Gotthardpass: Besuch der Tremola oder die Schneeschuh-Zittertour
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Die Alte Gotthardstrasse, welche sich in Dutzenden von Kehren von Airolo (1180m) zum Gotthardpass (2091m) rund neunhundert Meter durch das Val Tremola hinaufwindet, war mein Ziel. 1823 wurde sie eröffnet – ein technisches Meisterwerk (max. 8% Steigung!) mit der Handschrift des Ingenieurs Menghini aus Alabardia. Es blieb beim Versuch. Eigentlich hätte ich es wissen sollen: Bei erheblicher Lawinengefahr ist das Risiko bei Schneehängen von über 25° Steigung zu gross. In der Tremola beträgt er zwischen 40° und 45°! Dazu kamen die Schneeverwehungen, welche wegen dem einsetzenden Südföhn sich an den Kuppen und Gräten rasant bildeten.
Bequem fahre ich von Airolo den Wegweisern „Caserma“ in vielen Kehren an den übereinander liegenden Gebäude der Kaserne vorbei zur obersten. Ein bissiger Wind empfängt mich, bei einer mässigen Temperatur von -2°C kalt anzufühlen. Ich montiere meine MSR-Schneeschuhe (Extra) und erreiche angenehm über die Strassenanlagen der Kaserne die Autostrasse. Schnee Stapfen angesagt. Vom Kasernenareal höre ich Befehle, welche mich an meine Militärzeit erinnern. Wahrscheinlich „Exerzieren“. Auch das muss gelernt sein. Anscheinend Unteroffiziersschule der Gebirgsinfanterie.
Nach einer weiten Linkskurve finde ich erleichterte Bedingungen. Die Galerie ist quasi schneefrei. Danach geht es aber umso schwerer. Eine riesige Verwehung gilt es zu überschreiten. Knietief. Abgeblasene Stellen legen eine Spur frei, welche mich recht gut trägt. Bei der Brücke über die Foss sehe ich zur Alten Gotthardstrasse hinüber, welche an einem Wegmacherhaus vorbei zur ersten Linkskurve in das Val Tremola hineinführt. Eingeschneit. Nur die berühmten Granit-Randsteine ragen ganz scheu aus dem Schneehang hinaus. Mich schaudert am Gedanken, dass bis zum Eisenbahn-Tunnel in den Achtzigerjahren des 19. Jahrhunderts der Postbetrieb jeden Winter lückenlos durch dieses Tal führen musste. Im Schlitten-Konvoi mit 8 – 12 Gespannen: Pro Schlitten zwei Gäste in warme Decken eingehüllt und ein Kutscher; von einem Pferd gezogen. Später auch Kutsche auf Schlitten montiert mit zwei Pferden. Der auch von einem Pferd gezogene Gepäck-Schlitten brauchte keinen Kutscher. Der ging „von selber“ mit. Auf der geruttnerten Strasse waren auch Leute unterwegs. (Schneeräumdienst anno dazumals durch Pferde und nachgezogenen, quergestellten Balken geebnet und verdichtet. Dazu noch bis in die dreissiger Jahren des 20. Jahrhunderts dann und wann durch Menschenkraft. Statt Schneefräsen.)
Nicht immer überlebten sie:
„…ein anderes Mal versuchte ein reisender Händler nachts bei Mondschein den Pass zu überqueren. Fälschlicherweise glaubte er, die Telegraphenmasten seien Wegmarkierungen. Am nächsten Tag fand man ihn aufrecht neben einer Telegraphenstange sechs Fuss tief (180cm) im Schnee stecken. Er war steinhart gefroren“ (Aus: Am Höhenweg der Geschichte/Nationales Gotthardmuseum: Solltest Du auf dem Gotthard Hospiz sein, besuche unbedingt das Gotthardmuseum. Dort kannst Du die Schlitten bestaunen. Und vieles Anderes mehr!)
Wenn die Gotthardstrasse nicht mit den Schlitten befahren werden konnten, musste ein Postbote sich durchkämpfen. Es kam vor, dass ihn der Weisse Tot ereilte. Die Sendung war geschützt durch einen wasserdichten Jutesack. Sie war nicht verloren. Im Frühling erreichten auch diese Briefe ihre Empfänger. Heldentot.
Auch heute ginge ich nie in dieses Tal hinein. Tremolo = Beben. Vorbelastet mit obigem Wissen beben auch meine Knie. Als nach einer weiteren Brücke (Lawinensicher?) die Strasse unter einem 45° Hang mit darüber hängender Wechte und darunter liegenden Lawinenverbauungen führt, reicht‘s mir endgültig. Ich kehre um.
Beim Rückweg treffe ich einen gewiegten Tessiner Berggänger. Wir beraten die Situation und kommen auf die gleiche Beurteilung. Zum Glück.
So kehre ich nach einem kleinen Ausflug zum Parkplatz zurück. Auf dem Kasernenareal ist es still geworden.
Heldentot ist nicht meine Sache.
Tourengänger:
Seeger

Communities: Schneeschuhtouren, Ticino Selvaggio
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