Middagsfjall - Skarð


Publiziert von Delta Pro , 14. August 2023 um 21:14.

Region: Welt » Färöer
Tour Datum: 8 August 2023
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: DK 
Zeitbedarf: 3:00
Aufstieg: 1500 m
Strecke:12.7 km

Meine eindrücklichste Tour auf den Färöer-Inseln - ein Gipfel, eine Geröllschlucht, und ein seit 100 Jahren verlassenes Dorf

Als ich von der Ruinen des Dorfes Skarð las, wusste ich sofort, dass ich dorthin wollte - ein wahrlich magischer Ort mit einer ganz speziellen Ausstrahlung. Vor über 100 Jahren wurde das Dörfchen nach einem Drama verlassen. In einem Sturm starben 1913 alle sieben Männer des Dorfes auf See. Die Hinterbliebenen konnten sich auf dem komplett abgeschiedenen Fleck Erde an der Ostküste von Kunoy nur noch wenige Jahre halten und gaben ihre Häuser dann auf. Der Zugang zum Dorf erfolgte natürlich übers Meer (wie früher bei allen Dörfern der Inseln). Bei schlechtem Wetter aber, oder um sonntags in die Kirche zu gehen, mussten die Dorfbewohner über einen 600m hohen Pass nach Kunoy wandern. Und was für einen Pass! Während er von der Westseite recht einfach erreichbar ist (wie ich 12 Stunden vor der Tour ausprobiert hatte), führt der Weg auf der Ostseite durch eine 300 Höhenmeter lange, schmale Schlucht mit instabilem Geröll zwischen senkrechten Felswänden. Wie wenn ein Riese mit einem Schwert einen Spalt in die unpassierbaren Wände zwischen Middagsfjall und Kúvingafjall geschlagen hätte. Auch hier findet man technisch geringe Schwierigkeiten (ausser vielleicht in der Klovastígar, einer im Abstieg gewählten Abkürzung), aber die Abgeschiedenheit und die Orientierung lassen die Tour ernsthaft erscheinen. 

Da die Morgen-Touren bei gutem Wetter gegen Ende des Urlaubs immer etwas länger werden, muss ich den Wecker zusehend früher stellen. Etwas nach 5 Uhr laufe ich exakt auf meinen Spuren von vor weniger als 12 Stunden das Lítlidalur hinauf. Beim Lítlafjall hingegen gehe ich in der Direttissima gegen den Kamm hinauf. Auf der Karte weist die Ortsbezeichnung Stígar darauf hin, dass es dort einen Durchschlupf durch die Wände gibt. Tatsächlich kommt man sehr effizient durch Geröll und kleine Felsstufen in die Höhe. Weiter oben, wo man teils etwas suchen muss, den Durschlupf durch höhere Stufen zu finden (normalerweise links in die Flanke ausweichen), treffe ich auf recht neue Fussspuren. Die Berge hier werden schon begangen, primär wohl von Einheimischen. Auf der Gipfelebene des Middagsfjall kommt der obligate Nebel, obwohl sich der Morgen vorher sehr freundlich gezeigt hat. Der Nebel bleibt aber durchsichtig und stört heute kaum. Nachdem der höchste Punkt lokalisiert ist, gehe ich auf meinen Spuren zurück und quere wieder über die wunderschöne, teils etwas sumpfige Hochebene zum Pass, wo sich der Schlund der Skarðsgjógv öffnet.

Ich hatte mir vorgestellt, dass man das Geröllcouloir einfach runtergleiten kann. Das ist aber weit gefehlt. Alle möglichen Grössen von Steinen - Kiesel bis Kleinwagen liegen da lose auf einem sehr steilen, griesigen Untergrund. Bei jedem Tritt scheint der halbe Hang zu rutschen. Ich halte mich eher rechts, was ungeschickt ist - im Aufstieg fand ich auf der anderen (nördlichen) Seite teils Schafspuren und etwas mehr Vegetation, welche die Route weniger zum Eiertanz machen. Die Szenerie ist gewaltig: Tief unten im steilen, moosigen Geröll zwischen himmelhohen Wänden, in denen Vögel kreisen und kreischen. Weit unten die paradiesischen Grashänge von Skarð. Und diesen Weg wählte man früher auf dem Weg in die Kirche... Ich bin froh, als sich die Schlucht nach 300 Höhenmetern öffnet. Durch saftige Weiden zwischen meterhohen Blöcken renne ich gegen das Meer. Zwei Raubmöven (?) machen mucksmäuschenstill ihre Angriffe im Tiefflug, da ich zu nahe an den Brutplatz gelangt bin. Ich lasse mich nicht gross beunruhigen und ducke mich jeweils kurz, wenn sie über mir wieder hochziehen. Mit Strahlen der Morgensonne treffe ich in wahrlich magischem Licht auf die Ruinen von Skarð. Unten am ehemaligen Hafen ist ein Haus neu aufgebaut, vom Dorfkern oben auf einer wunderschönen Terrasse stehen nur noch die Grundmauern. Dennoch geht von dem Ort eine seltsame Kraft und Ruhe aus. Etwas entfernt steht ein Gedenkstein ans Bootsunglück.

Nun wieder zurück durch die Schlucht... Man könnte auch 6 km horizontal der Küste folgen nach Haraldssund (das zweite Dörfchen auf Kunoy, heute der normale Zugang nach Skarð, keine klaren Wegspuren), aber ich muss natürlich zurück zur Familie und freue mich auch, nochmals ins alpine Gelände zu kommen. Mir graut etwas vor dem Geröll in der Skarðsgjógv. Es geht aber deutlich besser als erwartet an der nördlichen Begrenzung der Schlucht. Diesmal schenke ich mir die Querung ins Lítlidalur und steige vom Pass gegen das Skarðdalur ab. Die Ortsbezeichnung Klovastígar weist klar darauf hin, dass man früher diesen direkteren, aber steileren Abstieg wählte. Bei guter Sicht treffe ich rechtshaltend erstaunlich schnell auf einen guten, horizontalen Schafweg unmittelbar über einer hohen Basaltstufe. Dort gilt es einen Wasserfall auf steilen, schmierigen Platten zu queren. Es gibt ein wenig vertrauenerweckendes Fixseil. Anschliessend wird die Stufe einfach passiert und es scheint geschafft. Ich lasse mich vom Schafweg verleiten viel zu weit nach rechts in die abschüssige Grasflanke zu queren, bis ich merke dass dort kein Durchkommen ist. Also wieder zurück und nach der Stufe nach links gegen den zentralen Wasserfall, durch sehr steiles Gras über die nächste Stufe und dann wieder rechts durch die letzte Steilpassage. Unter dem Strich sicher deutlich weniger angenehm als das Lítlidalur und nicht schneller, dafür spannender. Anschliessend zügig zurück nach Kunoy.


Durchgangszeiten:
Kunøy: 5.07
Middagsfjall: 5.59
Skarð: 6.50
Kunøy: 8.03

Tourengänger: Delta


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