Via Ferrata eterna – das „ewige“ Klettersteigabenteuer vor dem Frühstück


Publiziert von Delta Pro , 4. September 2009 um 21:23.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:25 Juli 2009
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K5 (SS)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 3:30
Aufstieg: 1240 m

Klettersteig und Abenteuer – dieses Wortpaar beisst sich. Nach meinem bisherigen Verständnis waren Klettersteige eher dazu da, das „Abenteuer“ in den Bergen auf ein Minimum zu reduzieren. Nach der Via Ferrata eterna weiss ich es besser. Dieser fantastische, scheinbar wegen seiner Schwierigkeit praktisch in Vergessenheit geratene Klettersteig sei jedem ans Herz gelegt, der etwas Aussergewöhnliches mit Stahlseil erleben will!
 
Die einzige Information zum Steig war eine lange gepunktete Linie auf einer veralteten Karte, neben der steht „“Via Ferrata eterna“, ewiger Klettersteig. Wenn das nicht schon mal reizt! Da ich diese unsichere Sache sglider mit ihrem immer noch angeschlagenen Fuss nicht zumuten wollte, plante ich, das Ding vor dem Frühstück auf Speed anzugehen. Ich wurde neben der Länge des Steiges (insgesamt gegen 1000 Höhenmeter!), durch die Wildheit und Schönheit des Aufstieges, die Ruhe des Morgens, aber vor allem durch die im unteren Teil maroden Stahlseile überrascht. In der Tat rate ich nur Berggängern zu diesem Steig, die sich zutrauen, den dritten Grad auch frei zu klettern. Auf den ersten 300 Höhenmetern sind die Seile immer wieder zerrissen, bestehen nur noch aus wenigen Drahtsträngen oder sind mit Schnüren notdürftig verknotet. Eben, Abenteuer! Sicherung als Seilschaft ist hier stellenweise sicher eine gute Idee.
 
Man sollte genug Zeit für die Begehung einrechen. Als ich am Einstieg die verrosteteteTafel sah, auf der vor einer „mittleren Begehungszeit“ von 6 Stunden und alpinen Bedingungen gewarnt wurde, fragte ich mich, ob meine Idee, die „Eterna“ vor dem Morgenessen durchzuziehen, wirklich gut war. Mit einigem Effort schaffte ich es dann in einem guten Viertel der angegebenen Zeit, wobei damit wohl der Genuss stellenweise schon etwas auf der Strecke blieb.
 
Start bei der eigentlichen Passhöhe des Passo di Fedaia (östlich des Sees) um 4.50. Zuerst steigt man auf einem schmalen Pfad unterhalb von Felswänden nach Osten querend etwas ab. Bei der Querung von einigen Schneefeldern wunderte ich mich, keine Trittspuren zu sehen – geht denn niemand zu diesem Klettersteig?? Anschliessend führt das Weglein in eine schöne Mulde am Fuss der eindrücklichen Plattenfluchten der Punta Serauta, durch welche die Ferrata eterna führt. In der Dämmerung verpasste ich den Einstieg erst einmal um geschlagene 100 Höhenmeter, da ich mich von verblassten Markierungen zu weit hinauf leiten liess. Der Beginn des Steiges ist auf 2200 m.ü.M. bei einer auffälligen Geröllhalde. Wo der Weg einen scharfen Knick nach rechts macht, quert man weiter nach links zur Wand. In der Tat erblickte ich die verrosteten, dünnen Stahlseile erst, als ich wenige Meter vor ihnen stand. Mit einem etwas mulmigen Gefühl, aber mit viel Vorfreude aufs Abenteuer steige ich kurz vor halb sechs mit dem ersten Tageslicht in die Ferrata eterna ein.
 
Der Fels ist nass und oft leicht brüchig. Die Abstände zwischen den Zwischensicherungen sind meist beträchtlich und betragen bis zu 15m – auch wenn man gesichert ist, stürzt man hier besser nicht. In spannender Kletterei – ich versuche das Seil so wenig als möglich anzurühren, da mein Vertrauen darin beschränkt ist – geht es im II-III Grad die griffigen Platten hinauf. An mehreren Stellen ist das Seil zerrissen, oder fehlt einfach ganz. Es braucht schon etwas Überwindung mit 200m Luft unter dem Hintern sich auszuklinken und sich erst beim nächsten Fixpunkt, 15m weiter oben wieder sichern zu können. Die Schwierigkeit dieser Stellen ist aber normalerweise nur im II. Grad; die Aktion ist deshalb zu verantworten. Fast noch gefährlicher scheint mir der marode Zustand der Seile. Verlässt man sich auf diese und zieht sich daran hoch, nicht wissend, dass sie weiter oben nur noch aus zwei milimeterdünnen Drähten bestehen, kann das ungünstig enden. Deshalb, wo immer möglich Finger von den Seilen lassen und dem Fels vertrauen!
 
Der Klettersteig geht jetzt einfacher über die flacheren Platten gegen den Gipfel der Punta Serauta. Je weiter man steigt, desto besser wird die Qualität der Stahlseile and damit der Aufstieg immer genussreicher. Nach einer guten Stunde und 700 Höhenmeter Klettersteig nähere ich mich, jetzt in der splittrigen und senkrechten Nordflanke dem Gipfel der Punta Serauta. Der Klettersteig führt nicht ganz zum höchsten Punkt, dieser ist aber trotzdem relativ gut zu erreichen: Wo die Seile durch eine Geröllhalde in der N-Flanke wieder nach unten führen, klettert man durch eine brüchige Rinne nach links aufwärts zum Grat und geht dann auf diesem (eine Stelle ausgesetzt mit schlechtem Fels, T5+, II) gegen rechts auf den Gipfel.
 
Der zweite Teil der Ferrata eterna folgt dem zerrissenen, horizontalen Grat zur Bahnstation des Rif. Serauta. Weiterhin auf Speed geht es ab und zu auf der Gratschneide, meist jedoch in den steilen Flanken weiter. Die Ruhe und Einsamkeit und das Morgenlicht tragen dazu bei, dass ich diesen Abschnitt eindeutig als mein bisheriges Klettersteig-Highlight betrachte. Der Steig ist nicht wirklich schwierig, erfordert aber doch gute Fusstechnik, da sich neben dem Seil nirgends andere künstliche Steighilfen befinden. Ich freue mich schon, diesen Klettersteig als „clean“ (soweit es halt möglich ist) bezeichnen zu können, als ich in einer senkrechten Rinne in der Südflanke plötzlich Unmengen von in den Fels geschlagenen Metalls bemerke. Dies muss vor 100 Jahren während dem Krieg eine Leiter gewesen sein. Die Truppen sind also bis auf die Via eterna vorgedrungen! Nach dem Abstieg durch die Rinne ändert der Charakter des Steigs. Er verläuft auf künstlich verbreiterten Bändern in der Südflanke. Neben viel altem Eisen gibt es auch Überreste von Brücken und Ähnlichem. Die Via eterna endet bei einem Felsenfenster. Dort steht dann auch der Hinweis, dass der Klettersteig momentan wegen Unterhalts geschlossen ist - sehr nützlich an dieser Stelle!
 
Gleichzeitig tritt man ein in eine in den Fels geschlagene Stadt. Hinter jeder Ecke findet man Höhlen, Stellungen und alte Holzbauten – sehr eindrücklich! Nach wenigen Minuten ist der Zauber vorbei und ich erreiche die Zivilisation mit der Ankunft bei der hässlichen Skisportstation des Rifugio Serauta. Bei viel Schnee könnte man durch ein Couloir unmittelbar nach Ende der Felsen nach Norden auf den Gletscher absteigen. Dies ist mir aber zu heikel wegen losem Gestein. Die Alternative ist aber ebenfalls ungünstig: Eine Galerie über die Touristen – allerdings nur im Winter – den Gletscher erreichen können, ist verriegelt und ich muss über dieser durch unangenehmes Gelände kraxeln – zum Glück hatte ich die Steigeisen am Morgen noch eingepackt! Dann zügig den Gletscher hinab und auf der reichlich unschönen Skipiste, die letzten Schneefelder ausnutzend, zurück zum Passo Fedaia. Insgesamt knapp dreieinhalb Stunden für den „ewigen“ Klettersteig inkl. Zustieg und Rückweg, das scheint mir doch eine zeitlich - und auch sonst – äusserst gelungene Tour, vor dem Frühstück!

Tourengänger: Delta


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