Rheinwaldhorn (Adula) 3402m


Publiziert von Bombo , 26. Juni 2008 um 02:15.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:21 Juni 2008
Hochtouren Schwierigkeit: L
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   CH-TI   Gruppo Rheinwaldhorn 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 1700 m
Abstieg: 1700 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Wir wählten Oberalppass - Lukmanierpass - Lago di Luzzone // besser wäre die Anfahrt via Biasca - Dangio - Olivone gewesen . Nach Hause gings dann eben via Biasca, bedeutend angenehmer zu fahren.
Unterkunftmöglichkeiten:Capanna Adula UTOE 2393m (091 872 16 75) Capanna Adula CAS 2012m
Kartennummer:LK 1:25'000, Bl 1253 "Olivone"

Eine weitere Folge von "bombostische Schlumpfentouren", heute:


  "... und täglich grüsst das Murmeltier"

Ursprünglich hatte ich als Ueberschrift "Tequila Sunrise" - denn just in dem Moment, als ich die Fotos nach der Tour nochmals angeschaut hatte, lief im Radio dieser Eagles-Klassiker - und wer diesen Song nun in den Ohren hat und dann noch die Bilder betrachtet - der weiss, weshalb ich diesen Titel auwählen wollte.

Andererseits ist mir auf der Tour mehrmals der Film "Und täglich grüsst das Murmeltier" im Kopf rumgegeistert. Die Story ist banal: jedes Mal, wenn der gute Phil Connors (gespielt von Bill Murray) am Morgen aufwacht, durchlebt er exakt den gleichen Tag, wie schon am Tag zuvor. Und wieder geht er schlafen und wieder steht er vor dem gleichen Tag - jeden Tag dasselbe. 

Die erwähnte Filmstory passt effektiv ganz gut zu unserer Tour: das Ziel war nebst der Besteigung des Tessiner Kantonhöhepunktes, das Rheinwaldhorn (Adula) 3402m -  eben auch der Genuss des Sonnenaufgangs. Auch wenn wir diesen infolge schlechtem Wetter nicht jedes Mal wahrnehmen - passieren tut's dennoch irgendwo auf der Welt und ebenso immer nach dem selben Muster - deshalb der Titel "und täglich grüsst das Murmeltier".

Unsere Tour teilten wir in 2 Etappen ein, ich kann dies nur weiterempfehlen:


1. Tag

Anreise mit PW bis oberhalb des Stausees Lago di Luzzone (Achtung Tunnel-Wirrwarr - das erste Tunnel, bei welchem die Ampel praktisch nie auf grün wechselt, ist das richtige - es führt durch die Staumauer durch und anschliessend führt ein kleineres Strässchen hoch bis zum Parkplatz in der Nähe von P1694). Anschliessend entspannte einsame Wanderung durch das Val di Carassino, vorbei an bewohnten und unbewohnten Alphütten, verspielten Murmeltieren und immer schön entlag des Ri di Carassino - der taleigene Bergbach, welcher noch das Tüpfchen auf dem "i" in diese malerische Umgebung gibt. Wir passieren die Verzweigung, wo man rechts zur Adula-SAC-Hütte aufsteigen könnte (wenige Meter). Da wir aber in der Vorabklärung herausgefunden haben, dass die Adula-UTOE-Hütte (091 872 16 75), welche 280 Hm bzw. eine knappe Stunde höher bzw. näher am Rheinwaldhorn liegt, erst am Montag bewirtet sein wird, spekulierten wir darauf, einen anständigen Winterraum anzutreffen und mit ein wenig Glück sogar nur eine Handvoll an Uebernachtungs-Personen zu begegnen. Deshalb nahmen wir diesen Aufstieg noch in Kauf - am anderen Tag würden wir dankbar sein, wenn wir statt 4 1/4 Std. nur noch ca. 3 1/4 Std. bis zum Gipfel haben.

Die Rechnung ging auf, beim Eintreffen in der Hütte standen wir alleine im grossen Aufenthaltsraum und stellten bald einmal fest, dass der "Winterraum" mit Ausnahme der Hauptküche aus der ganzen Hütte bestand. Unglaublich, eine ganze grosse Hütte nur für sich alleine zu haben, das hat man auch nicht alle Tage. Zwar kamen irgendwann einmal noch ein paar Tschechen vom Gipfel runter - fragwürdigenderweise starteten diese um 06.30 Uhr und kamen so gegen 16.00 Uhr zur Hütte zurück. Auf die Frage, warum sie so lange gebraucht hätten, meinten die Tschechen nur, sie hätten viele Fotos geknipst... Na ja - der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Auf jeden Fall verliessen sie nach eingehender Erholungspause die Hütte wieder.

Mitten im Genuss der einsamen Stille bekamen wir plötzlich Besuch eines Material-Transport-Heli, welcher da 2 Mal Material zur Hütte flog (Festbänke, Wein , Bier, Rucksäcke, Obst, Salat, etc.) und schlussendlich noch ein 3. Mal mit dem Hütten-Ehepaar Marco und Anna sowie ihrem Hund Dea della Terre (Göttin der Erde) heranflatterte. Wir halfen beim Versorgen der Materialien in der Hütte und bekamen dann bestätigt, dass wir heute wohl nebst dem Hütten-Wirtepaar die einzigen sind, welche die Nacht dort verbringen. Als Dank für das Mithelfen gab's sogar noch eine Flasche Merlot di Ticino - zeitlich gesehen war hierfür wohl nicht mehr der richtige Zeitpunkt, denn zuvor tranken wir das von Schlumpf überraschenderweise mitgebrachte Bier, anschliessend den ebenfalls von ihm mitgebrachten Freixenette-Schaumwein und jetzt mussten wir eben auch noch den Rotwein vernichten. Mit dem Argument, dass wir so wohl gut schlafen, wurde auch dieser geleert und nach einer genialen Sonnenuntergang-Fotosession war's Zeit um ein Bett im riesigen Schlafsaal auszusuchen. Beim "Lichterlöschen" war's übrigens 22.00 Uhr - somit blieben noch 3 1/2 Std. Schlaf bis zum Aufstehen. Na ja, effektiv geschlafen haben wir wohl so gegen die 2 Std. - irgendwie wollte es einfach nicht so recht in dieser Nacht.


2. Tag

01.30 Uhr Tagwache. Eigentlich müsste es ja Nachtwache heissen - sind wir nicht erst gerade zu Bett gegangen? Der Gedanke an den baldigen Sonnenaufgang liess dieses Hinterfragen jedoch vergessen und kaum aufgestanden waren wir auch schon draussen vor der Hütte bereit für den Aufstieg auf das Rheinwaldhorn (ital. Adula) 3402m.

Der Aufstieg führt dem Sommerweg zuerst in südlicher Richtung zum P2520, anschliessend nordwärts auf der Moräne entlang, immer wieder mal besser, mal dürftig markiert durch Steinmannli. Wichtig ist nur, dass man auf der Moräne bleibt und nicht plötzlich dem einen Weg folgt, welcher runter in die Mulde führt. Beim P2642 unbedingt leicht links und dann mühelos kletternd auf das obere Trassée steigen, welches nun entlang des Cima della Negra 2999m füehrt.

Aus Sicherheitsgründen liefen wir von hier aus am Seil weiter, die Steigeisen blieben jedoch während der ganzen Tour im Rucksack. Unglaublich weich war der vor wenigen Tagen frisch gefallene Schnee, teilweise sackten wir sogar bis über die Knie (!)  ein und wären froh gewesen, wenn wir statt die Steigeisen unsere Schneeschnuhe dabei gehabt hätten. Der weitere Verlauf ist relativ simpel - deshalb wohl auch die Schwierigkeitsstufe "L" in der Führerliteratur - man folgt immer schön zuerst am Fusse des Cima della Negra, anschliessend passiert man die Südflanke des Grauhorns 3160m, läuft beim Adulajoch 3166m vorbei (und kann bereits die ersten Farbzeichnungen am Himmel beobachten), wechselt die Gratseite von Südwest auf Südost und erklimmt mühelos via Gipfelgrat das Rheinwaldhorn bzw. Adula 3402m.

Oben wartet nebst einer gewaltigen Aussicht und einem Panorama in alle 4 Himmelsrichtungen ein Gipfelkreuz sowie ein eisiger Wind, welcher zauberhafte Wolkenformationen in den tagenden Himmel zeichnet. Ankunft beim Gipfel war 05.10 Uhr - in 15 Minuten beginnt das Schauspiel also. Eigentlich beginnt es ja schon früher, schon viel früher, denn die ersten Farbveränderungen haben wir wie gesagt beim Adulajoch bereits entdeckt und das war sicherlich gegen 04.30 Uhr.

Der eisige Wind blieb, die Wolken gottseidank nicht - was dann folgte, beschreibe ich wohl besser nicht in Worten. Gerne verweise ich auf die paar Bilder, welche hoffentlich ein klein wenig erklären, warum sich eben dieses Frühaufstehen auch lohnt und weshalb man da besser auf grosse Erklärungen verzichtet und den Leser bzw. den Fotobetrachter in seiner Träumerei lässt.

Weil wir schon beim Aufstieg dachten, dass wir das Grauhorn beim Abstieg noch "mitnehmen" wollen, stiegen wir auf der selben Route wieder ab. Eigentlich könnte man vom Gipfel auch direkt über den Vadrecc di Bresciana absteigen und via Laghetto dei Cadabi zurück zur Hütte marschieren. Wie gesagt, uns lockte noch das Grauhorn 3160m, welches gemäss Führerliteratur ein WS mit Klettern II sein sollte.

In der Lücke zwischen Cima della Negra und Grauhorn stiegen wir mühsam auf der steilen Südwest-Schneeflanke hoch bis zum Felsaufbau und blieben zuerst einmal stehen um den genauen "Einstieg" zu finden. Immer wieder fragten wir uns, warum es nur ein WS bzw. eine II ist - nirgendwo fanden wir Griffe, die Tritte waren auch sehr spärlich vorhanden und Absicherungsmöglichkeiten gab es überhaupt keine - nicht einmal ein paar sexy Rocks, wo man eine Schlinge hätte legen können.

Roger versuchte sich dann im Vorstieg empor zu klettern, doch immer wieder wurde er von abbrechenden Kanten und abrutschendem Geröll gebremst bzw. sodass ein Weiterkommen fast unmöglich schien. Während er dann so gut es ging trotzdem noch ein Schlingen-Stein fand, stieg ich ihm nach und als wir ein paar Meter weiter oben, aus unserer Sicht jedoch schon sehr ausgesetzt und vorallem sehr sehr luftig, so in dieser Flanke standen, ratlos nach Griffen und Standflächen suchten - leider ohne Erfolg - liessen wir die Vernunft walten und bliesen zum Rückzug. Das Grauhorn wollte uns heute einfach nicht und es heisst ja nicht umsonst: "Folge dem Ruf des Berges" - auch ein abweisender Ruf sollte stets befolgt werden. So zottelten wir leicht enttäuscht davon, liessen das Grauhorn unbezwingt und studierten noch kurz die Aufstiegsstelle zum Cima della Negra. Diese WS-Tour sah jedoch noch präkerer aus wie die vorherige auf das Grauhorn und die Motivation war auch ein wenig gedämpft, so dass wir uns wieder der gemütlichen Seite des Leben widmeten und so richtig gemütlich in der Nähe beim Punkt 2936 die Sonne und schon wieder einen mitgebrachen Schaumwein genossen (immer diese Alk-Orgien in den Bergen, ts ts ts... smile..). Später dann Abstieg auf der Aufstiegsroute zur Adula UTOE Hütte, wieder Sonne geniessen und schon war die Zeit gekommen, um den Bergen adieu zu sagen und wenn sie nicht gestorben sind, dann laufen sie noch heute durch das nicht mehr aufhörende Val di Carassino...

Kleiner historischer Hinweis: Das Rheinwaldhorn wurde Ende Juli 1789 von Placidus a Spescha - Pater, Pionier des Alpinismus und Erstbesteiger (unter anderem auch von Piz Terri und Scopi) bestiegen.

Tour mit Roger Schlumpf - es hat einmal mehr super Spass gemacht, nicht nur wegen des Bieres und Champagne wegen - besten Dank nochmals! :-)

Bericht von Schlumpf


Tourengänger: Schlumpf, Bombo


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21 Jun 08
Rheinwaldhorn (Adula) 3402m · Schlumpf

Kommentare (6)


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MunggaLoch hat gesagt: Spannend...
Gesendet am 26. Juni 2008 um 07:49
...und lässig geschrieben! Von den schönen Fotos gar nicht zu sprechen! Danke und Gruss!

Fenek hat gesagt: Hammer!
Gesendet am 26. Juni 2008 um 07:58
Herzliche Gratulation!
Was ihr beide so anstellt ist einfach toll! Schöner Bericht, weiter so.

Gruess!

Razerback hat gesagt: Super Tour
Gesendet am 26. Juni 2008 um 10:01
Gratulation zu dieser Tour
Super Bilder.
Wärs doch schon Wochenende..

Razerback

CK hat gesagt: was soll man da noch sagen!
Gesendet am 26. Juni 2008 um 13:16
bombastische tour und schlumpfige bilder:-)

Gruss, Christian

Henrik hat gesagt: Hätten wir ein
Gesendet am 26. Juni 2008 um 15:43
Volk von Berggängern mit diesem offenen Geist und Entdeckungswillen, würden die Krankenkassen und Spitäler darben!

Bravo - Meisterleistung und hervorragende Pics.

Gruss

Henrik

Bombo hat gesagt: Danke!
Gesendet am 26. Juni 2008 um 21:54
Ich danke Euch für Eure Komplimente und Grüsse - das motiviert einem zusätzlich, auch in Zukunft die absolvierte Tour in Bild und Schrift festzuhalten.

Gruss, Dominik aka Bombo


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