Die geheimnisvollen Höhen des Džbán (Krugwald)


Publiziert von lainari , 12. Juli 2018 um 10:10.

Region: Welt » Tschechien » Džbán
Tour Datum: 7 Juli 2018
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Zeitbedarf: 5:30
Aufstieg: 490 m
Abstieg: 490 m
Strecke:16,5 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto oder Zug der ČD bis Mutějovice
Kartennummer:1:50.000, KČT Nr. 8 Lounsko a Džbán

Eine erste Erkundung in einer neuen, geschichtsträchtigen Region
 
Heute breche ich einmal zu einer Tour nach Mittelböhmen auf. Zwischen Louny und Rakovník erhebt sich der Höhenzug Džbán (Krugwald) als eine Unterformation der geologischen Einteilung Brdská oblast. Schon die Anreise am zeitigen Morgen steigert die Freude auf diese Unternehmung. Auf der Fahrt südwärts passiere ich die friedlich im weichen Morgenlicht liegenden westlichen Steppenberge des Böhmischen Mittelgebirges. Dann erfolgt der Anstieg Richtung Džbán. Die Fahrt geht durch gepflegte Orte mit alten Schlössern, Hopfendarren und schönen Häusern. Auf dem Gebirgskamm sieht man viele Hopfenfelder. Zwischen dem Ort Mutějovice und seinem weit abgelegenen Bahnhof halte ich zunächst am Čertův kámen (Teufelsstein). Der aus ortsuntypischem Quarzit bestehende Stein liegt mitten auf einer Wiese. Es ist rätselhaft, wie er dorthin gelangt ist und welche Funktion er hatte.
 
Am Bahnhof parke ich dann und folge ab dem Wegweiser Mutějovice (žst) einer gelben Wanderwegmarkierung bergwärts durch den Wald. Das aus Pläner bestehende Bergmassiv weist hier Spuren alter Steinkohlebergwerke sowie von Steinbrüchen auf. Auf der Hochebene angekommen, durchquere ich für kurze Zeit eine Feld- und Wiesenlandschaft. Im nächsten Waldstück treffe ich auf die einzigartigen Kounovské kamenné řady. Hierbei handelt es sich um vierzehn bis zu 340 Meter lange Steinreihen die exakt in Nord-Süd-Richtung angelegt sind. Von 1934 einst bei der Entdeckung gezählten 2.239 Steinen sind heute noch ca. 1.500 Steine vorhandenen. Sie bestehen aus ortsuntypischem Quarzit und sind in Pläner-Schotter gesetzt. Wo sie gewonnen wurden und wie sie hierhergelangt sind, ist noch nicht geklärt. Ebenso unklar sind das genaue Alter und der Zweck dieser Anlage. Spekulationen gehen von Feldbegrenzungen und einer Rennbahn über einen UFO-Landeplatz bis zu einem astronomischen Kalender. Letzteres ist die wahrscheinlichste Annahme. Als Erbauungszeitraum wird das Zeitalter der Hallstattkultur (etwa 6. Jh. vor Chr./HaD) angesehen. Da die frühen Bauarbeiter im Gegensatz zu heute klinisch rein arbeiteten und keine Mineralwasserflaschen oder Werkzeuge liegen ließen, konnte das Alter nicht archäologisch verifiziert werden. Eine Verbindung zum zuvor besuchten Čertův kámen wird nicht ausgeschlossen. Ich schaue mir das Areal mit einzelnen Reihen genauer an und gehe zum großen südwestlichen Eckstein Pegas sowie zum nordöstlichen Eckstein Gibon (Gibbon I). Dann folge ich dem gelben Wanderweg bis zum einstigen Forsthaus Rovina und biege dort auf eine blaue Wanderwegmarkierung ab. Auf dem anschließenden Höhenrücken ist, als Hradiště Rovina/Na Rovinách bezeichnet, ein etwa trapezförmiger Wall einer befestigten Siedlung aus der Hallstattzeit erhalten geblieben. Diese Anlage konnte an Hand von Bodenfunden auf etwa das 5. Jh. vor Chr./HaD datiert werden. Weitergelaufen, erreiche ich nach einem Abstieg eine Straße.
 
Nach wenigen Metern am Straßenrand biegt der Verlauf des Wanderweges nach links hinein und führt zunächst etwas hinunter, bevor er ruppig ansteigt. So gelange ich auf den Burgberg der Hrad Pravda (Burg Wahrheit).
Die Gründung der Burg ist umstritten, einige Meinungen halten das 14. Jh. als Erbauungszeit wahrscheinlich, andere deuten auf eine Erbauung durch Beneš z Kolovrat in den 1430er Jahren. Der Name ist jedenfalls hussitischen Ursprunges. Keiner der Besitzer schmückte sich jedoch mit dem Titel Pravda. Ein erste urkundliche Erwähnung belegte 1523 einen Verkauf der Burg an Děpolt Popel z Lobkowicz. In der 2. Hälfte des 16. Jh. begann dann der Verfall der Anlage. Sie war fortan Aufenthaltsort zwielichtiger Gestalten, von Räuberbanden, Landstreichern und Tramps.
Und heute komme ich also noch dazu. Aber ich bin nicht allein, die Burg ist gut besucht. In einer Rasthütte tagt eine frühe Wandergesellschaft und im Innenhof campiert eine junge Frau mit einigen Kindern in Zelten. Ich besichtige die Anlage, lege eine kleine Pause ein und umrunde die Burg einmal auf dem Ringwall. Dann gehe ich weiter entlang einer gelben Wanderwegmarkierung in den Ort Domoušice. Die sehenswerte Siedlung besitzt ein Schloss, mehrere Kapellen und eine Kirche. Hinter dem Ort zweigt der grün markierte Wanderweg zunächst aussichtsreich in Wiesenland ab. Der Blick geht über eine weite Talmude mit Hopfenfeldern nach Lhota pod Džbánem. Lhota ist in Tschechien übrigens ein häufig gebrauchter Ortsname, der auf einen alten slawischen Rechtstitel, die Frist einer Abgabenbefreiung zurückgeht. In deutschböhmischen Gebieten wurde er mit Wellhotta oder Wellhotten eingedeutscht. Mittlerweile habe ich lichte verkrautete Waldflächen erreicht, wo sich viele Schmetterlinge tummeln. Oberhalb des Scheiteltunnels der Eisenbahn nahe dem Bahnhof Mutějovice biege ich auf den gelb markierten Burgzugangsweg ab und mühe mich auf die bewaldete Anhöhe zur Hrad Džbán/Čbán hinauf.
Der Ort wurde früh in der Geschichte besiedelt. Zunächst entstand hier eine Burgstätte der Hallstattkultur. Später wurde an diesem Platz eine slawische Burganlage erreichtet, die schließlich im 13. Jh. durch eine Höhenburg der Přemysliden ersetzt wurde. Bei der Erforschung wurde ein Schlussstein mit der Jahreszahl 1273 aufgefunden. Zu ihrem Niedergang gibt es zwei Theorien. Ausgangspunkt könnte der zu scharfkantig und tief in das Pläner-Plateau hineingetriebene Graben des Ringwalls sein. Dadurch wurde eine statische Instabilität ausgelöst, die zur zweifachen Spaltung der Burgfläche führte. Möglicherweise wurde deshalb die Burg bereits am Ende des 13. Jh. aufgegeben. Die andere Theorie spricht von einer Zerstörung bei Kämpfen im Jahre 1318.
Ich besichtige die verbliebenen Reste, die zudem durch spätere Steinbrucharbeiten dezimiert wurden, und kämpfe dabei mit filzigem dornigem Grün. Über eine Rampe gehe ich schließlich zum Waldrand hinunter.
 
Eine grüne Wanderwegmarkierung leitet mich bis zu einer Wegkreuzung. Ich gehe unmakiert bis zur Straße hinunter, biege spitzwinklig nach rechts und laufe wieder bergan in das Areal der einstigen Kohlezeche Důl Perun.
Unter dem Höhenzug Džbán liegt Steinkohle des sogenannten Kounovsko-slánská sloj (Kaunowa-Schlaner Flöz). In der Umgebung des Bahnhofes Mutějovice gab es allein 25 mehr oder weniger große Kohlegruben. Das Areal der Zeche Perun I war dabei ein zentraler Aufbereitungs- und Umladepunkt. Dazu bestand zwischen 1920-1995 ein einen Kilometer langes normalspuriges Anschlussgleis zum Bahnhof Mutějovice. Zwischen 1925 und 1965 existierte zudem eine schmalspurige Verbindung zu den Gruben Perun II und III. Von der Zeche Důl František bei Lhota pod Džbánem wurde die Kohle mit einer Seilbahn herangeführt. Das Gelände der Grube Perun war 1937 zudem Drehort des tschechoslowakischen Filmes „Harmonika“.
Ich streife durch das dichte Grün und schaue nach heute auffindbaren Resten. Eine Erkundung der einstigen Schmalspurbahntrasse und der weiter entfernt liegenden einstigen Bergwerksanlagen habe die für die laubfreie Zeit avisiert. Über die einstige Anschlussbahntrasse kehre ich abschließend zum Bahnhof Mutějovice zurück.
 
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 5 h 30 min.
Die absolvierte Wegstrecke ist größtenteils als Wanderweg markiert und mit T1 zu bewerten. Die Aufstiege und Erkundungen der Hrad Pravda und der Hrad Džbán sowie die Erkundung der Důl Perun haben abweichend die Schwierigkeit T2.

Tourengänger: lainari


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T2
24 Okt 21
Výrov a Okrouhlík · lainari

Kommentare (2)


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mong hat gesagt:
Gesendet am 13. Juli 2018 um 20:48
Wenn ich "Böhmen" lese oder höre, dann kommt mir immer dieses schöne Lied in den Sinn. Das Lied wurde in meiner Jugend bei den Wald- und Wiesenfesten in der Innerschweiz ständig gespielt.
⬇︎☟⬇︎
/www.youtube.com/watch?v=pLRkyqUuXss

(Ob dir diese schöne Volkslied auch gefällt,
weiss ich natürlich nicht.)

lainari hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. Juli 2018 um 22:06
Ach mit sooo schönem Schmalz...

Aber Gitti und Erika machen's sehenswert ;-)


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