Ras Dejen (4543 m) - höchster Berg Äthiopiens im Simien-Trekking


Publiziert von ju_wi , 4. Februar 2010 um 17:33.

Region: Welt » Äthiopien
Tour Datum:24 Dezember 2009
Wandern Schwierigkeit: T3+ - anspruchsvolles Bergwandern
Hochtouren Schwierigkeit: L
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: ETH 
Zeitbedarf: 14 Tage
Strecke:ca. 145 Trekking-km in den Simien Mountains
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Trekkingstart ca. 2 Gehstunden vor Lager Sankaber (bei Debark)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Trekkingende in Adi Arkay an der Straße Gondar-Shire
Unterkunftmöglichkeiten:Zelt in Campsites und privat / wild

Selam! Selam! - Tausend mal am Tag hört und erwidert man im Äthiopischen Hochland diesen Gruß. Meist sind es Kinder, die - wie von der Tarantel gestochen - neugierig zum Wegesrand gelaufen kommen, um eben "Selam!" zu sagen, eine Hand zu drücken oder - dann schnell nervig werdend - mit "Hello candy" oder "Hello money" etwas abzustauben versuchen...
 
Viele Touristen sind es noch nicht, die wie wir hier den spektakulären Simien Nationalpark durchwandern mit dem Ziel den Ras Dejen, den mehr als 4500 m hohen und höchsten Berg Äthiopiens zu besteigen. Nach Kili, Mt Kenia, Ruwenzori (und nach Höhenkorrektur des Ras Dejen von 4620 auf 4543 m nun auch Mt Meru) ist der Ras Dejen damit immerhin der fünfthöchste Berg Afrikas.

Wie sind wir hierhin gekommen?

1. Station Addis Abeba 24.12. - 26.12.09

Abends am 23.12. nehmen wir den Flieger von Frankfurt nach Addis Abeba. Morgens werden wir am Bole Airport abgeholt und zu dem leider etwas abseits der City liegenden Union Apart Hotel gebracht. Nach kurzer Ruhepause telefonieren wir mit Shif, mit dem wir im Vorfeld nach unseren Vorstellungen die Äthiopien-Reise geplant und abgestimmt haben und der uns für einen vernünftigen Preis die notwendigen Transfers, Inlandsflüge, Hotels, Guides und eben die Trekking-Crew organisiert hat.

Am Nachmittag trinken wir im Hotel einen ersten guten äthiopischen Kaffee - der Hauptexportartikel des Landes. Dann machen wir uns auf den Weg zur Bushaltestelle und in die Innenstadt von Addis, die immerhin auf 2400 m über Meereshöhe liegt und daher ein angenehmes Klima besitzt. Kaum das wir das Hotel verlassen haben setzt ein zunehmend kräftiger Regen ein. Wer hätte das gedacht, das unsere ersten Schritte in diesem als trocken und wüst bekannten Land von Regen begleitet wären? Auch die nächsten beiden Tage regnet es jeweils nachmittags ein paar Stunden, was für Addis im Dezember tatsächlich ungewöhnlich ist - aber das Klima ist ja bekannterweise weltweit durcheinander.

Neugierig fahren wir mit dem billigen Minibus in die City und nehmen erste Eindrücke dieser lauten, von Abgasen stickigen, 5 Mio. Einwohner zählenden, afrikanischen Großstadt auf. In den ersten 3 Tagen, die wir in Addis verbringen, schauen wir uns natürlich das National Museum mit dem berühmten Urmenschen-Fund Lucy an, einen "Lion Zoo" mit abessinischen Löwen, ein schön dargestelltes ethnisches Museum im Universitätsgelände. Vor allem verbringen wir jedoch viel Zeit auf den Straßen in verschiedenen Vierteln und beobachten die unterschiedlichsten Leute. Als Highlight nehmen wir in diesen 3 Tagen die Abende in traditionellen Restaurants mit entsprechendem Essen und traditionellen Musik- und Tanzausführungen wahr. Beide Abende sind wir im schönen Restaurant Karamara auf der Bole-Road - jeweils als einzige Europäer. Die Verständigung ist ohne englischsprachiges Personal dabei nur mit Händen und Füßen möglich.

Als wir am Abend des 26.12. den Weiterflug von Addis nach Bahir Dar nehmen, sind wir insgesamt nach den fast 3 Tagen froh, diese Stadt zu verlassen. Sie hat uns nicht besonders gefallen - unser Eindruck soll sich bei der Rückkehr im Januar aber bessern.

2. Station Bahir Dar - Tanasee 26.12. - 28.12.09

Abends spät gegen 23 Uhr kommen wir im Blue Nile Hotel in Bahir Dar an, der fast 300.000 Einwohner großen Stadt am gut 1800 m hoch liegenden Tanasee. Der Tanasee ist der Quellsee des Blauen Nils und ca. 6 mal so groß wie Bodensee und Genfer See - er ist der höchstgelegene See Afrikas und größte See Äthiopiens. Schon am Flughafen hatten wir gespürt, dass es hier 600 m tiefer gelegen einiges wärmer ist als in Addis. Leider machen wir im etwas schäbigen Hotel unmittelbar Begegnung mit Kakerlaken und wechseln sogar das Zimmer in ein höheres Stockwerk. Morgens werden wir vom Hotel abgeholt und zum Seeufer gefahren. Von einem Guide begleitet starten wir zu einer Bootsfahrt auf dem See, in der wir 2 Klöster besichtigen werden. Der Tanasee beherbergt an unzugänglichen Stellen des Seeufers und besonders auf den zahlreichen Inseln eine groe Anzahl von alten orthodoxen Klöstern, von denen einige zu besuchen sind. Nach gut 1 Stunde Bootsfahrt mit Motorboot legen wir an der bewaldeten, hügeligen Zege-Halbinsel an, die wohl auf dem Landweg recht schlecht zugänglich ist. Vom Steg spazieren wir zunächst gut 20 Minuten durch den Wald und kommen zu dem ca. 500 Jahre alten Kloster Ura Kidane Mihret, wo wir uns die Bauformen sowie die alten Gemälde interessiert anschauen.

Zurück am Bootssteg fahren wir weiter zum Kloster Kibran Gebriel auf einer kleinen bewaldeten Insel. Auch hier wird das Kloster vom Anlegesteg schnell zu Fuß erreicht. Hier sind die Wandgemälde im Kloster zwar neu - aber die Farben umso leuchtender. Gegen Mittag sind wir zurück von der interessanten Kloster-Tour und essen ein Injera (Nationalgericht aus Teff-Getreide Fladen mit Gemüsen, Chilisaucen und Fleisch) in einem lokalen Straßenrestaurant. Nachmittags besuchen wir den Markt von Bahir Dar bevor wir einen Abstecher zum Bezawit Hill unternehmen, von dem man nun im warmen Nachmittagslicht einen sehr schönen Blick auf den blauen Nil und den Lake Tana besitzt. Das wusste auch der langjährige Präsident Haile Selassie zu schätzen, der 1967 hier einen - heute altmodisch anmutenden - Palast erbauen liess, zu dem man hinlaufen kann, der aber 24 h bewacht wird und nicht zu besichtigen ist...

Am 2. Tag in Bahir Dar fahren wir morgens über 50 km staubige Schotterpiste zu den Tisissat Wasserfällen (engl. Blue Nile Falls) am Blauen Nil. Der Spaziergang im Umland, die Besichtigung der Fälle mit vielfältigen Pflanzen und Vögeln zählen für mich zu den schönsten Erlebnissen in Äthiopien. Das Ticket Office ist am kleinen Städtchen Tis Abay. Mit der Tankwa-Fähre fahren wir zunächst über den Blauen Nil. Hier leben auch Krokodile, die wir aber nicht zu Gesicht bekommen. Am anderen Nilufer wandern wir dann im bogen durch Felder und schöne Uferlandschaft zu der Stufe mit den Wasserfällen. Zunächst gehen wir zur Abbruchkante auf vulkanischem Gestein - danach wandern wir im Bogen die Stufe hinab und können die - nun in der Trockenzeit nicht viel Wasser führenden - Fälle von unten anschauen. Schade ist außerdem, dass die Äthiopier für ein Kraftwerk 90% des Nilwassers an dern Fällen vorbeileiten. Wohl nur zur Regenzeit verdienen die dann 400m breiten Wasserfälle den Titel "zweitgrößte Wasserfälle Afrikas" (hinter den Victoria-Fällen).

3. Station Gondar 28.12. - 29.12.09

Nachmittags fahren wir mit einem lokalen Minibus von Bahir Dar weiter nach Gondar. Gondar ist eine schöne ca. 2200 m hoch gelegene Stadt mit mehr als 200.000 Einwohnern, die 250 Jahre lang Königstadt und Hauptstadt war. Im 17. Jahrhundert errichtete König Fasilidas hier einen für Afrika architektonisch sehr ungewöhnlichen und interessanten Schlosskomplex. Recht passend wird das Gondar'sche Fasil Castle auch "African Camelot" genannt. Die Stadt Gondar hat uns sehr gut gefallen - sie war eigentlich von allen in Äthiopien besuchten Städten die angenehmste. Bei der Ankunft beziehen wir ein Zimmer im sehr empfehlenswerten Hotel Lämmergeier.

Am nächsten Morgen starten wir zu einem halbtägigen Besichtigungsprogramm in Gondar. Wieder steht uns dafür ein sehr kompetenter Guide mit guten Englischkenntnissen zur Verfügung. Für die Mobilität zwischen den Stätten sorgt eine "Badschadsch" genannte Moto-Rikscha, für die pro Strecke (je ca. 3 km) ungefähr 50 Cent fällig werden. Wir starten mit dem eindrücklichen Fasil Castle, das im Morgenlicht mit schönen Farben und Motiven aufwartet. Im Anschluss besuchen wir die Debrebirhan Selassie Church, die mit der "Holzdecke mit 100 Engelsgesichtern" (vgl. Fotos) ein Bildmotiv bietet, das in keinem Reiseführer Äthiopiens fehlt.

Nach Besuch der Kirche kehren wir kurz gegenüber in einen kleinen Shop ein, der der Schwester des Guides gehört und nehmen dort teil an einer Kaffeezeremonie. Nein, keine Abzocke - wie man denken könnte. Ich gebe zwar nachher ein paar Birr - aber ohne Aufforderung und mit der Antwort, dass das nicht nötig gewesen sei... Als letzte Stations des Besichtigungsprogramms stehen die Fasilidas Bäder auf dem Programm, die beim Timkat-Fest zu Ehren der Taufe Jesu mit Wasser gefüllt werden und ein Schwimmspektakel bieten sollen. Gegen Mittag verlassen wir Gondar mit einem Geländewagen-Transport.

4. Station Trekking Simien Mountains 29.12. - 06.01.10

Während unserer vormittäglichen Besichtigung haben Guide und Fahrer die verderblichen Vorräte eingekauft und so fahren wir mit den Trekkingvorräten beladen weiter in den Ort Debark, der 90 Fahrminuten entfernt am Rande des Simien-Nationalpark auf 2800 m Höhe liegt. Die Autofahrt dorthin ist schon spektakulär - aber nur ein kleiner Vorgeschmack auf die Landschaft, die uns in den nächsten Tagen noch erwarten soll ... In Debark werden wir in einer Lodge zum Mittagessen entlassen, während Abera, unser Guide, zum Park Headquarter fährt, um die Formalien zu erledigen und einen Teil der Crew zu treffen. Nach einem guten Injera und einem Spaziergang in dem Bergstädtchen Debark, in dem Abera lebt, fahren wir schließlich ergänzt um Koch, Assistent und Scout weiter in den Park hinein. Der Scout ist dabei ein obligatorisch für jedes Trekking im Nationalpark mitzunehmender, staatlicher Soldat, der die ganze Strecke gewehrbeladen begleitet. Auf Nachfrage bei Abera zu seiner Notwendigkeit kommt die ehrliche Antwort, dass er für den Schutz vor der freundlichen Landbevölkerung und den Tieren wohl eher nicht erforderlich sei, dass er aber ganz froh sei, dass die Regierung über diesen Zusatzverdienst, den der Scout kostet, nochmals ein Mitinteresse am Schutz des Nationalparkes habe. Eine kluge Antwort, wie ich finde ... Davon abgesehen, dass unser Scout sich in den kommenden 9 Tagen als sehr freundlicher und liebenswerter Mensch herausstellt, finde ich im Nachhinein sogar, dass er einen Mehrwert brachte, denn zum Einen begleitete er uns mit Abera auf der gesamten Trekkingstrecke und hatte so einen zusätzlichen Hilfeaspekt jeglicher Art - z.B. bei schwierigen Stellen bzw. besonders wenn jemand in Not oder Bedarfssituation geraten wäre. Außerdem konnten wir unter seinem Schutz in den Ortschaften, wo wir campten - v.a. Ambiko - getrost Sachen im Zelt lassen, die ich angesichts von zig streunender Kinder und Hunde sonst vielleicht am Körper behalten hätte ...

Unsere - ohne uns - nun 4-köpfige Crew (Guide, Scout, Cook, Assistant) sollte sich dann am nächsten Morgen bei Aufbruch vom 1. Camp noch um 3 Maultiere für die Lasten und 2 Maultierhirten erweitern. Schon eine ganze Menge Leute für das 9-tägige Trekking in der Wildnis, aber jeder hatte genug zu tun und außerdem ist es eine gute Entwicklungshilfe, wenn mehrere Personen eine sinnvolle Aufgabe erhalten...

Nach gut 1 Stunde Fahrt von Debark steigen wir gut 2 Gehstunden vor dem ersten Tagescamp in Sankaber aus dem Geländewagen aus und gehen im Nachmittagslicht noch ein Stück zu Fuß. Der Weg verläuft dabei in relativ flachem Gelände auf ca. 3200 m Höhe an der NW-Plateaukante entlang. Absolutes Highlight dieser ersten Trekkingstunden in Äthiopien ist die Durchquerung einer großen Gruppe Gelada-Paviane. Es sind übrigens die einzigen komplett vegetarisch lebenden Primaten der Erde. Die Tiere sind überhaupt nicht scheu und lassen uns praktisch in Berührungsreichweite passieren, während sie friedlich grasen. Am späten Nachmittag erreichen wir das Sankaber Camp auf 3200 m. Unsere Zelte sind schon aufgebaut. Auf dem offenen Zeltplatz campieren neben uns vielleicht noch 10 - 15 Touristen - und das ist schon die Hochsaison.

Unsere Crew bereitet in einer landestypischen Rundhütte, die zum Camp gehört, das Abendessen, das wir schon in der Dunkelheit einnehmen. Mit dem Sonnenuntergang wird es hier oben auch sehr schnell kalt. Unser Team macht ein Lagerfeuer an, doch schon bald ziehen wir uns nach dem Essen ins Zelt zurück. Am nächsten Morgen herrschen Temperaturen um den Gefrierpunkt. Zum Teil schon vor Sonnenaufgang sind mind. ein Dutzend Maultierhirten mit noch etwas mehr Tieren (Maultieren und Eseln) angekommen. Sie werden nun morgens auf die Touristengruppen aufgeteilt und organisieren die Beladung ihrer Tiere. Dann brechen wir zum 2. Trekkingtag auf.

Zunächst folgen wir wiederum der Plateaukante und durchqueren einige schöne Vegetationsbereiche. Das Gelände ist zunächst hügelig aber ohne großen Anstieg. Nach gut 100 gewonnenen Hm steigen wir wieder 200 Hm in ein Tal ab. Von hier erreichen wir schnell einen felsigen Aussichtspunkt auf den sicher 1000 m tiefer liegenden Talabschnitt. Gegenüber fällt ein aktuell wenig Wasser führender Wasserfall die Kante herab. Nach dem Aussichtspunkt steigen wir wieder 200 Hm zu einem breiten Sandfahrweg auf, folgen diesem ein kurzes Stück und biegen links ab zum Flusslauf oberhalb des erwähntne Wasserfalls ab. Dort am Flusslauf angekommen machen wir die Mittagsrast (ca. 3200 m). Im Anschluss steigt der Trek gut 400 Hm an zum kleinen Dorf Geech mit dem darüberliegenden gleichnamigen Camp. Diese 400 Hm sind in der Akklimatisierungsphase in der wir noch stecken schon recht anstrengend und wir benötigen ca. 1,5 Stunden dafür. Das Geech Camp (3600 m) ist ähnlich aufgebaut wie Sankaber und es sind sogar ein paar Touris mehr hier an dem Abend, da hier die Haupt-Trekkingroute auch der 3-tägigen Kurztreks herläuft. Entsprechend der zusätzlichen Höhenmeter ist es noch ein wenig kälter hier.

Der 3. Trekkingtag von Geech zum Chennek Camp ist einer der absoluten Highlight-Tage und Höhepunkt der 3-tägigen Trekkingrouten. Er wartet auch mit den beiden Gipfeln / Aussichtspunkten Imetgogo (3936 m) und Inatyi (4071 m) auf. Nun darf man sich diese (vgl. Fotos) nicht als Berggipfel im alpinen Sinne vorstellen sondern als höchste Kantenpunkte des flachen Hochplateaus. Die Aussicht hingegen ist einmalig und - ohne Übertreibung - mit wenig vergleichbar was man an anderen Punkten des Planeten sieht. Der Weg vom Geech Camp zum Imetgogo (3936 m) führt längere Zeit sehr flach ansteigend über das Hochplateau - nur zuletzt ist ein etwas felsigeres Stück an einer Art Grat zurückzulegen - es bleibt aber Gehgelände (T3). Vom mit Steinmann geschmückten Imetgogo könenn wir dne Routenverlauf fast der gesamten noch kommenden Trekkingetappen überblicken, in denen wir in einem Bogen z.B. noch zum gegenüber liegenden "Sona-Felsen" kommen werden. Vom Imetgogo steigen wir in südlicher Richtung wieder 400 Hm in eine Plateaumulde hinab und haben dann 550 Hm Gegenanstieg zum Aussichtspunkt Inatyi (4071 m) und höchstem Punkt dieses Plateaubereiches.

In den letzten Anstiegsmetern erwartet uns dann ein absolutes Highlight, ein Glücksfall, der nur den wenigsten der Trekkingtouristen beschert ist: Wir sehen einen der wenigen hundert noch lebenden Exemplare des "Äthiopischen Wolf" auf dem Plateau. Der Äthiopische Wolf ist übrigens der seltenste Wildhund der Erde. Apropos Tierwelt: Die Gelada-Paviane, die wir mehrfach antreffen habe ich schon erwähnt; von dem Äthiopischen Steinbock (Walia ibex), der ebenfalls nur noch 500 Exemplare zählt aber deutlich häufiger gesichtet wird als der Wolf, können wir am folgenden Tag gleich zweimal ein Exemplar beobachten (vgl. Fotos). Daneben sind uns aber viele schöne Eindrücke (und Fotos) von Vögeln erhalten geblieben. Typisch für das Abessinische Hochland ist dabei der Lämmergeier - auch Bartgeier - der eine Spannweite von 3 m besitzt und gerne Knochenmark frisst, für das er große Knochen aufbrechen muss, die er zwecks Aufbrechen aus luftigen Höhen auf Steine fallen lässt.

Vom Inatyi-Plateau steigen wir nachmittags wieder mehr als 500 Hm ab und zuletzt wieder an einer Fahrpiste ein paar Hm auf zum Chennek Camp, das auf knapp 3650 m liegt und den höchsten Übernachtungsplatz des Trekkings darstellt. Es ist der 31.12.09 und am Abend feiern wir in der Rundhütte am Lagerfeuer beim Abendessen dezent den Jahreswechsel. Unser Team hat hierzu einen kleinen "Happy new Year" Kuchen gebacken. Mit uns im Rundzelt ist eine Gruppe von deutschsprachigen Entwicklungshelfern, die in Addis Abeba leben und ebenfalls einen Trekkingurlaub machen. Sie haben Wunderkerzen dabei, die wir mit den äthiopischen Crews in lustiger Stimmung abbrennen.

Am nächsten Morgen steht ein langer Marsch nach Ambiko, dem Basislager für die Ras Dejen - Besteigung bevor. Wir starten früh mit Frühstück um 6:00 Uhr. Es ist für diese Breiten bitter, bitter kalt - sicher unter -5 °C, da alles deutlich überfroren ist - und es weht ein frischer Wind dazu. Umso schneller bewegen wir uns fort und versuchen aus dem Schatten des Berghangs hinauf in die sonne zu flüchten. Der Pfad begleitet im ersten Stück eine neue fahrbahre Staubpiste, die bescheuerterweise und ohne Rücksicht auf die Nationalparkregeln hier gerade gebaut wurde. immer wieder werden die Serpentinen durch steile Gehstücke dabei abgekürzt. Wir bewegen uns dabei auf den mehr als 4200 m hohen Bwait-Pass zu, der etwas unterhalb des Gipfels die Schulter des 4430 m hohen Bwait-Peaks überquert. Im letzten Stück des Aufstiegs haben wir dabei immer wieder herrliche Blicke über die Plateaukante und hier ist es auch, wo wir die beiden Steinböcke sichten.

Als wir den staubigen Bwait-Pass ggen 10 Uhr überqueren öffnet sich uns ein weiter Blick auf ein sehr tiefes Tal und eine dahinterliegende hohe Bergkette, in der unser Guide uns erstmals den Ras Dejen zeigt. Dort oben wollen wir morgen stehen - es sieht noch sehr weit aus ... Die Landschaft mutet recht trocken an. In der Folge steigen wir fast 1500 Hm bis auf 2750 m ab. Auf halber Höhe passieren wir ein Dorf, danach wird ein warmes Bachtal mit vielen Kakteen und wüstenhafter Vegetation entlanggewandert. Unten am Fluss angekommen machen wir unsere Lunchpause und lassen die Füsse im Wasser baumeln. Die Fliegen sind hier eine Plage. Im Anschluss steigen wir nochmals 350 Hm nach Ambiko auf. Der Weg dorthin führt ebenfalls ein staubiges Bachtal hinauf. Der Zeltpaltz in Ambiko (ca. 3100 m) liegt praktisch zentral im Dorf selbst, so dass den ganzen Nachmittag, Abend hier einiges los ist. Wir sind die Einzigen auf dem Zeltplatz, die am nächsten Tag zum Ras Dejen wollen. Es ist allerdings eine kleine österreichische Gruppe dort, die an diesem Tag am Berg waren. Sie berichten uns, dass es ein anstrengender Tag war.

Am nächsten Morgen (02.01.10) treffen wir uns um 5:00 Uhr mit gepackten Sachen zum Frühstück und brechen dann auch schnell noch in der Dunkelheit mit Stirnlampen auf. Auf sehr staubigen, steilen Pfaden, die auch als Transportweg für die Maultiere und Esel genutzt werden nehmen wir den Berg in Angriff.  Leider bemerke ich schon früh am Tag - aber zu spät um umzukehren - dass ich mein GPS-Gerät nicht in den Tagesrucksack gepackt habe. Es liegt im Zelt in Ambiko. Schade, denn so gibt es von dem spannendsten Tag des Trekkings leider keinen GPS-Track.

Aufgrund der Steilheit ist Höhe schnell gewonnen. So haben wir schon nach 2 Stunden die Hälfte der 1450 Hm gut gemacht, als wir eine Schulter im langen Bergkamm erreichen. Allerdings wird der Weg nun flacher - mehr als 1 Stunde wird die Bergkette gen Osten praktisch ohne Höhengewinn gequert. Dadurch  - und da ab ca. 4000 m auch die Höhe mehr und mehr unser Tempo drosselt - benötigen wir für den gesamten Aufstieg vom Camp zum Gipfel in Summe dann doch gut 5,5 Stunden. Auf 4300 m Höhe (den Höhenmesser habe ich schon dabei) erreichen wir ein weiträumiges Plateau. Hier ist auch ein Pass, denn der Aufstiegsweg ist bis hierher gleichzeitig auch lokaler Passweg über die Bergkette. Wir machen eine letzte kurze Rast und wandern langsam auf dem nun vegetationsarmen und steinigen Gelände in einem weiten Bogen Richtung Ras Dejen hinüber. Man muss hier schon wissen, wo der Gipfel ist, denn optisch lassen sich viele verhältnismäßig ähnlich hohe Felsaufbauten kaum einordnen. Aber Abera weiss genau bescheid und kann sogar sagen, wieviele Meter die sichtbaren Peaks denn kleiner sind als der Ras Dejen selbst. Der Pfad nähert sich schließlich der linken Ecke eines Felsaufbaus an. Von hier werden vielleicht 50 Hm dann zum Schluss in I-er Kletterei durch den Fels zurückgelegt, bevor wir gegen 11:30 Uhr auf dem höchsten Gipfel Äthiopiens stehen. Eine Farbmarkierung ist der einzige Schmuck. Laut Abera hat noch vor kurzer Zeit ein Eisendenkmal den Gipfel geschmückt, doch die Hirten haben es zur Verwertung mitgenommen ...

Nahe des Gipfels lassen wir uns im Fels zu einer Pause mit Snack nieder. Bald gesellen sich 2 Hirtenjungen zu uns - hier oben am Gipfel. Sie haben unseren Aufstieg wohl bemerkt und sind mit einer Hirtenflöte nachgekommen. Neugierig versuchen sie die wenigen Brocken Englisch, die sie können an den Mann zu bringen und spielen uns auf ihrer Flöte etwas vor. Jedenfalls machen sie durch ihre ruhige und völlig unaufdringliche Art an diesem besonderen Ort mit ihrem Flötenspiel eine schöne Atmosphäre. Das Bild dieser wettergegerbten, schönen Menschen prägt sich uns tief ein. Wie Abera uns übersetzt leben die beiden Hirten das ganze Jahr über mit den Herden in Höhlen am Berg. Später zeigt er uns auch eine der Höhlen. Auf dem Anstiegsweg steigen wir schließlich wieder bis nach Ambiko ab - was nochmals 4 Stunden braucht. Wir beziehen die Zelte in Ambiko eine 2. Nacht.

Von Ambiko steigen wir tags drauf dann auch wieder bis zu dem Fluss ab, den wir 2 Tage zuvor gequert hatten, wenden uns dahinter dann aber rechts und steigen - statt dem Tal Richtung Bwait zu folgen - einen steilen Hügelhang an. Vom Flusstal sind in der Folge knapp 1000 Hm gut zu machen, in denen wir eine grasige bzw. von Äckern überzogene Seitenkette überqueren. Viele Gehstunden sind heute - am mit 22 km weitesten Gehtag - zu meistern, und dabei eine Reihe kleinerer Mulden und Hügelketten zu queren. Die letzten 90 Minuten hinter dem höchsten Punkt von ca. 3700 m führt der Pfad dann wieder stetig bergab. Immer mehr nähern wir und der Plateaukante - nun gegenüber des Imetgogo - und passieren die weitläufige Dorfsiedlung Sona. Erst dirket an der mehr als 1000 m hohen Plateaukante - auf 3050 m erreichen wir unsere Zelte. Hier ist nun wirklich weit und breit niemand mehr außer uns. Wir sind inzwischen etwas abseits der Haupttrekkingrouten, da selten von Touristen so weite Strecken gegangen werden.

Der "Zeltplatz" Sona an der Plateuakante ist wohl der schönste auf dem Trekking. In der Dämmerung bietet sich uns - vom spekatkulären Sonnenuntergang über Imetgogo und Inatyi abgesehen - ein besonderes Naturschauspiel: Von einer Biegung in der Plateaukante können wir beobachten, wie eine Gruppe Gelada-Paviane in halsbrecherischstem Gelände die vertikale Wand unter der Abbruchkante bezieht, um dort die Nacht zu verbringen. Unglaublich, dass hier ein gehendes Lebewesen Halt findet. Die Felder bei den Zelten befinden sich gerade in der Ernte. Neben dem Teff (für Injera) werden auch Hirsearten und Weizen, Roggen angebaut. in der Dunkelheit am Lagerfeuer gesellen sich einige der Bauern zu uns. Sie rösten als Snack frische geerntete Getreideähren von Weizen im Feuer, an denen wir uns alle bedienen.

Der folgende Tag beginnt mit einem langen, steilen Abstieg von 1200 Hm in zahmerem Gelände hinter der Plateaukante. So erreichen wir am späten Vormittag erstmals auf 1850 m einen schönen Flusslauf im "Tiefland", wie diese Region unter den Hochplateaus von den Einheimischen genannt wird. Natürlich ist uns nach den Tagen zuvor bei in der Sonne sicher über 30° super warm... An einigen natürlichen Staubecken im Flusslauf können wir uns endlich nochmal richtig waschen. Man könnte hier sogar schwimmen, aber so geheuer ist uns das z.T. grünliche Wasser, das sich voller Leben befindet dann auch nicht.

Nachdem wir am Fluss noch das Lunch zu uns genommen haben, wandern wir im Tiefland noch gut 2 Stunden weiter zu unserem nächsten Camp in Mekarebiya, einem kleinen Dorf. Auf dem Weg dorthin, der sich durch weite Getreidefelder und ein paar natürliche Baumgruppen schlängelt, sehen wir eine Reihe von Affen aus der Meerkatzen-Familie. In Mekarebiya angekommen gesellen wir uns zu einem Bauern des Ortes und beobachen, wie er mit 5 Bullen seine Teff-Ernte drescht. Wir dürfen auch sein Local Beer probieren, das aus Sorghum-Hirse gebraut wird und stilecht aus einer Blechbüchse serviert wird. Später werden wir bei der Lehrerin des Dorfes in ihrer Hütte zu einer Kaffee-Zeremonie eingeladen. Es ist einfach nett und gemütlich hier.

Von Mekarebiya folgt ein sehr warmer Wandertag durch das Tiefland. Vom knapp 1900 m hoch gelegenen Mekarebiya steigen wir zunächst nochmals 400 Hm ab zu einem kieseligen Flussbett. Das Flusstal wandern wir ein Stück entlang. Passend zur Mittagshitze steigen wir schließlich ca. 500 Hm wieder im staubigen Hang auf, passieren einen herrlichen Tafelberg und kommen zum Dorf Mullit (1950 m), das in einem Gebiet von Felsformationen liegt, die an das Monument Valley in den Staaten erinnern. In Mullit verbringen wir unsere letzte Zeltnacht - wie gesagt sind wir hier abseits der Trekkingrouten und so existiert hier auch kein Camp mehr. Stattdessen zelten wir innerhalb der Umfriedung einer bäuerlichen Lehmhütte des Dorfes. Auch hier verbringen wir den Nachmittag wieder in engem Kontakt mir der Dorfbevölkerung und nehmen an einer Kaffeezeremonie bei den Gastgebern teil. Am Lagerfeuer des Abends wird der Abschied gefeiert, da sich am nächsten Morgen die Crew zersprengen wird.

Nur 2 Wanderstunden sind es schließlich am letzten Trekkingtag von hier zum Städtchen Addi Arkay auf 1600 m, das an der Straße von Gondar nach Shire liegt. Als wir in Addi Arkay ankommen ist die Weiterfahrt nach Axum,  unserer nächsten Station, noch nicht organisiert. Wir haben aber Glück und bekommen günstig einen "Lift" mit einem Touristenbus, der eine Leerfahrt nach Axum hat, da er dort eine Gruppe abholen will. Wir nehmen Abschied von Abera. DANKE!

Die übrigen Stationen unserer Äthiopien-Reise (Axum, Lalibela, Menagesha Forest und nochmals Addis) folgen in weiteren Berichten...

Tourengänger: ju_wi


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Geodaten
 1796.gpx Tag 1: 2 Gehstunden nach Sankaber
 1797.gpx Tag 2: Sankaber - Geech
 1798.gpx Tag 3: Geech - Chennek
 1799.gpx Tag 4: Chennek - Ambiko
 1800.gpx Tag 6: Ambiko - Sona
 1801.gpx Tag 7: Sona - Mekarebiya
 1802.gpx Tag 8: Mekarebiya - Mullit (teilweise)
 1803.gpx Tag 9: Mullit - Adi Arkay (teilweise)

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Kommentare (7)


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alpstein hat gesagt:
Gesendet am 4. Februar 2010 um 18:01
Eindrücklicher Bericht und schöne Fotos !

Grüsse
Hanspeter

maawaa hat gesagt: Wow...
Gesendet am 4. Februar 2010 um 18:19
Das sehe ich genauso, erstklassiger Bericht, sehr ausführlich und super Fotos!!!

Grüsse, Marco

Lechtaler hat gesagt: danke....
Gesendet am 4. Februar 2010 um 23:18
man muss fast danke sagen.....
den so einen ausführlichen reisebericht- mit super bilder - den sieht man nicht offt !

LG - charly

ju_wi hat gesagt: RE:danke....
Gesendet am 4. Februar 2010 um 23:32
Hallo euch allen,
danke für euer nettes Feedback. Ich hatte fast ein schlechtes Gewissen so einen langen Bericht mit so vielen fotos zu veröffentlichen. Aber ich habe mir gedacht, dass jeder dem es zuviel wird ja einfach weiterklicken kann - und wer mehr sehen / lesen will, der bleibt eben drauf. Euer Feedback bestärkt mich, dass das so passt. Danke.

Grüße, Jürgen

Sputnik Pro hat gesagt: Wunderbarer
Gesendet am 5. Februar 2010 um 07:54
Gratuliere zum Gipfelerfolg und der sehr schönen Tour, habe den tollen Bericht gestern Abend gerade geelesen als ich nach Hause kam - und mir die tollen Fotos nun während der Arbeit angesehen.

Viele Grüsse, Andi

ju_wi hat gesagt: RE:Wunderbarer
Gesendet am 5. Februar 2010 um 23:31
Hi Andi,
ja mal wieder ein Erfolg - nach dem Elbrus :-( Heut abend sind wir zu recht kontrastigem Programm im Allgäu angekommen. Mal schaun, ob hier morgen mit Schneeschuhen etwas geht ...

Beste Grüße und viel Spaß im Baltikum,
Jürgen

ADI hat gesagt:
Gesendet am 6. Februar 2010 um 13:37
Hallo!

Eine Klassereise, mit viel schönen Bildern!
Hat Spaß gemacht, mit auf die Reise gegangen zu sein.

Beste Grüße, Gunter



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