Lichte Höhen und dunkle Kriegsgeschichte – Alport Castles und Dervent Reservoir


Publiziert von ABoehlen , 9. Dezember 2023 um 15:44.

Region: Welt » United Kindom » Derbyshire
Tour Datum: 8 September 2002
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: GB 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 300 m
Abstieg: 300 m
Strecke:Fairholmes – Lockerbrook Farm – Rowlee Pasture – Alport Castles – Howden Reservoir – Dervent Reservoir – Fairholmes
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem Zug von Sheffield oder Manchester nach Bamford. Weiter mit dem Bus nach Fairholmes.
Unterkunftmöglichkeiten:Das B&B «The White House» in Shatton (Bamford) existiert nicht mehr. Es gibt im Hope Valley aber zahlreiche andere Unterkunftsmöglichkeiten.
Kartennummer:Ordnance Survey 1:25'000 Blatt 1 Peak District, Dark Peak Area

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Nach dem gestrigen Samstag, an dem das als typisch englisch betrachtete wechselhafte Wetter dominierte, ist für den Sonntag Sonnenschein mit Wolken vorhergesagt. Zum ersten Mal benutze ich heute den Bus, und gelange damit vom Bahnhof Bamford nach Fairholmes, am oberen Ende des Ladybower Reservoirs gelegen. Den unteren Teil dieses Stausees hatte ich ja am Freitag bereits erkundet. Heute stehen die beiden oberen und älteren Stauseen, Howden Reservoir und Dervent Reservoir, im Zentrum des Interesses.

Zunächst geht es aber bergauf, durch die mit dichtem Nadelwald bestandenen Berghänge. Lockerbrook Farm, bzw. Lockerbrook Outdoor Centre ist mein erster Wegpunkt; dies ist eine Ausbildungsstätte für städtische Kinder und Jugendliche, die hier lernen können, sich sicher in der freien Natur zu bewegen. Auf dem Weg, den ich in der Folge einschlage, sind diesbezüglich keine besonderen Kenntnisse vonnöten, er ist in tadellosem Zustand und besteht über weite Strecken aus aneinander gefügten Steinplatten. Bald lasse ich den Wald hinter mir und betrete das hoch gelegene moor, wo der Blick westwärts zum Massiv des Kinder Scout schweift.

Die Wanderung über das kahle Hochland ist typisch für weite Gebiete des Dark Peak; wenig spekatakulär, aber entspannend und umfassende Rundblicke bietend. Überraschend bricht dann das Gelände zur Linken abrupt in eine Landschaft aus Felsformationen und Geröllhalden ab. Alport Castles ist erreicht. Mit einem Schloss hat das aber nichts zu tun, die ganze Formation ist natürlichen Ursprungs und Resultat eines Bergsturzes in grauer Vorzeit. Direkt unterhalb, ca 200 Höhenmeter niedriger, erblicke ich die Alport Farm, eines der entlegensten Gehöfte im Peak District.

Nach einer längeren Pause verlasse ich den breiten Höhenrücken und schlage den Weg ein, der hinunter zum Howden Reservoir führt. Dieser Stausee ist wie die anderen von dichten Nadelwäldern umgeben, die einen scharfen Kontrast zum kahlen Hochland bilden. Im Gegensatz zum Ladybower Reservoir wird das Wasser hier von einer Mauer aus Stein gestaut, die 36 m hoch ist. Selbiges gilt für den darunter liegenden See Dervent Reservoir, dessen Sperrmauer in der Höhe 35 m misst. Dort befindet sich ein kleines Museum, welches heute geöffnet hat und eine Geschichte erzählt, die weit gehend in Vergessenheit geraten, mir aber durch das Buch «Als die Sperrmauer brach» von Roland Gööck (Wilhelm Bing Verlag in Korbach und in Bad Wildungen, ohne Jahrgang) bekannt ist: Es geht um die in völliger Geheimhaltung von der RAF während des Zweiten Weltkriegs entwickelte Rotationsbombe (Bouncing Bomb), mit der die Briten deutsche Staumauern sprengen wollten. Das Gelände im Dervent Valley und seine Stauseen und -mauern weisen grosse Ähnlichkeiten mit jenen im Möhne-, Ruhr- und Edertal auf, weshalb es zur Trainingszone jener britischen Piloten auserkoren wurde, welche für diese Aktion vorgesehen waren. Die Aufgabe war hochkomplex: Mitten in der Nacht durch das enge Tal, nur 18 Meter über der Seeoberfläche mit ca. 390 km/h anzufliegen, und die spezielle, 4 Tonnen schwere Bombe an einer genau definierten Position abzuwerfen. «Die rotierenden Bomben sollen dann auf die Wasseroberfläche prallen, in der Flugrichtung viele Meter weiterspringen und erst in einer bestimmten Wassertiefe explodieren.» heisst es in dem zuvor genannten Buch.

Der Geheimplan wurde schliesslich im Mai 1943 umgesetzt und das gesteckte Ziel erreicht: Mehrere deutsche Sperrmauern wurden getroffen und die ausfliessenden Seen richteten unermessliche Schäden und Opfer bei Mensch und Tier an. Der militärische Nutzen blieb jedoch umstritten, zumal die Aktion auch auf britischer Seite erhebliche Verluste forderte. So wurde eine der eingesetzen Avro 683 «Lancaster» von der Explosion der eigenen Bombe in der Luft zerfetzt.

Mit dem Bus lasse ich mich anschliessend zurückfahren und steige in Bamford aus, wo ich mir noch einen pint genehmige, ehe ich gemütlich nach Hause spaziere. Dort werde ich von meinen Gastgebern zum Abendessen eingeladen, eine äusserst grosszügige Geste, über die ich mich sehr freue und bedanke. Ein rundum erfüllter Sonntag also!

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Tourengänger: ABoehlen


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Kommentare (2)


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Ben77 hat gesagt:
Gesendet am 10. Dezember 2023 um 15:35
Danke für den interessanten Bericht - und schön, dass meiner Meinung nach allerbeste zu sehen, was die "Große Grüne Insel" zu bieten hat: countryside. Diese Weite, die selbst auf den kleinen Bildern rübekommt, ist großartig anzuschauen.
Interessant auch die Anekdote über die gesprengten Staumauern..Führt einem vor Augen, dass Staumauern also schon damals ein beliebtes Angriffsziel waren, um ganze Landstriche zu zerstören. Heute ist sowas ungleich katastrophaler mit all den Schadstoffen, die so erst ins Wasser und die Umwelt gelangen, vom Wasserverlust in Dürrezeiten mal abgesehen.

ABoehlen hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. Dezember 2023 um 20:46
Danke für den netten Kommentar. Ja, countryside gibt es im Peak Distict jede Menge; die enormen Weiten, die nur von Gras und Heidekraut bedeckt sind, haben mich sehr beeindruckt, zumal es vergleichbares in Mitteleuropa kaum gibt; da wird das Land in ähnlich strukturierten Mittelgebirgslandschaften mehr oder weniger intensiv land- oder forstwirtschaftlich genutzt.

Die Sprengung der deutschen Staumauern im 2. Weltkrieg scheint heute wirklich nur noch wenigen bekannt zu sein. Selber wurde ich vor rund einem Vierteljahrhundert von jemandem aus Hessen darauf aufmerksam gemacht, wo ja im Waldecker Land durchaus noch Spuren sichtbar sind. Zuvor (und auch danach) habe ich davon nie gehört; aber was solch ein Angriff bedeuten kann, wurde einem ja dieses Jahr vor Augen geführt – mit all den schrecklichen Folgen, die du erwähnst.

LG, Adrian


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