Zum höchsten «Peak» – Kinder Scout


Publiziert von ABoehlen , 25. November 2023 um 15:16.

Region: Welt » United Kindom » Derbyshire
Tour Datum: 5 September 2002
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: GB 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 400 m
Abstieg: 400 m
Strecke:Edale – Grindsbrook Clough – Kinder Scout Plateau – Kinder Downfall – Kinder Low – Jacob's Ladder – Edale
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem Zug von Sheffield oder Manchester nach Edale
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Mit dem Zug von Sheffield oder Manchester nach Edale
Unterkunftmöglichkeiten:mehrere B&Bs in Edale
Kartennummer:Ordnance Survey 1:25'000 Blatt 1 Peak District, Dark Peak Area

Link zur vorherigen Tour

Einleitung

Kinder Scout – ein seltsamer Name. Zudem einer, dessen Ursprung im Dunkeln liegt. Der Namensteil «Scout» könnte der altnordischen Sprache entstammen – scuti bedeutet überhängender Felsen – möglich auch, dass der Name auf den angelsächsischen Begriff kyndwr scut zurückgeht, der «Wasser über der Kante» bedeutet. Nicht nur der Name ist ungewöhnlich, der mit 636 m höchste Gipfel des Peak District ist auch sonst ganz und gar kein gewöhnlicher Berg. Einen eigentlichen Gipfel gibt es überhaupt nicht, daher ist die höchste Stelle sehr schwierig aufzufinden, denn sie liegt inmitten eines ausgedehnten Plateaus von je ca. 3 km Länge und Breite. Die Höhenunterschiede dort sind äusserst gering, aber das Gelände ist trotzdem alles andere als flach. Ein sich ins Unendliche verästelndes Netz aus Wasserläufen hat steilwandige Gräben aus dem Torfboden ausgewaschen, die groughs genannt werden und in diesem Labyrinth kann man sich sehr leicht verlaufen, insbesondere wenn plötzlich Nebel den Berg einhüllt. Ohnehin ist das Klima dort oben sehr rauh und lässt nur einen kümmerlichen Pflanzenwuchs zu. Auch bei meinem Besuch toste die ganze Zeit ein stürmischer Wind über den Berg.

Kinder Scout ist aber auch berühmt geworden durch ein Ereignis, das als Mass trespass of Kinder Scout in die Geschichte einging und sich am 24. April 1932 abgespielt hat. Wie schon in anderen Berichten erwähnt, gibt es in England kein grundsätzliches Betretungsrecht, d.h. was hierzulande als selbstverständlich betrachtet wird – einfach anhand der Karte irgendwo durchs Gelände kraxeln – ist in England grundsätzlich nicht erlaubt, da alles Land einen Besitzer hat, mithin also Privatland und der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Die Zuwiderhandlung wird in der englischen Sprache als trespass bezeichnet, was «unerlaubt betreten» bedeutet. An jenem 24. April 1932 haben mehrere Wandergruppen – illegal – den Kinder Scout aus verschiedenen Richtungen bestiegen, um mit dieser Form des Protests den freien Zugang der Berg- und Heidelandschaften zu fordern. Auch wenn es danach zu Verhaftungen gekommen ist, hat sich die Politik nach und nach bewegt, woraus schliesslich 1949 der National Parks and Access to the Countryside Act resultierte. In dessen Folge wurde Peak District 1951 als erster Nationalpark geschaffen, und somit ein Gebiet, in dem grosse Teile fortan frei zugänglich waren.

Tourenbericht

Die Wetterprognose ist nicht besonders gut – nach einem sonnigen Start sind für den Tagesverlauf Regenschauer angesagt worden. Trotzdem entscheide ich mich, die Besteigung des höchsten Berges in Angriff zu nehmen und fahre dazu erstmal mit dem Zug von Bamford zwei Stationen weit nach Edale hinauf. Das Hope Valley setzt sich dort ins Edale Valley fort und steigt dabei kontinuierlich an. Edale ist die höchstgelegene Station auf dieser Strecke. Etwa zwei Kilometer weiter verschwindet die Bahnlinie im Cowburn Tunnel und durchquert das Gebirge, um auf der anderen Seite bergab Richtung Manchester zu führen.

In den vorherigen Berichten war schon von dem einen oder anderen Begriff die Rede, mit denen man in dieser Gegend konfrontiert wird. Heute kommen noch einige weitere dazu. Von den groughs war im Einleitungstext bereits die Rede; die grössere Variante nennt sich clough, das bedeutet ein tief eingeschnittenes Tal. In ein solches führt mich der Weg, es heisst Grindsbrook Clough, ist also nach dem Bach benannt, dem Grinds Brook. Der Begriff brook für Bach ist im Gegensatz zu den vorherigen Begriffen in ganz England üblich, nicht nur in dieser Region.

Der Weg in dieses eindrückliche Tal ist zu Beginn sehr breit und verläuft hoch über dem vollkommen natürlich fliessenden Bergbach sachte aufwärts. Allmählich gelange ich dann dichter an den Bach heran, der Pfad wird nach und nach schmaler und irgendwann ist nur noch eine dünne Spur übrig. Dann verschwindet auch diese, aber ein steiles Geröllcouloir lässt keine Zweifel aufkommen, wo es lang geht.

Unweit des Pt. 586 erreiche ich das Gipfelplateau. Es ist ein abrupter Übergang von der einen Art Wildnis in eine vollkommen andere. Weit ist auf einmal der Horizont und der Wind bläst mit voller Kraft, was sich über den ganzen Tag hinweg nie ändert, und wohl ein Dauerzustand ist. Entsprechend zeigt sich nur eine dürftige Vegetation, dafür dominieren massenhaft skurille Felsformationen das Bild. Vielen wurde im Laufe der Zeit Namen gegeben, wie «The Snail», «Boxing Glove Stones» oder «The Weeping Man», zusammenfassend werden sie als woolpacks bezeichnet.

Über Crowden Tower, Noe Stool und Swine’s Back folge ich dem südlichen Rand des Plateaus westwärts. Irgendwo nördlich von mir befindet sich der höchste Punkt, zu dem aber kein Weg hinführt, und den ich auch nicht zu erreichen versuche. Stattdessen gelange ich zum Triangulationspunkt Kinder Low und damit an die westliche Abbruchkante. Dieser folge ich nun nordwärts zum Kinder Downfall. All die unzähligen Bäche, die durch die groughs über das Plateau mäandern, vereinigen sich schliesslich zum River Kinder, der dort in einem bemerkenswerten Wasserfall über die Klippe stürzt. Aufgrund des heftigen Westwindes kommt es oft vor, dass das hinunterfallende Wasser wieder in die Höhe geblasen wird (so genanntes «blow back»), was ein eindrucksvolles Naturschauspiel sein muss.

Aber leider waren die vergangenen Wochen viel zu trocken, was zur Folge hat, dass kein Tropfen Wasser fliesst! Aber der Wind tost stärker denn je, und aus Westen ziehen immer dunklere Wolken auf. Sieht ganz danach aus, dass die Trockenheit bald ein Ende haben wird. Ich gehe zurück zum Kinder Low, wo der Regen einsetzt, der aber schon bald wieder aufhört. Inzwischen bin ich an der südlichen Abbruchkante angelangt, die sanfter wirkt, als die bisher gesehenen. Dennoch verläuft der Pfad ziemlich steil nach unten. Dies ist der alte, gepflästerte Saumpfad über die so genannte «Jacob’s Ladder», die ins Tal des River Noe führt. Vorbei an einigen Farmhäusern gelange ich so wieder nach Edale. Ein erster, kurzer Besuch im «National Park Information Centre» (heute «National Park Visitor Centre») setzt diesem interessanten Tag in spektakulärer Landschaft ein würdiges Ende.

Link zur nächsten Tour

Literatur: Smith, Roly. Kinder Scout – Portrait of a Mountain. Matlock, Derbyshire 2002, ISBN 0 903463 68 7

Tourengänger: ABoehlen


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