Les Monges (2115m)


Publiziert von Ekkehard , 6. August 2016 um 19:13.

Region: Welt » Frankreich » Alpes de Haute Provence » Préalpes de Digne
Tour Datum:19 Juli 2016
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: F 
Zeitbedarf: 7:45
Aufstieg: 1100 m
Abstieg: 1100 m
Strecke:18 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem Auto von Digne-les-Bains nach Barles. Ausgangspunkt ist Wahlweise der Friedhof oder der Ortseingang von Barles, genauer Le Bourguet. Mit einem Auto mit etwas mehr Bodenfreiheit kann auch die Straße bis kurz vor Vaux befahren werden
Unterkunftmöglichkeiten:Refuge du Seignas, unbewirtschaftete und unbewachte Hütte. Es wird um telefonische Voranmeldung (in französischer Sprache) gebeten. Näheres findet sich auf folgender Internetseite: http://www.refuges.info/point/1588
Kartennummer:IGN 3439ET und 3339ET

Im September vergangenen Jahres (2015) scheiterte meine Besteigung des „Les Monges“ (2115m) am schlechten Wetter (s. Bericht), diesen Sommer sollte es nun klappen.
In der Idee, ausgedacht am heimischen Küchentisch, sollte der Anstieg wieder so ablaufen wie im September, also mit Übernachtung auf der „Refuge de Seignas“, um den Anstieg in zwei Teilen an zwei Tagen zu erledigen. Leider musste es aber dann doch an einem Tag sein, eine für mein Alter (54) und meine Kondition (Büro) schwieriges Unterfangen, sind doch vom Örtchen Vaux aus ca. 6,5 km und fast 900 Höhenmeter zu überwinden um das Ziel zu erreichen. Es sollte aber noch schlimmer kommen. Die geplante Zufahrt von Barles nach Vaux, war mit unserer Familienkutsche nicht zu machen, nach einem sanften Aufsetzer an der Brücke über den Descoure und der Aussicht auf mehr davon, musste diese genau dort abgebrochen werden. Es kamen also 2 km Strecke und 200 Meter im Aufstieg hinzu und für den Abstieg der knappe Kilometer von der Brücke zum Auto. Insgesamt also etwas mehr als 18 km und über 1100 Höhenmeter.
Hier also mein intensiver Aufruf an die junge Leserschaft, nutzt die Tage der Gesundheit und Kondition, damit ihr euch später daran erinnern könnt und verschiebt nichts auf eine unbestimmte Zukunft! Den Älteren unter uns sei gesagt, dass auch die schlimmste Quälerei am Berg zu einer schönen Erinnerung und einem schönen Bericht führen kann. Also bitte Weiterlesen.
Um viertel vor elf geht es also los. Nachdem meine Frau das Auto auf der Schotterstraße bergab in Bewegung gesetzt hatte und ich sie in sicherer Entfernung wähnte, ließ ich meinen Hund Leo von der Leine. Dieser hatte aber etwas gegen diese Trennung des Rudels einzuwenden und raste dem Auto hinterher. Erst etliche Minuten später kam er mit hängender Zunge zu mir zurück, was sollte er auch anderes machen. Leicht genervt vom extra Weg und Anstieg wandere ich die Schotterpiste nach Vaux. Wie sehr sich ein Weg doch in die Länge zieht, wenn man ihn kennt. Es geht vorbei an dem bereits bekannten Autowrack, an neuen Abbrüchen die die Straße beschädigt haben. Hier sieht die Straße natürlich gut aus und man hätte vielleicht doch die zwei Hindernisse umkurven können und doch bis Vaux fahren können. Während ich noch sinniere und mich dem Parkplatz vor Vaux nähere, überholen mich zwei Jogger, lässig sich unterhaltend, rennen die den Berg hoch. Und um mich völlig zu demotivieren, steht auch noch ein Familienkombi auf dem Parkplatz!
Egal, „wat mut, dat mut“ sagen wir im Norden, also Zähne zusammen und durch.
Zu Beginn des Dörfchens haben uns die Fliegen entdeckt. In riesigen Schwärmen werden wir umkreist, allerdings kaum berührt, so bleibt es glücklicherweise beim Gebrumm. War es wirklich so steil durch das Dorf? Ich schwitze aus allen Poren. Vorbei an den Häusern, kein Mensch zu sehen, obwohl es bewohnter aussieht als im letzten September.
Wir nähern uns dem Wasserlauf und ich will diesmal den Weg finden und mich nicht wieder im Ufergebüsch verlaufen. Allein, es klappt nicht.
Da ich den direkten und steilen Anstieg gehen will, muss ich den Abzweig zur „Chine“ finden, und der ist auf der anderen Seite des Baches. Immerhin bin ich so schlau mich beim leisesten Verdacht den Weg verloren zu haben sofort wieder ins Bachbett zu begeben, so finde ich den Weg jedes mal ohne größere Probleme wieder.
Am Abzweig „Les Chauchais“ folgt die nächste Überraschung. Das Wegweiserschild, welches im September noch den Weg von hier zur „Vieille Cabane de Chine“ anzeigte, ist verschwunden. Was tun? Der Höhenangabe auf dem Schild (1380m) ist zu entnehmen, dass es noch mehr als 700 Höhenmeter zu bewältigen gilt. Ich bin frustriert und negativiere mich selber in der Überzeugung, dass der „Les Monges“ auch diesmal nicht bezwungen wird. Auf den positiven Gedanken, immerhin schon fast 350 Höhenmeter und bezwungen zu haben, was unserer Standardtour auf den Brocken entspricht, komme ich natürlich nicht.
Ich entscheide mich dennoch den direkten Weg zu gehen, der Umweg über den „Col de Clapause“ erscheint mir zu weit. Der nun folgende Weg war leider nur in Teilen zu erkennen. In den steileren Passagen gut, in den Flacheren eine elende Sucherei mit GPS und Offline-Karte, wenn ich mich weit ab des Weges fühlte. Landschaftlich allerdings wunderbar, die Blumen ergänzt um Massen von Schmetterlingen. Aber es wird immer noch wärmer, trotz gewonnener Höhe.
Die Flurnamen sind putzig. Der „Colette de Chine“, also etwa „Kragen des Chinesen“ wird bezwungen. Ab hier bei ca. 1600m endet der Wald und die Schafsweideflächen beginnen. Es wäre aber schön wenn diese ihr Werk auch täten. Statt dessen ist hier das Gras über einen Meter hoch, von Weg kaum eine Spur. Leo und ich bahnen uns in Richtung Hütte voran. Nach 1,5h, es ist etwa 13:30, erreichen wir den Wegweiser in der Nähe der „Cabane de Chine“, eine gute Zeit, denn die ist auf dem nicht mehr vorhandenen Schild angegeben gewesen und ich halte diese Angaben für kaum erreichbar. Da ich davon nicht wusste, gibt es auch kein Lob für die gebeutelte Psyche, stattdessen Frust und Fragen wie es weitergehen soll. Leo entscheidet sich Wasser zu suchen und nimmt den Weg zur Hütte, wo er fündig wird. Also machen wir mal etwas Pause, im Stehen, zum Sitzen ist es irgendwie zu ungemütlich. Ich mache einen Plan. Falls der „Les Monges“, und davon bin ich überzeugt, nicht bezwungen werden kann, dann muss es wenigstens der Pass „La Croix Veyre“ sein, der höchste Punkt bei meinem Versuch im September. Davon trennen mich jetzt noch 200 Höhenmeter und 400-500m Wegstrecke. Ich nutze zunächst die Fahrspur um dann bald weglos den mäßig steilen Hang hinaufzusteigen, dort wo jetzt das Gras kurz ist. Meine Kräfte lassen jetzt in deutlich kürzen Abständen nach, hier einmal Verschnaufen, da Verschnaufen. Ich erreiche wieder eine Fahrspur, die in Richtung „Col de Clapause“ und zur Wasserstelle „Fontaine de la Toue“ führt und entscheide das Unternehmen zu beenden und dorthin zu wandern. Nach etwas Strecke sehe ich links von mir, oben am Hang, zwei Wanderer auf dem Wanderweg vom „Croix Veyre“ und habe den Eindruck doch näher am Ziel zu sein als vermutet und trete vom Rücktritt zurück. Weglos quere ich steil aufwärts zum Wanderweg den ich ein paar Minuten später erreiche. Jetzt geht es fast eben zum Pass, ich entspanne und bin doch ein bisschen Stolz, 500 Höhenmeter, geschafft in etwas mehr als zwei Stunden, geht doch! Ich erreiche den höchsten Punkt meiner Tour vom September. Damals feucht kalt, mit heranziehenden Wolken und äußerst ungastlich, erscheint er unter strahlend blauem Himmel und angenehmen Temperaturen heute ganz anders. Ich blicke die steile Flanke des „Les Monges“ hinauf und beschließe es zu versuchen. Es ist erst halb drei, zur Not könnte ich in der „Refuge de Seignas“ übernachten, das Wetter sieht gut aus, etc. pp. eben ein Zick-Zack-Kurs durch die Gefühlswelt.
Der Pfad ist im unteren Bereich noch gut zu erkennen, verliert sich dann aber völlig. Als ich etwas ratlos stehen bleibe, sehe ich von Oben ein älteres französisches Ehepaar, welches offensichtlich ebenso ratlos ist wie ich, sich mir nähern, weil sie offensichtlich mich auf dem Pfad wähnen. Ich komme ihnen entgegen, denn wo sie waren muss ja offensichtlich der Weg sein. Wir treffen uns und sprechen ein bisschen, er erklärt mir wo der Weg um die Felsen führt und warnt mich vor den steilen Abbrüchen. Die Beiden sind von der anderen Seite auf den „Les Monges“ gestiegen und beschweren sich über die schlechten Wegeverhältnisse auf dieser Seite.
Diese Unterbrechung bewahrte mich vor weiteren Zweifeln bezüglich meines Vorhabens und so steige ich, etwas erholt, weiter auf. Ziemlich oben angekommen muss ich den Weg um die Felsen herum finden. Dabei entdecke ich ein größeres Stück mit vielen Edelweiss. Es sind soo viele, ich versuche mich zu erinnern ob ich jemals ein Edelweiss gesehen habe. In jedem Fall niemals so unglaublich viele. Ich nehme das als ein gutes Zeichen, umrunde die letzten Felsen und stehe oben auf der Hochebene. Ein gutes Gefühl, der weite Blick, der allergrößte Teil des Aufstiegs liegt jetzt hinter mir, ein sanfter Wind, angenehme Temperaturen, ich entspanne. Gemächlich überquere ich die Hochebene. Zuletzt heißt es noch direkt an der Abbruchkante nach Norden den richtigen Steinhaufen zu identifizieren, welcher den Gipfel markiert. Dann, nach etwa 4,5h ist es geschafft, der Berg liegt mir zu Füßen.
Leo verputzt sein verdientes Futter, wir teilen brüderlich die übrigen Kalorien (mit Ausnahme der Schokolade) und füllen das verschwitzte Wasser in unsere Körper nach. Wie kaputt ich tatsächlich bin, fällt mir erst auf, als ich mich beim Aufbrechen überwinden muss ein Satz Fotos für ein Panorama zu machen.
Es ist viertel vor vier als wir wieder aufbrechen. Wir traben die Hochfläche hinunter, umrunden die paar Felsen, verabschieden uns von den Edelweiss, genießen den unverstellten Blick auf die weiten Berge. Dann beginnt der Abstieg zum „Croix Veyre“. Hier helfen jetzt die Wanderstöcke deutlich in Stabilität und Entlastung für die Knie. Unten sieht man den Wegweiser, er kommt näher. Beim Pass, ein kurzer Blick nach Westen, dorthin ging es im letzten September, jetzt aber rüber zum „Col de Clapause“. Der Weg führt quasi eben am Hang entlang bis zur Wasserstelle „Fontaine de la Toue“. Etwa 50m vorher scheint Leo sich zu erinnern, oder habe ich die Worte „Wasser“ und „Such!“ gesagt?, jedenfalls flitzt er los und findet Wasser. Im Gegensatz zum letzten Mal erscheint das Wasser äußerst sauber und klar. Ich nutze die Gelegenheit auch etwas zu trinken, allerdings aus der Flasche, das Wasser sollte wegen der Schafe nicht ungefiltert getrunken werden. Später als uns das Wasser etwas knapp wird, ärgere ich mich, nicht hier die Flaschen für das Hundewasser gefüllt zu haben.
Bald geht es weiter, der Wanderweg umrundet den Hang auf gleicher Höhe, während die Fahrspur oben rüber führt, fast hätte ich den Wanderweg wieder verpasst. Kurz darauf kommt der „Col de Clapause“ in Sicht. War der wirklich soweit unten? Weitere 120 Höhenmeter geht es am grasigen Hang runter. Bald stehe ich am Pass. Blick zurück zum „Les Monges“ und zu den Bergen im Norden. Jetzt geht es an den steilen Abstieg, 300 Höhenmeter am Stück. Zuerst über schiefer-ton-artiges Gestein, dann auf sehr schönem, bestens gebautem Wanderpfad. Ich überlege ob ich den kleinen Abstecher zur „Refuge de Seignas“ machen soll, dort gäbe es Wasser für den Hund, eine Bank zum Sitzen. Aber als die Hütte in Blickweite ist, stelle ich fest, dass dort Gäste sind und ich verwerfe den Gedanken. Also weiter runter, immer runter. Die Knie meckern jetzt vernehmlich, die Steinchen rutschen, die Temperatur steigt mit jedem Meter abwärts und in den windstillen Passagen fallen wieder die Fliegen über uns her. Bald nähert sich der Talboden, diesmal will ich aber wirklich den Weg nicht verpassen. Es ist aber wie verhext! Ich strande schon wieder im Unterholz, kämpfe mit dem Geröll im Bach. Immerhin ist der Hund zufrieden, der sich abkühlen kann. Letztlich finde ich den Weg wieder und erreiche endlich das Dörfchen „Vaux“.
Das Internet ist völlig überlastet. Alle Verbindungen werden offensichtlich über die Basisstation auf dem Blayeul aufgebaut, und die ist reichlich beschäftigt. Auch das Versenden von SMS funktioniert nur gelegentlich. Immerhin erreicht eine dieser Nachrichten meine Frau und sie macht sich auf den Weg zum Treffpunkt, den ich äußerst optimistisch eine halbe bis dreiviertel Stunde zu erreichen hoffe, aber erst eine Stunde später tatsächlich erreichen werde.
Was zieht sich das Dörfchen in die Länge, das Auto steht immer noch auf dem Parkplatz und ruft mir zu „hier könnte Dein Wagen stehen“. Der Straßenhatsch nimmt kein Ende, ganz im Gegensatz zu den Wasservorräten. Die Sonne brennt, die Fliegen brummen, meine Lust aufs Wandern ist völlig verflogen. Leo trottet mir nur noch hinterher, auch er mag nicht mehr. Weiter unten kommt wieder Wasser an den Weg und so bessert sich Leos Laune weil er trinken und sich die Füße abkühlen kann. Das Tal wird enger, jetzt, so denke ich, nur noch über die Brücke und gleich sind wir da. Aber die Brücke kommt und kommt nicht, immer noch eine Biegung extra. Dann endlich über die Brücke, jetzt müssten wir aber gleich an der Straße sein, das selbe Spiel, Kurve um Kurve zieht sich die Tour in die Länge. Dann endlich sind wir unten. Leo trabt zum Auto, ich lasse mich auf den Beifahrersitz fallen. Die Uhr zeigt 18:30, es ist geschafft.
 
Ist ein 2115m hoher, besser niedriger, Berg diesen Aufriss wert? Gibt es keine lohnenderen Ziele? Warum die ganze Schinderei?
Auf diese Fragen gibt es keine einfache Antworten. Ihr alle wisst warum man auf Berge steigt, na, weil sie da sind! Und wenn es einfach wäre, würde es jeder machen, das Ergebnis kann man u.A. in Chamonix auf der Aiguille du Midi bestaunen - und sich mit Grausen abwenden. Insofern ist die Plackerei nur der angemessene Preis für die unglaubliche Einsamkeit, die in Mitteleuropa kaum noch erlebbar ist. Und ja, ich glaube der „Les Monges“ ist den Aufriss wert, ein ganz gewöhnlicher, dennoch außergewöhnlicher Berg. Besser ist es natürlich, oben in der „Refuge de Seignas“ zu übernachten und morgens ganz früh auf den „Les Monges“ zu spazieren. Noch schöner wäre es aber, dort oben die Nacht zu verbringen, dass muss dann wirklich unglaublich schön sein.

Praktische Hinweise:
Der Gipfel des Les Monges liegt auf Blatt 3339ET der IGN Top 25 Karte, der größte Teil der Tour auf Blatt 3439 ET. Die Karten sind äußerst genau und decken einen großen Bereich ab. Allerdings ist der Preis von 12,- Euro auch nicht gerade billig. Alternativ kann man sich die Karte vom Französischen Geoportal zu ziehen und in kleineren Stücken auszudrucken. Der nachfolgende Link führt zur Karte im Stil der IGN Top 25 und ist auf den "Les Monges" zentriert. In der Menüleiste rechts oben findet sich ein Druckersymbol. Man kann dann einen Titel eingeben und das Format wählen. Weiter mit "Previsualiser", welches in ein Druckervorschaufenster überführt. Dort kann der Bildausschnitt gewählt werden. Das Drucken erfolgt in ein PDF-Dokument, welches anschließend heruntergeladen wird.
http://www.geoportail.gouv.fr/accueil?c=6.19417,44.26278&z=0.00005&l=GEOGRAPHICALGRIDSYSTEMS.MAPS.3D$GEOPORTAIL:OGC:WMTS@aggregate(1)&permalink=yes

Tourengänger: Ekkehard


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