Schatz im Rucksack!
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Im Universum der Frau Mutter wurde gewandert, und am Schluss stand zur Belohnung dann der Kaffee im Gartencafé. Alte Transistorradios hätten ihr nicht viel Freude gemacht. – Im Universum ihres Sohnes steht die Belohnung ganz zu Anfang: das alte Transistorradio. Nachher wird getippelt, an der ersten Cappuccino-Quelle zieht man hochmütig vorbei – es wird schon noch etwas kommen später – und bekommt deshalb keinerlei Labung mehr, bis man um zehn Uhr abends zu Hause ankommt.
Ist man unzufrieden? – Man ist sehr zufrieden, zufriedener könnte man gar nicht sein. – Man hat einen Schatz im Rucksack! – Man ist weit gewandert und hat viel gesehen. Man hat viel gehört, wo man es nicht erwartet hat, und man hat darüber viel nachgedacht.
Der Schatz kommt in Delfzijl am Anfang der Wanderung noch einmal kurz aus dem Rucksack, damit ich ihn ablichten kann. Schaut ihn Euch nur aufmerksam an: Jahrgang 1961, zwar auch schon ein wenig in die Jahre gekommen im Innern, aber von aussen immer noch jugendlich und adrett. Was kann man mehr wollen?

Wie ist es eigentlich zu dieser verrückten Wanderung gekommen und ist sie so verlaufen, wie sie einmal geplant gewesen ist? – Nun, man muss seine neue Eroberung in Delfzijl West abholen. Beim Umsteigen in Groningen hat man nur ganz, ganz wenig Zeit – haben die Leute doch beschlossen, die ganzen Bahnanlagen tüchtig umzukrempeln. Eine riesige Baustelle ist es, da geht nichts auf dem automatischen Pilot. Plötzlich steht rojosuiza vor einem Zug, der nach Eemshaven fahren soll: das ist der falsche. Also hurtig zurück zur anderen Seite der Bahnanlagen: Delfzijl, das ist der richtige.
Die Schrecksekunde reicht aus, die nun folgende Wanderung vorzugeben. Denn in seiner Zeit in der holländischen Bahnfachschule, hat es da einen Bahnhof Eemshaven gegeben? – Es hat ihn nicht gegeben. Er existiert erst seit einigen Jahren. Wie wäre es also, wenn ich das eine Ende des holländischen Bahnnetzes – Delfzijl – mit dem anderen – Eemshaven – verbände? – Das müsste doch in vier Stunden zu schaffen sein…
Nein, nein, es ist nicht dem Fotografieren anzulasten, dass es nichts geworden ist. Auch nicht dem Warten auf die Wattspritzerchen, die ich zwar gesehen habe, die ich aber für den Leser nicht fotografieren konnte, weil die Spritzer immer viel zu kurz gewesen sind. Eher ist der Grund, dass dieses Eemshaven einfach zu lang ist, ellenlang Schwerindustrie mit tausend Windmühlen. Dazu der Zug! Der fährt nämlich mitnichten im Halbstundentakt. Die Lage des Bahnhofs! Ganz, ganz aussen, sogar ausserhalb des Deiches. Also habe ich die Übung abgebrochen, die Planung über den Haufen geworfen, und so bin ich zur Einsicht gekommen…
Zu welcher Einsicht? – Nun, zur Einsicht, dass Windmühlen Lärm machen, viel Lärm. Ebenso zur Einsicht, dass die riesigen Exemplare nicht in die Nähe von Wohnungen geh ören. Darüber hinaus zur Einsicht, dass der Betreiber die Bewohner für die Belästigung entschädigen muss. Es gibt nichts zu deuteln, wer anderen etwas wegnimmt – die Ruhe! – der kommt für die Entschädigung auf.
Hat die Bahnschule mir noch etwas gebracht? – Gewiss, ich kenne doch den alten Endbahnhof der Linie, der Bahnhof heisst Roodeschool. Den steuere ich jetzt an. Bus und Öffentlichen Verkehr? – Existiert nicht, hier sagen Hase und Fuchs sich gute Nacht. Und wo es doch etwas gäbe, gibt es das nicht an Wochenenden! Über ‚Polen‘ marschiert der Wicht, durch ‚Oudeschip‘ kommt er, nach Stunden erreicht er ein Hotel, wo man etwas trinken könnte. Er verschmäht es, nicht sein Geschmack, in Roodeschool wird es Besseres geben… Gibt es schliesslich etwas Besseres in Roodeschool? – Ach, der Held ist fünfzig Jahre zu spät. Alle Geschäfte sind dahin. Das letzte Café hat längst die Türen geschlossen. Es fällt langsam auseinander, ist aber gern bereit, sich pachten zu lassen… Es kommt die Roodeschooler Riesenuhr! – Sie zeigt es mir nicht – sie ist ja längst stehen geblieben! – aber es ist doch wahr: Der Zug, wartend auf der einsamen Station am Dorfrand, er wird mir vor der Nase abfahren.
Das gibt mir Gelegenheit, nochmals zur Riesenuhr zurückzuschleichen, um ein besseres Foto zu machen. Ein Roodeschooler spricht mich an, ob ich denn nun all die Schönheiten des Ortes genügend abgelichtet habe. Ich klage ihm mein Leid, keine Cappuccino-Quelle mehr im Dorf, worauf er mir sofort eine Tasse Kaffee anbietet. Ich hätte sie nehmen sollen, bin dazu aber zu dumm, und will jetzt nur noch meinen Zug nicht verpassen…
Um 22:15 bin ich schliesslich zu Hause. Müde und durstig. – Hat die ganze Weltreise sich denn nun gelohnt? – Womit wir wieder beim Anfang wären: dem Schatz im Rucksack! Natürlich hat der Ausflug sich gelohnt.
Wie man sieht, geht bei rojosuiza immer alles ganz gut, selbstverständlich wegen der überaus vorzüglichen Planung…
Tourengänger:
rojosuiza

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