Lunae Montes - Teil 6 - Jaffrey's


Publiziert von detlefpalm , 4. Juni 2019 um 09:52.

Region: Welt » Tansania
Tour Datum:20 Januar 1981
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: EAT 
Zeitbedarf: 2 Tage

Eis am Äquator, Viertausender in Afrika. Die von Ptolemäus erwähnten Lunae Montes als große Attraktion. Die Schneemassen der Mondberge speisen die sagenumwobenen Quellläufe des Nil. Die Legenden um Burton, Speke, Emin Pascha, Stanley und Livingstone beflügeln die Phantasie. Entlang des Weges: Kilimanjaro, Mount Meru, die Virunga Vulkane und Mount Elgon. Und alles was dazwischen liegt. Terra incognita, 1980 - 1981

Mugumu
 
Langeweile und Frohsinn liegen in Ostafrika dicht beieinander. Dem Schatten folgend, rutsche ich seit Sonnenaufgang halb um den Baum. Das erste Fahrzeug kommt um fünf Uhr nachmittags, ein LKW mit Gefängniswärtern. Es ist unklar, ob es Gefangene gibt. Es geht lustig zu.
 
Die Gefängniswärter fahren nicht, wie erhofft, an den Victoriasee, sondern biegen bald nach Mugumu ab. Mugumu ist die Hauptsadt des Serengeti Districts. Es gibt keinen Strom, die Kerosinlampen verbreiten Gemütlichkeit. Im Guesthouse logieren außer mir noch zwei Hubschrauberpiloten, bereitwillig teilen sie ihr knappes Bier und zeigen mir, wie man Ugali isst. Einer der Piloten war schon mal in Düsseldorf. Das Guesthouse füllt sich, ständig singt jemand. Ich verlängere um einen Tag, mache mich mit Kochbananen und Donatis vertraut.
 
Schlau geworden, bin ich um vier Uhr früh in völliger Dunkelheit am Abfahrplatz der Minibusse. Es sind schon Leute da. Um fünf Uhr beginnt lautstarkes und anhaltendes Hupen. Das ganze Dorf wird wach. Ich halte es für das Äquivalent des morgendlichen Kirchengeläut; in Wahrheit signalisiert das Personal der Minibusse den Fahrern, dass es Zeit ist zu fahren.
 
Lake Victoria
 
Ich komme an einem Feiertag an, alle Hotels oder Guesthouses in Mwanza sind ausgebucht. Dann stoße ich auf Jaffrey‘s. Mitten im Zentrum. Am Abend wird klar, warum der Inder freie Zimmer hat: seine gutgehende Bar ist der Hotspot des Nachtlebens, das funktioniert hier auch tagsüber. Riesige Rotoren schaufeln heiße Luft; dämmeriges Licht; Halbweltdamen halten nach Humphrey Bogart Ausschau.
 
Ganz Mwanza – wenn nicht Tanzania – leidet unter einem lack of beer. Als Gegenmaßnahme gibt es einen unendlichen supply of brandy. Amerikanische Entwicklungshelfer kennen einen Inder, der uns nach einer Brandy-Mahlzeit zu einem ausverkauften Fußballspiel einlädt: Mwanza gegen Dodoma. Wegen der Abwesenheit von Schlachtenbummlern aus Dodoma johlen zweitausend Zuschauer gleichermaßen für beide Mannschaften. Glanzpunkte sind die Schüsse über den Ballfangzaun und Stolpereinlagen; Begeisterungsstürme brausen auf, wenn ein Spieler sich den Ball mit der Hand greift.
 
Trotz durchzechter Nacht stehe ich um halb sieben am Bahnhof, um neun wird der Verkaufsschalter geöffnet, und um zwölf Uhr fällt das Gitter – nur noch vier Leute wären vor mir. Es muss einen anderen Weg geben. Jaffrey verspricht zu helfen.
 
Erstmal noch ein Tag in Mwanza; Mandazi, Schlangenbeschwörer, Bismark Rock. Abends in der Bar winkt Jaffrey‘s Sohn mir und einem anderen Muzungu ihm heimlich zu folgen. Es gibt Videos, auf Kasette. Mir schwant nichts Gutes; dann läuft Cramer gegen Cramer.
 
Am nächsten Morgen schreite ich mit einem einflussreichen Herrn an der Warteschlange am Bahnhof vorbei, direkt in ein Büro. Ich erhalte mein Ticket 2ter Klasse sofort und zum regulären Preis. Der Einflussreiche grüßt noch einmal kurz und geht.
 
Die 2te Klasse hat nur Liegewagen; Schaffner kontrollieren streng, dass sich niemand dazulegt; nirgends steht Gepäck herum. In der 3ten Klasse werden Gepäck, Tiere und Kinder durch die Fenster gereicht. Der Zug fährt die ganze Nacht hindurch, 350 Kilometer bis Tabora.
 
Verhaftet
 
Seit fünf-ein-halb Stunden bin ich verhaftet. Der Anschlusszug nach Kigoma fährt erst am Abend. Polizei und Militär hatten mich aufgegriffen. Ich bin ein Spion; ich habe einen Fotoapparat dabei.
 
Ich werde immer höheren Beamten weitergereicht; die vorher finsteren Offiziellen bleiben im Raum und werfen mir jetzt aufmunternde Blicke zu. Ob ich mein Visum für Burundi selbst gemalt hätte? Der Film ist schon-mal futsch; keine Fotos von Mwanza und Jaffries.
 
Ich beschleunige das Ende der Verhandlungen mit einem Hinweis auf eine nötige Mahlzeit und der bevorstehenden Abfahrt meines Zuges. Das Oberkommando lädt mich zum Essen ein, wir unterhalten uns über die unterschiedliche Religiosität in Afrika und Europa. Sein Dienst-Jeep bringt mich zum Bahnhof. Wir können uns mit dem langen und herzlichen Abschied Zeit lassen; der Zug fährt erst im Morgengrauen ein.
 
Eine andere Art Zug. Noch langsamer. Keine Liegewagen. Nur dritte Klasse. Bei Tageslicht ist die Landschaft trostlos. Wegen der Tse-Tse Fliege gibt es keine Dörfer. Ich setze mich auf die Trittstufen, bin ein Hobo, und lasse die Füße über die dahinklappernden Schwellen baumeln.

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Tourengänger: detlefpalm


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