Stetind, 1392m, Normalveien/Sydøsteggen und Hall's Fortopp, 1304m


Publiziert von lila , 10. August 2019 um 00:06.

Region: Welt » Norwegen
Tour Datum:31 Juli 2019
Wandern Schwierigkeit: T3+ - anspruchsvolles Bergwandern
Klettern Schwierigkeit: V (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: N 
Zeitbedarf: 10:30
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 1500 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Picknick-Parkplatz mit Plumpsklo ohne Wasser an der Straße, wird von internationalem Publikum als kostenloser Wohnmobilstell- bzw. Zeltplatz benutzt.

2017 war im DAV-Kalender "Berge der Welt" ein Foto von Ralf Gantzhorn vom Stetind, das hing einen Monat lang über unserem Küchentisch. "Was für ein geiler Berg" hat P damals gemeint, da möchte ich in meinem Sabbat-Halbjahr hin - und rauf. Wir haben was von verschiedenen Kletterrouten gelesen, der Sydpilaren, die leichteste, ist nur eine N6-, d.h eine norwegische 6-, also für mitteleuropäische Weicheier eher eine 7- oder glatte 7. Nix für mich, vor allem keine 13 Seillängen lang! Außerdem ist es in Norwegen - nördlich des Polarkreises! - kalt und regnet ganz oft, hab ich ja selbst schon erlebt. Hmmm - musst Du Dir halt einen anderen Kletterpartner suchen, ich bin raus, außerdem muss ich arbeiten und hab kein Sabbat-Halbjahr...
Chance, da rauf zu kommen unter 10%. 

Irgendwie sind wir dann darauf gekommen, dass es einen Normalveien gibt auf den "National Mountain", das ist eine lächerliche N4+, also etwa eine UIAA 5(+), was ja durchaus im Bereich des Machbaren für uns ist. Außerdem gibt es ja auch sonnige Tage im Norden - und wenn nicht, Norwegen ist ja auch so sehr schön, mit Regenbögen und so, aber vorsichtshalber kann man das Kletterzeug ja mal in den VW-Bus werfen. Aber die mehr als 1700 Höhenmeter, von denen ich irgendwo im Netz gelesen habe, fand ich dann doch sehr abschreckend. Bis ich das Video auf http://www.stetind.nu/filmer.html gesehen habe, das hat mich sehr beruhigt. Stramme Arme und Kraft in den Fingern hab ich, nur mit den Wadeln hapert's, aber die braucht man da ja nicht, Tritte sind hier klar überbewertet. Könnte ja vielleicht doch gehen, ich hab viel Fingerkraft und P sichert lehrbuchmäßig.
Chance, da rauf zu kommen vielleicht 50%. 

Wir haben unverschämtes Glück mit dem Wetter, fast 2 Wochen anhaltend strahlender Sonnenschein, die Gefahr der Nässe auf den Reibungsplatten ist also schon mal weg. Und dass wir - beide Ü50 - nicht mehr das Tempo von Jungen Hupfern vorlegen ist bei fast-noch-Mitternachtssonne auch nicht so tragisch. 
Chance, bei den aktuellen Bedingungen da rauf zu kommen also 70%. 

Sonntag abend kommen wir nach 4 Tagen Fahrt mit einem 19 Jahre alten T4 VW-Bus von Frankfurt am Main aus am "Camping" Stetind an. Eigentlich ist das kein Campingplatz, sondern einer der vielen Rastplätze an der Straße, mit stinkendem Plumpsklo und Picknickbänken und sonst nichts. Viel Volk tummelt sich hier und zeltet auf den wenigen freien Wiesenflächen, Franzosen, Finnen, Norweger, Schweden und ein paar wenige Deutsche bzw. Schweizer und Österreicher. 

Am Montag machen wir eine Erkundungstour - es ist sauheiß, man kriegt Sonnenbrand ohne Sonnenschmier. Ich gehe bis zum Vatnet, P bis zum Hall's Fortopp, das ist eine sehr lohnende Wanderung mit phantastischer Gipfelaussicht für alle, die kein Kletterzeug verwenden können oder wollen. P zweifelt, er hat den Grat gesehen, ich denk mir "stell dich nicht so an!" - aber ich hab ja nur vom See aus zugeschaut, wie Andere hoch oben über mir sich abgeseilt haben. 
Chance, bei den aktuellen Bedingungen da rauf zu kommen 80-90 %. 

Am Dienstag hat P verständlicherweise Muskelkater von seinem gestrigen Sprint auf den Vorgipfel und ich weiß, dass ich meine Kräfte bündeln muss. 

Mittwoch früh klingelt um 5.00 Uhr der Wecker, es ist natürlich längst hell. P ist bekennender Morgenmuffel und kocht schweigend Kaffee, ich bin gut gelaunt und habe ein gutes Gefühl. Müsli am Morgen befreit von Kummer und Sorgen... Wir gehen um 6.00 Uhr los, gespannt, was der Tag so bringen wird. Kurz danach treffen wir einen jungen Norweger in Begleitung einer ältere Frau, die stolz erzählt, dass sie nach dem Sydpilaren um 03.00 Uhr am Gipfel waren - der Polarnacht sei dank. 

Wir brauchen gut 2 Stunden bis zum Vatnet (ca 700 HM)  und 1,5 Stunden vom See bis zum Vorgipfel (nochmal 600 HM), runter genauso lang.  Von dort zum Hauptgipfel 2 Stunden mit kleiner Pause, weil ein norwegischen Pärchen gerade am Abseilen war, während wir die Crux gehen wollten. Man geht vom Vor- zum Hauptgipfel immer den - teils sehr exponierten - Grat entlang, die wirklich kritische Kletterstelle, die Crux, sind nur 4-5 Meter. Der Grat ist komplett clean, also keinerlei Bohrhaken und es ist unten am Parkplatz auch extra ein Schild, dass es verboten ist, irgendwelche permanenten Sicherungen anzubringen. Einzig und allein an der Schlüsselstelle gibt es ein paar rostige Haken vom Typ "Luis Trenker" und einen Friend, der so gut gesetzt wurde, dass man ihn nicht mehr rauskriegt. Zum Abseilen gibt es allerdings eine solide Bohrhaken-Sicherung. 

Nach der Crux bewegt man sich am Gratrücken im UIAA-II-er Gelände mit UIAA-III-er Stellen, also für norwegische Verhältnisse quasi ein Wanderweg.

Dass der Gipfel sehr flach ist, war aus dem Video klar. Dass es sich allerdings um eine Ebene von beachtlicher Größe handelt, hat uns dann doch überrascht. Mit Gipfel-Schneefeld, phantastischer Aussicht und steiler Abbruchkante nach Westen hinunter zum Fjord. Wir sind sehr glücklich, dass wir es hier herauf geschafft haben.

Danke, P, für's Vorsteigen der Schlüsselstelle und für's Schleppen des Seiles und der Friends.

Abstieg wie Aufstieg, bis auf 1x Abseilen über die Crux

Material: 40 m Einfachseil, einen Satz Friends und 5 Expressschlingen, Standschlingen, Karabiner, Kurz-Prusik zum Abseilen. 

Junge Hupfer mögen unsere Rentner-Zeiten entsprechend runterskalieren. 


Tourengänger: lila


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (1)


Kommentar hinzufügen

mannvetter hat gesagt: Klasse Berg
Gesendet am 10. August 2019 um 09:59
Tolle Tour, atemberaubende Landschaft!
Tja, Klettern müsste man können...


Kommentar hinzufügen»