Ach, Abenteuer!


Publiziert von rojosuiza , 17. Juli 2020 um 11:25.

Region: Welt » Niederlande
Tour Datum:13 Juli 2020
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: NL 
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Obdam
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Obdam

Ab und zu muss der Mensch ausbrechen, statt immer nur gebahntem Pfad zu folgen. Freies Herumstreifen muss sein. Das ist aber im Landstrich, wo rojosuiza wohnt,  beileibe nicht einfach. Es kommen immer und ewig Wasserläufe dazwischen. Meist sind sie gerade breit genug, einen erfolgreich am Querfeldein-Laufen zu hindern. Man muss sich ihnen wohl oder übel beugen; damit vergällen sie einem leicht die Abenteuer…
 
rojosuiza nimmt den Zug nach Obdam. Statt in seiner Stadt und in einem zweifelnden Halbsommer ist er plötzlich auf dem Land und im Hochsommer. Wie sich hier herausstellt ist  der ehrwürdige Bahnhof von Obdam ebenfalls  auf Reisen gegangen in wärmere Gefilde: er ist glatt von Nord-Holland nach Italien gezogen. Dass er ganz Italiener geworden ist, zeigt er deutlich mit seinem Sonnenschutz, der ‚tricolore italiano‘.
 
Zuerst läuft rojosuiza noch weiter nach Norden.  Obdam ist ja an sich schon viel weiter oben im Norden von Holland als Amsterdam. Aber Spanbroek ist noch etwas weiter. In Spanbroek befindet sich das Scheringa-Museum für Realismus. Was es damit auf sich hat, werden wir noch erfahren. rojosuiza  imitiert ein Fahrrad – fiets-fiets – und so darf er auf einem Radweg dahinwandern.
 
Etwa ein Stündlein geht es immer der Nase nach. Ein rechter Wanderer schafft die Strecke nach Spanbroek in etwa einer Stunde, und tatsächlich, das Stück wird in der geplanten Weise erledigt. Ein besonders schöner Hof, den nur der Fussgänger sieht! eine prachtvolle Allee, die nur der Fussgänger wahrnehmen kann!
 
Scheringa ist ein self-made Mann. Er hat eine Bank gegründet und gute Geschäfte auf Kosten anderer gemacht. Er hat einen Fussball-Club gekauft, und ihn gross gemacht. Er hat schliesslich seinem Steckenpferd gefrönt und der Hyperrealistischen Kunst, die er gesammelt hat, ein riesiges Museum gebaut – in seinem Wohnort, im abgelegenen Spanbroek, einer westfriesische Gemeinde von nicht einmal 5000 Einwohnern. Dann kommt das Fantasiegebäude zum Einsturz. Die Bank geht pleite, der Fussball-Club schwimmt weg, das Museum ist fast fertiggestellt – jetzt wird es geschlossen, bevor es je eröffnet worden ist. Die Kunst kommt unter den Hammer, der Hyperrealismus hat sich als unrealistisch herausgestellt.
 
Nicht nur die Kunst ist nie angekommen, in ihrem nigelnagelneuen Museum in Spanbroek. Auch rojosuiza ist nicht angekommen bei dem Kunstbau. rojosuiza will die Neubau-Ruine seit langem einmal selber beschauen, aber gelingt das? – Die Zweite Hälfte will gern vor drei Uhr nachmittags Kaffee trinken zu Amsterdam, was tut ein braver rojosuiza da? – Er gehorcht eifrig dem Partner. Der Ausflug ins Wilde wird gekürzt, das Abenteuer ist zu Ende.
 
Beendet sind die Abenteuer! Gut: Zurückgehen, ja. Aber den selben Weg zurückgehen? – Das denn doch nicht. Es gibt einen fast parallelen Rückweg. Er liegt an einem Kanal. Das weiss man von der Karte auf Google Maps. Rechts des Kanals gibt es eine hundsgewöhnliche,  schmale Strasse, worauf man spazieren könnte. Was aber ist links davon davon?
 
Das Land ist flach. Neben mir rauscht dann und wann ein Auto vorbei. Doch ich, ich wähne mich plötzlich in den Alpen. Hier verläuft nämlich ein kleines Wunderweglein, mit kleinen Fussbrücklein über all die kleinen Seitengewässerchen, die sonst dem Abenteuer  so ungnädig einen Riegel schieben. Das Weglein läuft auf einem kleinen Damm, quert ab und zu abgeschotteten Kleinstparzellen für die Schafe. Die sind eingezäunt, aber an einer Stelle übersteigbar gemacht mit einem etwas erhöhten Brett. Gemessen ist der Abstand Brett:Zaunkrone an langen holländischen Beinen; um bequem hinüberzukommen ist eine bestimmte minimale Beinlänge nötig.    
 
Zuerst wandert der Bergheld zögerlich. – Wird es dort weiter vorne auch tatsächlich einen Durchgang geben, oder stattdessen eine Wasserfläche ohne Brücke? Vertrauen in die Zukunft geben ihm die kleinen Nummern, die am Zugang das erste Viehgitter markieren. Was da so aufwendig markiert ist, wird wohl etwas weiter führen. Schon bald kommt die erste kleine Brücke tatsächlich, und später stellt sich der ersteFussgänger- Gegenverkehr  ein; es sind die ersten Fussgänger die der Wanderer bisher gesehen hat. Auto und Fahrrad zuhauf, auf der gegenüberliegenden  Seite des Kanals, aber rojosuiza ist auf seiner Hälfte des Spielfeldes bald wieder einmal ganz allein – von Schafen abgesehen, natürlich.
 
Der Kulturbeflissene, der es nicht geschafft hat zu seinem nicht real existierenden Museum, er schafft es zu einem Artefakt der Ingenieurskunst. Nach einigen spannenden Brücken und Brücklein nähert sich jetzt… Don Quichottes Ritter! – Der feindliche Ritter, er ist nicht allein. Ihm voran geht der kleinere, mutige Knappe, der an seiner  Seite…
 
Also, was haben wir da in Wirklichkeit? – Es ist die Kaagmolen aus 1654, mit ihrer echten Holzschraube von Archimedes. Sie hat in ferner Vergangenheit  ihre noch viel ältere Vorgängerin aus 1492 abgelöst. Damals war hier einfach überall Wasser. Heute sind hier Tausende von Kanälen und Kanälchen; damals waren es lauter Inseln und Inselchen. Diese Mühle ist es, die die Landschaft radikal verändert hat; sie hat das Wasser- und Sumpf-Gebiet zum Festland gemacht, das rojosuiza jetzt durchwandert.
 
In der schrägen Röhre drin versteckt haust ebenfalls eine Schraube von Archimedes – aus Metall dieses Mal. Sie gehört zum Dampfpumpwerk, das als Hilfspumpwerk neben die Windmühle gestellt worden ist, anno 1879. rojosuiza  hat in das kleine Häuschen hineingeblickt, um zu sehen, was es dort zu sehen gibt. Die erwarteten gusseisernen Schönheiten kommen nicht zum Vorschein: die Dampfmaschine ist weg, und ein Dieselmotor auf dem Jahr 1959 verrichtet  den Dienst.
 
Was für Abenteuer erlebt man, wenn das Abenteuer vorbei ist? Was blüht dem Unbeschriebenen Blatt, das von gar nichts etwas weiss?- An der folgenden Ecke steht schon ein nächstes Wunder. Ach Abenteuer! sie kommen nur ungeplant...
 
 

Tourengänger: rojosuiza


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Kommentare (5)


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Nyn hat gesagt:
Gesendet am 17. Juli 2020 um 12:28
Da hast du Dich abenteuerneugierig drauf eingelassen.
Klasse!
Der wo richtig sucht, der auch diese findet und mehr.

detlefpalm hat gesagt: Überraschung
Gesendet am 17. Juli 2020 um 13:14
Das ist das Angenehme auf Reisen, dass auch das Gewöhnliche durch Neuheit und Überraschung das Ansehen eines Abenteuers gewinnt. (Johann Wolfgang von Goethe)

rojosuiza hat gesagt: RE:Überraschung
Gesendet am 17. Juli 2020 um 14:31
der Goethe da, der war aucb in Spanbroek?

kopfsalat hat gesagt: RE:Überraschung
Gesendet am 17. Juli 2020 um 16:54
Der Goethe war überall. Es grenzt an ein Wunder, dass er noch Zeit fand, all die Bücher zu schreiben.

rojosuiza hat gesagt: RE:Überraschung
Gesendet am 17. Juli 2020 um 17:15
Er soll ja hauptsächlich Reise-Bücher veröffentlicht haben, auch viel über Italien, war wohl so 'ne Art hikr-Reise-Schriftsteller...


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