Rhinow und seine Berge – Auf den Spuren Otto Lilienthals


Publiziert von ABoehlen , 6. Oktober 2008 um 20:54.

Region: Welt » Deutschland » Norddeutsches Tiefland
Tour Datum:25 September 2008
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   Ländchen Rhinow   Havelland 
Zeitbedarf: 4:00
Aufstieg: 170 m
Abstieg: 150 m
Strecke:Rhinow – Galgenberg – Osterberg – Falkenberg – Hauptmannsberg – Stölln
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem Bus 684 oder 687 von Rathenow nach Rhinow
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Mit dem Bus 687 von Rathenow oder Friesack nach Stölln
Unterkunftmöglichkeiten:Restaurant & Pension «Zur alten Stadtmauer» in Rathenow. Unterkünftsmöglichkeiten gibt es auch in Rhinow und Stölln
Kartennummer:Topographische Karte 1:25'000, Blatt 3240 Rhinow oder Topographische Karte DDR 1:25’000: N-33-109-D-a Rhinow / N-33-109-D-b Dreetz / N-33-109-D-c Spaatz / N-33-109-D-d Kleßen

Rund 45 Minuten dauert die Busfahrt von Rathenow nach Rhinow und gibt gleich einen guten Einblick in die Charakteristik des Westhavellandes. Kilometerweit geht es durch einsame, urtümlich wirkende Wälder und über riesige Ackerflächen, zwischen denen geradezu winzige Dörfer liegen. Eine Landschaft zum Durchatmen mit einer Weite, von der wir im zersiedelten Schweizer Mittelland nur noch träumen können.

Stadt Rhinow

Rhinow, am Rand der grossen Weite und am Fuss einer bis 100 m ansteigenden Hügelkette gelegen, die sich stolz «Rhinower Berge» nennt, zählt zwar nur ca. 1800 Einwohner, besitzt aber seit 1281 Stadtrecht. Hier verlassen wir an der Haltstelle «Grundschule» den Bus und machen uns bei beissender Kälte auf Entdeckungsreise. Noch liegt dichter Nebel über der Stadt und dem Umland, aber ein heller Streifen über den Rhinower Bergen zeigt an, dass die Sonne nicht mehr allzu fern ist. Wir haben genügend Zeit und wärmen uns daher erstmal bei einem Kaffee im Hotel «Zum Mühlenberg» auf. Dieses ist eigentlich noch geschlossen, dennoch werden wir nett bewirtet!

Schräg gegenüber der Strasse liegt der still gelegte Bahnhof der ehemaligen Brandenburgischen Städtebahn. Seit hier 2003 zum letzten Mal Züge rollten, zerfällt die ganze Infrastruktur kontinuierlich. Die Geleise sind bereits so dicht mit Gestrüpp überwuchert, dass sie kaum noch zu sehen sind. Dabei hatte alles so viel versprechend angefangen. Im «Rathenower Wanderbuch Nr. 3» von 1908 lesen wir:

Von grossem Einfluss auf die Hebung des Ortes war vor allem der Bau der Städtebahn im Jahre 1904. Durch diesen wichtigen Kulturfaktor (…) sind neue Grundlagen einer weiteren gedeihlichen Entwicklung geschaffen. In ihnen liegen die Keime, aus denen der Stadt noch eine schöne Zukunft erblühen wird.

Leider wurde das Potenzial dieser Bahn in der jüngeren Vergangenheit nicht mehr erkannt, mit der Folge, dass von den ehemals 4 Abschnitten der Städtebahn heute deren 3 still gelegt sind. Ob hier am richtigen Ort gespart wurde, kann mit Recht bezweifelt werden. Wie schrieb die Zeitschrift GEO in ihrer Ausgabe vom April 1987 doch so treffend: «Wo die Räder nicht mehr rollen, ist Niedergang». Zwar geht es dort um Iowa, doch die Probleme strukturschwacher Regionen, weitab grosser Ballungszentren sind dieselben. Und Spuren dieses Niedergangs sind leider allgegenwärtig im westlichen Havelland: Zerfallende, überwucherte Fabrik- und Farmgebäude und teils arg vernachlässigte Bauten in den Städten sind unübersehbar. In diesem Punkt steht Rhinow allerdings noch vergleichsweise gut da: Die Stadt wirkt gepflegt und mehrere kleine Läden haben geöffnet und laden zum Einkaufen ein. Auch ein Postbüro, eingerichtet im hinteren Teil eines Dorfladens, ist vorhanden.

Der Nahverkehr, um nochmals auf dieses Thema zurückzukommen, wird heutzutage von der Havelbus Verkehrsgesellschaft abgewickelt, die mehrere Linien mit unterschiedlichen Intervallen betreibt. Es ist allerdings unschwer festzustellen, dass diese Busse, wenn nicht gerade Schüler auf ihren abenteuerlich langen Schulwegen transportiert werden, oft praktisch leer durch die Gegend fahren. Ob sich dieses Netz in einigen Jahren immer noch so üppig präsentiert, bleibt daher erstmal abzuwarten.

Rhinower Berge

Vorbei am Friedhof führt uns der Weg in die Rhinower Berge hinauf. Es ist dies jenes Gelände, auf welches der deutsche Flugpionier Otto Lilienthal im Jahresbericht 1892 als sehr ideal für Flugversuche erstmals hingewiesen hat, und wo ihm ab 1893 als erstem Menschen Gleitflüge von bis zu 250 Metern Weite gelangen. Im Gegensatz zu heute, war diese Hügelkette damals vollkommen kahl und nur mit Gras und Heidekraut bewachsen. Im bereits zitierten «Rathenower Wanderbuch Nr. 3» von 1908 erfahren wir allerdings, dass vor zwei Jahrhunderten (…) das ganze Gebirge des Ländchens mit prächtigem Wald bestanden war, der später von den Herren v. d. Hagen gefällt wurde.

Somit ist heute also der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt und die lichten Kiefern- und Eichenwälder bieten gerade an einem sonnigen Herbsttag wie diesem ein prächtiges Bild.

Unser erstes Ziel ist der 76.6 m hohe Galgenberg, der westlichste Punkt, der ca. 2.5 km langen Hügelkette. Der auf der Freizeitkarte «Westhavelland Nord 1:50’000» hier vermerkte Aussichtsturm, erweist sich als eine Art Hochsitz, befestigt an einem frei stehenden Baum und über eine Eisenleiter zu erreichen. Klein, aber fein!

Wir gehen anschliessend ein Stück zurück bis zum «Bergrundweg» und folgen dann einer dünnen Spur, die sehr steil gegen die andere Seite des Grabens ansteigt. Weiter oben verliert sie sich im lichten Wald aber wir stossen bald auf den Weg, der zum Osterberg (Pt. 94.4) führt. Durch eine Einsattelung ist es nun nicht mehr weit bis zum Falkenberg, früher auch Fackelberg genannt (Pt. 96.0), wo linkerhand hinter Mauern und Stacheldraht verfallene Gebäude auftauchen. Welchem Zweck diese Anlage einst gedient haben mag, kann heute nur noch spekuliert werden. Vermutlich wurde irgendwelcher Funkverkehr abgehört. Auch auf dem benachbarten Gollenberg befand sich eine entsprechende Einrichtung, zwecks Überwachung des Flugverkehrs zwischen der Bundesrepublik und Westberlin. Davon ist heute allerdings nichts mehr übrig.

Weiter östlich liegt der weithin sichtbare Fernmeldeturm, der wie ein Leuchtturm aussieht. Wir kriechen der Mauer entlang durch dichtes Essigbaumdickicht und stehen bald am Zaun, welcher auch das Turmgelände für Unbefugte absperrt. Eine Pflastersteinstrasse führt von Rhinow bis hier hinauf. Wir folgen ihr ein Stück talwärts und biegen beim Pumpwerk in der Haarnadelkurve links in einen Pfad ein, der uns zum Hauptmannsberg (Pt. 95) führt. Am Gipfel liegt Joachim von der Hagen (1874 – 1914) begraben, einst Hauptmann und «Herr auf Rhinow».

Im Nordwesthang stossen wir auf eine weitere Besonderheit: Auf ca. 70 m Höhe steht ein Denkmal für den ersten Flieger Otto Lilienthal. Diese Stelle hat er für seine Flugversuche oft genutzt. In seinem Jahresbericht 1893 schreibt er: Als ich in diesem Jahre zum erstenmal an diesen Bergabhängen mein Flugzeug entfaltete, überkam mich freilich ein etwas ängstliches Gefühl, als ich mir sagte: 'Von hier oben sollst du nun in das tief da unten liegende, weit ausgedehnte Land hinaussegeln!' Allein die ersten vorsichtigen Sprünge gaben mir bald das Bewusstsein der Sicherheit zurück: denn der Segelflug ging hier ungleich sanfter vonstatten als von meinem Fliegeturm. (Zitat aus der Lilienthal-Biografie von Werner Schwipps, Berlin 1979).

Am Fusse des Berges angelangt, gehen wir weglos oberhalb eines abgeernteten Maisfeldes ostwärts, bis wir wieder auf die Turmstrasse stossen, der wir ein Stück folgen und später über einen Waldweg eine alte Sandgrube erreichen. Östlich davon erhebt sich der Hügel mit dem alten Messpunkt 96.7, den wir weglos durchs Dickicht besteigen. Die Vegetation ist schon wieder so hoch gewachsen, dass auch von diesem Gipfel keine Aussicht möglich ist.

Der Abstieg ist ebenfalls weglos, im lichten Kiefern- und Eichenwald aber wesentlich angenehmer. Weit dehnt sich nun zu unserer Rechten die Landschaft des Rhinower Ländchens aus. Riesige Getreidefelder, wie sie im Zuge der Kollektivierung zu DDR-Zeiten angelegt wurden, prägen hier das Bild. Auch die LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) die wir als nächstes passieren, ist ein typisches DDR-Gebilde, wie so vieles leider halbverfallen und die armen Kühe fristen ein trostloses Dasein…

Schliesslich erreichen wir am Strässchen Stölln – Schönholz die Häuser von Stölln. Bis zur Ortsmitte ist es von dieser Stelle ca. 1 km. Für uns beginnt hier aber der zweite Teil der Tour, im Gebiet des Gollenberges.

Tourengänger: ABoehlen, Stini


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