Ruhrgebiet Alpin: Bottrops schneesicherste Skitour


Publiziert von ossi , 6. Juni 2016 um 07:08.

Region: Welt » Deutschland » Westliche Mittelgebirge » Sonstige Höhenzüge und Talgebiete
Tour Datum:25 April 2016
Ski Schwierigkeit: L
Wegpunkte:
Strecke:Alpincenter Bottrop googeln und man findet alles Nötige

Frühstück in Gelsenkirchen, eher bekannt für seine legendäre Fussballmannschaft "FC Schalke 04" denn als Winterkurort. Es regnet bei sieben Grad und weit und breit ist kein Berg zu sehen (was allerdings an der schlechten Sicht liegen könnte...). Auch an der Bushaltestelle zum Ausgangspunkt der Tour regnet es immer noch bei 7 Grad, die Schneehöhe in der Talsohle -die "Talsohle" misst in der Breite an dieser Stelle mindestens 80 km- beträgt maximal null Zentimeter. Immerhin findet man neben der dicht befahrenen Strasse eine hügelähnliche, sanft ansteigende Geländeform. Auf der anderen Strasse breitet sich ein Industriegelände von der Grösse eines Stadtquartiers aus, ein riesiger Kamin stösst eine ebenso riesige Flamme aus: Man scheint sich hier auf eine Fackelwanderung vorzubereiten.


Zustieg: Ungewöhnlich. Man steigt nämlich erst auf den Gipfel, bevor man zum Start des Aufstiegs abfahren muss. Man folgt den Wegweisern "Alpincenter" und findet sich alsbald in einem ansteigenden Tunnel wieder (...ein Karstgebiet?). Begleitet von lustiger Alpengaudi-Musik wird man von einem Förderband durch diese tunnellartige Struktur zum Gipfelplateau befördert (über ausgelegte Bretter kann der Gipfel wahlweise auch zu Fuss gewonnen werden). Das Ambiente erinnert stark an eine Zivilschutzanlage. Ich nutze die Gelegenheit, mein fundiertes Schutzraumwissen am Praxisbeispiel aufzufrischen. Das Gipfelplateau kann übrigens auch mit dem Auto erreicht werden. Die Schneehöhe auf dem offenen Gipfelplateau beträgt auch hier maximal null Zentimeter, dafür wird man mit einer schönen Rundsicht über die Kurregion "(K)ruhrgebiet" entschädigt.

Der Einstieg zur Abfahrt ist einfach (T1), wenngleich ungewöhnlich erreichbar: Zuerst bezahlt man Eintritt, im Anschluss erhält man den dem Können entsprechenden Abfahrtsski ausgehändigt. Achtung: Es sind keine Tourenbindungen erhältlich, man braucht also das eigene Material mitzunehmen. Nach wenigen Metern ist der Einstieg erreicht.

Allgemeines: Wie sich herausstellt, handelt es sich bei der Abfahrt um ein Couloir, und das im Ruhrgebiet! Das Couloir ist breit und nach oben geschlossen. Es handelt sich deshalb mehr um ein höhlenförmiges Gebilde als um ein Couloir im klassischen Sinne (also doch ein Karstgebiet!). Ein Ausweichen in die Seitenflanken ist unmöglich. Die begrenzenden Flanken des Couloirs ragen senkrecht empor, bis sie sich in Überhänge ausweiten und oben vereinigen.

Der Einfahrtsbereich ist recht flach (geschätzte 5° Hangneigung), weshalb man in dieser sicheren Zone die ersten Schwünge noch ausserhalb der Infarktzone machen kann. Nach einigen Metern bricht der Hang aber abrupt ab, eine Warntafel weist auf diesen Umstand hin.

Nun folgt das eigentliche Couloir, das mehr Skikönnen verlangt: Der Hang ist mit maximal 13° Hangneigung (Steilheiten geschätzt, habe das Messgerät zuhause vergessen) deutlich steiler als oben. Die dunkle, beengende Geländestruktur verleiht der Szenerie ein beklemmendes Ambiente, die Schlüsselstellen können nicht umfahren werden. Mit 640 Metern bringt es das Couloir auf eine beachtliche Länge. Allfällige Aspiranten sollten die konditionellen und psychischen Herausforderungen sorgfältig abwägen, bevor sie ins Couloir einfahren.

Verhältnisse: Erstaunlich! Die Temperaturen liegen in diesem Couloir (das mag wohl am spezifischen Mikroklima in dieser Karsthöhle liegen) konstant unter dem Gefrierpunkt. Entsprechend locker liegt hier der Schnee. Wegen der Steilheiten sowie der konstant tiefen Temperaturen sind hier kaum Nassschneelawinen zu befürchten. Der Wind bläst höchstens schwach, Triebschneeansammlungen sind vermutlich nur äusserst selten zu beobachten. Auch anderes Übel wie zb in der Schneedecke eingelagerte Schwachschichten ist kaum zu befürchten. Die lokalen Skitourengänger tragen wohl deshalb weder das in den Alpen übliche Equipment (LVS, Sonde, Schaufel etc.) auf sich, noch sieht man im Gelände Menschen mit Airbag-Rucksack (aber das ist ja ohnehin umstritten).

Für Alpen-Skitourer ungewöhnlich ist die ausserordentlich hohe Holländerdichte: Auf vier Schweizer und zwanzig Deutsche (die sind vor allem im Service tätig) folgen etwa 623 Holländer.

Aufstieg: Eigentlich benutzen alle hierfür ein Rollband, das die Skifahrer wieder nach oben bringt. Wer sich als konsequenter Skitourer versteht, fellt natürlich an und steigt über die Abfahrtsroute auf. Allerdings rechnet damit garantiert niemand und man riskiert mindestens, sich der Belustigung der anwesenden Skitouristen auszusetzen. Im schlimmeren Fall wird man von ahnungslosen Abfahrern niedergemäht oder man kriegt Hausverbot, weil ein Skiaufstieg so nicht vorgesehen ist.

Fazit: Nach dem FC Schalke 04 das zweite Highlight der Region.


Tourengänger: ossi


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Kommentare (2)


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MichaelG hat gesagt: Spezifisches Gewicht des Holländers
Gesendet am 7. Juni 2016 um 10:12
"...ausserordentlich hohe Holländerdichte" :
Köstlich :-)

2bd hat gesagt: ;)
Gesendet am 13. Juni 2016 um 11:44
:)


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