asphaltsträßchen bis zur Malá vodní elektrárna Želina (Kleinwasserkraftwerk Seelau/Sehlau). Kurz vorher stößt der Wanderpfad wieder dazu. Das Kraftwerk entstand 1908 und war bis 1925 in Betrieb. Danach wurde das Wasser nur noch durch einen 7 km langen Kanal zum neuen Wasserkraftwerk Lomazice (Lametitz) durchgeleitet. Mit dem Bau der riesigen Vodní nádrž Nechranice (Talsperre Negranitz) endete diese Nutzungsmöglichkeit, da das Kraftwerk Lomazice im Überflutungsraum lag. 1995 ging das Wasserkraftwerk Želina nach Rekonstruktion wieder in Betrieb. Bei meinem Besuch ist es augenscheinlich ohne Funktion - aber was sind schon ökologische 450 kW gegen die 4 x 200 MW Kohlepower von Tušimice II. Wohin das Wasser durch den vorbeiführenden Kanal heute geleitet wird, konnte ich nur nach Recherche auf einer Detailkarte herausfinden. Es wird ca. 1 km flussabwärts auf den Berg gepumpt, fließt zurück nach Kadaň, wird dort am Stadt-Bahnhof mit dem Kadaňský potok vereinigt und mündet schließlich an der Straßenbrücke wieder in die Ohře. Der Sinn dieses Kreislaufes erschließt sich aus der Kartensicht nicht. Auf dem erwähnten Kanal führt der Pfad nun weiter talwärts. Er ist mit Füllmaterial überdeckt und der dadurch entstandene Damm ist baumbestanden. Nach einigen sonnigen Momenten beginnt es plötzlich zu regnen. Wandern mit Regenschirm hat auch etwas. Der Pfad wendet sich aus dem Tal heraus und steigt über die Flanke steil hinauf. Der Untergrund ist lehmig und feucht und ich mühe mich mehr schlecht als recht beim Aufstieg in der Senkrechten zu bleiben. Überraschend kommt bergab ein Tutnix herangeschossen. Was das ist? Jeder kennt ihn - ein Hund variabler Rasse und Größe, charakterisiert von Leinen- und Erziehungslosigkeit und jetzt kommt das Schlimmste, begleitet von einem zweibeinigen Merktnix. Dieser bleibt anfangs meist unauffällig und ignoriert die prekäre Situation geflissentlich, tritt aber im Nachhinein umso auffälliger in Erscheinung. Selbst für mich als hundeaffinen Menschen ist ein heranrasender Tutnix von 30 + x Kilo Kampfgewicht eine Bedrohung, wenn ich mich im Steilhang wegen der Bedingungen kaum selbst auf den Beinen halten kann. Wenn ich dann noch auf 10 Metern Entfernung erkenne, dass sogleich zwei Dreckpfoten auf meiner Brust und eine Schlabberzunge im Gesicht landen werden, hilft es in dieser Situation nicht, wenn dies schwanzwedelnd und in freudiger Absicht geschieht. So drehe ich mich kurz vor knapp einfach um 90 Grad zur Seite und der Tutnix segelt alleine den Hang hinunter. Obwohl er sich unversehens berappelt, ist nun auch der Merktnix aufgewacht und lamentiert, was ich mir erlauben würde. Tutnix versucht indessen dasselbe Manöver nochmals aus talwärtiger Position, rutscht dabei jedoch weg. Als er mir trotzdem noch einmal zu nahe kommt, blaffe ich ihn an und er dreht ab. Als ich dann den Merktnix passiere, übersieht und überhört er mich und redet nur noch mit dem Tutnix - aber Freunde wären wir glaube eh nicht geworden…
 
So stehe ich nun an der Hauptstraße, gehe hinüber und überquere die Kohlebahn und eine Fernwärmeleitung. Zu allem Überfluss zieht mit deutlich vernehmbarem Grollen rasch ein Gewitter über den Úhošť (Burberg) heran. Jetzt noch zwei Drittel Wegstrecke mit Marsch auf einem ungeschützten Höhenrücken und zwei Bergüberschreitungen zu riskieren, ist mir deutlich zu heikel. Also beschließe ich den Abbruch der Maßnahme. Aber wie kann ich schnellstmöglich Zurücklaufen? Entlang der schnellbefahrenen Hauptstraße mag ich nicht ohne Fußweg gehen, durch das klatschnasse Gras entlang der Fernwärmeleitung auch nicht, bleibt also nur noch der Rand eines abgeernteten und mistgedüngten Feldes. Nach jeweils drei Schritten auf dem klebrigen Boden habe ich Plateauschuhe. Juchu, das macht Spaß, ich befinde mich wieder einmal in einer Sturm- und Schlammphase. Ich passiere einen Landwirtschaftsbetrieb und wende mich doch noch zur Straße. Am Stadtrand wechsele ich auf eine Anliegerstraße und hinterlasse trotz vorheriger Säuberungsversuche eine deutliche Lehmspur auf dem Fußweg. Als ich am Bahnhaltepunkt Kadaň předměstí (Kaaden-Vorstadt) bin, beginnt es wie aus Eimern zu schütten. Ich laufe trotzdem noch zum Bahnhof Kadaň město (Kaaden-Stadt) um den Platz für die Sonderzugbeobachtung aufzuklären. Den geplanten Besuch des Festgeländes auf dem Marktplatz lasse ich zunächst aus und rette mich zum Auto. Mit diesem fahre ich nach einer Imbisspause zum Bahnhof und postiere mich bei mittlerweile wieder trockenen Bedingungen für den erwarteten Sonderzug. Dabei werde ich nochmals von einem Schauer vertrieben. Zur Planzeit passiert nichts, der Zug von ČD nostalgie aus Děčín bleibt verschollen. Ein Eisenbahnfreund schlägt sich auf der anderen Gleisseite zum Austreten in die Büsche. Ich belustige mich darüber. Als er zurückkommt ruft er mir „padesát minut zpoždění“ (50 min Verspätung) herüber, schöne Sch… - fertig lustig. Ich gehe zum Auto schieße den „Císařský vlak“ in den Wind und greife in die Trickkiste.
 
Ich fahre auf der gut ausgebauten Straße nach Březno u Chomutova (Priesen) hinüber und beschließe dort dem anderen Sonderzug „Parním vlakem z muzea do muzea“ aufzulauern, der gar eine baugleiche Zuglok der Reihe 475 haben soll. Diese üppige Auswahl in Tschechien macht einfach Spaß, denn das kleine Volk hat viel gesammelt! Kaum schleiche ich auf der Suche nach einer Fotoposition um den Bahnhof, schnarren die Rangier-Befehlslautsprecher und der freundliche Fahrdienstleiter teilt den anwesenden Fotografen und Videofilmern eine unbestimmte Verspätung mit. So ein Pech aber auch… Zu mir gesellt sich nun ein langjähriger Berufseisenbahner aus Luxemburg, der extra für das Sonderzugwochenende angereist ist. Wir unterhalten uns angeregt. Er schwärmt von den tschechoslowakischen Dampflokomotiven, die die Krönung der Lokomotivbaukunst der Dampflokepoche darstellten. Trotz feinster technischer Raffinessen wie Rollenlager, Stokerfeuerung und anderen war ihnen jedoch nur eine kurze Einsatzdauer vergönnt, da sie von den Personalen zur Beschleunigung der Umstellung auf Dieseltraktion heruntergeritten wurden. Waren sie damals unbeliebt, sind sie heute umso beliebter. Mittlerweile hat sich die gewittrige Schlechtwetterfront verzogen und die Sonne erzeugt eine drückende Wärme. Nach einiger Zeit beginnen die Bahnübergänge zu bimmeln und der durchfahrende Sonderzug, geführt von der „Šlechtična“ (Edelfrau oder Fürstin) beschleunigt nach gedrosselter Einfahrt auf Streckenhöchstgeschwindigkeit. Zufrieden lege ich nun eine Mittagsrast ein und fahre anschließend nach Kadaň zurück.
 
Hier bin ich vom gewaltigen Besucherandrang überrascht, alle denkbaren Parkplätze, auch an Supermärkten und der Tankstelle sind belegt, die Straßenränder der Durchgangstraße sind mit Autos zugestellt. Ich fahre kurzentschlossen ein Stück das kleine Sträßchen Richtung Zásada und parke an der Einmündung der für den Fahrverkehr gesperrten einstigen Baustraße der Talsperre. Nachdem ich durch Kleidungs- und Schuhwechsel halbwegs stadtfein bin, gelange ich in wenigen Minuten hinunter zur Ohře. Hinter der Talsperre führt eine Treppe zum Kloster hinauf und ich komme rasch in das Festgelände in den Smetanovy sady. Nachdem ich mich im Smetana-Park umgeschaut habe, gehe ich ins Zentrum, das viel stärker frequentiert ist, als voriges Jahr. Rechtzeitig zum Einzug des Kaisers postiere ich mich dann an der Straße entlang des Parks an einer Einmündung, um einen günstigen Fotostandort zu haben. Aber denkste, die kurzzeitig gesperrte Straße wird von Besuchern belagert. Nur widerwillig weichen sie vor dem herannahenden Umzug zurück. Immer wieder treten einzelne Leute zwischen den Mitwirkenden auf die Straße, um spektakuläre Aufnahmen zu erhaschen. Der Zug gerät dadurch ein paar Mal ins Stocken. Neben mich hat sich ein Herr postiert, der hauptsächlich mit seinem Bierbecher beschäftigt ist, der Umzug interessiert ihn nur am Rande. Einige Fotos sind dadurch von einem Bierbecher verschönert. Die hier eingestellte Auswahl ist daher beschnitten und halbwegs geschönt. Ich bin dennoch recht zufrieden und ziehe mich auch dieses Jahr wieder langsam wärmebedingt zurück.
 
Fazit: Für Wetter und Zugverspätungen kann niemand etwas, aber vom besuchten Naturlehrpfad hatte ich mir deutlich mehr versprochen.
Die pausenbereinigte Gehzeit (nur Wanderung) betrug 2 h 15 min.
Die Strecke ist mit überwiegend mit T1 zu bewerten.
Der absolvierte Aufstieg am Talhang hat einen kurzen T2-Abschnitt.

Tourengänger: lainari


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