Rundwanderung am Lymington River

Link zum vorherigen Tag

Tagwache ist heute etwas später; nach der gestrigen Tour haben wir wohl Erholung nötig. Es gibt nun wieder ein «kaltes» Frühstück wie letzte Woche, das aber wie gewohnt auch sehr gut sättigt. Ca. um 10.15 Uhr wandern wir los, in den nebligen Morgen hinaus. Über den Bahnübergang biegen wir in die Church Lane ein, die zur Kirche St Nicholas hinaufführt. Diese gilt als älteste Kirche im New Forest und wurde als einzige im Domesday Book von 1086 erwähnt. Allerdings nimmt man an, dass sich schon vorher, also in angelsächsischer Zeit, an dieser Stelle ein Gotteshaus befand. Als wir durch das Gittertor ins Kirchenareal hineinspähen, fährt ein Auto vor, dem ein älterer Herr entsteigt, der uns fragt, ob wir hineingehen möchten. Wir sagen gerne zu und können so die kleine Ausstellung zum 1. Weltkrieg besichtigen. Aufgrund seiner Lage in der Nähe wichtiger Häfen und entlang einer Hauptbahnlinie wurde Brockenhurst im 1. Weltkrieg zu einem wichtigen Ort, wo sich mehrere Militärkrankenhäuser befanden. Truppen aus Indien und Neuseeland waren ebenfalls hier stationiert und unweit der Kirche befinden sich die Gräber von 93 neuseeländischen Soldaten, die ihren Dienst für das britische Mutterland mit dem Leben bezahlt haben. Damit die Erinnerung an die neuseeländische Unterstützung nicht vergessen geht, bleibt in der Kirche stets die neuseeländische Flagge gehisst.

Wir verlassen nun die Church Lane und folgen einem Public Bridleway. Auch diese Wege sind mit hölzernen Wegweisern gekennzeichnet und das Prinzip dahinter ist dasselbe wie bei den Public Footpathes, die wir gestern kennengelernt haben, aber im Gegensatz zu diesen dürfen die Bridleways auch mit dem Velo oder zu Pferde benützt werden. Beides wird auch praktiziert, wie wir auf dieser Strecke sehen können.

Wir tauchen nun hinab in das waldreiche Tal des Lymington Rivers, wo wir beim Anwesen Roydon Manor den tiefsten Punkt für heute erreichen (Pt. 4). Durch den Bach führt eine Furt, aber glücklicherweise befindet sich unmittelbar daneben auch eine hölzerne Brücke, sonst würde die Querung eine sehr nasse Angelegenheit!

Bergauf gelangen wir anschliessend auf das Plateau der Dilton Farm, eines sehr ausgedehnten Anwesens, wo viele Pferde weiden und ein Haufen ausgedienter Gerätschaften ums Haus verstreut liegt. Dahinter betreten wir den open forest, der sich hier ins Unermessliche ausdehnt. Dies ist die Beaulieu Heath, eine flache, knapp 40 m hohe Ebene, wo sich im 2. Weltkrieg der RAF-Flugplatz Beaulieu befand. Mir kommt das Gelände vor wie das «Mystery Moor» aus der gleichnamigen Fünf Freunde-Erzählung:

'I think it's a jolly good name, Mystery Moor', said Dick, as the four of them went along. 'Look at it stretching for miles, all blazing with gorse.' (...) 'Well, it's got a sort of quietness and broodiness', said Anne. 'As if something big happened long ago in the past and it's waiting for something to happen again.'

Dass immer noch Nebel über dem Land liegt, unterstützt diese Stimmung nur!

Wir folgen mehr oder weniger dem Rand des Access Land und tauchen unterhalb des Furze Hill wieder in den Wald ein, der zum Lymington River führt. Auf dem letzten Stück folgen wir dem Fluss, wobei Seitenarme und Tümpel teilweise auf Baumstämmen balancierend überquert werden müssen.

Schliesslich erreichen wir die B3055 und folgen ihr die Mill Lane entlang. Hier sollte es laut Karte eigentlich einen parallel laufenden Fussweg geben, aber der Eingang ist mit Stacheldraht zugesperrt. Wir treffen dort eine ältere Frau, mit der wir uns eine Weile unterhalten. Sie versteht auch nicht, warum dieser Weg auf einmal abgesperrt ist und erkundigt sich, woher wir kommen und wo wir logieren. Dann schwärmt sie von der Schweiz; von Interlaken und Lauterbrunnen und vom River Rafting auf der Lütschine!

Wir folgen nun halt der Strasse, welche zwar eng und unübersichtlich ist, aber es sind nur noch ca. 1 km bis Brockenhurst. Auch am anderen Ende, wo besagter Fussweg wieder in die Strasse einmündet, ist alles mit Stacheldraht abgesperrt. Studiert man aber die Karte genau, wird auf einmal klar, warum: Dieser Weg ist nicht grün, sondern orange eingetragen, und die Legende vermerkt dazu:

Permissive footpath; Footpaths and bridleways along which landowners have permitted public use but which are not rights of way. The agreement may be withdrawn.

So haben wir eine weitere Besonderheit englischer Wanderwege kennengelernt!

Kurz vor 15.00 Uhr sind wir zurück in der Unterkunft und haben nun genügend Zeit, einen warmen Kaffee zu schlürfen, Tagebuch und Karten zu schreiben. Später begeben wir uns ins «Il Palio 2», wo wir einen Mixed Salad und Spaghetti Bolognese geniessen. Auch für ein Dessert ist heute noch Platz: Es gibt ein leckeres Chocolat Brownie mit einer Glace-Kugel.

Link zum nächsten Tag