4 Tage in der 'Muela de Corte'


Publiziert von GRAFIXs , 3. Dezember 2010 um 20:03.

Region: Welt » Spanien » Valencia » Valencia
Tour Datum:15 Juni 2009
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: E 
Zeitbedarf: 4 Tage
Aufstieg: 2600 m
Abstieg: 2900 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Ausgangspunkt Ayora
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Endpunkt (geplant) Bicorp
Unterkunftmöglichkeiten:Hostal, Zelt

Der Mühlstein
Eine 4-Tage-Wanderung
Prolog
„15. - 21. Juni 2009, Tour“ - so steht es in meiner Agenda. Eigentlich zu warm um hier im Süden zu wandern. Ich hoffte jedoch in dieser Jahreszeit auf stabiles Wetter und die geplante Tour führte mich meistens über Höhen von 800 Meter; ich konnte also mit etwas Wind zur Abkühlung rechnen.
Meine Vorbereitungen begannen schon letzten Herbst, gleich nach der 3-Tage-Wanderung durch die Sierra de Enguera.
Nebst dem körperlichen Training - mittlerweile hatte ich über 1000 Kilometer in den Beinen - beschäftigte ich mich intensiv mit der Kartenplanung und Navigation in diesem Gelände. Eines war sicher, nur auf Material aus Google Earth wollte ich mich diesmal nicht mehr verlassen. Die Aufnahmen waren zu alt und auch zu ungenau, oft konnte man nicht zwischen einem Felsband, einem Grosswildpfad oder Fussweg unterscheiden.
Die moderne Technik liefert mir die nötige Unterstützung. Mit einem 3 1/2 Zoll GPS und darauf gespeicherter topografischer Karte war die Planung relativ einfach.
Aus unterschiedlichen Quellen trug ich Karten- und Routenmaterial zusammen und fügte sie auf der elektronischen Topo-Karte im PC zu einer mir passablen Route zusammen. Noch eine Variante hier und eine da, schlussendlich wurde die definitive Route auf das GPS übertragen und es konnte losgehen.
Der Rucksack stand schon einige Tage vorher bereit. Darin verstaut waren unter anderem sämtliche benötigten, geladene Batterien, die Zwischenverpflegung und - sehr wichtig - die Wasserflaschen.
10 Kilogramm Gepäck hatte ich mir vorgenommen, schlussendlich wurden es 12 - ich muss sagen, im wahrsten Sinne des Wortes „erträglich“.
Mein Ziel
Eine Teil-Umrundung des Naturreservates „Muela de Corte“ stand im Vordergrund. „Muela“ steht hier sicher für Mühlstein, denn der Rio Jucár umspült dieses riesige Gebiet wie ein Mühlstein - das meine Erklärung. Nicht die Strecke, sondern das Gebiet selber, mit dem höchsten Berg des Landes Valencia, dem Caroch (1120m), den beeindruckenden Fichtenwälder im Süd-Westen, den bizarren Felsschluchten im Norden und Osten, durch die sich einst der Rio Jucár zwängte und heute durch verschiedene Staustufen gebändigt und zur Elektrizitätsgewinnung genutzt wird, hat dadurch sicherlich nichts von seiner Imposanz verloren.
Die letzten 30 Kilometer würden mich durch „Maccia“-Gebiet und zum Schluss durch Kulturland mit Olivenplantagen führen.
Auf dieser Tour, ausgehend zwischen Ayora und dem Berg Caroch, würde ich die Dörfer Corte de Pallas, Dos Aguas und Millares passieren, bis ich am Ziel in Bicorp ankommen werde. Alles in allem zwischen 100 und 130 Kilometer, je nach Variantenwahl.
Der 1. Tag, Montag
13,53 Km, 5 Std 12 Min, Alt. Min. 702m, Alt. Max. 1025m
Um 6 Uhr fuhren wir los und waren um 9 Uhr in Ayora. Die Gelegenheit für ein Abschieds-Kaffee mit meiner Frau Ruth gab es nicht. Das kleine Städtchen war eben erst am Erwachen.
Also wieder rein ins Auto und diesmal „9+10“, und zwar korrekt, d.h. nach 9,1 Kilometer auf der CV 590 links in den Camino de Caroch einbiegen, ein unbefestigter Weg. Dem folgend immer in Richtung Gebirge. Nach 10 Kilometer wies uns das GPS darauf hin, dass wir uns etwa 100 Meter neben meinem geplanten Startpunkt befanden - schon gar nicht schlecht!
Noch ein paar Fotos - Abschied von Ruth und auf ins Ungewisse…
Erst die 100 Meter an den richtigen Start und von nun an - zeig GPS was du kannst, respektive zeig, was Juan dir beigebracht hat und wozu du fähig bist!
Die ersten paar Kilometer war bequemes Warmlaufen. Leichter Aufstieg in angenehmer, zum Teil bewaldeter Umgebung.
Dem Gebirgszug des Caroch folgend immer höher, bis zu der Abzweigung, wo der Weg zum eigentlichen Gipfel und der darauf stehenden meteorologischen Warte führte. Mein Ziel war nicht der Gipfel, den kann man auch mit dem Auto „bezwingen“, sondern der weitere Weg. Hier befand ich mich am höchsten Punk meiner Wanderung auf 1025 Meter.
Vorbei an zwei Löschwasser-Depots, eines mit Quellzufluss, wo ich natürlich sofort meine Wasservorräte ergänzte, dann ein ungeplanter Schlenker wegen Abejas (Bienenkästen) und einem weiteren wegen unbefugtem Betreten von Privatgrund. Eigentlich war ich mir gar nicht bewusst, dass ich öffentlichen Boden verlassen hatte. Der unmissverständlichen Aufforderung des Grundbesitzers, sofort seinen Grund und Boden zu verlassen, leistete ich ohne Widerspruch Folge, da seiner Aufforderung noch ein „sonst lasse ich die Hunde los“ folgte - das war eindeutig. Das Schild, worauf er mich hinwies, mit der Aufschrift „El Santis, Finca Privada“ konnte ich gar nicht gesehen haben, denn ich kam aus einer anderen Richtung auf einem Feldweg. Egal - kleiner Umweg.
Nach ein paar Kilometer auf unbefestigtem Pfad, jetzt immer leicht abwärts in abwechslungsreichem Gebiet, stand ich plötzlich vor einem grossen Wasserreservoir. Rucksack zu Boden und Inspektion. Aus einer Eisenröhre die den Hang runter führte, kam mindestens 50° heisses, von der Sonne aufgeheiztes Wasser. Zu heiss um zu trinken, gerade gut um den Schweiss von Händen und Kopf zu waschen. Im weiter entfernteren Teil des „Pools“ entdeckte ich Goldfische! Wer die da reingetan hat und wozu? Das Wasser war so klar und einladend, ich musste ein kleines Vollbad nehmen - man stelle sich vor - mitten in der Pampa ein Privatpool für mich allein - Entschuldigung - für mich und die Fische.
Ich beschloss etwas unterhalb, uneinsehbar vom Wege, zu campieren.
Zelt aufstellen, Schlafmatte und Schlafsack ausrollen, Zelt wieder schliessen und nochmals ein Bad - herrlich. Nach einer kleinen Verpflegung war ich bereit für ein Nickerchen. Bevor ich mich definitiv ins Zelt zurück zog betrachtete ich meine Beine und - iihh - was krabbelt denn da? Flache rundliche Körper mit 6 Beinen - Sch… - Zecken! Einzeln las ich die Dinger ab und schnippte sie ins Gras zurück.
Als ich sicher war, meine Beine von den lästigen Anhängseln befreit zu haben, verkroch ich mich im Zelt, nicht ohne nochmalige Inspektion meiner Hautoberfläche. Erst jetzt im Zelt liegend, auf Augenhöhe mit dem Gras draussen, sah ich durch die Einstiegsöffnung, dass diese Dinger auf den Grashalmen rumturnten und nur auf meine Waden warteten.
Später in der Dämmerung sah ich am gegenüber liegenden Hang „mein“ erstes Mufflon (Wildschaf). Es schnalzte mich verärgert an - du Eindringling!
So, das Zelt war dicht und es stand einem erholsamen Schlaf nichts mehr im Wege, allerdings nicht ohne vorherigen Versuch, eine Mobil-Verbindung mit Ruth aufzubauen. Wie geahnt, gab’s keinen Mobilempfang, trotzdem gute Nacht und bis Morgen.
Der 2. Tag, Dienstag
24,17 Km, 8 Std 22 Min, Alt. Min. 420m, Alt. Max. 1014m
Um 6 Uhr durch mein Handy geweckt, Morgenbad (schon fast wie zuhause), Zelt abbrechen, Zecken abschütteln und zurück auf den Weg. Erst jetzt setzte ich mich auf einen Stein um etwas Energie aufzunehmen. Wasserflaschen auffüllen, nachdem in der Nacht das aus der Röhre strömende Wasser auf eine erträgliche, trinkbare Temperatur abgesunken war.
Bald wusste ich auch, wozu der abendliche etwas mysteriöse Besuch mit dem Auto diente, nämlich den Goldfischen Brotreste ins Wasser zu kippen. Aber wozu eigentlich Goldfische in dieser abgelegenen Gegend - dies blieb mir ein Rätsel?
Ich machte mich wieder auf den eigentlichen  Weg um kurz darauf an meinem effektiv geplanten Camp anzukommen - wäre nur 1 Stern gewesen!
Angenehm warm unter leicht bewölktem Himmel nahm ich den Aufstieg vom Tal auf den Hügelkamm in Angriff. Es waren etwa 300 Meter Höhendifferenz zu bewältigen. Zum Teil von Wegmarkierungen geführt, zum Teil erahnt, ging es durch ziemlich frisch gesäuberten Wald aufwärts. Oben angekommen, die Sicht war jetzt leider durch Nebel beeinträchtigt, begann der angenehm flache Forstweg durch Fichtenwald und Wachholderbüsche.
Mittlerweile hatte ich wieder Kontakt mit der „Aussenwelt“, so konnte ich sorglos weiterwandern und Ruth beruhigt zum Flughafen fahren, um ihre Freundin Marlies aus der Schweiz abzuholen.
Noch zwei Mal kam ich an einem Wasserdepot vorbei, d.h. Arme und Kopf eintauchen sowie meinen Hut komplett mit Wasser durchtränken. Da mir das Wandern in dieser herrlichen Umgebung besser gefiel als in offenem Gelände, entschloss ich mich, dem „Camino de Ayora a Cortes de Pallas“ noch ein Stück zu folgen.
Einige Kilometer später musste ich dann unweigerlich nach rechts abbiegen, um nicht zu weit von meiner Route abzukommen. Auf einer Asphaltstrasse marschierte ich Richtung „Depósito de la Muela“, vorbei an einem Forsthaus, das schon eher wie eine Villa aussah. Das Riesengelände ums Forsthaus war eingezäunt und diente wohl früher der Aufzucht von Wild, denn die Futterkrippen waren immer noch aufgestellt.
Jetzt sah ich in der Ferne den Rand einer „Riesenpizza“. Ich hatte mir vorgestellt, dass dieses Depósito in einer natürlichen Senke wäre, stattdessen war der ganze Rand aufgeschüttet worden. Man stelle sich vor, ein riesiges Wasserdepot von 20 Hektokubikmeter, 1,5 Kilometer lang und 900 Meter breit. Das Wasser vom Stausee des Rio Jucár wird hier hinauf gepumpt um dann in Druckrohren die im Tal liegenden Turbinen zu speisen - zur Stromerzeugung. So viel Wasser, nur leider baden konnte man nicht, denn das riesige Becken war mit Stacheldraht umzäunt.
Also schnell weg und wie sich gleich herausstellt, in eine total andere Welt.
Der Einstieg in die Berg-, Schlucht- und Felswandwelt von Cortes de Pallas war leicht zu finden. Der Abstieg von 800 Meter auf 400 war fantastisch. Vorbei am „Knopflochfelsen“ (Fels mit Durchblick) hinab ins Bachbett, wo Oleander blüht und das kristallklare Wasser eines Bächlein dahinplätschert. Auch ist das Rauschen eines der ersehnten Wasserfälle zu hören. Am oberen Wasserfall, direkt bevor er in die Tiefe stürzt, gab es eine natürliche „Badewanne“. Klar, dass ich da rein musste und genüsslich - umgeben von rosa Oleander - eine Weile vor mich hin planschte.
Weiter im Tal unten, bereits an einem Asphaltsträsschen, befand sich der zweite Wasserfall, der in einen smaragdgrünen See stürzte. Ein beliebtes Ausflugsziel der Einheimischen, inkl. Sandstrand, Grillplatz, Bänken und Tischen unter Bäumen und einem temporär WC.
Bei so viel Zivilisation roch ich schliesslich mein erstes Bier.
Draussen vor der Bar, wo Ruth und ich vor Jahren schon einmal sassen, genoss ich dann meine „Caña“. Nach dem Erkundigen betreffend Hostal wurde ich an ein Restaurant verwiesen, in dem ich sogleich ein Zimmer für eine Nacht belegte und  einen Tisch fürs Nachtessen reservierte.
Zimmer beziehen, frischmachen und Beine ausstrecken.
21 Uhr - ich war als Erster im Speisesaal - 23 Uhr, ich war als Erster wieder draussen. In der Zwischenzeit erschienen scheinbar alle Dorfbewohner, auch jene, die nur wenig Hunger hatten, der Speisesaal war voll, und das an einem Dienstag. Ich weiss nicht, ob das jeden Tage so ist, könnte es mir vorstellen, denn ein Zimmer mit Frühstück und Nachtessen - all inklusive für 29 €! - wo gibt es das schon?
Geschlafen hatte ich wunderbar, d.h. nachdem mein Zimmernachbar per Telefon alle seine „Kaninchen“ oder was auch immer endlich verkauft hatte und Ruhe einkehrte.
Der 3. Tag, Mittwoch
27,17 Km, 13 Std 09 Min, Alt. Min. 277m, Alt. Max. 692m - wovon 9 Km mit Auto
Diesen Teil meiner Wanderung hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt.
Inspiriert von einem Mountainbiker wählte ich diese Strecke von Corte de Pallas  bis in die Gegend von Otonel. Was ich einem richtigen MBX’ler jedoch nicht zugetraut hätte, diese Tour als MBX-Tour ins Internet zu stellen! Weil x Kilometer Asphalt (was am Morgen früh noch zu bewältigen war), doch je länger der Tag, desto stärker die Hitze, auch von unten, denn seit gestern brennt die Sonne wieder ohne Filter, sprich angenehmer Fichtenwald.
Der Vorteil jedoch beim Wandern auf geteerter Strasse ist, man muss nicht jeden Schritt kontrolliert machen und kann die Gegend umso mehr geniessen. So erlebte ich es auch auf dem Anstieg zum 800 Meter hohen Übergang ins Tal von Otonel.
Bis dahin hatte ich den Rio Jucár nur als Stausee gesehen. Was mir jetzt geboten wurde war absolut Natur pur. Gefaltete Hügel, „gequetschte“ Berge, aufgetürmt zu Lamellen oder Kegel, dann tief unten das Blau des Flusses. Da will ich runter, nur ist es noch nicht so weit  ich muss noch einiges Gelände überwinden.
Eine letzte kleine Rast unter einem Olivenbaum, mittlerweile steigt die gefühlte Temperatur auf „sehr heiss“ wobei ab jetzt  -  wie ich unschwer erkennen konnte - kein Schatten mehr in Sicht war!
Das Kartenmaterial, das ich mir ausgedruckt hatte und wo ich auch meine Tour eingezeichnet habe, sagte ganz deutlich: „ab hier für ca. 280 Meter kein Weg“.
Ich hatte mir diesen Abschnitt x-mal in Google Earth angesehen und deshalb diese warnende Bemerkung reingeschrieben.
Also machte ich mich auf das Schlimmste gefasst - es kam jedoch noch schlimmer!
Dirigiert von ein paar Strommasten stieg ich an den Rand des Olivenhaines hoch, um alsbald im Dickicht von Stechginster, Stechpalmen und sonstigem stachligem und schneidendem Kraut bis über den Kopf zu versinken. Mit Hilfe meiner Wanderstöcke versuchte ich mir, wie ein Slalomfahrer, die heran peitschenden Wedel der verschiedenen Büsche von Leib und Extremitäten fern zu halten. Ich glaube mit Schienbein- und Unterarmschonern, wie die Skifahrer sich schützen, wäre ich hier besser angezogen gewesen. Mittlerweile hatte ich bis zu den Knien hoch und von den Ellenbogen zu den Fingern zahlreiche Kratzer, Stiche, Schnitte und Schürfungen. Die dürren Blätter der Stechpalme sammelten sich zwischen Wanderschuh und Socke und trieben da ihr Unwesen. Die Stacheln des Ginsters brachen bei Berührung ab und piksten einfach weiter. Das Gemisch von Stacheln, Staub, Schweiss und mittlerweile auch Blut, brannte in der aufgerissenen Haut.
Ich wusste zwar vor diesem Abstieg was mich erwartet. Ich nahm zwei Mal Anlauf, aber was sollte ich machen? Erstens war da die Asphaltstrasse nach Otonel, zweitens dieser 280 Meter lange und zum Teil steile Abstieg auf den Weg, der mich zum Fluss und weiter nach Dos Aguas führen sollte. Unten am Fluss hätte ich mich erholen können, denn da war das zweite Camp vorgesehen.
Also kämpfte ich mich weiter, Meter um Meter, und plötzlich wie aus dem Nichts - husch - ein Getrampel, Geschnaufe und Geschnalze und da war es - das Wildschaf der Muela de Cortes. Ich weiss nicht wer mehr erschrocken war, immerhin hatte ich grad noch genügend Zeit ein Foto zu machen, bevor das scheue Tier endgültig im Gestrüpp verschwand.
Nach endlosen Metern, einer Rast inmitten von stacheligen Büschen, erreichte ich mit blutenden Schienbeinen und Unterarmen den angepeilten letzten Strommasten, an dem der rettende Weg vorbeiführte - was sag ich - der Weg ist in der Zwischenzeit ebenfalls geteert worden, zum Wohle der Fischer vermutlich, denn dieser Weg führt nur von Millares zum Fluss unterhalb der Staumauer. Dort ist die Furt und auf der andern Seite der aufsteigende Weg, oder ist der in der Zwischenzeit auch zur Strasse mutiert, nach Dos Aguas?
Da stehe ich nun mit aufgeschlitzten, brennenden Beinen und grüble - nach links wie geplant mit Camp am Fluss oder die Variante direkt nach Millares wo wieder ein Bett im Hostal auf mich wartet?
Ich entscheide mich in dieser unsicheren Lage für rechts in die Zivilisation und das war gut so, denn es stellte sich heraus, dass die ganze Trasse bis Dos Aguas asphaltiert wurde.
In der Zwischenzeit war es ganz schön heiss und nur ab und zu ein kleiner Algarrobo-Baum am Strassenrand, der begehrten Schatten spendete. Im Gegensatz zur anderen Strassenseite, da war nur nackter Fels.
Nach einiger Zeit entschloss ich mich für eine kleine Mittagsrast und den Weitermarsch auf kühlere Stunden zu verlegen. Also machte ich es mir direkt am Strassenrand unter einem Algarrobo „bequem“. Es dauerte nicht lange und ich döste ein.
Ein Autogeräusch riss mich aus meinem Schlummerzustand und vorbei tuckerte ein alter Peugeot. Nach ca. 100 Meter hielt er an, vermutlich diskutierten die Insassen „sollen wir oder sollen wir nicht“, und setzte nach einigem Zögern bis auf meine Höhe zurück. Auf der Fahrerseite stieg sie und auf der Beifahrerseite er aus. Sie fragte mich, (ich immer noch am Boden liegend), „können wir helfen?“ Ich antwortete prompt: „kommt drauf an - sie können mich nach Millares  mitnehmen“. „Sie wären aber auf dem Weg nach Dos Aguas“ lautete die Antwort. War mir auch egal, nur weg von hier und dieser Sch…Strasse. Also alles an Bord und los ging’s. Nach einigen Kilometer und kurvenreicher Strasse dann das Schild, das ich schon von unserer Reko her kannte, links DOS AGUAS – rechts MILLARES. Da fragte ich die Fahrerin ob sie mich nicht nach Millares bringen könnte. Das wäre zu weit, sie würden in Dos Aguas erwartet. Er nahm eine Strassenkarte hervor und prüfte die Distanz und bestätigte: „es ist noch weit“. Wenn ich mich aber richtig erinnerte, konnte es nicht weit sein, also versuchte ich es mit einem „Köder“, d.h. ich bot ihnen an, für die Fahrt zu bezahlen und siehe da - nichts war mehr zu weit! Um die nächste Kurve und bereits tauchten die ersten Häuser des Dörfchens auf - wusste ich es doch und mein Gehirn hatte scheinbar (noch) nicht gelitten. Jetzt nur noch eine Bar finden und mein wohlverdientes Bier geniessen. Den Beiden, es waren übrigens Studenten aus Valencia, gab ich für die wirkliche Hilfeleistung 10 €. Die Copa, zu der ich sie einladen wollte, hatten sie dankend abgelehnt - schliesslich wollten sie schnellstens nach Dos Aguas. Also stiegen sie ein, wendeten ihren Peugot und verschwanden mit Gehupe.
Drinnen in der Bar erkundigte ich mich nach einem Nachtlager. „Hier war früher mal ein Hostal“ hiess es zu meiner grossen Enttäuschung und die Albergue sei im Umbau (in der Saison!!), Campingplatz? Fehlanzeige, Essen? ja aber nur bis 21 Uhr.
Also „bestellte“ ich mir für 20 Uhr ein Bocadillo con Tortilla angereichert mit Tomaten und Schinken. In der Zwischenzeit ging ich auf Erkundungstour. Ausserhalb des Dorfes fand ich ein plätscherndes Bächlein, das in ein Bewässerungsbecken mündet. Zwar für ein paar Gemüsebeete gedacht, jedoch auch ideal für mich, Wasser, schattige Bäume und unweit des Dorfes - dieser Platz ist gebucht.
Zurück ins Dorf, um mein in der Bar deponiertes Gepäck zu holen und retour zu meinem vermeintlichen Nachtlager. Doch kaum angelangt, tauchte ein „Gemüsebauer“ auf, um die diversen Schleusen zu öffnen. Er blieb nicht lange, und so konnte ich meinen Rucksack deponieren, das Zelt aufstellen wollte ich erst nach dem Essen.
In der Bar bekam ich mein bestelltes Sandwich mit Tortilla. Genüsslich ass ich die Hälfte, den Rest liess ich einpacken - morgen ist auch noch ein Tag. Bestückt mit zwei Flaschen Wasser und einer Cola setzte ich mich auf eine Bank in einem kleinen Park auf der gegenüberliegenden Strassenseite. Ich beobachtete die Einheimischen und sie beobachteten mich. „De dónde viene y a dónde va“? (wo der wohl herkommt und wohin geht er?) werden sie sich fragen. Nie hat mich jemand direkt danach gefragt ausser den beiden Studenten aus Valencia. Die wollten alles wissen, ob ich Familie hätte, wo meine Frau jetzt wäre, was ich hier mache und wozu. In den Bergdörfern war man eher verschlossen, eigentlich wie in der Schweiz oder überall dort, wo die Menschen etwas abgeschieden leben.
Als es zu dämmern begann, machte ich mich auf den Weg zu meinem Rucksack. Das Nachtlager aufbauen konnte ich immer noch nicht, denn zuerst mussten die Schafe wieder zurück in den Stall. Unten am Flüsschen sass ihr Besitzer und paffte vor sich hin. Plötzlich stand er auf, pfiff kurz, so dass die Schafe mit Fressen inne hielten und sich Richtung Dorf in Bewegung setzten. Jetzt war ich allein.
Zelt aufstellen und Schlafsack ausrollen, die Schlafmatte erübrigte sich hier, denn der ausgesuchte Platz war dicht mit Laub bedeckt und angenehm weich. Noch ein letztes Mal zum Wasser um Gesicht, Hände und Füsse zu waschen und ab in die Federn, müde genug war ich.
In der Nacht wurde ich einmal von seltsamen Geräuschen geweckt, die mir klar sagten - hier bist du der Fremdling - denn dem Schauben nach zu urteilen waren hier Rehe auf dem Weg zum Bach.
Der 4. Tag, Donnerstag
6,8  Km, 2 Std 52 Min, Alt. Min. 327m, Alt. Max. 573m
Die Hälfte der Strecke sowie der Zeit hatte ich hinter mir. Was (leider) auch hinter mir lag, war das baumbewachsene Gebiet. Wie ich am Vorabend in der Bar der lokalen TV-Wettervorhersage entnehmen konnte, sollte es heute und in den nächsten Tagen über 30° im Schatten bleiben - aber eben - wo ist Schatten?
Der morgendliche Aufstieg zur Hochebene war angenehm. Der Pfad lag noch meist im Schatten der Felswand, die ich zu umrunden hatte. Weit oben im Fels hörte ich plötzlich bröckelnder Fels und als ich hoch blickte, sah ich eine Gämse mit ihrem Kitz rumturnen.
Oben angekommen und der vollen Hitze ausgesetzt, folgte ich dem Weg Richtung Bicorp, es stand zwar Quesa angeschrieben, doch das war dieselbe Richtung. Wanderwegmarkierungen wiesen mir zwar die Richtung, aber von Wanderweg keine Spur. Dieser endete nämlich auf einer Teerstrasse. Der dortige Holzwegweiser mit der Aufschrift „Quesa 21 Km“ besagte, dass die Wanderung von nun an auf Hartbelag statt fand.
So lief ich noch einige Kilometer den Beschilderungen folgend bis zu einer Abzweigung. Da musste ich mich entscheiden – Stopp oder weiter…?
Die plakatähnliche Beschilderung an der Strasse sagte mir deutlich, dass die urbanen Strassen neulich alle geteert wurden, finanziert von der Comunidad Valencia. Das war nicht gerade nach meinem Geschmack und Vorstellung, denn von hier aus und soweit das Auge blicken konnte, kein Baum, nur Maccia und Teerstrasse.
An dieser Abzweigung mit den letzten Pinien weit und breit, rief ich Ruth an und gab ihr meinen Standort durch - PV-580,  Km 42, die Strasse von Bicorp nach Millares.
Die Entscheidung, hier meine Tour zu beenden, war richtig, denn nach diesem Punkt hätte ich bei einem späteren Abbruch keine brauchbare Standortbeschreibung mehr an mein „Rettungsteam“ durchgeben können, da mich die Route abseits bezeichneter Wege oder Strassen runter in ein Tal geführt hätte, das heisst mit Sicherheit wieder kein Mobilempfang. Also machte ich es mir im Schatten bequem und wartete auf mein „Taxi“. 12 Uhr mittags, 31°  im Schatten, an der Sonne über 50°. Nach etwa 3 Stunden tauchte unser Auto mit Ruth und Marlies auf - die Erleichterung war auf beiden Seiten spürbar.
Und nun…
Im Nachhinein muss ich sagen: eigentlich schade, dass im letzten Teil der Schatten fehlte, der Asphalt wäre noch zu bewältigen gewesen. Ich glaube ich hätte noch weit laufen können, alles hat gepasst, die Kondition, das Gepäck und die Hilfsmittel, aber eben…
Was bei Abenteuern und Expeditionen in Kauf genommen werden muss ist das Ungewisse und das macht das Unterfangen ja so spannend und deshalb abenteuerlich.
So was ist heute noch möglich - nicht weit von 'zuhause'! Es lebe das kleine Abenteuer!
 
Im Juni 2009

Tourengänger: GRAFIXs


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Kommentare (1)


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bidi35 hat gesagt:
Gesendet am 8. Juli 2011 um 10:47
Hallo Juan
Nun hat der Juan auf Hikr auch ein Gesicht bekommen. SUPER!!
Habe deinen Bericht natürlich längst gelesen.
Superleistung...gratuliere:-))

Wenn du mich auf deinem Benutzerprofil als Freund beifügst, wirst du jeweils auch avisiert, wenn ich öppis Nöis verbrochen habe.

Liebi Grüess.
Bidi


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