Aiguille Blanche Nordwand


Publiziert von Stefan_F , 27. Juni 2017 um 20:25.

Region: Welt » Italien » Aostatal
Tour Datum:19 Juni 2017
Hochtouren Schwierigkeit: SS
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 16:00
Unterkunftmöglichkeiten:Rifugio Torino, Fourche Biwak, Eccles Biwak, Rifugio Monzino

Wer sich für die Aiguille Blanche de Peuterey interessiert wird auf relativ wenige Informationen in den einschlägigen Quellen stoßen. Das hat mehrere gute Gründe. Das Gebiet in der Südwand und Brenvaflanke des Mont Blanc ist objektiv sehr gefährlich und anhaltend anspruchsvoll. Es ist gut, hier keine Werbung für diese Gipfel zu machen um nicht Bergsteiger anzulocken, die nicht mit all den möglichen Fährnissen umsichtig umgehen können und nicht genug Reserven an Kondition, Können und Brennstoff haben. Außerdem sind die Biwaks Eccles und Fourche klein und oft schon durch Aspiranten der Südwandpfeiler, Grate zum Mont Blanc bzw. durch Kuffnergrat- und auch den Teufelsgrat gut belegt. Nicht zuletzt die Klimaerwärmung steigert hier den Anspruch vieler Touren und bringt reichlich Bewegung in die Flanken. Wir waren Mitte Juni unterwegs und fühlten uns wie an heißen Tagen Ende August! Ich möchte aus diesen Gründen nur einige „technische“ Informationen geben und auf Emotionales und Schilderungen über die Schönheit der Aus- und Tiefblicke verzichten.
Nach Jahren des Erkundens, Scheiterns und Warten auf günstige Bedingungen bei stabilem Wetter stiegen wir ausreichend akklimatisiert zum Fourche-Biwak. Nach einer sehr kurzen Nacht seilten wir uns gegen 1:00 unter die Brenvaflanke ab und gelangten schnell zum Col Moore. Schon hier fühlt man sich gehetzt und deutlich gefährdet, denn man weiß was immer wieder aus der Brenvaflanke geschossen kommt. Durch die Klimaerwärmung wird das auch nicht mehr weniger.
Der Col Moore ist Richtung Blanche Nordwand wesentlich eindrücklicher als ich das erwartet hätte! Auch der Teil der Brenvaflanke dem man nun ausgesetzt ist noch deutlich lebhafter als der nun schon unterschrittene! Hier hilft auch tief in der Nacht nur Glück und Schnelligkeit. Dieses Teilstück ist ein Grund warum wir von dieser Tour abraten und sie selbst nie wieder einsteigen würden! 2h bis hier hin.
In der Folge hält man sich in der nun beginnenden Nordwand deutlich rechts des großen Seracs, also in Lotlinie der Pointe Güßfeldt. Im „Flaschenhals“ neben dem Serac wartet das steilste Stück der Tour. Leider hatten wir nicht das Glück Trittfirn anzutreffen, sondern hatten in der ganzen Wand durch Eis zu pickeln und somit auch ab etwa 1/3 Wandhöhe alles zu sichern. Ist man auf Höhe des Seracs nimmt zwar die Gefahr von Eis- und Steinschlag etwas ab, aber im Gipfelbereich der Blanche liegt immer noch reichlich Material und zu unserer Verwunderung genügt der Sonnenaufgang um sofort unter Beschuss zu stehen.
Bis zur deutlichen Randkluft ist das Gelände mäßig steil. Die Kluft konnten wir an einer günstigen Stelle mit wenigen schweren Zügen überklettern. In Folge ist die Wand ca. 60° steil und legt sich dann bis reichlich 50° zurück. Die Gipfelfelsen sind nicht schwer zu erklettern, aber das Gestein ist hier nicht sonderlich fest. Weitere 4h bis hier hin. Auf dem Gipfel, Pointe Güßfeldt, die offensichtlich sehr selten erklettert wird, blieb nicht viel Zeit zum Genießen, denn wie vielerorts zu lesen, ist der Abstieg an diesem Berg die eigentliche Schwierigkeit. Das wird hier sehr eindrücklich deutlich. Die Traverse zur Pointe Jones ist nicht allzu schwer aber eben enorm ausgesetzt. Hier finden sich zahlreiche Abseilstände bis auf den Col de Peuterey. Vom letzten Stand sind aber trotzdem 2 Seile á 60m hilfreich um gleich bis über den Schrund zu kommen.
Da das Couloir zum Grand Pilier d´Angle schon sehr ausgeapert war entschieden wir uns über den Col Eccles abzusteigen. Bis zum Col zeigte sich zwar wenig Steinschlag, aber enorm tiefer Sulz und im Couloir dann steindurchsetztes Eis. Auch hier flogen Steine…
Am Col Eccles ist es noch lang nicht vorbei. Die Schründe und Spalten auf allen im Abstieg über die Eccles Biwak zu begehenden Flanken sind sehr weit offen und zahlreich. Zudem war es inzwischen so warm, dass der Schnee schon lang nicht mehr trug und man oft bis zum Knie darin waten musste.  Nach 14 Stunden harter Arbeit erreichten wir glücklich aber ausgelaugt die Monzinohütte und eine reichliche Stunde später das Val Veny.
Diese Tour ist durch die anhaltende Schwierigkeit des Geländes und der Kletterei sowie durch die über viele Stunde immer präsente Gefahr von Stein- und Eisschlag, garniert mit Spaltensturzgefahr vor allem im Abstieg, eine sehr kraft- und nervenzehrende Angelegenheit. Eindrücklich ist sie allemal und beschenkt den, der heil durchkommt reich mit Erfahrungen, Erlebnissen, unvergesslichen Momenten und Ausblicken, aber auch immer wieder mit Erkenntnissen zur Vergänglichkeit der Berge und des eigenen Seins.
 

Tourengänger: Stefan_F


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Kommentare (2)


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garaventa hat gesagt: Aiguille Blanche
Gesendet am 28. Juni 2017 um 06:36
Hallo,

und Gratulation zu eurer Tour und vielen Dank für die teils sehr eindrücklichen Fotos.

Wenn ich diese mit den meinigen aus dem August des Jahres 2011 vergleiche, so ist erschreckend deutlich die massive Ausaperung der Region sichtbar.

Wir hatten damals auf dem Weg hinauf zum MB via Peutereygrat im Col de Peuterey biwakiert und fanden dort noch günstigerer Bedingungen vor.
Halte us über Deine weiteren Aktivitäten auf dem Laufenden.

Gruss garaventa


Stefan_F hat gesagt: RE:Aiguille Blanche
Gesendet am 28. Juni 2017 um 06:53
Hallo,

die Ausaperung ist ja allgemein recht extrem im Gebiet. Ich habe auch den Eindruck, dass Firn- und Eistouren ab Mitte Juli bis Ende August eigentlich nie mehr gute Bedingungen haben.
Der Peutereygrat oder Freneypfeiler wäre unser Weg gewesen, aber aufgrund der Bedingungen wäre es ein zu zeitintensives Unterfangen gewesen. Das Sichern in der Nordwand war einfach zu zeitaufwändig. Wir verzichteten aus Gewichtsgründen auf Biwakausrüstung und mussten so sicher zu einer Hütte oder ins Tal kommen.

Ja, ich habe mir vorgenommen zu den Touren zu denen es noch ungenügend Informationen gibt einen Artikel zu verfassen, aber vieles ist schon gut dokumentiert und da muss ich nicht den hundersten Bericht schreiben wenn ich z.B. zur Signalkuppe steige.

beste Grüße
Stefan


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