Pico, 2351m - exotischer Oster-Ausflug


Publiziert von Linard03 , 30. April 2011 um 23:52.

Region: Welt » Portugal » Azoren
Tour Datum:25 April 2011
Wandern Schwierigkeit: T3+ - anspruchsvolles Bergwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: P 
Zeitbedarf: 3:45
Aufstieg: 1120 m
Abstieg: 1120 m
Strecke:P.1231 - Pico - P.1231
Zufahrt zum Ausgangspunkt:per PW von Madalena bis zum Casa da Montanha (1231m). Parkplätze für ca. 10 Autos
Unterkunftmöglichkeiten:Hotel Caravelas in Madalena oder div. andere kleinere Hotels auf der Insel

Mein Geschäftskollege Markus wollte unbedingt auf den höchsten Punkt Portugals; bei mir brauchte es dazu wenig Überredungskunst ... ;-)   -  auch wenn der Zeitpunkt nicht ganz ideal war: zum einen die Abreise am Ostersonntag, zum andern ist April wohl auch nicht der idealste Zeitpunkt für die Azoren. Aber nachdem Karfreitag und Samstag vollumfänglich der Familie gehörten, wollte ich dieses kleine Abenteuer unbedingt wahrnehmen.
Pico oder Pico Alto heisst der Vulkan, welcher auf der gleichnamigen Insel (Pico Island) steht und den höchsten Punkt (2351m) von Portugal markiert.


Allgemeines

Die Azoren - das sind 9 Inseln vulkanischen Ursprungs mitten im Atlantik. Je nach Wochentag ist die Anreise mehr oder weniger umständlich (siehe nachstehend unter "Tag 1").

Pico Island ist die zweitgrösste Insel, umfasst 447 km2 Fläche (15km lang und 46km breit) und zählt ca. 15'000 Einwohner. Die ältesten Vulkanstrukturen sollen bis zu 300'000 Millionen Jahre alt sein.

Bis 1980 hat die Insel die Wal-Industrie unterstützt. Heute leben die Inselbewohner hauptsächlich vom Tourismus, Schiffbau und Weinproduktion. Die Weinanbau-Landschaft wurde 2004 zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt.
Der Pico-Vulkan wurde zudem 1972 als Natur-Reservat deklariert; der letzte Ausbruch liegt rund 300 Jahre zurück.

Das Wetter ist v.a. in den Wintermonaten sehr instabil, deshalb zählen auch auf den Azoren-Inseln eher die Sommer-Monate zur Hochsaison. April war so gesehen sicher nicht der ideale Zeitpunkt, den Pico zu besteigen. Der Vorteil wiederum war, dass wir auf der ganzen Insel beinahe die einzigen Touristen waren ...


Tag 1 - Anreise

Am Oster-Sonntag gab's keinen Direktflug von Lissabon nach Pico Island, deshalb mussten wir in 3 Flug-Etappen anreisen: Zürich - Lissabon - Terceira Island - Pico Island.

Während in Lissabon noch herrlich warmes und schönes Wetter herrschte, war's nach der Landung auf Terceira Island eher kühl und stark bewölkt. Dasselbe Wetter später auch auf Pico Island; eher noch schlechter: nebst starker Bewölkung auch zeitweise Regen.

Ein erster Erkundungs-Rundgang führte uns durch's Städtchen (pardon - village, gemäss Hoteldirektion ...) auf der Suche des Gipfel-Ziel's; dem Pico. Dieser hüllte sich jedoch in dichte Wolken, sodass nur der unterste Teil sichtbar war.
Die Suche nach einem geöffneten Restaurant gestaltete sich ebenso schwierig, denn am heutigen Oster-Sonntag war beinahe alles geschlossen. Alles? Nicht ganz; eine kleine Bar am Hafen hatte geöffnet und bot für unsere knurrenden Bäuche auch kleine Speisen an.

Tag 2 - Gipfel

Das grosse Pech meines Kollegen war, dass sein Gepäck zwischen Lissabon und Terceira Island verloren ging. Da die nächste Maschine dieses Gepäck erst am heutigen Abend nachliefern würde, fehlte Markus natürlich die ganze Berg-Ausrüstung - welch' ein Frust.

Markus wollte jedoch den Tag nicht tatenlos verstreichen lassen, da das Wetter derzeit doch ziemlich unberechenbar war und der heutige Morgen (trotz Regen um 8 Uhr) doch besser zu werden versprach (im Nachhinein weiss man's natürlich immer besser: das Wetter wurde am Nachmittag einiges besser und auch am darauffolgenden Morgen war das Wetter erheblich besser ...). So kam's, dass mein Kollege ungewollt in Jeans und Turnschuhen den Berg erklimmen sollte.

Mit dem Mietwagen fuhren wir in ca. 15 Min. von Madalena zum Ausgangspunkt auf 1231m. Dort ist auch das sog. "Casa da Montanha", welches allerdings nur in den Sommermonaten geöffnet ist. Wie nicht anders erwartet, waren wir heute Morgen die einzigen am Berg, als wir um 09.25 Uhr starteten.

Da es bereits hier sehr frisch und etwas windig war, zog ich gleich mal den Pullover und Mütze an. Von Beginn an geht's zügig aufwärts; zunächst noch mässig steil, dann jedoch allmählich ziemlich steil in der Direttissima (die Hänge am Pico sind bis 40° steil). Aufgrund des Regen's befürchteten wir zunächst, dass der Auf- und Abstieg unangenehm rutschig werden könnte. Aber anders als bei uns ist hier der Stein porös und bleibt somit griffig.

Da der Wind stärker wurde, je höher wir stiegen und es auch immer kälter wurde, machten wir nur eine kurze Trinkpause - ansonsten zogen wir durch. Begannen wir die Tour noch bei Sonnenschein, sah man von Beginn weg, dass wir im oberen Drittel im Nebel laufen würden.

So war's dann auch: der Nebel wurde immer dichter, aber die Wegfindung war bis dahin Dank Wegspuren trotzdem nicht so schwierig - immer wieder sind Pfosten oder Steinmandli vorhanden. Auf ca. 2000m flachte das Gelände etwas ab, dafür waren die Winde mittlerweile auf Sturmböen-Stärke angewachsen; auch der Nebel wurde immer dichter.
So standen wir dann plötzlich vor einem Abgrund; ob wir jetzt bereits auf dem Gipfel sind? Der Blick auf den Höhenmesser besagte etwas Anderes; noch fehlten ca. 100Hm ... - aber wo geht's weiter? Da, der dichte Nebel lichtete sich für einen kurzen Augenblick; wir standen am Kraterrand.

Also ging's ein paar Meter hinunter in die grosse "Ebene" (sprich Kraterboden), um dann den sog. "Pico Pequinho" zu besteigen; quasi ein Vulkan im Vulkan, welcher sich rund 150m aus dem Kraterboden erhebt. Da jetzt wieder dicke Nebelsuppe herrschte, fanden wir keine Wegspuren mehr, aber es musste ja nochmals aufwärts gehen ;-)
Im Gipfelbereich verstiegen wir uns etwas, von unten waren sogar noch Schneereste zu sehen. Weit konnte es nicht mehr sein. Da erspähte ich eine Art Kamin, welcher Treppenartige Stufen vorwies. Ev. wäre dies sogar die offizielle Route; ich weiss es nicht.

Jedenfalls kamen wir via beschriebenes Kamin problemlos auf den Gipfel des Pico (2351m); höchster Punkt Portugal's! Für einen kurzen Augenblick gab's etwas blauer Himmel über uns; danach war wieder dicke Nebelsuppe, Temperaturen um den Gefrierpunkt und starker Wind.
So blieben wir denn auch kaum 5 Min. auf dem Gipfel; nach ein paar Nebel-Fotos und beinahe abgefrorenen Fingern machten wir uns schnell wieder an den Abstieg. Wiederum half uns der griffige Stein, dass wir nicht dauernd abrutschten. Im zügigen Tempo ging's diesmal (trotz Nebel) zielstrebig zunächst auf den Kraterboden, dann über den Kraterrand wieder auf Pfadspuren hinunter.

Trotz griffigem Stein gab's auch immer wieder etwas loses Geröll, was uns dann und wann unanagenehm rutschen liess. Spätestens im steilen Abstieg wünschte ich mir sehnlichst gute Bergschuhe mit festem Halt herbei ...

Dann begegneten uns doch noch ein paar Leute, welche im Aufstieg waren: Brasilianer, "ausgerüstet" mit Jogging-Anzug und Turnschuhen (also nicht viel schlechter als mein Begleiter ...). Ich gehe mal davon aus, dass sie im Gipfelbereich ziemlich geschlottert haben ... Nichtsdestotrotz machten sie selbst im steilen Aufstieg einen überaus fröhlichen Eindruck; offensichtlich waren sie konditionell stark - Respekt!

Einmal wieder an der Sonne, konnten wir unsere "Wunden lecken"; die vom Nebel durchnässten Jacken trockneten im Wind, die Finger tauten wieder auf und die von den scharfkantigen Steinen aufgeschlitzen Hände spannten nicht mehr so sehr.

Zurück beim Auto gab's erst mal die auf dem Gipfel verpasste Brotzeit; auch Flüssiges musste dringend nachgetankt werden.

Tag 3 - Inselrundfahrt

Früh am Morgen machten wir uns nochmals in Richtung Pico auf, um zusätzliche Fotos zu schiessen, da sich der Vulkan an diesem Morgen von seiner besten Seite präsentierte. Allerdings (und darum waren wir insgesamt "froh") zog es wenig später wieder zu, sodass der Pico wieder seinen Hut trug. Es hätte uns doch ziemlich gewurmt, wenn der Pico den ganzen Tag wolkenfrei gewesen wäre ... ;-)

So erkundeten wir heute mit unserem Mietwagen die ganze Insel; fuhren zunächst nochmals in die Höhe, um auch noch dem Pico do Urze (899m) einen Besuch abzustatten. Zuoberst steht eine Antennen-Anlage; wobei unklar ist, ob diese noch im Betrieb ist oder nicht.
Jedenfalls hatten wir erneut Pech, dass wir die sicherlich grandiose Aussicht nicht geniessen konnten, da wir erneut in Nebel standen ... Der Blick in den üppig bewachsenen Krater war jedoch alleweil ein Besuch wert.

Weiter ging's via Sao Joao, Lajes do Pico zum östlichsten Zipfel der Insel, wo wir am Meer bei Piedade eine gemütliche Mittagspause einlegten. Weiter ging die sightseeing Tour über Santo Amaro und Prainha nach Sao Roque do Pico. Bei Santa Luzia, nahe des Flughafens, befinden sich die bekannten Felsformationen von Cachorro. Die Brandung schlägt hier unbarmherzig auf die Felsen ein, sodass sich ein grandioses Schauspiel bietet: das Wasser pflügt sich durch die zahlreichen Höhlen und Schlitze der Felsen, sodass das Wasser anschliessend in die Höhe schiesst.

Allmählich wurde es Zeit, wieder zurück zum Flughafen zu fahren. Von dort ging unser Flug auf die Hauptinsel San Miguel, etwas später am Abend dann der Rückflug nach Lissabon, wo wir um 00.30 Uhr eintrafen.

Tag 4 - Lissabon

Da möchte ich nicht mehr viele Worte verlieren; diejenigen, welche Lissabon schon besucht haben, waren sicher ebenso begeistert wie wir von den Monumenten, Architektur und insbesondere das Flair, welches die Stadt ausstrahlt.
Jedenfalls konnten wir die Stadt einen ganzen Tag lang bei wolkenlosem Himmel und sehr warmen Temperaturen (25°) geniessen. Am Abend ging unser Pico-Abenteuer mit dem Rückflug nach Zürich zu Ende.


Fazit:
die Azoren sind in jedem Fall eine Reise wert; mit oder ohne Pico-Besteigung. Die wilde und weitgehend unberührte Landschaft begeistert!
Die Pico-Besteigung bleibt als "arktisches Erlebnis" in bester Erinnerung!

Zeiten:
- Abmarsch bei P.1231: 09.25 Uhr
- Gipfel Pico: 11.25 Uhr
- retour bei P.1231: 13.10 Uhr

Infos:

- Anreise
die portugiesische Airline TAP bringt einem von Zürich nach Lissabon, danach fliegt man mit der Azoren-Airline SATA auf die Inseln. Die Insel-Flüge konnten wir nicht von der Schweiz aus buchen; aber online war's kein Problem

- Ausrüstung
Trekking-Schuhe waren ok; empfehlen würde ich jedoch Bergschuhe, welche v.a. im Abstieg dienlich sind. Ebenso gehören Mütze, leichte Handschuhe, Pullover und Jacke ins Gepäck. Insbesondere die Handschuhe bieten nicht nur Schutz vor Kälte, sondern auch vor dem scharfkantigen Vulkangestein.

- GPS
seit ca. 2 Jahren ist es "obligatorisch", beim Ausgangspunkt ein GPS zu fassen, sich einzutragen und bei Rückkehr wieder auszutragen. Dies, weil es zahlreiche Unfälle gegeben hat; teils mit tödlichem Ausgang. Der Haken ist, dass dieses "Casa da Montanha" nur in den Sommer-Monaten geöffnet ist. Ausserhalb der Saison müsste man die GPS bei einer Feuerwehrstation in Madalena besorgen - welches uns jedoch niemand zeigen konnte ...

- Zeitangaben
- die Zeitangaben für den Aufstieg varieren in Reiseführern und Internet sehr stark. So ist die Rede von 2.45 Std. ("für sehr geübte Bergwanderer") bis zu 4-5 Std. für "normale" Wanderer (wie im obigen Text erwähnt, benötigten wir genau 2 Std. für den Aufstieg)
- die Strecke beträgt 4.7km, auf der 1120Hm bewältigt werden müssen

- Schwierigkeiten
diese halten sich in Grenzen; trotz weitgehend weglosem Gebiet gibt es deutliche Wegspuren - eigentlich kann der Gipfel nicht verfehlt werden. Dazu wurden die offensichtlich alten Betonpfosten als Markierung durch Plastik-Strassenpfosten ergänzt. Diese wären zwar besser zu sehen, aber einige sind auch schon wieder abgebrochen ... (siehe Fotos)

Allerdings: wenn's Nebel hat wie wir dies angetroffen haben, ist es u.U. nicht so trivial, die Orientierung am Kraterrand zu behalten.
Dann und wann müssen die Hände auch im unteren Teil der Besteigung aus der Tasche genommen werden, um sich auf dem steilen Lavagestein hochzuarbeiten. Im Gipfelbereich gibt es dann keine Markierungen mehr. Dafür sind im obersten Abschnitt ein paar Kraxel-Stellen zu überwinden, welche offiziell als IIer eingestuft werden (was ich etwas übertrieben finde)

Tourengänger: Linard03


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Kommentare (2)


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Sputnik Pro hat gesagt: Pico
Gesendet am 2. Mai 2011 um 07:00
Super gemacht, so eine spontane Reine zu einem Landeshöhepunkt! Ich gratuliere natürlich zum höchsten Portugiesen - der fehlt mir auch noch:-)

Viele Grüsse,

Andrej

Linard03 hat gesagt: RE:Pico
Gesendet am 2. Mai 2011 um 07:25
Danke! Hat wirklich Spass gemacht, in einer Blitzaktion auf die Azoren zu reisen ...

Ich meinerseits habe erst gestern Abend realisiert, dass Du "mal eben schnell" auf dem Eiger warst ... - auch zu dieser Leistung nachträglich meine Gratulation!

Gruss,
Richard


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