Neugraben und Quergraben - Mit allen Wassern (Zinn) gewaschen


Publiziert von lainari , 2. Mai 2016 um 20:46.

Region: Welt » Deutschland » Östliche Mittelgebirge » Erzgebirge
Tour Datum: 1 Mai 2016
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 4:00
Aufstieg: 140 m
Abstieg: 140 m
Strecke:14 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto bis Zinnwald oder Bus Linie 360 Dresden-Zinnwald
Kartennummer:1:33.000, SK Nr. 03 Osterzgebirge oder 1:50.000, KČT Nr. 6 Krušné hory - Teplicko

Bergmännische Wasserbauwerke I
 
Nach einer arbeitsreichen Woche eröffnet sich an diesem Wochenende die Möglichkeit zu den vielfältigsten Aktivitäten. Das Wetter ist gut, es stehen Feste, Veranstaltungen und Ausflugsmöglichkeiten zur Wahl. Was mache ich? Ich verordne mir einen Subbotnik. Was als leichte Übung gedacht war, wird hinten raus doch etwas streng, weil mir die Altvorderen zwar keine Steine in den Weg, aber dafür darunter gelegt hatten. So kommt nun am Sonntag keine weitere Großtat zur Ausführung. Ich starte gemütlich in den Tag und mache mich auf den kurzen Weg ins Osterzgebirge. Obwohl die Tage in der letzten Zeit mehrheitlich freundlichen Charakter hatten, will sich ein rechtes Frühlingsgefühl noch nicht einstellen. Die Eisprinzessin ist immer noch nicht aufgetaut und zeigt hin und wieder ihre kalte Schulter, so war auch diese Nacht eine frostige. Eine Softeisprinzessin wäre mir um diese Jahreszeit lieber…
 
Was dem Südtiroler sein Waal, dem Walliser seine Suone oder Bisse, ist dem Erzgebirger sein Kunstgraben. Im Gegensatz zu den erstgenannten Bewässerungseinrichtungen dienten die Kunstgräben dem Bergbau. Sie führten Wasser als Antriebskraft oder Betriebsstoff heran, oder waren gar Transportwege. In Altenberg begann um 1440 ein intensiver Bergbau auf Zinn. Zur Verarbeitung des Erzes waren umfangreiche Aufwände erforderlich. So gab es zu Hochzeiten der Förderung im Tiefenbachtal über ein Dutzend Pochwäschen mit über 1000 Stempeln. Für den Antrieb und zum Auswaschen brauchte es Wasser. Da Altenberg relativ hoch auf dem Berg gelegen ist, war ein ausgeklügeltes System an Wassersammlern und Speichern notwendig. Etwa um 1550 wurden daher die beiden Galgenteiche sowie der Neu- und der Quergraben angelegt. Der ca. 7 km lange Neugraben beginnt im Georgenfelder Hochmoor südwestlich der Lugsteine. Dann umläuft er unter Sammlung der bergseitigen Oberflächenwässer den Kahleberg und mündet schließlich in den Großen Galgenteich.
 
Ich fahre bis zum Wanderparkplatz am Georgenfelder Hochmoor. Obwohl zu dieser Jahreszeit im Moor noch nicht so viel zu sehen ist, lasse ich mir einen Abstecher nicht entgehen. Der Kassenwart im Holzhäuschen begrüßt mich als Zweiten des Tages nach ihm im Moor. Er berichtet von seinem Kontrollgang und von den aufgefundenen Spuren unvernünftiger Besucher. Ich mache meinen Rundgang auf dem Holzsteg und versuche einen Blick auf die Stelle zu erhaschen, wo der Neugraben seinen Ausgang nehmen könnte. Hinter dem Moor biege ich auf die Schneise 28 auf. Nach einer Weile mündet von links ein Forstweg ein. 50 Meter entfernt kreuzt der aus dem Moor austretende Neugraben jenen Weg und führt im spitzen Winkel zur Schneise 28. Über die Wege gehe ich bis zum verrohrten Durchlass. Ab hier folge ich der Grabenkante, was auf diesem Stück recht angenehm zu bewerkstelligen ist. An der Biathlon-Arena folgt ein erstes Hindernis, der Graben wird verrohrt am Rande des Geländes durchgeführt. Auf der anderen Seite nehme ich den Marsch auf der Grabenkante wieder auf. Erneut wird dabei die Schneise 28 gekreuzt. Später verläuft der Graben ein Stück in unmittelbarer Wegseitenlage. Beim Schwenk zwischen Georgenfelder Weg zum Gabelweg verläuft der Graben bachähnlich, beinahe natürlich in einem tieferen Einschnitt. Dies erschwert das Vorankommen, man könnte etwas abseits vom Graben die Wege benutzen. Ich wechsele jedoch munter die Ufer und suche Stellen mit weniger dichtem Baumbewuchs. Ich steige an den Böschungen auf und ab und laufe über unzählige Buckel. Zum Tourenende weiß ich daher wieder, was Gelenke, Bänder und Sehnen für Funktionen haben. Nun nähere ich mich der Rehefelder Straße. Der Neugraben führt zunächst parallel zur Straße entlang der Höhenlinie, bis er an einer passenden Stelle die Straße unterquert. Dahinter wird an einem Wehr das gesamte Grabenwasser Richtung Pöbelbach abgeschlagen. Die nun folgenden kleinen Zuläufe und Sickerwasser sorgen dafür, dass der Neugraben nicht vollständig trockenliegt. Im Verlauf säumt jetzt ein Wanderweg das Ufer. Später wird ein Forstweg daraus. Ein nochmaliger Abschlag Richtung Speicher Altenberg sorgt für das vollständige Trockenliegen der letzten Grabenmeter. Der etwas tiefer im Gelände liegende Speicher Altenberg wurde von 1987-1993 als zusätzlicher Brauchwasserspeicher für die Zinnaufbereitung angelegt. Nach dem unmittelbar in diese Phase fallenden Bergbauende wird er nun als Trinkwasserspeicher genutzt. Am trockenen Neugraben erreiche ich den Großen Galgenteich und begehe den ca. 1,2 km langen Staudamm, der zwischen 1943-1945 auf die heutige Größe und Höhe erweitert wurde.
 
Am Ende des Dammes lädt eine Bank zur Mittagspause. Kaum habe ich meinen Proviant ausgepackt, steuert ein älteres Paar, vermutliche Kurgäste auf die Bank zu. Jeder meiner Bissen wird in der Folge kommentiert, entweder untereinander oder im Gesprächsversuch. Ich kommuniziere ja eigentlich sehr gern, aber nicht mit vollem Mund. Hastig vertilge ich meine Mahlzeit. Kaum habe ich eingepackt und gehe weiter, brechen auch die Senioren auf. Neben dem Damm mündete früher der Quergraben in den Großen Galgenteich ein. Heute wird das Restwasser der alten Grabenführung talwärts daran vorbeigeleitet. Der neue Grabenverlauf, Ende der 1990er Jahre nach einer Trassenverschiebung entstanden, wird in westlicherer Richtung in den Teich eingespeist. Den monotonen Neuabschnitt habe ich jedoch nicht begangen, sondern mich an den historischen Verlauf gehalten. Der etwa 3 km lange Quergraben verläuft relativ strikt in südliche Richtung und sammelt dabei das Oberflächenwasser der nordöstlichen Hanglagen in Richtung Lugsteine. Ein großer Teil des Grabens wird angenehm von einem Weg oder Pfad begleitet. Auf Höhe der neuen, nun ungenutzten Grenzübergangsanlage endet der begleitende Pfad. Ein Holzbrücklein ist ein schöner und ungestörter Platz für den zweiten Teil der Mittagspause. Auf dem Weiterweg hat eine frühere Neutrassierung stattgefunden. Das Einlaufwehr der alten Trassenführung wurde jüngst entfernt. Hinter einer Wiese verliert sich der Grabenverlauf im angrenzenden Wald in einem Gewirr von meist trockenen Furchen und Gräben. An einer Stelle bedecken doch noch einmal aufgewölbte Torfmoose das begehbare Gelände. Beim ersten Schritt ist festes Schwemmgut untendrunter, der zweite geht in eine Untiefe und das Wasser schwappt von oben in den Schuh. Es ist zumindest sauber. Ich erreiche einen Forstweg und komme zum Siedlungsgebiet. Dabei passiere ich das markante Hotel Lugsteinhof. Wenig später komme ich zum Parkplatz am Hochmoor zurück und beende eine interessante Erkundung. Bei zwölfeinhalb Plusgraden und nur leichtem Nordwind kann man fast von einem Zinnwalder Sommertag sprechen. Heute gibt es einmal keinen Schlamm an Hosen und Schuhen, dafür rieseln trockene Nadeln aus Rucksack und Bekleidung. Die Grabentour hat Lust auf mehr gemacht, wer mag kann den Fortgang gern begleiten. Es gibt noch so einige Preziosen auf diesem Themengebiet zu besuchen - auf in weitere feuchtfröhliche Abenteuer!
 
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 4 h. Die Schwierigkeit ist auf weiten Strecken als T1 zu bewerten, das bisweilen anstrengende Jonglieren an den Grabenrändern als T2.

Tourengänger: lainari


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Kommentare (2)


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Makubu hat gesagt: Wer mag, kann den Fortgang begleiten
Gesendet am 3. Mai 2016 um 20:41
Natürlich bin ich wieder dabei! :-)

lainari hat gesagt: RE:Wer mag, kann den Fortgang begleiten
Gesendet am 3. Mai 2016 um 21:36
Danke und bis demnächst!


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