Trekking über den Tjuz Pass in das Inylchek Tal


Publiziert von Frangge , 26. August 2013 um 22:53.

Region: Welt » Kirgisistan » Inylchek
Tour Datum:15 Juli 2013
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Wegpunkte:
Zeitbedarf: 7 Tage
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Transfer mit Turkestan: turkestan.biz/en/prices-and-sevices/transport - Echkilitash
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Transfer mit Turkestan: turkestan.biz/en/prices-and-sevices/transport - At - Jayloo
Kartennummer:DAV Karte 0/14 Inylchek, 1:100000

Ein guter Freund von mir hat ein Faible für unbekannte Urlaubsgegenden uns dabei Kirgistan 'ausgegraben'. Da ich ihn *vor acht Jahren mit dem Outdoor-Virus angesteckt habe, wollten wir das Land teils auch zu Fuss bereisen. Das grössere Vorhaben war diese Tour im zentralen Tien Shan Gebirge über den Tjuz Pass. Aber zunächst kurz ein paar allgemeine Fakten:

Man sollte sich sofort daran gewöhnen, dass die Standards, was Infrastruktur, Komfort aber auch Hygiene angeht, bei weitem nicht an mitteleuropäische Verhältnisse heranreicht. Es kommt durchaus schon mal vor, dass z.B. die Wasserversorgung unterbrochen ist.

Für Übernachtungen würde ich z.B. einen Tourenanbieter empfehlen, oder eine private Unterkunft, die im CBT (Community Based Tourism) organisiert ist. Dieser Organisation kann man vertrauen, sie ist mit von der Helvetas initiiert worden und pflegt den Gedanken eines nachhaltigen Tourismus, dessen Einnahmen den Leuten vor Ort zu Gute kommt.

Eine Bargeldreserve in Form von Euro oder Dollar ist empfehlenswert. Maestro ist praktisch unbekannt, mit VISA kann man oft am Automaten Geld ziehen.

Für grenznahe Gebiete wie das Inylchek ist ein Border Permit zwingend nötig, das dann auch vor Ort zusammen mit Reisepass streng kontrolliert wird. Tourenveranstalter helfen da gerne gegen eine Gebühr weiter. Das ist das Einfachste.

So, nun aber zum Bericht:

Tag 0 - Ankunft in Eckili-Tas:
Nach längerer Fahrt im Allrad-PKW kommen wir durchgeschüttelt an. Es ist so gegen halb neun abends, und da in Kirgistan keine Umstellung auf Sommerzeit erfolgt, wird es bald dunkel werden. Also nur ein paar Schritte gehen. Nachdem wir den Fluss am Militärposten überquert haben heisst es dann schon am Tjup das Zelt aufbauen. Die Wanderung geht also erst tags darauf los.

Tag 1 - Den Tjup entlang und ein kleiner Abstecher (T3, am Fluss T2):
Wir gehen zunächst zirka drei Stunden am in Laufrichtung linken Ufer des Tjup, siehe hier. An einem namenlosen Seitenbach schlagen wir unser Lager auf. Wir beschliessen einen 'Hügel' hinter unserem Lagerplatz zu erklimmen. Weglos ist das doch einigermassen anstrengend. Als wir uns etwa auf 3600 Meter Höhe auf einer Anhöhe befinden, ziehen sich Wolken zusammen und wir kehren um. Schlussendlich wurde daraus doch nur ein kleiner Schauer, so dass man dort noch weiter hätte wandern können. Schön war es trotzdem und wir haben auch die Berge auf der gegenüber liegenden Seite etwas genauer anschauen können. Der Beschluss, am Tag darauf eine Wanderung dort hin zu machen und das Zelt stehen zu lassen war also gefasst.

Tag 2 - Namenloser (Vor-) Gipfel auf fast 4000m Höhe (T4):
Zuerst kommen meine Neoprenschuhe zum Einsatz - den Tjup queren. Der Fluss teilt sich in viele Arme, das macht die Querung zwar langwieriger aber auch deutlich einfacher. Jetzt sanft bergauf auf einen Hügel, oben recht flach einiges an Strecke in einen kleinen Sattel. Hier beginnt der eigentliche Anstieg. Zunächst gehen wir an einem kleinen Bach entlang und nutzen die letzte Möglichkeit, Wasser aufzufüllen. Ab dem Sattel oberhalb des Baches bewegen wir uns immer am Grat, der eher ein breiter Geröllrücken ist. Die Schlüsselstelle ist bald erreicht, ein kurzes steiles Stück, in dem recht loses Geröll liegt. Aber ausser der Gefahr, einen Stein loszutreten, ist die Stelle nicht heikel. Es geht weiter auf Geröll, ab und zu kann man Wegspuren erkennen. Etwa 200hm vor dem Gipfel wechselt das Geläuf auf groberes Geröll. Wir kommen etwa um halb zwei am Gipfel an, als ein erster Schauer nicht weit von uns niedergeht. Die Wolken quellen munter weiter und so beschliessen wir schon hier umzukehren. Zunächst auf dem gleichen Weg zurück, steigen wir aber jetzt direkt zum Tjup ab und laufen am Fluss zurück zum Lager. Der Rückweg zieht sich doch etwas und so sind wir froh, dass wir nicht noch weiter gegangen sind, zumal es bald darauf anfängt, ordentlich zu regnen. Geschickter wäre es wohl gewesen, am Vortag etwas weiter flussaufwärts das Lager aufzuschlagen, dann hätte man nicht so viel Strecke machen müssen und noch zum eigentlichen Gipfel gehen können. Dieser Abstecher hat sich dennoch sehr gelohnt!

Tag 3 - vor dem Tjuz Pass (T3):
Erneut gehen wir etwa drei Stunden den Tjup entlang, bis der namenlose Bach abzweigt, der vom Tjuz Pass herabkommt. Dort kommen die Neoprenschuhe wieder zum Einsatz, die Bachquerung geht wieder problemlos und schneller als die am Tag zuvor. Der Weg am Tjup entlang war bis dahin immer sehr gut erkennbar, Kühe und Schafe haben dafür gesorgt. Ab der Abzweigung zum Pass verlieren sich die Wegspuren ab und zu ein wenig, man findet sie aber eigentlich immer schnell wieder. Nach der Bachquerung geht es zunächst ca. 200 hm recht steil bergauf, danach zieht sich der Weg gemächlich ansteigend in das Tal hinein. Auf etwa 3600 hm kehren die Kopfschmerzen bei meinem Kollegen zurück, zu dass wir früher als geplant unser Zelt an dem Platz aufschlagen, der auch schon schnunzel aufgefallen ist - der riesige Fels ist unverkennbar. Hier erleben wir unsere kälteste Nacht, selbst am Abend schneit es schon ein wenig.

Tag 4 - Tjuz Pass (T4):
Gleich am Anfang wartet ein steiles Stück auf uns, etwas mehr als 100 Höhenmeter direkt nach dem Abmarsch bringen den Kreislauf in Schwung. Diese Stufe bringt uns wieder auf ein ebenes Stück, hier ist laut Karte der Zeltplatz. Auf 3800 hm finden wir am Bach eine kleine Wiese und unser Weg geht rechts davon weiter bergauf durch teils etwas loses Geröll. Hier ist es etwas schwieriger den Pfad zu erkennen, wirklich verlaufen kann man sich zwar kaum, aber immerhin weniger angenehmere Routen aufwärts erwischen, bei denen dann das Geröll recht lose sein kann. In der Nähe des Passes wird das Gelände weniger steil, am Pass selbst geht es dann ein gutes Stück eben auf das Inylchek Tal zu. Am Pass finden sich auch Wegspuren durch das Geröll auf die umliegenden Gipfel, die den Pass nur um wenige hundert Höhenmeter überragen (geschätzt T3-T4 auf die Gipfel). Da mein Kollege schon wieder leichte Kopfschmerzen bekommt, lassen wir die Gipfel links und rechts liegen und machen uns an den Abstieg. Nach 400-500 hm verlassen wir den Weg und biegen nach links ab. Laut DAV Karte soll ein weiterer Weg in das Seitental des Maj Bulak-Bachs führen, wir wollen uns den Wiederaufstieg verkürzen und unser Lager am in der Karte eingezeichneten Platz aufschlagen. Das Tal ist wunderschön, hier hat es jedoch zwei Haken: Es gibt keinen sichtbaren Weg. Weglos laufen geht eigentlich auch, aber da kommt der zweite Haken: Die DAV Karte ist zu wenig gut aufgelöst und gibt tiefe und steile Geländeeinschnitte, mehrere Coloirs von Gebirgsbächen nicht wieder. Der Weg zum Zeltplatz gestaltet sich für uns also länger und schwieriger als gedacht, wir schlagen unser Lager schon knapp einen Kilometer weiter flussabärts als geplant auf, etwa 50hm über dem Fluss auf einem ebenen Vorschsprung. Geschickter wäre hier gewesen, vom Tjuz Pass möglichst wenig abzusteigen und an der oberen Grenze der Wiese in das Tal zu laufen.

Tag 5 - Abstieg ins Inylchek Tal (T4+):
Am Tag zuvor ist mein Kollege recht nahe an seine Grenze gekommen, weswegen wir unseren Plan etwas ändern. Ursprünglich wollten wir auf den 'kleinen' Gipfel (4062m) am Verhnij Maj Bulak wandern und zum gleichen Lager zurückkehren. Stattdessen steigen wir ins Inylchek-Tal ab. Die Schwierigkeit an diesem Tag liegt im queren der eingeschnittenen Bach-Coloirs, die uns auch am Vortag schon Mühe bereitet hatten. Dazu steigen wir erst knapp 100hm auf, um überhaupt über die Coloirs zu kommen. Wir bleiben dabei ziemlich auf der gleichen Höhe von etwa 3500m, bis wir an den ursprünglichen Weg kommen. Dort machen wir eine Pause, bevor wir uns an den Abstieg auf dem gut sichtbaren Weg machen. Dieser verläuft aber anders, als in der DAV Karte verzeichnet: Statt zunächst nach West-Südwest und dann nach Süden zum Lager (2830m) zu führen, verläuft er erst grob nach Südosten, dann in Kehren nach Süden, um am Zusammenfluss von Maj Bulak und Inylchek zu einem Lagerplatz zu führen. Dort bauen wir am frühen Nachmittag unser Zelt auf und warten die Schauer ab. Später begegnen wir einer Tschechischen Gruppe, die auf dem Weg zum Merzbacher See war, und sich nicht bewusst war, dass sich der See im Sommer plötzlich entleert. Wenig später treffen wir eine geführte Gruppe aus Israel, deren Guide uns informiert, dass der See wenig Tage zuvor abgeflossen ist. Später haben wir die Tschechen in Karakol getroffen, sie waren dann doch nicht mehr am See - gefunden hätten sie sowieso nur eine leere Mulde im Gletscher...

Tag 6 - Inylchek Gletscher (T4):
Um auf die andere Seite des Tals zu kommen, muss man über die Zungenspitze des Inylchek Gletscher. Der Fluss ist einfach zu gross und hat zu viel Strömung, als dass man ihn überqueren könnte. Bei weitem. Deshalb wandern wir knapp zwei Stunden talaufwärts, bevor wir die Gletscherzunge erreichen. Der Gletscher ist geröllbedeckt, selbst das blanke Eis ist schwarz. Der gesamte Gletscher ist etwa 60km lang und an der Spitze etwa 2km breit, zerfurcht und hügelig. Ganz sicher einer der imposantesten Anblicke während dieser Tour. Wir benötigen sicher anderthalb Stunden, um über den Gletscher zu wandern. Steigeisen oder sonstige Ausrüstung ist nicht nötig, man berührt kein Eis. An der Südseite des Gletschers machen wir unsere Mittagspause, bevor wir den Weg aus dem Tal heraus angehen. Ab hier gibt es keinerlei konditionelle oder technische Schwierigkeiten mehr, teils sieht man alte Fahrspuren von Offroad-Fahrzeugen. So gehen wir weitere 8-9km auf denen wir dann doch recht durstig werden, denn die Bäche sind entweder milchig-grau, wiel sie direkt von Gletschern gespeist werden, oder nur ausgetrocknete Bachläufe. Etwa 1,5km vor dem Pt 2790 kommen wir an einen klaren Bach, an dem es sich auch wunderschön zelten lässt. Wir lassen den Tag bei einem kleinen Lagerfeuer ausklingen - klein auch deswegen, weil wir uns in einer eher trockenen Gegend befinden.

Tag 7 - Inylchek Tal bis At Dzajloo (T2):
Der unerwartet letzte Tag der Wanderung. Eigentlich war ein Tag mehr geplant, wir wollten bis Majda Adyr wandern, wo wir mit Sergey zum Pick-Up verabredet waren. Aber es kam anders. Wie die letzten Kilometer am Vortag auch, geht der Weg einfach und eben aus dem Tal heraus. Nur kurz nach dem Start müssen wir einen Seitenarm des Inylchek überqueren, nichts Schwieriges, aber die Neoprenschuhe kommen wieder zum Einsatz. Kalt. Kurz darauf das Ganze noch einmal. Danach geht es weiter, unkompliziert in der Schwemmebene des Inylchek. Kurz bevor wir am Einfluss des At-Dzajloo ankommen, machen wir eine kurze Pause, verschieben aber die Mittagspause auf später. Erst wollen wir schauen, ob wir den Fluss überqueren können. Uns ist gesagt worden, dass es bis vor ein paar Jahren eine Brücke über den At-Dzajloo gab, die dann eingestürzt ist und nicht wieder neu aufgebaut wurde. Wir wurden gewarnt, dass der Fluss gefährlich zu queren ist und dass es dort auch schon tödliche Unfälle gegeben haben muss. Deshalb den Fluss im Zweifelsfall nur in den frühen Morgenstunden queren, wenn er am wenigsten Wasser führt. Wir waren gegen ein Uhr dort. Während wir den Fluss nach einer geeigneten Stelle zum überqueren absuchen, bemerken wir an der anderen Seite einen ehemaligen sovjetischen Armeetruck. Anhand der Aufschrift identifizieren wir Sergej, der eine Gruppe hier absetzt. Die Option bis morgen früh zu warten, erscheint plötzlich viel weniger attraktiv. Sergej wartet bis wir drüben sind. Allerdings brauchen wir ein paar Versuche, bis wir endgültig übergesetzt haben. Wir teilen unser Gepäck auf und gehen mehrmals, weil die kräftige Strömung des ca. 70-80cm tiefen Flusses derart an unseren Beinen reisst, dass wir uns nicht trauen, mit vollem Gepäck zu gehen. Mit nassen Unterhosen (!) erreichen wir Sergej, der uns in einem fünfstündigem Höllentrip im Armeetransporter nach Karakol bringt. So spart er sich eine Fahrt und wir uns den am wenigsten spannenden Tag der Wanderung.

So, nach diesem doch sehr langem Bericht noch ein paar abschliesssende Worte und Eindrücke:

Diesen Trek kann man sicher schneller machen. Etwas mehr Kondition und die Abstecher weglassen, dann verkürzt sich das wohl auf vier Tage. Aber dass muss ja nicht sein! Es waren schliesslich sieben eindrückliche Tage in wilder Einsamkeit und atemberaubender Landschaft. Mich würde durchaus reizen, noch einmal dort hin zu gehen.

Insgesamt ist die Tour nicht schwierig. Man sollte allerdings die Höhe nicht unterschätzen, mein Kollege hatte doch damit zu kämpfen. Auch sollte man sich nicht all zu sehr auf die Karte verlassen. Einiges kann ungenau oder gar falsch sein.

Die heikelste Stelle ist meiner Meinung nach die finale Flussquerung, die sich sicher entschärfen lässt, wenn man sie frühmorgens angeht. Die Gletscherquerung ist zwar etwas mühsam, aber nicht wirklich heikel und dafür ganz besonders beeindruckend.

Ganz zum Schluss möchte ich mich noch bei lemax80 bedanken, der mir ein paar nützliche Tipps gegeben hat. Merci vielmal.

Tourengänger: Frangge


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Kommentare (4)


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beudi hat gesagt:
Gesendet am 27. August 2013 um 10:02
ganz tolle Tour und fantastische Fotos! Ich bin diesen Sommer von At-Dzajloo ins Südinylchek-Basecamp gelaufen, war auch eine einmalige Erfahrung.

viele Grüße,
Markus

Frangge hat gesagt: RE:
Gesendet am 27. August 2013 um 20:05
Ein Mürschter in Kirgistan... Da war die Rhön dieses Jahr dort gut vertreten. Wie mühsam war den der Gletscher?

LG
Der Frangge

beudi hat gesagt: RE:
Gesendet am 27. August 2013 um 20:14
Haha die Welt ist klein, woher aus der Rhön bist du?

Der Gletscher war schon recht mühsam, auf jeder Tagesetappe immer wieder auf und ab, aber technisch einfach. Die Aussichten waren gigantisch... Waren dann nur im Basecamp eingeschneit und konnten nicht rausfliegen, das war a bissle kritisch.
Ich werd demnächst hier auch mal paar Bilder und Text hochladen

Gruß,
Markus

lemax80 hat gesagt: gerne doch
Gesendet am 6. September 2015 um 18:05
schöne tour, die ihr da gemacht habt, nächstem mal gehen wir auch da hin ;-)


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