Der Neusiedlersee und sein Schilfgürtel


Publiziert von ABoehlen , 3. Mai 2010 um 20:23.

Region: Welt » Österreich » Außerhalb der Alpen » Burgenland » Nordburgenland
Tour Datum:20 April 2010
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 40 m
Abstieg: 30 m
Strecke:Purbach am Neusiedler See - Winden am See - Jois - Neusiedl am See, 16 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit der ÖBB nach Purbach am Neusiedler See
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Mit der ÖBB nach Neusiedl am See
Unterkunftmöglichkeiten:Diána Panzió im Stadtteil Alsólővérek von Sopron. Am Neusiedler See gibt es in jedem Ort zahlreiche Unterkunftsmöglichkeiten
Kartennummer:Österreichische Karte 1:50'000, Blatt Neusiedl am See, Nr. 5203 oder Rust Nr. 78 (alte Blatteinteilung)

Link zum vorherigen Tag

Von Sopron aus ist es nicht weit in die Region des UNESCO-Welterbes Neusiedler See, dessen ungarischer Name Fertő tó (Sumpfsee) die Realität sehr treffend beschreibt, wie wir an diesem Tag feststellen.

Nach einer erholsamen Nacht im gemütlichen Zimmer unter dem Dach wird erstmal kräftig gefrühstückt - kein Problem in der Diána Panzió. Die kalte Platte, die uns serviert wird, enthält reichlich Fleisch, Käse und Tomaten, dazu gibt es Brötchen, Butter, Honig etc, sodass ein kleines Picknick am Mittag mehr als genügen wird.

Über Wulkaprodersdorf (Vulkapordány), einem wichtigen Bahnknoten im Burgenland führt uns die Fahrt im ÖBB-Talent vorbei an der burgenländischen Hauptstadt Eisenstadt (Kismarton) an den Fuss des Leithagebirges (Lajta-hegység) und diesem entlang nach Purbach am Neusiedler See (Feketeváros). Von einem See ist allerdings keine Spur zu sehen, was auf den ersten Blick irritiert, beim Blick auf die Karte aber nur logisch erscheint. Ein an manchen Stellen über 4 km breiter Schilfgürtel trennt das feste Land vom nur 1 - 1.8 m tiefen See und nebst einigen wenigen Strassen und Wegen, die diese Sumpflandschaft durchqueren, gibt es keinen Zugang zum Ufer (zumindest nicht auf der Westseite des Sees).

Wir queren den ruhigen und gepflegten Ort und wandern anschliessend auf dem Radweg hinaus ins blühende Land. Die auf und ab schwellende Linie des Leithagebirges begleitet uns zur linken, während rechts der Blick über den Schilfgürtel bis ins Unermessliche schweift. Irgendwo hinter diesem Meer aus Schilf liegt der See, aber er bleibt uns weiterhin verborgen. Dafür lassen sich von denjenigen Stellen, wo der Weg um einige Meter ansteigt, schemenhaft, einer Fata-Morgana gleich, die Bäume am jenseitigen Ufer erahnen.

Vorbei an Rapsfeldern, Weingärten und blühenden Obstbäumen erreichen wir unterhalb von Breitenbrunn (Fertőszéleskút) eine Strasse, die durch das Schilf zum See führt. Wir folgen ihr bis zur auffälligenLinks-rechts-Kurve (ansonsten ist die Strasse schnurgerade) beim Pt. 116, und biegen dort linkerhand in einen Pfad ein, der entlang der Grenze Kulturland - Schilf parallel dem noch über 2 km entfernten Ufer entlangführt. Dieser Weg ist nicht sehr ausgeprägt und wohl nur in sehr trockenen Sommern gut begehbar, wenn der See manchmal fast austrocknet. Zurzeit ist es allerdings eine äusserst nasse Angelegenheit. Da wir uns aber gerademal einen Meter über dem Seespiegel (115 m) befinden, ist es nicht überraschend, dass die Nässe allgegenwärtig ist. Bei so einem Weg stellt sich natürlich die Frage, wie so etwas zu klassieren ist: T1 scheint mir nicht richtig, denn von gut begehbar kann keine Rede sein. Was aber dann? T2 und höher ist auch nicht zutreffend, denn von "Bergwandern" sind wir hier im brettebenen Land weit entfernt. Tatsächlich überwinden wir im Schilfgürtel keinen einzigen Höhenmeter! Mir zeigt dies, dass mit der T-Skala nicht alle Wanderweg-Charaktere korrekt beschrieben werden können!

Nach ca. 2 km erreichen wir bei einem anderen Pt. 116 wieder einen befestigten Weg. Landeinwärts erstreckt sich eine Grasfläche, die von einer Modellfluggruppe genutzt wird und direkt am Weg stehen Tisch und Bänke - der ideale Platz zum Rasten. Ein erster Versuch an einer der wenigen trockenen Stellen war zuvor infolge Ameisen-Invasion gründlich gescheitert. Hier haben wir aber unsere Ruhe und geniessen ein kleines Picknick unter der heiss herniederbrennenden Sonne.

Von diesem Rastplatz aus ist es anschliessend nicht weit bis nach Winden am See (Sásony), einem weiteren Ort mit dem Anhängsel "am See", von dem aus weit und breit kein Wasser sichtbar ist. Erneut folgen wir nun dem Radweg, der oberhalb der Bahnlinie einige Höhenmeter gewinnt und jetzt endlich ist in der Ferne ein ganz schmaler Streifen See sichtbar! Ich komme allmählich zur Erkenntnis, dass dieser grösste Steppensee Europas ein "versteckter Riese" ist, der wohl nur aus der Luft so richtig zur Geltung kommt. A propos Luft: Wie wir unschwer feststellen können, ist die infolge des isländischen Vulkanausbruchs verhängte Sperre des europäischen Luftraumes, seit heute wieder aufgehoben, denn in teils rascher Folge ziehen grosse Verkehrsflugzeuge über unsere Köpfe hinweg.

Entlang des Hackelsberges, eines dem Leithagebirges vorgelagerten steilen Hügels, gelangen wir in den schönen Weinort Jois, von wo es nur noch ein kurzes Stück bis zum heutigen Tagesziel, dem Bahnhof Neusiedl am See (Nezsider) ist. Es reicht perfekt auf den Zug um 16.23 Uhr, eine der wenigen möglichen Verbindungen durch den Seewinkel nach Fertőszentmiklós (Sankt Niklaus am Neusiedlersee). Somit kommen wir in den Genuss, den See, den wir zwar kaum je gesehen, wenigstens komplett umrundet zu haben!

Die Fahrt durch den Seewinkel (Fertőszug), wie sich der Landstrich östlich des Neusiedler Sees nennt, ist äusserst reizvoll. Feldhasen, Fasane und Rehe lassen sich problemlos vom Zug aus beobachten und die Kulturen wechseln sich in rascher Folge ab: Weinbau, Raps, Grasland und immer wieder Hecken, Büsche und lichte Wälder - ein wertvoller Lebensraum für viele Tiere.

In Fertőszentmiklós endet dieser Zug und wird mitten zwischen zahllosen Kesselwaggons parkiert. Auf einem Mini-Bahnsteig durchqueren wir einen Teil dieses "Güterbahnhofes" und gelangen zum Bahnsteig 1, wo nach kurzer Zeit der Schnellzug aus Győr einfährt, mit dem wir den Kreis bis Sopron schliessen. Es bleibt noch der Einkauf für das Picknick von morgen, eher wir wieder zur Pension hinaufsteigen - der erste kräftige Anstieg von heute nach dieser Tour im "flachen Österreich". Die im Laufe des Nachmittages immer zahlreicher am Himmel auftauchenden Quellwolken haben sich mittlerweile zu einer dunklen Wolkenwand formiert, aus der sich bald das erste Donnergrollen hören lässt. Ein wahrhaft frühsommerlicher Tag geht so zu Ende.

Link zum nächsten Tag

Tourengänger: ABoehlen, Stini


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen

T1
3 Nov 16
Neusiedl am See · Erli

Kommentar hinzufügen»