Hoch über dem Grosstal: Risetenstock, Schwalmis, Jochlistock, Zingel.


Publiziert von surfy , 12. Juni 2009 um 00:58.

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum:23 Mai 2009
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Bauen - Brisen - Bürgenstock   CH-NW   CH-UR 
Aufstieg: 1600 m
Abstieg: 900 m
Strecke:St. Jakob - Obere Egg - Chneuwis - Unter Bolgen - Ober Bolgen - Hinter-Jochli - Risetenstock - Hinter-Jochli - P.1967 - Schwalmis - P.1967 - Vorder-Jochli - Jochlistock - Zingel - Jochlistock - Ober Bolgen - Unter Bolgen - Chneuwis - Obere Egg - St. Jakob
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Luzern - Seelisbergtunnel - Isleten - Isenthal - St. Jakob
Zufahrt zum Ankunftspunkt:gleich wie Ausgangspunkt
Unterkunftmöglichkeiten:Schlafen im Stroh auf der Alp Obere Egg eigenes Biwak andere Unterkunftsmöglichkeiten auf der Alp Obere Egg = abklären Hotel "Uri-Rotstock" in Isenthal
Kartennummer:245 Stans

Mai und Juni sind in katholischen Gebieten die Monate der Feiertage: Auffahrt, Fronleichnam sowie die Möglichkeit, die Brücke und also verlängerte Wochenenden zu machen, locken und bieten Möglichkeiten für Freiräume. Leider sind Mai und Juni für Studis aber auch Monate der Prüfungen, Leistungsnachweise, - kurzum für die Ausübung sämtlicher mentaler Gewalttaten tertiärer Bildungsinstitutionen an ihren Lernenden... Doch wenn draussen die Sonne scheint, ich blicke von meinem Arbeitsplatz auf den Gipfel des Pilatus, seit Stunden, Tagen eingesperrt, der Himmel, - so blau, es geht ein leichter Wind und die Bäume bewegen sich in seinem Takt, - dann gibt es für mich kein Halten mehr, dann muss ich raus, dann blase ich das Gruppenlernen ab... Erholung muss sein...

Das Grosstal im Kanton Uri gehört zu meinen Lieblingstälern in der Zentralschweiz: In relativ kurzer Zeit von Luzern aus zu erreichen, ist es ein wild-romantisches, vom Tourismus weitgehend verschont gebliebenes, ursprüngliches Urner Bergtal. Seine Könige - Uri-Rotstock, Brunnistock, Engelberger-Rotstock und Gitschen habe ich z.T. schon bestiegen, ersterer mehrfach. Die andere Talseite wird flankiert von Schwalmis, Risetenstock, Jochlistock, Zingel und führt in herrlicher Gratwanderung bis auf den Oberbauenstock. Bei guten Verhältnissen ist auch die Einbindung des Brisen möglich: Vom Brisen bis auf den Oberbauenstock, - eine phantastische Wanderung!

Der Samstag, 23. Mai 2009 war wieder so ein Tag des Ausreissens: Den Vorabend hatte ich in Isleten am Urnersee verbracht und auf Thermik gehofft, - daraus wurde nichts. Nach gediegenem Nachtessen verbrachte ich eine angenehme Nacht in meinem Caddy-Mobil auf dem Parkplatz unmittelbar beim Restaurant Seegarten in Isleten. Morgens erwachte ich um 06.00Uhr. Schon am Vorabend hatte ich beschlossen, nächstentags - also heute Samstag - eine Wanderung zu unternehmen. Auf Wind konnte ich ja dann noch einmal am Nachmittag hoffen. Die ganze Surfstuff auf dem Caddy fuhr ich also hinauf ins Grosstal, via Isenthal ging's bis St. Jakob. Dort parkte ich, zog mich um bzw. an ;-) und los ging's. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, den Wegeinstieg Richtung Alp Obere Egg zu finden, schaffte ich es dann doch: Vorbei an Bauernhöfen, noch dösenden Wachhunden, weidenden Kühen folgte ich dem sich bald in Serpentinen durch den Wald windenden Weg, so kam ich nach ca. 40Minuten zunächst auf die Untere Egg, dann unmittelbar auf die Obere Egg, - ein gemächliches Einlaufen. Ich setzte meinen Weg via Chneuwis und Unter Bolgen fort, z.T. lagen noch Restschneefelder, die aber allesamt sehr gut traversiert werden konnten. Um 08.30Uhr war ich bereits auf der Alp Ober-Bolgen. Nun wurde es jedoch zeitintensiv, da hier oben noch alles schneebedeckt war. Meist ging es sehr gut, ich konnte einfach auf dem Schnee aufsteigen, ohne einzusinken, zumal er ja noch morgendlich hart war und eine gut gefrorene Oberfläche aufwies. Das Gelände wurde dann jedoch steiler und ich hatte weder Pickel noch Teleskopstöcke dabei, was die Sache nicht einfacher machte. Ich begann also mit den Schuhen an exponierten, d.h. einfach etwas steileren Passagen, kleine Tritte reinzuschlagen. Zwar brauchte der Aufstieg aufs Hinter-Jochli wie erwähnt etwas mehr Zeit, war aber gut machbar. Weiter gings hinauf auf den Risetenstock. Grösstenteils war der Weg dort hinauf schon schneefrei, da nahe dem Grat und somit auch zur Südostseite zugewandt. Ein grösseres Schneefeld - mit gewaltiger Gratwächte - blieb allerdings noch zu queren, - eine Rutschbahn-Partie hätte hier nicht gut getan, - zwar nicht wirklich gefährlich, aber ich wollte ja nicht nach Niederrickenback hinunterschlitteln... naja, hab' grad etwas übertrieben, soweit wär's nicht runtergegangen...;-) Jedenfalls schaffte ich auch dieses Schneefeld und nach weiteren fünf Minuten Aufstieg kam ich auf dem Gipfel des Risetenstock (2290m.ü.M.) an: Herrlich, die Rundsicht. Ich sah die Pilatus-Südseite, Teile des Vierwaldstättersees, runter ins Grosstal und auf den Urnersee, die Riemenstaldener-Riesen Rophaien bis Chaiserstock, weiter rüber zum Brisen und Hoh-Brisen, beide noch ganzheitlich schneebedeckt und dann natürlich zum Talkönig, dem Uri-Rotstock und seinen Gesellen, dem Brunnistock, dem Engelberger-Rotstock, usw. Die Ruhe auf dem Gipfel war phantastisch: Sonne, Wind, Bergsicht, ich - ganz alleine. Ein Blick in den Kessel der Alp Ober Bolgen bestätigte meine Annahme: Noch war ich vollkommen alleine hier oben unterwegs... herrlich!

Nach einer kurzen Gipfelrast - kein Gipfelbuch übrigens - begann ich meinen Abstieg. Zur Querung des schon vorher im Aufstieg beschriebenen Schneefeldes benutzte ich nun eine herumliegende und viehsicherungstechnischen Massnahmen entstammende Eisenstange. Mit der ging die Querung auch runter ganz flott und ohne Schwierigkeiten. Naja, wer halt keine Teleskopstöcke mit sich rumführen will, muss Weidezaunstangen zu Hilfe nehmen, - so läuft das...;-)
Vom Hinter-Jochli aus versuchte ich, nicht viel Höhe zu verlieren und traversierte den Südhang so nach Osten, immer eine gewisse Höhe wahrend, - schliesslich gings ja dann auch von da aus weiter hinauf zur Schwalmis. Wiederum brauchte ich so einige Zeit, schliesslich weist der Hang eine approximative Neigung von mind. 40Grad oder mehr auf und der Schnee war sehr unterschiedlich in seiner Qualität, z.T. noch hartgefroren, dann aber - v.a. an den Rändern, aber damit rechnete ich - brüchig, ich musste also aufpassen, da nicht einzubrechen, dann wieder unter der Oberfläche vereist, es gab jedoch auch gute Passagen, sehr griffig, wo ich meine Schuhe gut einschlagen und auf Tritten gehend queren konnte. Noch einmal ein Dank an die Eisenstange, sie leistete grade auch in diesem Teil hervorragende Dienste. Irgendwann hörte dann der Schnee zwar nicht auf, doch er wurde etwas weniger, d.h. es folgte eine Passage durch schönsten Fels, dem Wanderweg in die Höhe Richtung P.1967 folgend. Irgendwo musste da in unmittelbarer Nähe ein "Mungg", ein Murmeltier, sein, so schrill und laut wie der Pfiff vorher grad war... doch ich sichtete nichts, - leider...
Es folgte eine Senke, eine Art Kessel auf ca. 1950m.ü.M., dort hätte ich links ausholend dem Weg durch das nächste ansteigende Schneefeld folgen können, ich wählte jedoch eine Direttissima, rechts kurz ausholend und dann eben grade hinauf durchs Gras auf den Gipfelgrat. Der Schwalmis-Gipfelgrat ist langgezogen und bietet herrliche Tiefblicke auf den Vierwaldstättersee, die Rigi, - einfach phantastisch, was meine Augen und Seele da wieder geboten bekamen. Und nach wie vor war ich völlig alleine unterwegs.
Auf dem Schwalmis-Gipfel - auch da kein Gipfelbuch - erwartete mich dann ein sehr bescheidenes Empfangskomitee, aber immerhin, man soll ja nicht allzu viele Erwartungen haben: eine Dohle, die mich auch gleich futtertechnisch-strategisch belagerte, d.h. sie überflog mich mehrmals auf Minimalhöhe, bitte jetzt keine Morgentoilette! ;-), und landete jedesmal unmittelbar neben meinem Kopf, ich wollte eigentlich die Sonne geniessen, aber eben... Man muss es schon fast Belästigung nennen, obschon ich die Federviecher ja sonst sehr gern in meiner Nähe weiss... Ihr Betteln war ohnehin sinnlos, denn wie so oft bei Wanderungen nehme ich nur Flüssigkeiten mit, keine oder nur ganz wenig Nahrungsmittel, - eine Orange hatte ich dabei, vielleicht hat sie sich ja nachher an deren Schale erfreut. Ich jedenfalls legte eine kurze Fotosession ein, wechselte mein T-Shirt und machte mich nach rund zwanzig Minuten auf dem Gipfel wieder an den Abstieg. Auf dem Rückweg auf dem Grat passierte ich ein Paar und nach unten blickend sah ich einen weiteren Berggänger, der nun - es war mittlerweile so 11.00Uhr ebenfalls seinen Weg auf die Schwalmis suchte... Ich war also nicht mehr alleine unterwegs. Beim Abstieg wählte ich mir meinen eigenen Weg und folgte nicht dem Wanderweg. Ich querte den Südhang der Schwalmis nach Osten in eigener Linienwahl und erreichte nach kurzer Zeit einen Sattel bzw. das Vorderjochli auf 2002m.ü.M. Von dort aus gings in flottem Tempo hoch auf den Jochlistock. Ein Holzbalken lud zum Verweilen und die Sicht Richtung Engelberger-Rotstock ein, doch der Grat nach Osten und Richtung Oberbauenstock sahen noch verlockender aus... Ich folgte also dem Grat und erlebte dann wieder mal, was schöne Gratwanderkraxelei für mich ausmacht: Wunderbare Passagen mit Handeinsatz, ein Weg, der zu grossen Teilen wirklich auf der Gratkante verlief, auf dem obersten Punkt, Abschnitte, in die Seiten gezogen, in denen ich mich über den schönen, anspruchsvollen Weg freute.
So gelangte ich auf den Zingel, gekennzeichnet durch sein riesiges weisses Gipfelkreuz.
Ich überlegte, von dort aus ins Grosstal abzusteigen, entschied mich dann aber dagegen: Runterlaufen ist nichts so mein Ding. Klar, meist muss ich doch runterlaufen, aber wenn's eine Bahn hat, dann benütze ich lieber die, um runterzukommen. Rauf ist immer gut, aber runter... und ausserdem hatte mir die Gratwanderung sehr viel Spass bereitet und es machte mir absolut nichts aus, den Grat aus der entgegengesetzten Richtung noch einmal zu überschreiten. Gedacht, getan. So legte ich den Gratweg noch einmal zurück, kam via Jochlistock wieder zum Vorder-Jochli, stieg dann über Alpen Bolgen und Chneuwis bis zur Bergstation der Seilbahn auf der Oberen Egg ab und löste mein Billet. Unterhielt mich noch ein bisschen mit dem Betriebswart dort, - leider habe ich nun seinen Namen vergessen.
Fahrt nach St. Jakob mit der Seilbahn, zum Auto, dort umziehen, runter an den Urnersee, - immer noch kein Wind, es ist wirklich trostlos. Dennoch: Ich freute mich enorm über meine schöne Wanderung und beschloss dann, grad weiterzuziehen ins Pilatusgebiet. Kurz ein paar  Einkäufe in Altdorf tätigen und auf der Autobahn nach Alpnach, von dort hinauf in die Lütoldsmatt, meine Lieblingsalp im Pilatusgebiet, da Ausgangspunkt für zahlreiche schöne Unternehmungen...
In der Lütoldsmatt richtete ich mich dann häuslich ein, d.h.: Campingtisch und -Stuhl rausholen, Pasta auf dem Gaskocher zubereiten, dann Abendessen mit Wein, mitten in den Bergen, noch kurz ein Bad im Bach (zur Präzision: Ich hatte meinen Wagen etwas oberhalb der Alp Lütoldsmatt abgestellt, in Richtung Märenschlag, grade beim Waldrand, Name dieser Position???, - ich weiss, ich müsste es wissen...); dann Wirtschaftsgeografie lernen und sich des Sonnenuntergangs erfreuen...

Wiederum ein superschöner Tag in den Bergen!
 


Tourengänger: surfy


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Kommentare (7)


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2bd hat gesagt: Freund im Geist
Gesendet am 22. Oktober 2011 um 17:29
ich kenne dich, surfy, nicht persönlich, aber dein Bericht hat uns auf der Überschreitung vom brisen zum niederbauen begleitet. dabei habe ich festgestellt, dass du auf tour dich weitgehend auf getränke beschränkst. da ist für dich der artikel, zu dem ich dir den link schicke, bestimmt interessant. ich habe ihn als Replik auf einen Artikel über Ernährung auf tour für die Zeitschrift «Alpen» verfasst. allerdings wollen die Redaktoren keine "konkurrenzartikel" publizieren und haben mir bloss einen Leserbrief mit link zugestanden: http://www.2bd-blog.ch/2011/07/08/%C2%ABbrot-kase-huttentee%C2%BB-%E2%80%93-und-was-sonst-noch/
mit herzlichem gruss bernhard, alias 2bd

surfy hat gesagt: RE:Freund im Geist
Gesendet am 23. Oktober 2011 um 14:55
hallo bernhard alias 2bd,
ich habe deinen leserbrief interessiert durchgelesen und stimme deinem fazit - "ein normales abendessen, plus ein reichhaltiges frühstück reichen, um für einen langen tourentag versorgt zu sein" - voll und ganz zu. ich bin ziemlich oft auf touren, (wenngleich ich auf hikr.org nur einen marginalen teil davon veröffentliche, aber das ist ein anderes thema), jedenfalls haben sich meine ernährungserfahrungen auf touren immer wieder bestätigt: ich persönlich brauche ein gutes frühstück, am abend ein ebensolches, möglichst kohlenhydratereiches abendessen, - auf der tour selbst genügt mir ausreichend flüssigkeit, nahrung selbst nehme ich nur marginal zu mir, obschon sich dies im laufe der letzten jahre etwas geändert habe...mittlerweile habe ich wenigstens immer etwas zuckerhaltiges dabei (schokolade oder basler leckerli), um meinen blutzuckerspiegel im bedarfsfalle wieder raufzupushen... ich habe mich nie besonders intensiv mit meiner ernährung auseinandergesetzt, die erfahrung hat mich gelehrt, dass ich nur wenig nahrungsmittel auf touren brauche. ich habe einfach auf meinen körper gehört. voilà... lieber gruss, sabine

2bd hat gesagt: RE:Freund im Geist
Gesendet am 25. Oktober 2011 um 13:26
danke für deine replik. das gefällt mir, dass du selber darauf gekommen bist. darauf baut genau auch mein buch «das 3x3 der ernährung» auf: frei von essideologien und -rezepten; selber spüren! vielleicht ermutigen diese Beispiele andere, es auch mal «ohne» zu probieren. oder, wer Wissenschaft braucht: als ich noch TL beim SAC war, kam Hertha (nun selber TL) oft mit auf tour. sie nahm an einem wissenschaftlichen versuch teil: ohne feste Nahrung tagsüber, auch auf strengen touren. Hertha ging es körperlich stets gut am abend.

2bd hat gesagt: … ach ja
Gesendet am 22. Oktober 2011 um 17:37
die hikr berichte zur im Artikel erwähnten tourenwoche findest du bei ossi (30.3./1.4./4.4./14.4.)

2bd hat gesagt: kleine korrektur
Gesendet am 25. Oktober 2011 um 14:48
eine kleine Korrektur noch: das, was du als zingel definiert hast, der mit dem riesenkreuz, ist der gandispitz (Indien lässt grüssen - aber ohne «H»). der zingel wäre erst weiter unten, nach dem lückli, drangewesen; ganz unscheinbar, doch lohnend (siehe meinen Kommentar zu tobi).

surfy hat gesagt: RE:kleine korrektur
Gesendet am 28. Oktober 2011 um 12:26
hallo bernhard

merci für deine weiteren hinweise und einträge sowie die gipfelcorrigenda. noch was verrücktes betreffend deiner hertha-message: im februar/ märz 2006 fastete ich mal ca. einen monat (nicht aus diätetischen gründen, vielmehr, um zu sehen, ob ich zu einer derartigen (willens)leistung fähig wäre). dabei ging ich jedes weekend auf skitouren. ich fühlte mich so leistungsstark wie nie zuvor. welch' eine erfahrung!

2bd hat gesagt: RE:kleine korrektur
Gesendet am 29. Oktober 2011 um 10:41
grandios, sabine! identische Erfahrungen machte ich bezüglich - allerdings bloss einwöchigem, aber komplettem - fasten und skitouren (der winter eignet sich anscheinend gut zum fasten …), inkl. 4000er. ist schon ne weile her, aber unvergessen.


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