Kehäpää (491m) - Einsam unterwegs auf über 100km per Kanu und zu Fuss an der Grenze zur Arkis


Publiziert von Mistermai , 4. August 2013 um 18:51.

Region: Welt » Finland » Lappland
Tour Datum:23 Juli 2013
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: FIN 
Zeitbedarf: 4 Tage
Aufstieg: 500 m
Abstieg: 560 m
Strecke:Ivalon Matti - Kultala (=Verlassene Goldgräbersiedlung) - Kehäpää - Kultala - Ivalo (100km, grösstenteils per Kanu)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Per Flugzeug nach Rovaniemi, dann per Auto nach Ivalon Matti

491m? Ist ja nichts - Könnte man denken, doch wenn man beachtet, dass es sich um den zweithöchsten Gipfel der Region handelt, der nur in mehreren Tagen mit Kanu und zu Fuss erreicht werden kann, tönt's plötzlich interessanter - Abenteuer garantiert!

Prolog
Um bei den ehrlichen Tatsachen zu bleiben, muss ich eingestehen, dass die ganze Expedition nicht auf diesen Gipfel sondern auf die Befahrung (mit dem Kanu) des Ivalojoki (160km langer Fluss in Lappland) ausgerichtet war. Die Besteigung dieses vermeintlichen Hügels, der wohl so manchen Gipfel in den Schatten stellt, war also eigentlich mehr eine Zugabe. Der Weg war das Ziel!

Zu dritt und mit ca. 70kg Gepäck planten wir, in unserem Kanadier (offenes Kanu mit Stechpaddeln), den Ivalojoki zu befahren.
Dies war eine relativ ehrgeizige Idee, denn der Fluss wartete mit sehr vielen Stromschnellen auf (Bis zu WW III), was für ein solch schweres Gefährt schon ziemlich ehrgeizig war. Ausserdem verzichteten wir auf die Zusammenarbeit mit einer Kanuagentur und arbeiteten mit Karten aus dem Internet (ähnlich wie map.geo.admin.ch), dass darauf zwar Stromschnellen eingezeichnet, deren Schwierigkeitsgrad aber nicht vermerkt waren, stellte sich dann später auch als eher unpraktisch heraus.

Hauptteil
Zu dritt starteten wir in Ivalon Matti, einem abgelegenen Dorf weit nördlich des Polarkreises auf unser Abenteuer. Die ersten zwei Tage schlängelte sich der noch sehr kleine Fluss unspektakulär durch knorrige Birkenwälder und Sumpfgebiete dem Mittelgebirge entgegen. An diesen ersten zwei Tagen begegneten wir keiner Menschenseele. Während die Temperaturen mit 15-20C eher etwas zu wünschen übrig liessen, konnten wir feststellen, dass es praktisch keine Stechmücken gab (eine unserer grössten Sorgen bei der Planung).
Die Nächte waren sicherlich das herausforderndste: So weit im Norden taucht die Sonne auch Mitte Juli höchstens kurz hinter einem Hügelchen unter, scheint also beinahe 24h. Da wir in den Nächten wild biwakierten, mussten wir darauf achten, dass wir unsere Zelte im Schatten aufstellten, um zumindest nicht in der prallen Sonne schlafen zu müssen.
Das wichtigste Utensil in der Nacht: Eine Uhr. Es gibt nichts unangenehmeres, als wenn man aufwacht - natürlich taghell - und keine Ahnung hat, ob Mitternacht oder 9 Uhr morgens ist.
Die grösste Herausforderung waren die Stromschnellen: Obwohl der Fluss zu einem grossen Teil kaum Strömung hatte, legten wir in unzähligen Stufen von Stromschnellen mehr als 80 Höhenmeter zurück. Mehrfach mussten wir unser Kanu ausschöpfen, weil grosse Wellen hinein geschwappt waren, doch gekentert waren wir nie. Immerhin kündigten sich die Stromschnellen immer von weitem mit lautem Rauschen an – in einer sonst so stillen Gegend unüberhörbar.

Am dritten Tag sollten wir endlich an unserem ersten grossen Ziel eintreffen: Kultala. Dies ist eine  Goldgräbersiedlung aus dem Jahre 1870, erreichbar nur per Kanu oder zu Fuss. Zum Höhepunkt des Goldrausches lebten bis zu 100 Leute in den dunklen Blockhütten, von denen auch heute noch einige stehen und sogar gepflegt und unterhalten werden.
An diesem Ort trafen wir dann auch zum ersten Mal überhaupt auf andere Paddler. Nach dem wir um die Mittagszeit unser Lager errichtet hatten, machten wir uns zu Fuss auf Richtung Gipfel, im Wissen, dass wir garantiert nicht von der Dunkelheit überrascht werden.

Die geplante Wanderroute erstreckte sich über 2 Vorgipfel zum Kehäpää. Zuerst konnten wir noch ca. 1km einem gut ausgetretenen Pfad folgen, um anschliessend auf eigene Faust weiterzugehen. Gehtechnisch einfaches T2-Gelände, unglaublich schwierig ist allerdings die Orientierung. Mit Schrecken musste ich feststellen, dass mein Suunto-Kompass (wohlgemerkt finnisches Fabrikat) so weit im Norden nicht funktionierte und musste somit alleine mit der Karte arbeiten.
Diese sind in Finnland zwar erstaunlich genau, doch solange man sich in flachen Wäldern bewegt ist es extrem schwierig, die Richtung zu halten und Auffanglinien (sofern irgendwelche vorhanden sind) zu treffen. Die Gefahr sich ohne Handyempfang unglaublich weit zu verirren beunruhigte uns ein wenig. Unsere grösste Hilfe war jedoch die Hangneigung die nach und nach einsetzte.
Die Vegetation veränderte sich immer wieder von Birkenwald zu Nadelwald zu Tundra und dies unabhängig der Höhe.
Doch irgendwann wurden die Büschchen immer kleiner und der Boden immer felsiger und schliesslich standen wir auf dem Kehäpää – zu unserer Überraschung neben einem massiven Steinmann.
Die Aussicht war unbeschreiblich (Siehe Bilder). Nordseitig weite Tundraflächen, südseitig unendlich viel Wald und nirgends Zeichen der Zivilisation.
Den Rückweg fanden wir nur mit Glück auf Anhieb und waren doch sehr froh, als wir unsere Zelte wieder erblickten. In den nächsten zwei Tagen gings dann weiter auf dem Ivalojoki bis nach Ivalo, der grössten Siedlung der Region, mit immerhin 4000 Einwohnern.

Epilog
Eine absolut lohnenswerte Tour! Allerdings ungeeignet für Kanu-Unerfahrene. Der Gipfel als solches  lässt sich auch ohne Kanu-Tour besteigen - als long-distance trekking. Die Region erinnert stark ans nördliche Kanada bzw. Alaska und ist für Europa (ausgenommen Russland) absolut top in Sachen Wildniss und Einsamkeit!

Das T4 ist übrigens etwas Weit hergeholt und kommt einzig durch die schwierige Orientierung zu stande.

Tourengänger: Mistermai


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Kommentare (6)


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TeamMoomin hat gesagt: Schöne Tour
Gesendet am 4. August 2013 um 21:48
habt ihr da gemacht und vom zweithöchsten "Berg" der Gegend ist die Aussicht ja echt atemberaubend! Und auch der höchste ist zb. im WInter nicht ohne (Siehe Berichte). Eben "Berge" die mans ich verdienen muss.
Wie habt ihr die Kanandier nach Finnland transportiert?

Lg Oli und Moomin

Mistermai hat gesagt: RE:Schöne Tour
Gesendet am 5. August 2013 um 07:38
Ja es war wirklich eine überraschend gute Aussicht. Mit Gegend meinte ich übrigens nicht ganz Lappland ;-) im Umkreis von >50km gibt es durchaus auch höhere Gipfel (wobei auch <550m).

Den Kanadier hatten wir in einem "nahegelegenen" Jugendsportzentrum nördlich von Inari gemietet (immerhin mehr als 100km nordöstlich des Ivalojoki). Dieses wurde uns von der lokalen Tourist Office vermittelt. Lustigerweise hatte das Jugendsportzentrum nie zuvor Kanus an Privattouristen vermietet ;-)
Ausgesetzt wurden wir dann von meinen Eltern, die gleichzeitig einen Roadtrip ans Nordkap machten.
Es gäbe auch eine Agentur die Transport und Kanus anbietet, allerdings unserer Meinung nach zu ziemlich stolzen Preisen.

TeamMoomin hat gesagt: RE:Schöne Tour
Gesendet am 5. August 2013 um 12:58
Also der höchste der Region ist ja der Kilopää klar sonst gibts ja einige höhere in Finnland.

Aha ok das geht so sicher besser denn die von hier bis hoch nach Finnland zu kriegen wäre sicher nicht einfach.

Gruss Oli und Moomin

Mel hat gesagt:
Gesendet am 5. August 2013 um 17:46
wunderbare tour und toller bericht & fotos!

Mistermai hat gesagt: RE:
Gesendet am 5. August 2013 um 18:02
Danke!
Ich bin immernoch ein wenig am Träumen, während mir der Schweiss runterläuft - Die Aklimatisation hat auch nach beinahe 48h in der Schweiz noch nicht stattgefunden ;-)

Mel hat gesagt: RE:
Gesendet am 5. August 2013 um 18:08
haha, das glaub ich dir sofort. bei mir ists noch nach über zwei wochen nicht besser ;-)


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