Lesen ist Silber, selber Gucken auch (IIa)


Publiziert von lainari , 9. Dezember 2017 um 22:12.

Region: Welt » Tschechien » Krušné hory
Tour Datum:22 November 2017
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Zeitbedarf: 4:30
Aufstieg: 450 m
Abstieg: 450 m
Strecke:7,5 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto oder Zug der ČD bis Hrob (Zug nur am Wochenende, Zugverkehr Richtung Moldava derzeit nur bis Dubí, Busersatz zwischen Osek und Moldava, Dauer vsl. bis Herbst 2018)
Kartennummer:1:50.000, KČT Nr. 6 Krušné hory - Teplicko

Historischer Silberbergbau bei Hrob (Klostergrab), östlicher Teil
 
Für den heutigen Buß- und Bettag sind recht passable Wetteraussichten prognostiziert. Solange es schneefrei ist, bietet sich eine weitere bergbauhistorische Erkundung an. Dazu starte ich erneut ins Böhmische Erzgebirge.
 
Einführung:
Das Erzgebirge ist bekanntlich eine unsymmetrisch angehobene Pultscholle. Während der Anstieg zum Kamm auf deutscher Seite sanft ausfällt und eine Ausdehnung zwischen 30-50 km hat, erfolgt der Höhenunterschied zwischen Fuß und Kamm auf tschechischer Seite als Steilabfall auf nur 3-5 km Länge. Dadurch gibt es hier einige tief eingeschnittene Täler, die mitunter eine starke Seitenzerklüftung aufweisen. Am Südfuß des Gebirges liegt das Örtchen Hrob (Klostergrab). Es wurde 1282 erstmals urkundlich erwähnt und war ab dem 14. Jh. Zentrum eines ertragreichen Silberbergbaues (Schwarz- und Rotgültigerze) bzw. Bergbaues auf silberhaltige Bleierze. In der 2. Hälfte des 16. Jh. wurde in der Nähe des Ortes Braunkohle entdeckt und untertägig abgebaut. 1594 wurde der Ort zur Bergstadt erhoben. Mitte des 17. Jh. kam der Erzbergbau wegen Preisverfall und zurückgehenden Erträgen zum Erliegen. Anfang des 19. Jh. wurden einige Gruben nochmals gemutet und man fand noch einige Silbervorkommen. Diese Angaben veranlassten mich zu einer Suche nach weiteren Informationen. Die Quellenlage ist jedoch sehr unergiebig, schon in einer Fachschrift aus der Mitte des 19. Jh. wird das Fehlen von aussagekräftigen Bergakten beklagt. Einigen Aufschluss gibt das „Jahrbuch der k.k. geologischen Reichsanstalt“ IX. Band 4. Heft von 1858. Johann Jokély benennt dort einige ehemalige und wieder aktive Bergwerke. Leider komme ich bei der Zuordnung der damaligen deutschsprachigen Flurnamen (wie zum Beispiel Tod(t)enhauer Berg oder Rosenkranzer Gebirge) zu den heutigen Gegebenheiten nicht so recht voran. So verspreche ich mir Hilfe von der Detailkarte und werde dabei herb enttäuscht. Im Gegensatz zu meiner Erkundung bei Liesdorf wo alle bergbaulich interessanten Punkte enthalten waren, finde ich heute nur eine auffällige Flurmarke. So muss ich in die Trickkiste greifen. Neulich hatte ich Gelegenheit zum Einblick in Unterlagen des Bergbausanierers DIAMO, der nicht nur für die Uranbergbausanierung sondern auch für sonstige Bergschäden zuständig ist. Die Kartenstücke zu den Erzaltbergbaugebieten hatten es mir dabei besonders angetan. Damit kann ich nun in der Umgebung von Hrob sechs besuchenswerte Zonen ausmachen, von denen heute die östlichen drei auf dem Programm stehen - die drei rechten Bachseitentäler des Mikulovské údolí (Niklasberger Tal), welches vom Bouřlivec (Niklasberger Bach) durchflossen wird und das früher möglicherweise Hüttengrund genannt wurde.
 
Hinweg:
Ich treffe in Hrob - nádraží (Klostergrab - Bahnhof) ein und parke dort. Nachdem ich mich kurz umgeschaut habe, gehe ich durch die Unterführung Richtung Ort und biege gleich nach links in einen bergführenden Anliegerweg ab. Auf einer Brücke überquere ich die Bahnstrecke und gehe geradeaus leicht steigend bergwärts zu einem bewaldeten Höhenrücken. Dahinter bin ich im mittleren Teil des unteren Bachseitentales, dessen Bach als einziger mit einem Namen bezeichnet ist, der Mlýnský potok (Mühlbach). Laut Bergschadenskarte liegen hier die Objekte 199 und 200. Da nicht sicher ist, was sich hinter den Zahlen verbirgt, beobachte ich das laubfreie Gelände. Unterhalb einer alten Flurwegbeziehung entdecke ich rasch eine Schachtpinge und zwei verbrochene/verwahrte Stollenmundlöcher mit den zugehörigen Halden. Das hat schon mal gut geklappt. Ich quere weglos das Bachtal und begutachte auf der dahinterliegenden Geländezunge einige alte Flurmauern und einen Flur- oder Schürfgraben. Dann nehme ich einen Flurweg vor zur Talflanke des Mikulovské údolí und gehe auf ihm talaufwärts zum Talboden hinunter. Die dortige Brücke ignoriere ich und komme nach wenigen Metern zur Mündung des mittleren Bachseitentales (evtl. Rain Gründel). Die Bergschadenskarte weist hier die Objekte 187-198 und 225-229 aus. Das Gelände liegt auf dem Grund der Gemeinde Nové Město (Neustadt). Ich steige im Zickzack zwischen den interessantesten Objekten durch das Seitental bis etwa zur 650-Meter Höhenlinie hinauf. Hier befindet sich heute die Schneegrenze der vortägigen intensiven Niederschläge. Das Gelände ist relativ feucht aber bis auf das Laub und darunter verborgenem Totholz ist der Untergrund relativ gutmütig, was die Griffigkeit und damit die Begehbarkeit anbelangt. Das oberste zweifelsfrei anzusprechende Objekt ist ein offener und gut erhaltener Stollen. Bei der Annäherung bekomme ich jedoch einen Riesenschreck als sich von der nicht einsehbaren rechten Seite ein etwa 40 cm großes Federtier erhebt und nach innen fliegt. Ich lege mich auf die Lauer und beobachte schließlich einen Waldkauz beim Verlassen des Stollens. Der Stollen hat eine sehr gute Substanz und lockt zu einer späteren Befahrung, er ist jedoch sehr nass (Tropf- und Bodenwasser). Ich kehre für heute um und begehe ab Talmitte einen Flurweg an der linken Talflanke ohne Höhenverlust. Dieser biegt ins Mikulovské údolí ein und geht in etwa entlang der Höhenlinie weiter talaufwärts. Nach einer Weile wendet er sich in das obere Bachseitental hinein. Die Bergschadenskarte weist hier die Objekte 231-236 aus. Unterhalb des Weges entdecke ich eine große Schachtpinge und unmittelbar daneben einen gesicherten offenen, tonnlägigen Tagesschacht (Schrägschacht). Am Talboden finde ich drei verbrochene/verwahrte Stollenmundlöcher vor.
 
Rückweg:
Entlang des Baches steige ich ab. Vor einer Steilstufe befindet sich der Fundamentaushub für einen nicht realisierten Geschiebefang. Unmittelbar an der Taleinmündung am Boden des Mikulovské údolí ist ein offensichtlicher Ersatzbau errichtet worden. Dort stelle ich fest, dass es keine rechtsufrige Abstiegsmöglichkeit entlang des Bouřlivec gibt. So steige ich über einen felsigen Abhang hinüber und stoße dahinter auf den Ansatz eines talwärts verlaufenden Weges. Ab einer Brücke muss ich wieder am Hang hinaufgehen. Wo der Weg sich dann ins mittlere Bachseitental hinein wendet, steige ich weglos zum Talboden desselben hinunter. Ab der vom Hinweg bekannten Brücke an der Talmündung muss ich erneut am Hang hinaufgehen. Als der Weg die Talflanke verlässt, gehe ich weglos geradeaus talabwärts weiter. Nach einem nicht verzeichneten alten Bergbaurelikt komme ich auf der linken Bergspitze der Mündung des unteren Bachseitentales (Mlýnský potok) zu einem stillgelegten Wasserhochbehälter von 1930. Auf der anderen Seite der Talmündung befindet sich ein alter Steinbruch. Direkt an der Talmündung befand sich einst eine Silberhütte zur Verarbeitung des geförderten Erzes. Später wurde sie von einer Glasfabrik abgelöst, bis dort ab 1887 die Spinnerei J. Mitscherlich,  přádelna Hrob-Mlýny (Spinnerei Klostergrab-Grundmühlen) errichtet wurde. Die Fabrikanlagen dürften bis zur politischen Wende in Betrieb gewesen sein. Heute sind sie verfallen und teilweise abgerissen. Direkt dahinter quert die Bahnstrecke nach Moldava auf einem großen Viadukt das Mikulovské údolí. An der einstigen Versandhalle der Spinnerei komme ich zur Bahnstrecke. Da nur am Wochenende planmäßiger Verkehr herrscht, gehe ich an ihrem Rand vorsichtig bis zum Bahnhof zurück. Der Oberbau ist in großem Maße erneuerungsbedürftig, denn viele der Holzschwellen sind bereits verrottet. Zurück am Auto, trete ich mit dem unbedingten Wunsch einer späteren Fortsetzung der Erkundung die Rückfahrt an.
 
Die pausenbereinigte Erkundungszeit betrug 4 h 30 min. Die Tour ist als T3 zu bewerten.
Die absolvierte Strecke ist teilweise weglos und gänzlich unmarkiert.
 
Informationsquellen:
Beschreibungen/Bilder/Kartenausschnitte: www.zanikleobce.cz
Detailkarte: archivnimapy.cuzk.cz
Bergschadenskarte

Tourengänger: lainari


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