Die Grabentour - Vom Wasser angetrieben


Publiziert von lainari , 17. November 2020 um 17:02.

Region: Welt » Deutschland » Östliche Mittelgebirge » Sonstige Höhenzüge und Talgebiete
Tour Datum:15 November 2020
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 5:30
Aufstieg: 535 m
Abstieg: 535 m
Strecke:21 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto oder Bus nach Falkenberg
Kartennummer:1:33.000, SK Nr. 46 Freiberg und Umgebung

Bergmännische Wasserbauwerke IV
 
Inspiriert von meinen jüngsten Bahntrassenwanderungen fahre ich heute erneut ins Bobritzschtal. Ich parke das Auto auf dem alten Bahngelände der einstigen Haltestelle Falkenberg und überquere den Fluss auf der Straßenbrücke. Über eine Anliegerstraße gehe ich nun in talwärtige Richtung. Etwas außerhalb des Ortes komme ich zur historischen Schafsbrücke. Es soll sich hierbei um eine der ältesten erhaltenen Brücken im Freiberger Raum handeln. Über sie verlief einst eine Salzstraße von Böhmen nach Meißen. Hinter der Brücke führt ein weitgehend naturbelassener Pfad am rechten Ufer talwärts. Unterwegs sind das ein oder andere Wehr im Fluss sowie alte Antriebsgrabenreste an beiden Uferseiten auszumachen. An einer Sitzgruppe lege ich eine Frühstücksrast ein. Über eine Straßenbrücke geht es später auf die linke Talseite und in den Ort Krummenhennersdorf hinein. Eine alte Steinbrücke ermöglicht den erneuten Wechsel auf die rechte Flussseite. Hier befindet sich das sehenswerte Ensemble der alten Wünschmann Mühle. Diese wurde 1195 erstmals urkundlich erwähnt. 1927 wurde das Mühlrad durch eine Turbine ersetzt, die heute noch in Betrieb sein dürfte. Vom Unterwasser der Mühle wurde einst die Grabentour gespeist.
 
Die Grabentour ist ein bergmännisches Wasserbauwerk, das, zwischen 1844-1846 erbaut, bis 1877 Antriebskraft für den Bau des Rothschönberger Stolln lieferte.
Der Rothschönberger Stolln ist ein insgesamt 50,9 km langer Hauptentwässerungsstollen des Freiberger und Brander Bergrevieres, der bei Rothschönberg in die Triebisch mündet. Er besteht aus dem unteren 13,9 km langen Fiskalischen Rothschönberger Erbstolln, dem 15 km langen Hauptstollen im Revier sowie insgesamt 22 km langen Verzweigungen und wurde von 1844-1882 erbaut. Der Revierteil des Stollens unterstand der Revierwasserlaufanstalt. Deren Funktion wird durch eine Worttrennung an den richtigen Stellen deutlicher: Revier-Wasserlauf-Anstalt. Diese war für die ober- und unterirdische Zu- und Ableitung des im Bergbau benötigten und anfallenden Wassers zuständig. Zum Bau des Fiskalischen Rothschönberger Erbstolln wurden insgesamt 8 Zwischenangriffe, sogenannte Lichtlöcher niedergebracht. Von diesen aus arbeitete man im Gegenortvortrieb aufeinander zu. Da die zur Verfügung stehenden Dampfmaschinen noch nicht ausreichend leistungsfähig waren, wurde an drei Lichtlöchern Wasserkraft zum Pumpenbetrieb und zur Förderung eingesetzt.
Zwei davon, das IV. und V. Lichtloch wurden von der 3,6 km langen Grabentour erschlossen. Das aus der Bobritzsch entnommene Wasser wurde dazu durch anspruchsvolles Gelände in 1,7 km offenem und 1,9 km unterirdischem Grabenverlauf zugeführt. Die fünf unterirdischen Abschnitte werden wegen der bergbaulichen Verwendung als Röschen bezeichnet. Die Anlage des Bauwerkes geht auf den Obereinfahrer E. v. Warnsdorff, den Obersteiger A. Jobst und den Maschinensteiger G. Beier zurück.
 
Die Grabentour wird heute von einem wunderschönen Wanderweg begleitet. Unterwegs komme ich zum einstigen V. Lichtloch. Die Übertageanlagen sind hier alle entfernt worden. Einzig das Fundament des Treibehauses ist noch erhalten. Die Aufschlag- und Abzugsrösche sind zugemauert und verfüllt. Als Antrieb wurde am V. Lichtloch eine Schwamkrug-Turbine mit 2,3 m Durchmesser und 10,7 m effektiver Wasseraufschlagshöhe verwendet. Diese langsamlaufende Gleichdruck-Radialturbine wurde vom Oberkunstmeister F. W. Schwamkrug entwickelt. Sie war für den Antrieb von Pumpensätzen und für den Förderbetrieb gleichermaßen geeignet.
Weitergelaufen, überschreite ich ab dem oberen Mundloch der Reinsberger Rösche einen Höhenrücken in gerader Linie und komme im Ort Reinsberg schließlich zum IV. Lichtloch. Die Übertageanlagen sind hier komplett erhalten und können (außerhalb von Corona) besichtigt werden. Als Antrieb wurde am IV. Lichtloch ein Wasserrad mit 11,9 m Durchmesser verwendet. Das Wasserrad wurde nach Betriebsende entfernt aber die gewaltige Radstube ist noch erhalten. Ich drehe eine Runde durch das Areal und gehe zum Schafteich. In Betriebspausen konnte das Grabenwasser hierhin abgeschlagen werden.
 
Ich laufe nun bis zum Scheitel des Höhenrückens zurück und biege nach links auf die Wolfsstraße ab. Statt gerade durchzulaufen, nehme ich den ersten Abzweig nach rechts und handele mir damit einen kleinen Umweg ein. Später zwingen sonntägliche vollmechanisierte Forstarbeiten zu einem weiteren kleinen Umweg. Entlang der Straße komme ich nach Krummenhennersdorf und quere dort die Bobritzsch. Über eine Anliegerstraße gehe ich am Ortsrand auf die Anhöhe hinauf und biege nach links auf einen Flurweg ein. An der Salzstraße halte ich mich nochmals links und gehe bis zum einem Grundstück. Dort biege ich ebenfalls links und verliere an Höhe. Über eine frische Lichtung komme ich zum Bobritzschufer. Dort ist eigentlich Ende Gelände, der Karteneintrag erweist sich als ungenau. In Indiana-Jones-Manier arbeite ich mich auf einem Wildwechsel durch Schlamm, Brennnesseln, Brombeergestrüpp und über Fallholz flussaufwärts. Nach einiger Zeit komme ich zum einstigen Standort der Forstmühle, die zu Krummenhennersdorf gehörte und 1348 erstmals urkundlich erwähnt wurde. 1912 ist sie abgebrannt und ihre Reste wurden nach dem II. Weltkrieg zum Bau von Neubauernhöfen abtransportiert. In den 1980er-Jahren wurden die Fundamentreste gesichert und Freiwillige richteten den Mühlgraben wieder her. Zuletzt waren ABM-Kräfte zur Konservierung tätig. Ich lege meine Mittagsrast ein. Zwei anwesenden Radfahrern empfehle ich auf die Frage, wo ich denn herkommen würde, lieber wieder umzukehren. Gestärkt wandere ich bis zu einer Steinbrücke, wechsele das Ufer und lege die Schlussetappe auf dem vom Morgen bekannten Weg nach Falkenberg zurück.
 
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 5 h 30 min.
Die absolvierte Strecke ist nur teilweise als Wanderweg markiert und größtenteils als T1 zu bewerten. Felsenpassagen sowie ein weitgehend wegloser Abschnitt am Bobritzschufer sind abweichend als T2 einzuschätzen.

Tourengänger: lainari
Communities: Flusswanderungen


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T2
7 Nov 20
Grabentour · pika8x14

Kommentare (6)


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pika8x14 hat gesagt:
Gesendet am 17. November 2020 um 18:57
… so kann’s gehen:

Gestern haben wir noch heldenhaft den Wegpunkt für das V. Lichtloch angelegt und mit dem Schreiben des Berichts begonnen. Und nun kommst Du - und veröffentlichst die legendäre "Grabentour" ;-).

Tatsächlich sind wir eine Woche zuvor auch mal wieder dort entlang gedackelt, denn der letzte Besuch im Rahmen eines Schulwandertages war schon eine Weile her. Aus irgendwelchen Gründen hatten wir damals weder Handy, noch Digitalkamera dabei. Vermutlich gab es deshalb seinerzeit auch keinen HIKR-Bericht. Dafür durften wir unser frisch erworbenes Wissen anschließend in der nächsten Heimatkundestunde präsentieren.

Glück auf, Andrea + André.

lainari hat gesagt: RE:
Gesendet am 17. November 2020 um 20:35
Ich hatte den Bericht durch die Vorbereitung schon im Kopf, da ging das Aufschreiben schneller...

Den Wegpunkt hatte ich etwas überrascht zur Kenntnis genommen, wollte ich die Lichtlöcher doch selbst nicht vergeben. Aber durch Eure Vorarbeit habe ich meinen Schafteich dann noch zum IV. LL "umgeschnitzt".

Bin schon gespannt auf Euren Bericht, da dürfte es ja unterwegs noch etwas bunter gewesen sein.

Glück auf, Holger

pika8x14 hat gesagt: RE:
Gesendet am 17. November 2020 um 21:18
… ein bisschen bunter war es sicherlich noch. Ansonsten sind die Fotomotive logischerweise sehr ähnlich. Allerdings sind wir in Reinsberg nicht zum Welterbe (IV. Lichtloch) abgebogen - wir hatten Angst*, Dich dort beim "Bahnwandern" zu erwischen ;-).

Mal sehen, ob es nun noch ein Normal- oder doch eher ein Kurzbericht wird. Heute Vormittag wurde ja im 'Gemeinsam einsam - … schrecklich?'-Forum festgestellt: "... es gibt nur noch irgendwelche Spaziergänge in den Beiträgen".

Unter Umständen sind also nicht alle bereit für noch mehr Bilder aus T1-2-3-Gelände ;-).

Nochmals Glück auf.

* aus Unsicherheit über die in dieser Minute tatsächlich geltenden Corona-Kontakt-Beschränkungen

lainari hat gesagt: RE:
Gesendet am 18. November 2020 um 17:55
Keine Bange mit PNo stehe ich erst am Anfang - ganz schön lang das Teil. Eigentlich böte sich dort jeweils eine ÖV-Rückfahrt an, da könnte man mehr Strecke machen. Aber am WE/feiertags auf komischen Relationen und dazu noch Corona, da ist mir 'nen bissel viel Abenteuer.

Zum Thema "Spaziergänge": Die Meinung sei ihm gegönnt und wurde zur Kenntnis genommen ;-)

lainari hat gesagt: RE:
Gesendet am 18. November 2020 um 18:04
Bezüglich Wandertag: Musste da nicht immer jemand einen Bericht für das Klassenbuch schreiben? Oder gab es da noch was Anderes? Wir haben bei einem Klassentreffen mal solche Dinge zur Erheiterung vorgelesen.

Zum Beispiel: Unser Besuch bei der Patenbrigade im VEB Cosid-Kautasit, alte Backsteingebäude, enge Gassen, Dampfspeicherlok mit Kesselwagen, beißender Geruch über Allem...

pika8x14 hat gesagt: RE:
Gesendet am 20. November 2020 um 16:15
Einen Bericht über den Besuch bei der Patenbrigade (VEB Kraftverkehr…) haben wir tatsächlich mal beim Klassentreffen ausgekramt. Ob es auch für die Grabentour einen gibt, müsste bei Gelegenheit mal erforscht werden. Falls ich den zufällig geschrieben haben sollte (damals logischerweise per Hand), kann den aber leider eh keiner lesen ;-).

In diesem Fall könnte dann der HIKR-Bericht aus dem Hut gezaubert werden. Vermutlich stellen wir den vorsichtshalber also doch fertig…


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